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des Landes Oberösterreich
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VwSen-240158/2/Wei/Bk

Linz, 08.08.1996

VwSen-240158/2/Wei/Bk Linz, am 8. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des G Inhaber eines S, vom 11. Oktober 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 27. September 1995, Zl. SanRB 96-15-1995, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelgesetz 1975 LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975, zuletzt geändert BGBl Nr.

756/1992) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 27.

September 1995 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Bei einer Kontrolle durch das Lebensmittelaufsichtsorgan, A, des Magistrates S auf dem S am 6.10.1994 wurde beim Marktstand des A eine amtliche Probe "Stutenmilch" mit Prospekt gezogen und der Lebensmitteluntersuchungsanstalt in S zur Begutachtung überbracht.

Die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in S stellt im amtlichen Untersuchungszeugnis vom 21.12.1994/ne, U-Zahl 2907/94, fest, daß die der Stutenmilch beigegebene Broschüre zahlreiche gesundheitsbezogene Angaben wie folgt aufweist:

'Da in der heutigen umweltbelasteten Zeit ein großer Teil der Zivilisationskrankheiten, Stoffwechselentgleisungen, Gefäßerkrankungen, Herzkrankheiten, Herzinfarkt, Krebs usw.

durch eine jahrzahntelange, vitalstoffarme, denaturierte Ernährung gefördert worden sind, ist es von großer Bedeutung, in der naturbelassenen Stutenmilch ein altes seltenes Heilmittel der östlichen Völker wiederentdeckt zu haben.

Eine entscheidende Bedeutung kommt der Arachidonsäure (4fach ungestättigter essentieller Fettsäure) zu, die einen wesentlichen Einfluß auf die Prostaglandine nimmt. Die Prostaglandine beeinflussen u.a. die Herzmuskulatur, alle Organe und Gewebe mit glatter Muskulatur, die Magen- und Darmschleimhaut, die hormonproduzierenden Drüsen sowie das zentrale Nervensystem.

Sie nimmt Einfluß auf den Verdauungsprozeß im Magen- und Darmtrakt, saniert die Darmflora und regeneriert die Leberund Bauchspeicheldrüsenfunktion bei Erwachsenen, alten Menschen und Kindern.

Hautpanwendungsgebiete: Leber-, Magen- und Darmstörungen, besonders chronische Dickdarmentzündungen und Bauch speicheldrüsen schwächen. Sehr günstig hat sich bei der Behandlung von Fettstoffwechselstörungen der niedrige Fettgehalt und damit auch der niedrige Kalorienwert der Stutenmilch ausgewirkt. Unerreicht ist ihre Wirkung bei allen akuten und chronischen Leberstörungen bis zur Leberzirrhose. Positiv beeinflußt wird auch der Leberkrebs.

'Über die Dynamik der Änderungen von Ergebnisse radioisotopischer Untersuchungen der Leber bei der Behandlung von an chronischer Hepatitis leidenden Kranken mit Stutenmilch'.

In der Prophylaxe und in der Tumornachbehandlung, besonders bei Patienten nach einer Chemotherapie restp. Röntgenbestrahlung, sind nach großen seelischen wie körperlichen Streßsituationen ganz erstaunliche Erfolge zu verzeichnen.

Durch klinische Untersuchungsmethoden können die Angaben der Patienten, die Stutenmilch erfolgreich angewandt haben, untermauert werden.

Hautunreinheiten, Akne und Ekzeme, können über die Darmsanierung verschwinden. Nach Herzinfarkten, Apoplexien, bei cerebralen Durchblutungsstörungen, besonders bei Praesklerose sind gute Effekte zu erzielen. Bei älteren Menschen bringt sie durch die Darmsanierung neue Kraftimpulse in den Körper, die sich nach kurzzeitiger Anwendung schon als eine Art Verjüngungsvorgang abzeichnen, sodaß sie als altbekanntes und bewährtes Aphrodisiacum angesehen werden kann.

Stutenmilch wird außerdem bei Thymuskuren und Zelltherapien angewandt, da sie die Organzellen positiv beeinflußt sowie die Schleimhautböden regeneriert.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß durch die positive Beeinflussung aller Stoffwechselvorgänge Stutenmilch nicht nur Kranken, sondern auch dem gesunden Körper neue Kraftimpulse gibt und dadurch ein Wohlbefinden hervorruft, das einer Verjüngungskur entspricht.

Sollte sich innerhalb der ersten 14 Tage eine neue Magen/Darmsituation einstellen, wie z.B. Durchfall oder ähnliches, so ist dieses als positiv zu bewerten.' Alle diese Angaben sind als verbotene gesundheitsbezogene Angaben zu betrachten und daher ist das Produkt im Sinne der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes als falsch bezeichnet zu bewerten." Durch die so umschriebene Tatanlastung erachtete die belangte Behörde § 9 Abs 1 lit a) iVm § 8 lit f) LMG 1975 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte gemäß § 74 Abs 1 LMG 1975 eine Geldstrafe von S 500,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 (ohne Angabe der Zeiteinheit) vermutlich Stunden. Daneben hat die belangte Behörde den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von S 50,-- und die Lebensmitteluntersuchungskosten von S 500,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntis, das dem Bw am 29.

September 1995 zu eigenen Handen zugestellt wurde, richtet sich die als Einspruch fehlbezeichnete Berufung vom 11.

Oktober 1995, die am gleichen Tag - und damit rechtzeitig bei der belangten Behörde einlangte.

2. Der Aktenlage ist nachstehender S a c h v e r h a l t zu entnehmen:

2.1. Die belangte Behörde hat dem Bw mit Strafverfügung vom 4. April 1995 den gleichen Sachverhalt angelastet, ohne den Prospekt mit den gesundheitsbezogenen Angaben näher darzustellen. Dagegen erhob der Bw rechtzeitig den Einspruch vom 18. April 1995. Bei seiner Vernehmung am 5. Juli 1995 erklärte er, daß ihm andere Stutenmilcherzeuger den im Grazer Verlag "Natur und Gesundheit" erschienenen Prospekt mit dem Hinweis übergeben hätten, daß diese Kurzinformation beim Verkauf von Stutenmilch beigegeben werden könne. Er legte auch eine Broschüre mit einer Abhandlung über Stutenmilch vor. Da diese Abhandlungen offiziell im Handel erhältlich wären und er den Prospekt weder veranlaßt noch auf seine Produkte aufgeklebt hatte, vertrat der Bw die Ansicht, keine strafbare Handlung begangen zu haben.

Die belangte Strafbehörde verweist dazu auf die eindeutig gesundheitsbezogenen Angaben im beiliegenden Prospekt, die beim Käufer den Eindruck erweckten, es handle sich um mehr als ein Lebensmittel. Da das Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung nicht entkräftet hätte werden können, wäre spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

2.2. In der Berufung verweist der Bw darauf, daß er die Broschüre "Wissenswertes über Stutenmilch" nicht verfaßt habe. Herausgeber wäre der Gesundheitsverlag G. Weder auf dem Produkt noch auf der Verpackung hätte er einen Hinweis angebracht, der den Bestimmungen des § 9 LMG 1975 widerspricht. Die aus einem Blatt bestehende Broschüre sei als allgemeine Information über Stutenmilch zu verstehen. Er habe sich dazu veranlaßt gesehen, weil viele Konsumenten Auskunft über die Beschaffenheit und Verwendung von Stutenmilch haben wollten.

2.3 Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten unter Berücksichtigung der Berufung festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Nach § 74 Abs 1 LMG 1975 macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs 2 Z 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis S 50.000,-- zu bestrafen, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt.

Nach der Begriffsbestimmung des § 8 lit f) LMG 1975 sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

Nach der weiten Legaldefinition des § 1 Abs 2 Satz 1 LMG 1975 ist unter Inverkehrbringen das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht.

Gemäß § 9 Abs 1 lit a) LMG 1975 ist es beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen verboten, sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Gemäß § 9 Abs 3 LMG 1975 kann der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz auf Antrag gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zulassen.

4.2. Im gegenständlichen Fall liegt es auf der Hand und wird auch in der Berufung nicht mehr bestritten, daß die der Stutenmilch beigelegte Broschüre "Wissenswertes über die Wirkung der Stutenmilch und deren Anwendung" zahlreiche gesundheitsbezogene Angaben iSd § 9 Abs 1 lit a) LMG 1975 enthielt. Aus den dargelegten Rechtsgrundlagen ergibt sich, daß es entgegen der Ansicht des Bw nicht darauf ankommt, daß er die gesundheitsbezogenen Informationen selbst verfaßt und am verpackten Produkt anbringt. Nach der Legaldefinition zum Inverkehrbringen genügt ein Ankündigen oder Werben aus Anlaß der Feilhaltung oder eines Verkaufs.

Dennoch erging das angefochtene Straferkenntnis nicht zu Recht, weil der spruchmäßige Tatvorwurf unzureichend ist.

Die nach dem Maßstab des § 44a Z 1 VStG gebotene Deutlichkeit zur Inverkehrsetzung (vgl dazu etwa VwGH 4.9.1995, 94/10/0150) fehlt aus folgenden Gründen:

Dem Straferkenntnis ist nur zu entnehmen, daß vom Lebensmittelaufsichtsorgan am 6. Oktober 1994 beim Marktstand des A eine amtliche Probe "Stutenmilch" gezogen und mit einem Prospekt der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in S überbracht worden war. In der Folge werden wörtlich Teile des amtlichen Untersuchungszeugnisses vom 21. Dezember 1994, U-Zahl 2907/94, hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Angaben zitiert. Danach wird lediglich resumiert, daß alle zitierten Angaben als verbotene gesundheitsbezogene Angaben zu betrachten seien und daher das Produkt als falsch bezeichnet zu bewerten sei.

Nach dieser Tatanlastung hätte nur Herr A eine Übertretung des Lebensmittelgesetzes begangen. Es wird im Gegensatz zur Strafverfügung nicht einmal angeführt, daß der Bw die Stutenmilch erzeugt und geliefert hatte. Daß der Bw die verpackte Stutenmilch jeweils mit einer Informationsbroschüre verkauft hatte, die gesundheitsbezogene Angaben enthielt, wird überhaupt nicht erwähnt. Gerade auf diese Vorgangsweise kam es aber entscheidend an, zumal das bloße Erzeugen und Liefern von Stutenmilch mit üblicher Kennzeichnung noch keine strafbare Handlung darstellt. Außerdem hätte Herr G die Informationsbroschüre auch eigenmächtig beilegen können, um seinen eigenen Absatz zu steigern. Die belangte Strafbehörde hätte das iSd § 9 Abs 1 lit a) LMG 1975 verbotene Inverkehrbringen durch den Bw in hinreichend bestimmter Form im Tatvorwurf anlasten müssen. Dabei wäre auch Ort und Zeit des Inverkehrbringens durch den Bw (und nicht bloß durch Herrn A) genau anzugeben gewesen.

Da dem gesamten Akteninhalt keine hinreichend konkretisierte Verfolgungshandlung zu entnehmen und mittlerweile die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist nach § 74 Abs 6 LMG 1975 längst abgelaufen war, mußte das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt werden.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. W e i ß

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