Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-240140/6/Wei/Bk

Linz, 09.02.1996

VwSen-240140/6/Wei/Bk Linz, am 9. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der A P, geb. N, L, vom 19. Juli 1995 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29. Juni 1995, Zl. 101-4/9 (Registriernummer ), wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Aids-Gesetz 1993 (wiederverlautbart mit BGBl Nr. 728/1993) zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird in der Schuldfrage als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis insofern bestätigt.

II. Aus Anlaß der Berufung wird im Strafausspruch die nach dem Strafrahmen des § 9 Abs 1 Aids-Gesetz 1993 zugemessene Geldstrafe von S 5.000,-- bestätigt, hingegen die gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe auf die Dauer von 2 Tagen reduziert.

III. Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 65 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 29. Juni 1995 hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 17.2.1995 um 22.10 Uhr in gegenüber dem Haus S durch Ausübung der Prostitution mit einem Kunden gewerbsmäßig Unzucht getrieben, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf einen Kontakt mit dem Virus LAV/HTLV III unterzogen zu haben." Dadurch erachtete die Strafbehörde den § 4 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 Z 2 Aids-Gesetz 1993 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 leg.cit." (gemeint: nach dem Strafrahmen des § 9 Abs 1 Aids-Gesetz 1993) eine Geldstrafe von S 5.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 500,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin am 6. Juli 1995 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige, am 19.

Juli 1995 bei der belangten Strafbehörde persönlich überreichte Berufung vom gleichen Tag, mit der erschließbar die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Polizeibeamte des Wachzimmers L der Bundespolizeidirektion haben aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung Anzeige gegen die Bwin erstattet. Während des Streifendienstes wurde die Bwin, eine polizeibekannte Geheimprostituierte, beim Einsteigen in den PKW, des Kunden A P beobachtet. Der PKW fuhr daraufhin auf den Parkplatz gegenüber S. Dort wurde die Bwin bei der Ausübung des Oralverkehrs im PKW unter Verwendung eines Präservativs betreten. Die Bwin und ihr Kunde gaben zu, daß ein Oralverkehr um S 500,-- vereinbart worden war. Ein normaler Geschlechtsverkehr hätte S 800,-- gekostet.

Auf die am 12. April 1995 eigenhändig zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6. April 1995 hat die Bwin nicht reagiert. Die Erhebungsabteilung des Magistrats Linz hat zu den persönlichen Verhältnissen der Bwin berichtet, daß sie in L, N, im gemeinsamen Haushalt bei K wohnt, nach ihren Angaben ohne Beschäftigung und vermögenslos sei und vom Einkommen ihrer Mutter A W, P, L, lebe.

In weiterer Folge erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis vom 29. Juni 1995.

2.2. Die einheitliche Berufung richtet sich gegen sieben gleichgelagerte, lediglich nach Registriernummern (und nicht nach Aktenzahlen) unterscheidbare Straferkenntnisse der belangten Behörde je vom 29. Juni 1995 betreffend verschiedene Vorfälle der Prostitutionsausübung ohne vorherige amtsärztliche Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion gemäß § 4 Abs 2 Aids-Gesetz 1993.

Die Bwin bestreitet die Vorfälle zwar nicht, bringt aber vor, daß sie im November 1994 einen negativen Aidstest gemacht hätte, den sie leider verloren habe. Weiters legte sie zwei Schreiben (Befunde) des Dr. H P, Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik, S , L, über durchgeführte negative Aidsteste am 28. Februar 1995 und am 11. Juli 1995 vor.

In den Schreiben des Facharztes wird zu den durchgeführten Aidstests nur angegeben:

"HIV-1/HIV-2 Antikoerper: NEGATIV Enzymimmunoassay" Die Bwin vermeint, daß diese Aidsteste beweisen würden, daß sie ihrer Verpflichtung nach dem Aids-Gesetz immer nachgekommen wäre und daß es zu den angefochtenen Straferkenntnissen nur durch den Verlust des Aidstests vom November 1994 gekommen wäre. Außerdem sei sie bislang noch nie wegen einer Übertretung nach dem Aids-Gesetz bestraft worden.

2.3. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und nach einer kurzen ergänzenden Erhebung festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt ist.

Der erkennende Verwaltungssenat hat zur Klarstellung der üblichen Vorgangsweise beim Gesundheitsamt des Magistrats der Landeshauptstadt Linz ergänzend erhoben, daß die laufenden Kontrollen auf HIV und Syphillis alle sechs bis acht Wochen, die auf Gonorrhoe wöchentlich vorgenommen werden, wobei die Prostituierten im Gesundheitsamt von einem beigezogenen Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten untersucht werden. Das Gesundheitsamt anerkennt HIV-Befunde von jenen Laboratorien, die in der Liste des Obersten Sanitätsrates zur Durchführung von HIV-Antikörperbestimmungen empfohlen werden. Hinsichtlich Syphillis und Gonorrhoe werden auch Befunde von Laboratorien für medizinische und chemische Labordiagnostik, von bundesstaatlichen Institutionen und von allen Fachärzten für Haut- und Geschlechtskrankheiten anerkannt.

In jedem Fall müssen die Befunde dem Amtsarzt im Gesundheitsamt vorgelegt und im Gesundheitsbuch, welches der Prostituierten zu Beginn ihrer Tätigkeit ausgestellt wird, vermerkt und bestätigt werden (vgl Mitteilung vom 30.10.1995, Zl. 303-R/II-5239/95).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs 1 Z 2 Aids-Gesetz 1993 begeht, sofern keine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit oder regelmäßig wiederkehrend einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs 2 zu unterziehen.

Nach dem § 4 Abs 2 Aids-Gesetz 1993 haben sich Personen vor Aufnahme der Prostitution und danach periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, neben den vorgeschriebenen Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl Nr. 152/1945, und den auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen (vgl V über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr.

591/1993) einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.

Der nach der Prostituiertenüberwachungs-V vorgesehene Ausweis (Gesundheitsbuch der Prostituierten) ist nach § 4 Abs 3 Aids-Gesetz 1993 einzuziehen oder gar nicht auszustellen, wenn eine HIV-Infektion vorliegt oder das Ergebnis einer HIV-Untersuchung nicht eindeutig negativ ist oder die Vornahme dieser Untersuchung verweigert wird.

Gemäß § 4 Abs 4 Aids-Gesetz 1993 ist jeder Amtsarzt verpflichtet, Prostituierte anläßlich von HIV-Untersuchungen über die Infektionsmöglichkeiten mit HIV, die Verhaltensregeln zur Vermeidung einer solchen Infektion sowie über das Verbot gemäß § 4 Abs 1 Aids-Gesetz 1993 zu belehren.

Für HIV-Untersuchungen und die verwendeten HIV-Diagnostika verlangt der Gesetzgeber dem Stand der Wissenschaft entsprechende Methoden sowie eine Kontrolle und Sicherung der Qualität. Nähere Bestimmungen über Qualitätskontrolle und -sicherung sowie die Vorgangsweise bei der Vornahme von HIV-Tests einschließlich Bestätigung- und Wiederholungstests können gemäß § 6 Abs 3 Aids-Gesetz 1993 durch Verordnung des BMGSK erlassen werden. Eine entsprechende Verordnung zur HIV-Diagnostik wurde im BGBl Nr. 772/1994 kundgemacht.

4.2. Der Mitteilung des Gesundheitsamtes des Magistrats Linz ist zu entnehmen, daß die amtsärztliche Untersuchung regelmäßig - vermutlich schon mangels entsprechender Laborausstattung - nicht auch die Durchführung eines HIV-Tests (HIV-Screening-Test) umfaßt. Vielmehr werden Befunde bestimmter vom Obersten Sanitätsrat empfohlener Einrichtungen (Laboratorien) akzeptiert. Dennoch ist die gesetzlich vorgeschriebene amtsärztliche Untersuchung nicht etwa obsolet. Die amtsärztliche Untersuchung hat den Zweck HIV-Befunde auf ihre Zuverlässigkeit hinsichtlich der von der V BGBl Nr. 772/1994 geforderten Qualitätskriterien aus fachlicher Sicht zu beurteilen. Denn nur bei einem gesicherten negativen HIV-Test darf der Prostituierten das für polizeiliche Kontrollen maßgebliche Gesundheitsbuch ausgestellt bzw belassen werden. Die jeweiligen HIV-Tests werden auch im Gesundheitsbuch vermerkt und amtsärztlich bestätigt. Schließlich ist der Amtsarzt aus Anlaß seiner Untersuchungstätigkeit auch zur umfassenden Belehrung der Prostituierten über die Infektionsmöglichkeiten und Verhaltensregeln sowie über das Verbot der Prostitution bei nachgewiesener HIV-Infektion verpflichtet (vgl § 4 Abs 4 Aids-Gesetz 1993).

4.3. Die Bwin vermeint, daß sie ihre Verpflichtung nach dem Aids-Gesetz 1993 erfüllt hätte, weil sie sich am 28. Februar 1995 und am 11. Juli 1995 bei einem Facharzt für medizinische und chemische Diagnostik auf eine HIV-Infektion testen ließ, und einen HIV-Test aus November 1994 leider verloren hätte. Dabei übersieht die Bwin, daß sie damit noch nicht die Pflicht einer amtsärztlichen Untersuchung erfüllt hat. Wie oben näher ausgeführt, genügt es nach dem Aids-Gesetz 1993 nicht, irgendeinen HIV-Test eines Privatarztes vorzuweisen. Vielmehr hat sich die Prostituierte einer amtsärztlichen Kontrolle und Belehrung zu unterziehen. Ob der vorgelegte HIV-Test im Hinblick auf seine Aussagekraft und die Sicherheitsanforderungen ausreichend war, hat der Amtsarzt im Rahmen seiner Untersuchung zu beurteilen. Die Prostituierte hat den HIV-Test grundsätzlich bei solchen Institutionen vornehmen zu lassen, die nach den Erfahrungen des Amtsarztes zuverlässig sind und die Kriterien nach der Verordnung des BMGSK über die Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung in der HIV-Diagnostik und die bei der Vornahme von HIV-Tests einzuhaltende Vorgangsweise (vgl BGBl Nr. 772/1994) erfüllen.

Die Ansicht der Bwin trifft schon aus den dargestellten rechtlichen Gründen nicht zu. Abgesehen davon hat sie auch durch kein konkretes Vorbringen glaubhaft gemacht, daß sie tatsächlich einen Aids-Test im November 1994 vornehmen ließ.

Schließlich ist der Bwin noch entgegenzuhalten, daß sie selbst nach ihrem Vorbringen die periodisch wiederkehrenden Untersuchungen gemäß § 4 Abs 2 Satz 2 Aids-Gesetz 1993, die mindestens in Abständen von drei Monaten vorgeschrieben sind, nicht eingehalten hat.

Im Ergebnis hat die Bwin den Tatbestand der Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs 1 Z 2 Aids-Gesetz 1993 durch den unter Punkt 2.1. festgestellten Sachverhalt erfüllt.

4.4. Bei der Strafbemessung war davon auszugehen, daß die Bwin vermögenslos ist und keiner geregelten Beschäftigung nachgeht. Nach ihren Angaben lebt sie von Zuwendungen ihrer Mutter. Wie die zahlreichen Verwaltungsstrafverfahren beweisen, hat sie aber zweifellos auch Einnahmen aus der regelmäßigen Ausübung der Prostitution. Unter Berücksichtigung des üblichen Liebeslohnes (normaler Geschlechtsverkehr S 800,-- , bloßer Mundverkehr S 500,--) erscheint die Annahme, daß das monatliche Nettoeinkommen wenigstens im Bereich von S 10.000,-- und damit knapp über dem Existenzminimum liegt, noch großzügig und im Zweifel zugunsten der Bwin getroffen.

Die belangte Strafbehörde, die für den gegenständlichen Vorfall mit Recht weder strafmildernde noch straferschwerende Umstände festgestellt hat, hat den primären Geldstrafrahmen bis S 100.000,-- nach § 9 Abs 1 Aids-Gesetz 1993 offenbar mit Rücksicht auf eher ungünstige persönlichen Verhältnisse der Bwin nur im Ausmaß von 5 % ausgeschöpft. Angesichts der notwendigen Bekämpfung der Geheimprostitution im Interesse des Schutzes der Volksgesundheit bestehen gegen diese eher geringe Strafe keinerlei Bedenken. Sie ist auch in spezialpräventiver Hinsicht unbedingt notwendig, um künftiges Wohlverhalten zu erreichen.

Die Ersatzfreiheitsstrafe war demgegenüber gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG zu bemessen. Da § 9 Abs 1 Aids-Gesetz 1993 keine Freiheitsstrafe androht und auch nichts anderes bestimmt, war gemäß § 16 Abs 2 Satz 1 VStG ein Ersatzfreiheitsstrafrahmen von bis zu zwei Wochen zugrundezulegen. Die von der Strafbehörde verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen entspricht aber gut 35 % des Strafrahmens gemäß § 16 Abs 2 VStG und steht damit im auffälligen Mißverhältnis zur zugemessenen Geldstrafe in der relativen Höhe von nur 5 % des Primärstrafrahmens. Eine Begründung für diese um den Faktor 7 höhere Ersatzfreiheitstrafe läßt sich nicht finden, auch wenn einzuräumen ist, daß das Verschulden der Bwin beträchtlich erscheint und die niedrige Geldstrafe in erster Linie im Hinblick auf ihre geringe Leistungsfähigkeit festgesetzt wurde. Damit hat die belangte Strafbehörde aber entgegen der ständigen h. Judikatur eine kraß unverhältnismäßige Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen, die der erkennende Verwaltungssenat auf ein vertretbares Maß zu reduzieren hatte. Unter den gegebenen Umständen erscheint eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 2 Tagen im Rahmen der Schuld und aus spezialpräventiven Gründen noch angemessen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt im Berufungsverfahren gemäß § 65 VStG die Verpflichtung der Bwin zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum