Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230914/2/BMa/Ri

Linz, 18.05.2005

 

 

 VwSen-230914/2/BMa/Ri Linz, am 18. Mai 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der N O, vertreten durch Dr. M B, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Steyr vom 24. Februar 2005, Zl. S 8411/ST/O4, wegen Übertretung des Fremdengesetzes zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:
zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.
Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/91 - VStG
 
zu II.: § 66 Abs.1 VStG
 
 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Steyr wurde die Berufungswerberin (Bw) für schuldig befunden, sie habe sich laut Anzeige des fremdenpolizeilichen Referates vom 17. November 2004 seit 5. August 2004 insofern nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, als ihr Einreisetitel (Visum C) am 4. August 2004 abgelaufen sei und sie seit diesem Zeitpunkt weder im Besitz eines gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitels, eines vorübergehenden Aufenthaltesrechts auf Grund einer Verordnung für Vertriebene, einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz und auch nicht Inhaberin eines von einem anderen Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sei, obwohl sie für ihren rechtmäßigen Aufenthalt einen der angeführten Nachweise benötigen würde. Sie habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 107 Abs.1 Z4 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 126/2002 - FrG, iVm

§ 31 FrG verletzt.

Gemäß § 107 Abs.1 Z4 FrG werde über sie eine Geldstrafe von 40 Euro, falls diese uneinbringlich sei, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.

Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens habe sie gemäß § 64 VStG 4 Euro zu zahlen.

 

1.2. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Reisevisum (Visum C) stelle keine Genehmigung dar, als Familienangehörige eines türkischen Staatsangehörigen zu diesem nach Österreich zu ziehen.

Mildernde oder erschwerende Umstände seien der Behörde nicht bekannt. Bezüglich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse gehe die Behörde davon aus, dass sie kein relevantes Vermögen besitze, keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten habe und kein Einkommen beziehe, weshalb die Strafhöhe, im Hinblick auf den möglichen Strafrahmen dem Unrechtsgehalt der Tat, als angepasst erscheine.

 

1.3. Gegen dieses ihrem Rechtsvertreter am 2. März 2005 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 16. März 2005 (und damit rechtzeitig) zur Post gegebene Berufung.

 

1.4. Darin wird im Wesentlichen angeführt, die Bw habe von Steyr aus beim Magistrat der Stadt Steyr den Antrag auf Niederlassungsbewilligung, somit auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsberechtigung, gestellt. Über diesen Antrag sei bis jetzt nicht entschieden worden.

Grundsätzlich habe sie im Sinne der Judikatur des EuGH zu ARB 1/80 den auf Europa - bzw. Gemeinschaftsrecht beruhenden Anspruch, in Österreich entgegen den sonstigen Bestimmungen des FrG den Antrag auf Niederlassungsbewilligung zwecks Familiengemeinschaft mit ihrem auf Dauer niedergelassenen Ehegatten, der ja voll dem Beschluss des ARB 1/80 unterliegt, zu stellen, weil das FrG und die insoweit restriktiveren Bestimmungen nicht ihre Rechte aus ARB 1/80, die sie aus der Rechtsstellung ihres Ehegatten ableite, schmälern könnten.

Eine andere Interpretation würde zumindest eine indirekte Diskriminierung ihres Ehegatten als Arbeitnehmer darstellen. Dazu verweise sie auf den aktuellen vor dem EuGH erst jüngst entschiedenen Fall in der Rs C 60/00 (M C ), wonach eine Diskriminierung ihrerseits und ihres Gatten vorliegen würden, wenn sie nicht in Österreich den Antrag auf Niederlassungsbewilligung stellen könne und schon vor Erledigung dieses Antrages abgestraft werde.

 

Für den Fall, dass der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht dieser Rechtsmeinung entspreche, werde die Anfrage und Vorlage iSd Artikel 234 EG an den EuGH in Luxemburg angeregt.

 

Daher wird die ersatzlose Behebung und Einstellung des Strafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der Strafe beantragt.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt zu Zl. S 8411/ST/04 der Bundespolizeidirektion Steyr festgestellt, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nach der Aktenlage geklärt erscheint, nur Rechtsfragen zu beantworten sind und eine mündliche Verhandlung auch durch die rechtsfreundlich vertretene Berufungswerberin nicht beantragt wurde.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Zu den rechtlich relevanten Bestimmungen des § 31 Abs.1 und des

§ 107 Abs.1 Z4 FrG wird auf das bekämpfte Erkenntnis der belangten Behörde verwiesen.

 

3.2. Nach § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, u.a. die als erwiesen angenommene Tat konkretisiert mit allen rechtserheblichen Merkmalen nach Ort und Zeit und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu beinhalten.

So hat der VwGH in der Entscheidung vom 10. April 1991, Zl. 90/03/0283 erkannt:

"§ 44a Z1 VStG 1950 bestimmt, dass in einem Straferkenntnis der "Spruch" (§ 44 Abs.1 Z6 leg.cit) "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten hat. Das heißt, dass die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zitierten Rechtsvorschrift ist also dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a lit.a VStG 1950 genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Dass an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes seien (siehe hiezu das hg. Erkenntnis des verstärkten Senats vom 3. 10.1985, Slg. NF Nr. 11894/A)."

Gemäß VwGH Erkenntnis vom 16.Juni 2000, Zl. 96/21/0737, hat der Spruch eines Erkenntnisses nicht nur die Sachverhaltselemente, von denen die Zuordnung eines Tatverhaltens zu den Merkmalen des Straftatbestandes abhängt, zu bezeichnen, sondern grundsätzlich auch die Anführung des Zeitpunktes der Begehung der Tat, und, falls es sich um einen Zeitraum handelt, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen.

 

Im konkreten Fall wird der Bw (lediglich) vorgeworfen, sie halte sich seit 5. August 2004 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Eine kalendermäßig eindeutige Umschreibung des Endes, des mit 4. August 2004 beginnenden Zeitraumes, ist nicht erfolgt. Auch in der ersten von der Behörde gesetzten Verfolgungshandlung, der Strafverfügung vom 3. Dezember 2004, wurde der vorgeworfene Zeitraum nicht näher konkretisiert.

 

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2 und 3) vorgenommen worden ist.

 

Gemäß § 32 Abs.2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Da im angefochtenen Bescheid die Umschreibung der der Berufungswerberin vorgeworfenen Tat hinsichtlich des Zeitraumes der Begehung entgegen der Anordnung des § 44a Z1 VStG unterblieben ist und diese Verfolgungshandlung auch durch den Oö. Verwaltungssenat nicht mehr innerhalb der gesetzlichen Frist von 6 Monaten (§ 31 Abs.2 VStG) nachgeholt werden kann, war das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Bergmayr-Mann

 
 

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