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VwSen-240076/2/Gf/La

Linz, 09.12.1993

VwSen-240076/2/Gf/La Linz, am 9. Dezember 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Oö. Verwaltungssenat hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des H O, vertreten durch die RAe Dr. J L und Dr. E W, vom 9. August 1993 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land vom 27. Juli 1993, Zl. SanRB-506-1990, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG bzw. gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 und 3 VStG; § 66 Abs. 1 VStG. Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land vom 27. Juli 1993, Zl. SanRB-506-1990, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) verhängt, weil er als außenvertretungsbefugtes Organ einer GmbH(&CoKG) Produkte in Verkehr gebracht habe, bei denen es sich nicht um Verzehrprodukte, sondern um Arzneiprodukte bzw. Arzneispezialitäten gehandelt habe, ohne hiefür über eine entsprechende Zulassung des Bundesminsters für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz (im folgenden: BMGSK) zu verfügen; dadurch habe er eine Übertretung des § 84 Z. 5 iVm § 11 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 und 5 des Arzneimittelgesetzes, BGBl.Nr. 185/1983 idF BGBl.Nr.

748/1988 (im folgenden: ArznMG), begangen, weshalb er zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 30. Juli 1993 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 9. August 1993 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß der BMGSK hinsichtlich eines der vom Berufungswerber in Verkehr gebrachten Produkte bereits bescheidmäßig festgestellt habe, daß es sich um eine zulassungspflichtige Arzneimittelspezialität handle; die Zulassung zweier anderer als Verzehrprodukte sei ebenfalls bescheidmäßig untersagt worden; und hinsichtlich des verbleibenden Produktes sei der Antrag zurückgezogen worden, sodaß es in allen Fällen als erwiesen anzusehen sei, daß die erforderliche Genehmigung nicht vorliege. Die in Rede stehenden Produkte seien überdies auch deshalb nicht als Verzehrprodukte anzusehen, weil sie jeweils geeignet wären, den Zustand oder die Funktion des Körpers bzw. seelische Zustände zu beeinflußen. Da die Produkte auch nicht im Arzneibuch angeführt sind, hätte die Ausnahmebestimmung des § 11 Abs. 2 ArznMG vorliegendenfalls nicht zum Tragen kommen können.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber vor, daß nur durch Beiziehung eines Amtssachverständigen aus dem Bereich des Arzneimittelwesens - wie im Verfahren vor der belangten Behörde beantragt - geklärt werden könne, ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen Produkten tatsächlich um Arzneimittel bzw. Arzneispezialitäten oder um Verzehrprodukte handelt. Unabhängig davon würden die vertriebenen Produkte aber jedenfalls der einschlägigen Monografie des Arzneibuches iSd § 1 ArznMG entsprechen, wenngleich diese dort - worauf es nach dem Gesetz aber auch nicht ankäme - nicht namentlich angeführt sind. Schließlich sei auch bereits Verfolgungsverjährung eingetreten, weil die erste Verfolgungshandlung erst nach Ende der Verjährungsfrist, die bereits mit dem Inverkehrsetzen zu laufen begonnen habe, gesetzt worden sei.

Aus allen diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Steyr-Land zu Zl.

SanRB-506-1990; da aus diesem bereits ersichtlich war, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 84 Z. 5 ArznMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 100.000 S, im Wiederholungsfall bis zu 200.000 S zu bestrafen, der Arzneimittel, die der Zulassung unterliegen, ohne Zulassung im Inland abgibt oder für die Abgabe im Inland bereithält. Nach § 11 ArznMG dürfen Arzneispezialitäten - d.s. gemäß § 1 Abs.

5 ArznMG Arzneimittel, die im voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr gebracht werden - im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundeskanzler zugelassen sind.

Nach § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist; die Verjährungsfrist beträgt im gegenständlichen Fall mangels einer spezialgesetzlichen Regelung im ArznMG nach § 31 Abs. 2 VStG sechs Monate und ist von dem Zeitpunkt an zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist.

4.2. Mit der ersten Verfolgungshandlung, d.i. die seitens des Bezirkshauptmannes von Steyr-Land an den Berufungswerber ergangene Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. November 1992, Zl. SanRB-506/1990, diesem zugestellt am 16. November 1992, wurde ihm in gleicher Weise wie mit dem angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt, "wie bei Überprüfungen am 12.3.1992 sowie am 15.10.1992 in Ihrem Betrieb in Ternberg, ....., festgestellt werden konnte, die Produkte ..... vertrieben und somit in Verkehr gebracht" zu haben.

Hiezu ist zunächst festzustellen, daß schon das gesetzliche Tatbild des § 84 Z. 5 ArznMG - wie zuvor angeführt - anders als etwa die entsprechenden Bestimmungen nach dem Lebensmittelgesetz nicht bloß allgemein darauf abstellt, daß Produkte "vertrieben" bzw. "in Verkehr gebracht" werden, sondern den Oberbegriff des Inverkehrbringens vielmehr dahingehend spezialisiert, daß die Arzneimittel im Inland abgegeben oder für die Abgabe bereitgehalten werden. Im Zusammenhang damit fordert § 44a Z. 1 VStG, daß die Tathandlung im Spruch jedenfalls konkretisiert werden muß, was bedeutet, daß eine bloße Wiedergabe des Gesetzestextes nicht hinreicht (vgl. die Nachweise bei W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Eisenstadt 1990, 939). Es wäre daher im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses detailliert zu umschreiben gewesen, inwiefern dem Rechtsmittelwerber im vorliegenden Fall konkret anzulasten ist, Arzneispezialitäten im Inland abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten zu haben.

Diese wäre im vorliegenden Fall aber nicht nur hinsichtlich der Tathandlung, sondern auch bezüglich der Tatzeit erforderlich gewesen, vornehmlich schon deshalb, weil lediglich eine behördliche Betriebskontrolle, nämlich die zeitlich frühere, auch aktenmäßig belegt ist (vgl. das Schreiben der BH SteyrLand vom 19. März 1993, Zl. SanRB-506-1990), die andere hingegen nicht (dafür, daß eatw vorhandene zusätzliche Aktenteile mit der Berufung nicht vorgelegt wurden, findet sich im Schreiben der belangten Behörde an den Oö. Verwaltungssenat vom 16. August 1993, Zl. SanRB-506-1990, kein Hinweis).

Insoweit ist aber offensichtlich bereits jedenfalls Verfolgungsverjährung eingetreten, wenn und weil die Wendung "wie bei Überprüfungen am 12.3.1992 sowie am 15.10.1992 .....

festgestellt werden konnte" mangels aktenmäßiger Belege und damit einer Kontrollmöglichkeit, ob auch an beiden Tagen jeweils sämtliche angelasteten Produkte vorgefunden wurden, objektiv besehen nur dahin verstanden werden kann, daß damit dem Berufungswerber nicht ein Dauerdelikt, sondern zwei Einzeldelikte zur Last gelegt werden.

Das Verwaltungsstrafverfahren war daher in bezug auf den zeitlich früheren Tatvorwurf schon aus diesem Grund gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen, ohne daß auf das weitere Vorbringen des Berufungswerbers eingegangen zu werden brauchte.

4.3. Im Ergebnis gilt gleiches aber auch für den zeitlich späteren Tatvorwurf:

Anders als etwa § 36 Abs. 1 VwGG oder § 20 Abs. 2 VfGG sieht das VStG zwar keine explizite Aktenvorlagepflicht für die belangte Behörde im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat vor; eine solche kann jedoch nach h. Auffassung wohl schon aus § 63 Abs. 5 AVG erster Satz AVG, der auch im Strafverfahren anzuwenden ist, abgeleitet werden (vgl. W.

Hauer - O. Leukauf, a.a.O, 478); insbesondere ergibt sich diese aber jedenfalls mittelbar aus § 51e Abs. 1 VStG.

Daraus und aus § 51d VStG folgt, daß es primär Sache der belangten Behörde ist, jene Beweise, die für die Strafbarkeit des Beschuldigten sprechen vorzulegen, bzw. umgekehrt:

daß es nicht Sache des unabhängigen Verwaltungssenates sein kann - was auch mit seiner Funktion als unabhängiges Gericht iSd Art. 6 Abs. 1 MRK und der Art. 129 und 129a B-VG unvereinbar wäre -, im Falle des Unterbleibens der Vorlage entsprechender Belege einseitig und zum Nachteil des Beschuldigten Beweise in Richtung einer dahingehend von der belangte Behörde erhobenen Behauptung (obwohl von dieser nicht einmal beantragt) aufzunehmen.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies: Wenn und weil sich in dem von der belangten Behörde - ohne Hinweis auf eine allfällige Unvollständigkeit - vorgelegten Verwaltungsakt keinerlei Hinweis darauf findet, daß auch (wie im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführt) am 15. Oktober 1992 eine Betriebsüberprüfung stattgefunden hat bzw. was bei dieser festgestellt wurde, war das Strafverfahren (auch) insoweit - und zwar gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG - einzustellen.

4.4. Aus allen diesen Gründen war daher der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG bzw. gemäß § 45 Abs. 1 Z.

3 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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