Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230892/3/SR/Ri

Linz, 22.10.2004

 

 

 VwSen-230892/3/SR/Ri Linz, am 22. Oktober 2004

DVR.0690392
 
 
 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine

I. Kammer

 
unter dem Vorsitz von Dr. G r o f,
in Anwesenheit des Berichters Mag. S t i e r s c h n e i d e r
und der Beisitzerin Mag. B e r g m a y r - M a n n

 

 

über die Berufung des S J, B Straße, Ried, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried i.I. vom 3. August 2004, Zl. Sich96-408-2004-Ha, wegen Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
  2.  

  3. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z.1, § 51e Abs.2 Z.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002- VStG

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried i.I. wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 14.05.2004 von 20.45 Uhr - 22.08 Uhr in 4910 Ried i.I., B Straße und im Cafe der Tankstelle S sowie in der Pizzeria "R" die anwesenden Gäste in offensichtlich stark alkoholisiertem Zustand belästigt, indem Sie von Tisch zu Tisch torkelnd zwei lange Küchenmesser in der hinteren Gesäßtasche eingesteckt hatten. Sie haben somit durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl.Nr. 566/1991

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Freiheitsstrafe von 48 Stunden

Gemäß § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz

Weitere Verfügungen (zB. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Gemäß § 19a VStG wird Ihnen die Vorhaft in der Dauer von 8 Stunden und 27 Minuten auf die Freiheitsstrafe angerechnet. Es sind somit noch 39 Stunden und 33 Minuten Freiheitsstrafe zu verbüßen.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

25,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 25,00 EU".

 

2. Gegen dieses dem Bw am 5. August 2004 zu eigenen Handen zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. In der Begründung führte die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt auf Grund der Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Ried i. Innkreis einwandfrei erwiesen sei. Da der Bw keine Stellungnahme abgegeben habe, könne angenommen werden, dass er dem klaren Sachverhalt nichts entgegen zu halten habe. Die Tatbestandsmerkmale der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung seien voll und ganz erfüllt, da der Bw "zum Tatzeitpunkt in offensichtlich alkoholisiertem Zustand im Cafe der Tankstelle S sowie in der Pizzeria `R´ die anwesenden Gäste belästigt habe, indem er von Tisch zu Tisch torkelnd zwei lange Messer in der hinteren Gesäßtasche eingesteckt hatte".

 

Die Freiheitsstrafe wurde damit begründet, dass der Bw "seit dem Jahre 1999 bereits 14 mal wegen Übertretung nach § 81 Abs. 1 SPG, 7 mal wegen Übertretung nach § 83 Abs. 1 SPG und 15 mal wegen Übertretung nach § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz" rechtskräftig bestraft worden sei. Weiters hat sich der Bw hinsichtlich der Beachtung von Vorschriften, welche der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen, in hohem Maße uneinsichtig gezeigt. Um ihn von Übertretungen gleicher Art abzuhalten, sei die Verhängung einer Freiheitsstrafe als unbedingt notwendig erachtet worden.

 

2.2. Dagegen hat der Bw die zur Last gelegte Tat bestritten und die verhängte Strafe als zu hoch bezeichnet.

 

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat die Berufung samt den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

    1. Auf Grund der Aktenlage steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

 

3.2.1. Laut BLZ-Einsatzprotokoll für den 14.05.2004 (Beilage 2) teilte um 20.50 Uhr ein Verkehrsteilnehmer telefonisch mit, dass "auf der Braunauerstraße zwischen Bäckerei M u. Kloster St. A ein stark betrunkener Mann, der in der Hosentasche 2 Messer eingesteckt habe, unterwegs sei".

 

Weiters ist im BLZ-Einsatzprotokoll festgehalten, dass "um 22.00 Uhr die Pizzeria R angezeigt habe, dass sich eine betrunkene Person mit 2 eingesteckten Messern im Lokal aufhalte und deshalb um Gendarmerieintervention gebeten wurde."

 

3.2.2. In der Gendarmerieanzeige vom 14. Juni 2004, GZ 2011/1/2004 UZE führt der Meldungsleger RevInsp U aus, dass "der Bw am 14. Mai 2004 - von 20.45 bis 22.08 Uhr - im Cafe der Tankstelle S (B) sowie in der Pizzeria R (Bgasse) die anwesenden Gäste in offensichtlich stark alkoholisiertem Zustand, von Tisch zu Tisch torkelnd, dadurch erheblich gestört habe, da er zwei lange Küchenmesser in der hinteren Gesäßtasche eingesteckt hatte".

 

Unter "b) Beweismittel" wird die Übertretung als "dienstlich wahrgenommen" beschrieben.

 

Die Festnahme des Bw erfolge um 22.08 Uhr vor dem Cafe "F" (S) durch die Gendarmeriebeamten RevInsp K und RevInsp H. Unter "Weitere Beweismittel" wird auf die telefonische Anzeigeerstattung, das Einsatzprotokoll und die Erhebungen der Gendarmeriebeamten RevInsp B und RevInsp U verwiesen.

 

3.2.3. Neben der behördlichen Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2. Juli 2004 finden sich keine weiteren Hinweise auf ein behördliches Ermittlungsverfahren und auf Erhebungsberichte der einschreitenden Beamten.

 

3.3. Entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz kann der im Spruch angeführte Sachverhalt nicht auf Grund der "Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als einwandfrei erwiesen angesehen werden".

 

Abgesehen davon, dass der Bw die ihm angelastete Verwaltungsübertretung an zwei Orten - Cafe S und Pizzeria R - begangen hat, somit von zwei unabhängig voneinander verwirklichten Tatbildern auszugehen gewesen wäre, ist die vorgehaltene Tatzeit - bezogen auf die Tatorte - nicht nachvollziehbar. Schon aus der Aktenlage ist ersichtlich, dass der Bw die ihm vorgeworfene Tat weder während dieser Zeitspanne noch durchgehend begehen konnte. Laut BLZ-Einsatzprotokoll befand sich der Bw jedenfalls um 20.50 Uhr nicht im Cafe S sondern "auf der Bstraße zwischen Bäckerei M und Kloster St.". Da weiters die Festnahme wegen Fortsetzung der strafbaren Handlung nicht in der Pizzeria R, Bstraße sondern vor dem Cafe F, Stor erfolgte, können die ihm vorgeworfenen Tathandlungen nicht bis 22.08 Uhr angedauert haben. Geht man von der korrekten Zeitwiedergabe im BLZ-Einsatzprotokoll aus, dann kann das Interventionsersuchen aus der Pizzeria R den einschreitenden Beamten nicht vor 22.00 Uhr mitgeteilt worden sein. Setzt man Einsatz- und Festnahmezeitpunkt sowie Festnahmeort zueinander in Beziehung, ist auf Grund der kurzen Zeitspanne (weniger als 8 Minuten) und des Festnahmeortes eine "dienstliche Wahrnehmung der Übertretung" schlichtweg unmöglich.

 

Inwieweit andere Personen eine allfällige Verwaltungsübertretung des Bw beobachtet haben, kann nicht ermittelt werden, da dem Akt keine entsprechenden Personalien entnommen werden können.

 

  1. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

 

4.1.2. § 81 Abs. 1 SPG bildet ein Erfolgsdelikt, weshalb § 5 Abs. 1 VStG nicht zum Tragen kommt. Im Sinne von § 81 Abs. 1 SPG ist jedes menschliche Verhalten tatbildlich, das als besonders rücksichtslos qualifiziert werden kann. Rücksichtsloses Verhalten ist jenes Verhalten, das gegen jene ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit verstößt, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben angesehen wird. Die besondere Rücksichtslosigkeit ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Ein Verhalten, das unter bestimmten Umständen hinzunehmen ist, kann unter anderen Umständen besonders rücksichtslos sein. Demnach ist die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört, wenn ein Zustand hergestellt worden ist, welcher der Ordnung widerspricht, wie sie an einem öffentlichen Ort gefordert werden muss oder wenn ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht. Jedenfalls muss durch das tatbildliche Verhalten entweder der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder aber ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein (Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, Kommentar2 , Seite 592 ff).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Tatbestandselement der tatsächlichen Störung der öffentlichen Ordnung überdies nur dann verwirklicht, wenn das Verhalten des Beschuldigten und seine Äußerungen von anderen Personen als den unmittelbar Betroffenen und intervenierenden Beamten wahrgenommen werden kann. Dieses Element der Straftat ist im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen, ebenso wie die Tatsache, dass diese Personen daran Ärgernis genommen haben (u.v. VwGH vom 25.11.1991, Zl. 91/10/0207).

 

4.2. Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z.1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 971).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

4.3. Wie aus der Aktenlage, den Sachverhaltsfeststellungen und der Beweiswürdigung ersichtlich ist, hat die Behörde erster Instanz dem Bw eine Tat angelastet, die der Bw an zwei Tatorten - unabhängig voneinander - erfüllt haben soll. Auf Grund der Aktenlage wäre somit von zwei Taten auszugehen. Eine zeitliche Eingrenzung, wann welche Tat begangen wurde, ist nicht möglich. Mangels namhaft gemachter Zeugen und mangels eigener dienstlicher Wahrnehmungen der einschreitenden Beamten kann auch die "zweite" Verwaltungsübertretung, bezogen auf den Tatort Pizzeria R, weder zeitlich eingegrenzt noch auf das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale überprüft werden. Anzumerken ist, dass eine bloße Alkoholisierung kein tatbildliches Verhalten bildet.

 

Abgesehen von der mangelhaften Tatkonkretisierung kann dem Spruch nicht entnommen werden, dass das Verhalten des Beschuldigten von anderen Personen als den unmittelbar Betroffenen und intervenierenden Beamten wahrgenommen werden konnte. Dieses Element der Straftat wäre aber im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen gewesen, ebenso wie die Tatsache, dass diese Personen daran Ärgernis genommen haben.

 

Da die dem Bw zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden konnte, war von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG die Einstellung zu verfügen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der Behörde erster Instanz noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Grof

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