Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230908/2/SR/Ri

Linz, 25.04.2005

 

 

 VwSen-230908/2/SR/Ri Linz, am 25. April 2005

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 
 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des S J, geb., W, Hstraße, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Wels vom 22. Februar 2005, Zl. III-S-9.116/04/S wegen Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs. 1 Z 1, § 51c und § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2000- VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Wels wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 4.8.2004 um 10.40 Uhr bis 10.45 Uhr in Wels, E Straße, Parteienraum des Wachzimmers Neustadt herumgeschrieen und Sicherheitswachebeamte beschimpft und sich so trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 82 Abs. 1SPG

 

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

 

€ 100,00

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

48 Stunden

gemäß

 

§ 81 Abs. 1 SPG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher € 110,00."

 

 

2. Gegen dieses dem Bw am 1. März 2005 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. Die Behörde erster Instanz hat in der Begründung im Wesentlichen auf die dem Straferkenntnis zugrundeliegende Anzeige hingewiesen und diese wörtlich wiedergegeben. In der Beweiswürdigung wurde den Beamten im Hinblick auf den Diensteid, die strafrechtliche Verantwortlichkeit und der Schlüssigkeit ihrer Aussagen mehr Glaubwürdigkeit beigemessen. Erstmals wurde - wenn auch nur ansatzweise - die Amtshandlung" beschrieben. Danach habe diese das "Auskunftsbegehren betreffend eine zurückliegende Amtshandlung" betroffen. Durch das Verhalten des Bw sei die Amtshandlung unnötig in die Länge gezogen und so behindert worden. Die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung sei auf Grund der vorliegenden Beweise eindeutig erwiesen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien geschätzt und bei der Strafbemessung sei auf § 19 VStG Bedacht genommen worden.

 

2.2. Dagegen hat der Bw vorgebracht, dass er die Beamten nicht beschimpft und die Amtshandlung nur 2 Minuten gedauert habe. Die Polizisten seien nicht nur zu dritt sondern zu viert gewesen. Es sei auch eine Polizistin dabei gewesen. Diese habe sich auch damals im Krankenhaus befunden und die Amtshandlung gegen ihn geführt. Der Bw beantragte erschließbar die Aufhebung des Straferkenntnisses.

 

3. Auf Grund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

 

3.1. Der Bw hat am 4. August 2004, um 10.40 Uhr das Wachzimmer Neustadt in 4600 Wels, E Straße betreten und ohne ersichtlichen Grund die in der Anzeige festgehaltenen Beschimpfungen getätigt. Seine lautstarken Äußerungen unterstrich er dadurch, dass er mit den Händen wild gestikuliert hat. Obwohl ihm zu verstehen gegeben worden war, dass ihm keine personenbezogenen Daten bekannt gegeben werden, hat er sein Verhalten nicht eingestellt. Erst als er nach zweimaliger Abmahnung von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt worden war, hat er sein Verhalten eingestellt und um 10.45 Uhr das Wachzimmer verlassen.

 

3.2. Auf Grund der übereinstimmenden Zeugenaussagen ist davon auszugehen, dass der Bw ohne ersichtlichen Grund im Wachzimmer Neustadt geschrieen, die Beamten beschimpft und wild mit den Händen gestikuliert hat. Nicht erwiesen ist, dass eine Amtshandlung stattgefunden hat. Sollte die Auskunftserteilung als Amtshandlung angesehen werden, dann ist diese - nach Aktenlage - mit dem Hinweis, dass keine personenbezogenen Daten bekannt gegeben werden als beendet anzusehen. Die kaum eine Minute andauernde Amtshandlung kann daher weder behindert noch in die Länge gezogen worden sein.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 82 Abs. 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist; ........

 

Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch des Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw.

 

Der Vorschrift des § 44a Z1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1521).

 

Dass es im Bescheidspruch zufolge der Z 1 der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z 2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falls zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwenigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (siehe hiezu Hauer/Leukauf, aaO, Seite 1522).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl. etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z. 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z. 2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

 

Die Behörde erster Instanz hat dem Bw zwar eine Verwaltungsübertretung zur Last gelegt und ihn zur Rechtfertigung aufgefordert, jedoch mit der gewählten Formulierung keine dem Gesetz entsprechende Konkretisierung iSd § 44a Z. 1 VStG vorgenommen.

 

4.2.1. Unter aggressivem Verhalten ist ein solches zu verstehen, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organs zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, dass diese Abwehr zufolge des Tones des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als "aggressives Verhalten" gewertet werden muss. Solches liegt etwa vor, bei "Gebrauch lautstarker Worte verbunden mit heftiger Gestik gegenüber einem Sicherheitswachebeamten". Um den Konkretisierungsmaßstab des § 44a Z. 1 VStG im Zusammenhang mit § 82 Abs. 1 SPG zu erfüllen, muss aus dem erstinstanzlichen Straferkenntnisbescheid erkennbar sein, worin nun das angebliche aggressive Verhalten des Beschuldigten bestanden haben soll, durch welche Äußerungen oder Handlungen dieses zum Ausdruck gekommen sein soll und inwieweit eine (bestimmte) Amtshandlung behindert worden ist. Erschöpft sich die Darstellung im erstinstanzlichen Spruch lediglich in dem Hinweis ..."im Parteienraum des Wachzimmers Neustadt herumgeschrieen und Sicherheitswachebeamte beschimpft und sich so trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert ..." zu haben, so ist dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG nicht entsprochen .

 

4.2.2. Abgesehen von der mangelnden Konkretisierung im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses stellt sich in inhaltlicher Hinsicht die Frage, ob einerseits überhaupt eine Amtshandlung vorgelegen ist und andererseits ob eine solche so lange angedauert hat, dass sie der Bw überhaupt stören konnte.

 

Laut Anzeige vom 4. August 2004 beschränkt sich die "Amtshandlung" darauf, dass dem Auskunftsbegehren des Bw mit Hinweis auf den Datenschutz (arg.: personenbezogene Daten werden nicht weitergegeben) nicht entsprochen wurde. Geht man davon aus, dass eine Amtshandlung vorgelegen ist, dann war diese mit der Übermittlung der Information - "personenbezogene Daten werden nicht weitergegeben" - beendet. Dafür spricht auch die Anwesenheitsdauer des Bw im Wachzimmer. Die Anzeige beschreibt in der Folge ein Verhalten, das allenfalls als "Störung der Ordnung" betrachtet werden kann. Eine Behinderung einer "noch andauernden Amtshandlung" oder die "später erfolgte Beendigung einer Amtshandlung" wird nicht beschrieben. Ebensowenig lässt sich die Behinderung einer Amtshandlung aus den im Akt befindlichen Zeugeneinvernahmen ableiten. Lediglich ein Zeuge will zumindest die "erhebliche Störung des Betriebes am Wachzimmer" wahrgenommen haben. Erstmals in der Begründung des Straferkenntnisses wird die "Amtshandlung" konkretisiert. Diese wird als "Auskunftserteilung betreffend eine zurückliegende Amtshandlung" beschrieben und dem Bw der Vorwurf gemacht, dass er diese unnötig in die Länge gezogen und so behindert habe. Nicht nachvollziehbar ist in der Begründung, dass die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung "auf Grund der vorliegenden Beweise eindeutig als erwiesen" anzusehen ist, da gerade aus der Aktenlage die angelastete Verwaltungsübertretung nicht in der angesprochenen Deutlichkeit abgeleitet werden kann.

 

Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass auch im Falle einer entsprechenden Konkretisierung im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses gerade auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dem Bw nicht der angelastete verwaltungsstrafrechtliche Vorwurf gemacht werden hätte können.

 

4.4. Gemäß § 45 Abs.1 Z. 1 VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen. Auf die weiteren Berufungsgründe war nicht mehr einzugehen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 
 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum