Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230913/2/WEI/An

Linz, 20.05.2005

 

 VwSen-230913/2/WEI/An Linz, am 20. Mai 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der P P, G, W, vertreten durch Mag. S T, Rechtsanwalt in M, S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 31. Jänner 2005, Zl. III/S-11.654/04-2 SE, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG (BGBl Nr. 566/1991, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 151/2004) zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
  2. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs 4 AVG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

"Sie haben am 06.03.2004, um 14.45 Uhr in L, L, Geschäftsräume der Firma P durch ein besonders rücksichtloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört, indem Sie im Verkaufsraum des dortigen Geschäftes gemeinsam mit anderen Personen Transparente entrollt und mit Trillerpfeiffen gepfiffen haben."

Dadurch erachtete die belangte Strafbehörde den § 81 Abs 1 SPG als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung gegen die Bwin eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 5 Euro vorgeschrieben.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, es stehe aufgrund der Anzeige vom 18. März 2004 und des durchgeführten Ermittlungsverfahrens unbestritten fest, dass die Bwin in den Geschäftsräumen der Fa. P gemeinsam mit anderen Personen Transparente entrollt und mit Trillerpfeifen gepfiffen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe im Geschäft reger Kundenverkehr geherrscht. Durch das Verhalten der Bwin sei der normale Ablauf an einem öffentlichen Ort, nämlich der ungestörte Geschäftsbetrieb, ungerechtfertigt beeinträchtigt und gestört worden. Im Übrigen wurde das bisherige Verfahren kurz dargestellt und die Strafbemessung näher begründet.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin zu Händen ihres Rechtsvertreters am 4. Februar 2005 zugestellt wurde, richtet sich die am 16. Februar 2005 - und somit rechtzeitig - der Post zur Beförderung übergebene und bei der belangten Behörde am 18. Februar 2005 eingelangte Berufung.

Darin wird unrichtige Tatsachenfeststellung, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt. Insbesondere sei nicht konkretisiert, ob die Bwin tatsächlich gepfiffen habe. Das bloße Pfeifen sei auch nicht als erhebliche Störung einzustufen. Das vorgeworfene Verhalten hätte besonders rücksichtslos und die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt störend sein müssen. Die Behörde erster Instanz habe sich diesbezüglich auf bloße Mutmaßungen gestützt.

Abschließend wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Herabsetzung der verhängten Strafe, beantragt.

1.3. Die belangte Behörde hat ihren Strafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, wobei eine Berufungsvorentscheidung nicht in Erwägung gezogen wurde.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bundespolizeidirektion Linz und schon auf Grund der Aktenlage befunden, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

3. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

3.1. Am 6. März 2004 um ca. 14.45 Uhr betrat eine Personengruppe von 15 bis 20 Personen das Geschäft des Unternehmens P in L, L. Einige Personen entrollten Transparente, einige machten mit Trillerpfeifen und Sprechchören, unterstützt durch ein Signalhorn, auf sich aufmerksam. Im Geschäft herrschte reger Kundenverkehr. Als die Personen das Verkaufslokal verließen, wurde eine Gruppe von Personen vom Hausdetektiv weiter verfolgt.

Auf Grund telefonischer Verständigung durch den Hausdetektiv um ca. 14.55 Uhr rückten Polizeiorgane vom Wachzimmer L aus und begaben sich in Richtung T. Sie bemerkten kurz vor 15.00 Uhr eine Personengruppe, die sich in Richtung H auf dem als Promenade bezeichneten Straßenzug bewegte. In weiterer Folge konnte die Gruppe in der H angehalten werden. Bei den anschließenden Personendurchsuchungen wurden zwei Trillerpfeifen, eine Treibgashupe sowie Prospekt- und Propagandamaterial sichergestellt.

Der Geschäftsführer von P erstattete Anzeige.

3.2. Dieser Sachverhalt ergab sich widerspruchsfrei aus der Aktenlage. Abgesehen davon konnten keine weiteren Sachverhaltselemente mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit bewiesen werden. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, ob die Bwin persönlich im Bekleidungsgeschäft Transparente entrollt und mit Trillerpfeifen gepfiffen hat oder ob nicht etwa andere dort anwesende Personen in dieser Weise handelten. So wurde von der belangten Behörde allen vier gleichzeitig angehaltenen Personen vorgeworfen, mit Trillerpfeifen gepfiffen und Transparente entrollt zu haben; bei der Personendurchsuchung am Wachzimmer wurden aber nur zwei Trillerpfeifen und kein Transparent vorgefunden. Eine Zuordnung der Pfeifen zu den einzelnen Personen ist unterblieben. Dabei ist wohl auszuschließen, dass die Bwin bei ihrer Einvernahme als Beschuldigte Aussagen treffen wird, die zu belastenden Feststellungen führen werden, die eine Subsumtion unter die Tatbestandselemente des vorgeworfenen Delikts zulassen würden, hat sie doch bestritten, überhaupt gepfiffen zu haben.

Auch hinsichtlich der Tatbestandselemente "rücksichtsloses Verhalten" und "ungerechtfertigte Störung der öffentlichen Ordnung" fehlen fundierte Feststellungen.

Ein Beweisverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat erscheint schon deshalb entbehrlich, weil es keine ausreichenden Hinweise auf Beweise gibt, die zu Feststellungen führen könnten, wie sie für die Erfüllung des vorgeworfenen Tatbestands Voraussetzung wäre. So wurden die Behauptungen im bekämpften Bescheid nicht durch Zeugeneinvernahmen von im Geschäft anwesenden Kunden oder durch die Angabe der Identität dieser Personen belegt. Nicht einmal der Hausdetektiv wurde einvernommen. Es wäre wohl auch vor dem Hintergrund der gebotenen Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (vgl § 39 Abs 2 letzter Satz AVG iVm. § 24 VStG) in erster Linie Aufgabe der einschreitenden Polizeiorgane und in weiterer Folge der belangten Strafbehörde gewesen, den entsprechenden Sachverhalt zu erheben und erst nach hinreichender Sicherung und Aufnahme von geeigneten Beweisen eine Entscheidung zu treffen. Dies betrifft vor allem die wesentlichen Tatfragen, wie etwa die Frage der Dauer der Tat und der besonderen Tatumstände, die eine Qualifizierung des vorgeworfenen Verhaltens als besonders rücksichtslos plausibel erscheinen lassen. Erfolg versprechende Hinweise, wonach die gebotenen näheren Aufklärungen mit vertretbarem Aufwand (vgl § 39 Abs 2 letzter Satz AVG iVm § 24 VStG) noch erfolgen könnten, sind dem Akt nicht zu entnehmen.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Die Verwaltungsübertretung einer Störung der öffentlichen Ordnung nach § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG begeht und ist mit Geldstrafe bis 218 Euro (vgl Art 21 des BGBl I Nr. 98/2001) oder bei Vorliegen erschwerender Umstände mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen (Abs 1 Satz 2) zu bestrafen,

 

wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

 

Bei dieser Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein die Beweisregel des § 5 Abs 1 Satz 2 VStG ausschließendes Erfolgsdelikt. Tatbildlich iSd § 81 Abs 1 SPG ist jedes menschliche Verhalten, das als "besonders rücksichtslos" qualifiziert werden kann und eine Störung der öffentlichen Ordnung herbeiführt.

 

Rücksichtslos ist ein der öffentlichen Ordnung widersprechendes Verhalten, das gegen jene ungeschriebenen Regeln für das Verhalten in der Öffentlichkeit verstößt, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben angesehen wird (vgl Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz2 [ 2001] 592, Anm B.4.1 und 600, Rechtsprechung C.5.)

 

Während die Vorgängernorm der Ordnungsstörung nach dem Art IX Abs 1 Z 1 EGVG in der bis 1. Mai 1993 geltenden Altfassung (vgl EGVG-Nov BGBl Nr. 143/1992) noch allgemein auf ein Verhalten, das Ärgernis zu erregen geeignet ist, abstellte, verlangt die im Verhältnis dazu günstigere Strafbestimmung des § 81 Abs 1 SPG (vgl VwGH 24.4.1995, Zl. 94/10/0154) nicht bloß einfache, sondern sogar das Vorliegen besonderer Rücksichtslosigkeit. Aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum § 81 SPG (vgl RV 1991 zum SPG, 148 BlgNR 18. GP, 52) ergibt sich, dass die Strafbarkeit gegenüber der Vorgängerbestimmung durch das Erfordernis des besonders rücksichtslosen Verhaltens und durch die Betonung der Frage, ob es konkret im Einzelfall eine Rechtfertigung der Störung der Ordnung - beispielsweise durch Ausübung von Grund- und Freiheitsrechten - gibt, inhaltlich zurückgenommen werden sollte.

 

Die Frage der besonderen Rücksichtslosigkeit wird nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen sein, wobei grundrechtliche Positionen besondere Bedeutung haben. Wer andere bei Ausübung oder Inanspruchnahme von grundrechtlichen Positionen stört, handelt in der Regel besonders rücksichtslos (vgl Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz2, 592, Anm B.4.1.).

 

Die Rechtsprechung zum EGVG (zahlreiche Beispiele zur alten Ordnungsstörung nach Art IX Abs 1 Z 1 EGVG bei Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz2, 592 ff, Anm B.4.1.1. bis B.4.1.3.) bietet zwar eine Fülle von Beispielen für Ordnungsstörungen, diese können allerdings nicht einfach undifferenziert und ohne weitere Überlegungen auf die seit 1. Mai 1993 geltende neue Rechtslage übertragen werden.

 

4.2. Auf der Basis der von der belangten Strafbehörde getroffenen - und wie oben bereits dargelegt - nicht vertretbar erweiterbaren Feststellungen ist es im gegenständlichen Fall schon nicht erwiesen, dass die Bwin das ihr zur Last gelegte Verhalten gesetzt hat.

 

Da der Bwin nach Ausweis der Aktenlage nicht nachzuweisen war, eine Verwaltungsübertretung nach § 81 Abs 1 SPG durch besonders rücksichtsloses Verhalten begangen zu haben, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

5. Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. W e i ß

 
 

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