Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240014/2/Gf/Kf

Linz, 20.11.1991

VwSen - 240014/2/Gf/Kf Linz, am 20.November 1991 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Berufung des Dr. F, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 29. August 1991, Zl. MBA23-06/077/0/Str, zu Recht erkannt:

Gemäß § 66 Abs.4 AVG und § 45 Abs.1 lit.a VStG wird der Berufung stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom 13. Dezember 1991, Zl. MBA23-06/077/0/Str, wurde über den Beschwerdeführer nach dem Lebensmittelgesetz eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) verhängt, weil er falsch bezeichnete kosmetische Mittel durch Lagern in Verkehr gebracht hat.

Dagegen hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Einspruch erhoben.

1.2. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 29. August 1991, Zl. MBA23-06/077/0/Str, wurde dieser Einspruch nach Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens abgewiesen und über den Beschwerdeführer neuerlich eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) verhängt, weil er mit gesundheitsbezogenen Angaben falsch bezeichnete Kosmetika (Haarmaske) durch Lagerung in Hörsching () in Verkehr gebracht hat.

1.3. Gegen dieses dem Beschwerdeführer am 15. Oktober 1991 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 29. Oktober 1991 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Beschwerde.

2.1. Die belangte Behörde führt im angefochtenen Straferkenntnis unter Übernahme des Gutachtens der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz vom 17. Juni 1991, Zl. 167/91, begründend aus, daß das Haar ein totes Anhangsgebilde der Kopfhaut sei, sodaß es weder als gesund noch als krank angesehen werden könne; lediglich die Kopfhaut könne gesund sein und normales Haar hervorbringen oder krank sein und damit zu Haarschäden führen. Der Ausdruck "vitales Haar" sei daher ein oft gebrauchter landläufiger Ausdruck, der sich bloß auf das Aussehen und nicht auf den Gesundheitszustand des Haares beziehe. Wenngleich das Aussehen des Haares durch kosmetische Mittel - wie Festiger, Dauerwellenpräparate, Farbstoffe, etc. - chemisch und physikalisch verändert werden könne, handle es sich dabei doch um Manipulationen am toten Haar. Die auf die Haarpflege bezogenen Anpreisungen "revitalisierend" und "regenerierend" in Verbindung mit einem kosmetischen Mittel würden daher den irreführenden Eindruck erwecken, daß dieses Kosmetikum Stoffe enthalte, die das Haar stimulieren würden, von sich aus wieder zu einem besseren Aussehen, einer besseren Struktur, oä. zu kommen, was jedoch physiologisch völlig unmöglich sei.

Aus diesen Gründen liege daher eine falsche Bezeichnung vor, weshalb der Beschwerdeführer zu bestrafen gewesen sei.

2.2. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit der Behauptung, daß das dem Straferkenntnis zugrundeliegende Gutachten in sich widersprüchlich sei, weil es letztlich zwischen "normalem Haar" und "Haarschäden" unterscheide, sodaß es offensichtlich doch krankes und gesundes Haar geben müsse. Wenn außerdem eingeräumt werde, daß die Farbe, Spannkraft, Elastizität udgl. des Haares beeinflußbar und damit verbesserungsfähig seien, so müsse darin zweifellos eine Revitalisierung des Haares erblickt werden, weshalb im vorliegenden Fall auch nicht von einer irreführenden gesundheitsbezogenen Angabe ausgegangen werden könne. Gleiches gelte für die Angabe der "Regenerierenden Wirkung", was schon vom Wortlaut her bloß eine "Wiederauffrischung" bedeute. Schließlich sei die Angabe "Feuchtigkeitsregulierende Pflege- und Wirksubstanzen" von vornherein nicht gesundheitsbezogen.

Außerdem verfüge die GmbH, als deren handelsrechtlich verantwortlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer fungiert, darüber hinaus über zwei weitere Geschäftsführer, wobei diese ihre Zuständigkeiten untereinander in der Weise aufgeteilt hätten, daß nicht der Beschwerdeführer, sondern einer der beiden anderen Geschäftsführer für die lebensmittel- und kennzeichenrechtliche Verkehrsfähigkeit der in Rede stehenden kosmetischen Produkte verantwortlich sei, weshalb die Strafbarkeit des Beschwerdeführers von vornherein nicht gegeben sei.

Aus allen diesen Gründen wird daher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Magistrates der Stadt Wien zu Zl. MBA23-06/077/Str; da sich die vorliegende Beschwerde lediglich gegen eine unrichtige rechtliche Beurteilung wendet und überdies bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs. 1 und 2 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen derjenige strafrechtlich verantwortlich, der zur Vertretung nach außen berufen ist, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und nicht ein verantwortlicher Beauftragter bestellt ist. Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH und somit deren außenvertretungsbefugtes Organ; das Lebensmittelgesetz enthält auch keine dem § 9 Abs.1 VStG derogierende Sonderregelung und seitens der GmbH wurde der Behörde gegenüber kein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs.2 VStG bestellt. Der Beschwerdeführer ist daher gemäß § 9 Abs.1 VStG strafrechtlich verantwortlich. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die GmbH durch mehrere Geschäftsführer vertreten wird, weil in diesem Fall jeden dieser Geschäftsführer die volle Verantwortlichkeit trifft; eine gesellschaftsinterne Zuständigkeitsaufteilung ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, solange diese nicht gemäß § 9 Abs. 2 VStG auch der Behörde gegenüber in Erscheinung tritt (vgl. dazu auch die Nachweise bei W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Eisenstadt 1990, 755 ff).

4.2. Gemäß § 74 Abs. 1 LMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, der falsch bezeichnete kosmetische Mittel in Verkehr bringt; gemäß § 26 Abs. 2 i.V.m. den §§ 1 Abs. 2, 8 lit. f und 9 Abs. 1 lit. a LMG liegt ein Inverkehrbringen falsch bezeichneter kosmetischer Mittel (im vorliegenden Fall: durch Lagern) insbesondere dann vor, wenn diese durch verbotene gesundheitsbezogene, d.h. sich auf irreführende physiologische oder pharmakologische - insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen beziehende oder den Eindruck einer derartigen Wirkung erweckende Angaben gekennzeichnet sind.

4.3. Es gilt daher zu prüfen, ob es sich im vorliegenden Fall bei einer der Angaben "Haar wird revitalisiert", "Regenerierende Wirkung" und "Feuchtigkeitsregulierende Pflege- und Wirksubstanzen" in Verbindung mit einem Haarpflegemittel um eine verbotene gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der eben genannten Bestimmungen handelt.

Dies trifft im Ergebnis nicht zu.

4.3.1. Zwar entspricht das Fremdwort "revitalisieren" in seiner wörtlichen Übersetzung tatsächlich dem Terminus "wieder zum Leben erwecken" in dem Sinne, daß eine früher lebendige Materie vom unmittelbar zuvor toten Zustand nunmehr wiederum lebendig gemacht wird; da aber der Menschheit eine derartige Fähigkeit, Totes zum Leben zu erwecken generell nicht in die Hand gegeben ist, kommt eine derartige restriktive Auslegung des Wortes "revitalisieren" nur in bestimmten engen Zusammenhängen, wie etwa im metaphysisch- philosophischen Bereich, in Betracht. Im allgemeinen Sprachgebrauch verbindet man hingegen mit diesem Wort keineswegs die Vorstellung, daß Totes zum Leben erweckt wird, sondern diesem Terminus kommt vielmehr bloß die Bedeutung des Belebens im Sinne eines "Wieder-in-Schwung-Kommens" zu (vgl. zB Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Auflage, Mannheim 1989, 1251); in die gleiche Richtung zielt der Terminus "regenerieren", dem in seiner Übersetzung die Bedeutung des "Auffrischens" zukommt (vgl. zB Duden, Fremdwörterbuch, 3. Auflage, Mannheim 1974, 621). Und konkret in Verbindung mit einem Haarkosmetikum gebracht ist damit bloß gemeint, daß das Haar nach der Behandlung mit diesem Kosmetikum im Vergleich zu vorher wieder vorteilhafter und in diesem Sinne "lebendiger" aussieht, wie dies übrigens selbst in der Stellungnahme der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung vom 17. Juni 1991, Zl. 167/91, offensichtlich bestätigt wird. Mag man daher auch vielleicht aus bestimmter wissenschaftlicher Sicht das Haar als ein totes Anhangsgebilde der Kopfhaut qualifizieren können - wofür sich allerdings keine Anhaltspunkte finden ließen, im Gegenteil: etwa im Hinblick auf dessen Wachstum und Veränderung (insbes. etwa Ergrauen im Alter) wird durchaus davon ausgegangen, das es sich insoweit um lebendes und damit auch krankheitsanfälliges Gewebe handelt (vgl. zB W. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 256. Auflage, Berlin 1990, 631 f) -, so stellt ein objektiver Durchschnittsmensch in der Regel bei der Behandlung mit einem Kosmetikum (Haarmaske) keinerlei gedankliche Verbindung zu medizinischen Aspekten, nämlich "Krankheit" oder "Gesundheit" (hiefür spricht auch ganz wesentlich der Umstand der Käuflichkeit des vorliegenden Produktes außerhalb von Apotheken), und erst recht nicht zum Effekt der Wiederbelebung oder Wiederauffrischung einer toten Materie her. Vielmehr dominiert für diesen ausschließlich der Verschönerungseffekt, wobei die Angaben "Haar wird revitalisiert" und "Regenerierende Wirkung" in diesem Zusammenhang den - allenfalls unzutreffenden - Eindruck suggerieren mögen, daß dieser Effekt hier nachhaltiger als bei anderen Produkten eintritt. Eine allenfalls diesbezügliche Falschbezeichnung zu ahnden ist damit aber keine lebensmittelpolizeiliche, sondern vielmehr eine konsumentenschutz- bzw. wettbewerbsrechtliche (vgl. die §§ 2 bis 4 UWG) Angelegenheit.

4.3.2. Inwieweit der Hinweis "Feuchtigkeitsregulierende Pflege- und Wirksubstanzen" eine verbotene gesundheitsbezogene Angabe darstellen soll, wird im angefochtenen Straferkenntnis in keiner Weise begründet. Da ein derartiger Bezug zum Tatbestand der von der belangten Behörde als übertreten erachteten Norm aber auf der einen Seite weder offensichtlich erkennbar ist noch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich - wie bereits mehrfach ausgesprochen (vgl. zuletzt VwSen-240008 v. 11.11. 1991) - auf der anderen Seite schon aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Konzeption und seiner einfachgesetzlichen Organisation es als seine gesetzliche Aufgabe ansehen kann, das diesbezüglich fehlende Ermittlungsverfahren der Erstbehörde zu substituieren, war insoweit einstweilen von der Nichterfüllung des Tatbestandes durch den Beschwerdeführer auszugehen.

4.4. Handelte es sich damit im aber vorliegenden Fall im Ergebnis nicht um eine Falschbezeichnung iSd § 74 Abs. 1 LMG, so war das angefochtene Straferkenntnis mangels Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers aufzuheben.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis hatte gemäß § 64 Abs. 1 bis 3 VStG auch die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in I. Instanz und zum Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sowie die Auferlegung des Ersatzes der Barauslagen für die Untersuchungskosten zu unterbleiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 51d VStG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Linz, am 20. November 1991 Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f 6

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