Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230920/2/BMa/Be

Linz, 25.05.2005

 

 

 VwSen-230920/2/BMa/Be Linz, am 25. Mai 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Berufung des xx, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Steyr vom 28. Februar 2005, Zl. S 3705/ST/04, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
  2.  

  3. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

 
zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm §§ 24, 51c, 51e und
45 Abs.1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 - VStG
 
zu II.: § 66 VStG
 
 
 
 
 
 

Entscheidungsgründe:

 
1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe:
16 Stunden) verhängt, weil er am 29. Mai 2004 von ca. 6:30 Uhr bis 6:45 Uhr in 4400 Steyr, Ennserstraße Nr. 10 a (BP Tankstelle), durch Anstänkern von Kundschaften, Treten gegen den Staubsauger und Beschimpfen des Tankstellentechnikers, somit durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten, die öffentliche Ordnung ungerecht-fertigt gestört habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 81 Abs.1 SPG begangen, weshalb er gemäß § 10/1a PolStG (gemeint wohl: §81 Abs. 1 SPG) zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, die dem Bw angelastete Verwaltungsübertretung sei ihm zur Kenntnis gebracht worden und es sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu rechtfertigen und entlastende Beweise vorzulegen. Von dieser Möglichkeit habe der Bw nicht Gebrauch gemacht. Hinsichtlich der Strafbemessung wurde ausgeführt, mildernde bzw. erschwerende Umstände seien nicht bekannt; es werde davon ausgegangen, dass der Bw kein für die Strafbemessung relevantes Vermögen besitze, keinen Sorgepflichten nachkommen müsse und über ein monatliches Einkommen von ca. 1.200 Euro verfüge.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw, laut eigenen Angaben am 22. April 2004 (gemeint wohl: 2005) und nach dem Vermerk auf der Übernahmsbestätigung am 25. April 2005, durch Hinterlegung zugestellt wurde, richtet sich die am 3. Mai 2005 - und somit jedenfalls rechtzeitig - niederschriftlich bei der BPD Steyr eingebrachte Berufung.

 

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, der Bw habe nach Erhalt des Straferkenntnisses festgestellt, "dass da was schief gegangen ist". Er habe keine der angeführten Handlungen begangen.

Deshalb wird - konkludent - die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens beantragt.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Steyr, Zl. S 3705/ST/04 und S 3705/ST/05; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden. Es war durch ein Einzelmitglied zu entscheiden, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (§ 51c VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1.1. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Am 29. Mai 2004 um 6:30 Uhr betrat eine Personengruppe von vier Männern die BP Tankstelle, Ennserstraße Nr. 10 a, 4400 Steyr. Diese Personengruppe wurde des Geschäftslokals verwiesen, da Personen aus dieser Gruppe zu stänkern begannen. Die Personengruppe begab sich hinter das Tankstellengebäude zu den Staubsaugern, von dort aus wurde die Kundschaft weiter angestänkert. Nicht festgestellt werden kann, ob nur einzelne dieser Personen aus der Gruppe oder alle vier Personen die Kundschaften angestänkert haben. Herr O trat mit den Füßen gegen einen Staubsauger, an dem dadurch aber kein Schaden entstanden ist. Einer der vier Männer erbrach neben dem Staubsauger.

Die Personengruppe verließ daraufhin die Tankstelle und wurde in der Resthofstraße angehalten. Die Männer waren stark alkoholisiert, zeitlich und örtlich jedoch voll orientiert.

 

3.1.2. Dieser Sachverhalt ergab sich aus der Anzeige der Bundespolizeidirektion Steyr vom 30. Mai 2004, in der auch angeführt ist, dass die Aufzeichnung(en) der Überwachungskameras der Tankstelle eingesehen wurden und deutlich ersichtlich war, wie der Bw gegen den Staubsauger mit den Füßen trat. Alle vier Personen der oben angeführten Personengruppe waren auf dieser Aufzeichnung erkennbar. Die Behauptung des Bw in seiner niederschriftlichen Berufung vom 3. Mai 2005, wonach er angab, keine der angeführten Handlungen begangen zu haben, wird damit als Schutzbehauptung gewertet.

 

3.1.3. Davon abgesehen konnten keine weiteren Sachverhaltdetails mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit bewiesen werden. Insbesondere hinsichtlich der Tatbestandselemente "rücksichtsloses Verhalten" und "ungerechtfertigte Störung der öffentlichen Ordnung" fehlen fundierte Feststellungen. So wurden die Behauptungen im bekämpften Bescheid nicht durch Zeugeneinvernahmen von bei der Tankstelle anwesenden Kunden oder durch die Angabe der Identität dieser Personen belegt.

Gemäß telefonischer Anfrage des zuständigen Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates bei der belangten Behörde am 25. Mai 2005, ob durch den inkriminierten Vorfall nicht unmittelbar betroffene Personen, die durch das Verhalten des Bw Ärgernis genommen haben, als Zeugen namhaft gemacht werden können, gab der Vertreter der belangten Behörde an, der gesamte Vorgang sei im Akt dokumentiert, darüber hinausgehende Beweise seien nicht bekannt.

Es ist auch auszuschließen, dass der Berufungswerber bei seiner Aussage als Beschuldigter Aussagen treffen wird, die zu Feststellungen führen könnten, die eine Subsumtion unter die Tatbestandselemente des ihm vorgeworfenen Delikts zulassen würden, hat er doch bestritten, überhaupt eine der ihm vorgeworfenen Handlungen begangen zu haben.

 

3.2. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen.

 

3.2.1. Gemäß § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. Nr. 151/2004, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

3.2.2. § 81 Abs. 1 SPG bildet ein Erfolgsdelikt, weshalb § 5 Abs. 1 VStG nicht zum Tragen kommt.

Im Sinne von § 81 Abs. 1 SPG ist jedes menschliche Verhalten tatbildlich, das als besonders rücksichtslos qualifiziert werden kann. Rücksichtsloses Verhalten ist jenes Verhalten, das gegen jene ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit verstößt, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben angesehen wird. Die besondere Rücksichtslosigkeit ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Ein Verhalten, das unter bestimmten Umständen hinzunehmen ist, kann unter anderen Umständen besonders rücksichtslos sein. Demnach ist die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört, wenn ein Zustand hergestellt worden ist, welcher der Ordnung widerspricht, wie sie an einem öffentlichen Ort gefordert werden muss oder wenn ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht. Jedenfalls muss durch das tatbildliche Verhalten entweder der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder aber ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein (Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, Kommentar2 , Seite 592 ff).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Tatbestandselement der tatsächlichen Störung der öffentlichen Ordnung überdies nur dann verwirklicht, wenn das Verhalten des Beschuldigten und seine Äußerungen von anderen Personen als den unmittelbar Betroffenen und intervenierenden Beamten wahrgenommen werden kann. Dieses Element der Straftat ist im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen, ebenso wie die Tatsache, dass diese Personen daran Ärgernis genommen haben (u.v. VwGH vom 25.11.1991, Zl. 91/10/0207).

Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. (Siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, Seite 969).

Ziffer 1 stellt somit klar, dass der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechtserheblichen Merkmalen konkretisiert umschrieben werden muss.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z.1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 971).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

 

3.2.3. Die Behörde erster Instanz hat dem Bw zwar eine Verwaltungsübertretung zur Last gelegt, jedoch mit der gewählten Formulierung keine dem Gesetz entsprechende Konkretisierung iSd § 44a Z. 1 VStG vorgenommen. U.a. wurde dem Bw nicht vorgehalten, dass an seinem Verhalten nicht unmittelbar betroffene Personen Ärgernis genommen haben. Durch die mangelhafte Tatanlastung war der Bw in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt.

Dem Oö. Verwaltungssenat war es aber gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG verwehrt, den Tatvorwurf auszutauschen.

3.2.4. Bereits aufgrund der mangelhaften Anlastung der Tat im Spruch des bekämpften Erkenntnisses konnte die dem Bw zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden. Eine ergänzende Beweisaufnahme zur Vervollständigung der Ermittlungsergebnisse der Erstbehörde konnte daher einerseits unterbleiben und ist andererseits von vornherein aussichtslos (siehe Punkt 3.1.3. dieses Erkenntnisses).

Somit war der Berufung stattzugeben, das Straferkenntnis aufzuheben und gemäß
§ 45 Abs. 1 Z. 1 VStG die Einstellung zu verfügen.

 

4. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.
 
 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 
 

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