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des Landes Oberösterreich
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VwSen-240169/2/Wei/Bk

Linz, 12.08.1996

VwSen-240169/2/Wei/Bk Linz, am 12. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des F, vertreten durch Dr. W, vom 20. Oktober 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 5.

Oktober 1995, Zl. SanRB 96-184-1995, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Lebensmittelgesetz 1975 LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975, zuletzt geändert BGBl Nr.

756/1992) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 5.

Oktober 1995 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 12.1.1995 um 10.20 Uhr in 1) 1 Stück "Sonnenblumen Roggenbrot rustikal schmackhaft" in Verkehr gebracht, wobei auf der Verpackung die Kennzeichnung des Namens und der Anschrift der erzeugenden Firma, das Los (Charge), die Lagerbedingungen, die Zutaten (Bestandteile und Zusatzstoffe) und die Nettofüllmenge der zur Verpackung gelangenden Ware fehlten; 2) 13 Netze "Semmeln" 10 Stück in Verkehr gebracht, wobei die Kennzeichnung der handelsüblichen Sachbezeichnung, die Firma und deren Anschrift, die Lagerbedingungen, die Zutaten (Bestandteile und Zusatzstoffe) und die Stückzahl fehlten; 3) 2 Netze "Sesamspitz 3er" in Verkehr gebracht, wobei die Kennzeichnung der handelsüblichen Sachbezeichnung, die Firma und deren Anschrift, das Los (Charge), die Lagerbedingungen, die Zutaten (Bestandteile und Zusatzstoffe) und die Stückzahl fehlten; 4) 3 Packungen "Semmeln 5er" in Verkehr gebracht, wobei die Kennzeichnung der handelsüblichen Sachbezeichnung, die Firma und deren Anschrift, die Lagerbedingungen, die Zutaten (Bestandteile und Zusatzstoffe) und die Stückzahl fehlten; O.a. Sachverhalt wurde anläßlich einer lebensmittelpolizeilichen Revision in der Filiale der J, , H, am 12.1.1995 um 10.20 Uhr durch hiezu befugte Aufsichtsorgane der Lebensmittelpolizei festgestellt.

Lt. Mitteilung der J sind Sie in der o.g. Filiale der nach außen hin verantwortlich Beauftragte. Sie sind somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG. 1991 auch für die Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes verantwortlich, weshalb Ihnen die Übertretungen nach dem Lebensmittelgesetz anzulasten waren." Durch die so umschriebene Tatanlastung erachtete die belangte Strafbehörde jeweils § 74 Abs 5 Z 2 iVm § 19 Abs 1 LMG 1975 unter Bezugnahme auf Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 (LMKV 1993) als verletzte Rechtsvorschriften. In allen Fällen wurde § 4 Abs 2, Abs 4, Abs 6, Abs 7, beim Sonnenblumen Roggenbrot außerdem der § 4 Abs 3 lit a) LMKV 1993 und im übrigen der § 6 LMKV 1993 als verletzt angesehen.

Die belangte Behörde verhängte "gemäß § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975" (gemeint: Strafrahmen des § 74 Abs 5 LMG 1975) 4 Strafen zu je S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 6 Stunden) und schrieb einen einheitlichen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von S 200,-- vor.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seiner ausgewiesenen Rechtsvertreter am 6. Oktober 1995 zugestellt worden ist, richtet sich die am 20. Oktober 1995 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, mit der in der Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

2. Der Aktenlage ist der nachstehende wesentliche S a c hv e r h a l t zu entnehmen:

2.1. Mit Schreiben vom 19. Jänner 1995, Zl.

SanLP-10/5-1995/He, zeigte das zuständige Lebensmittelaufsichtsorgan das Ergebnis einer am 12. Jänner 1995 gegen 10.20 Uhr in der Filiale der J, durchgeführten Revision an.

Dabei stellte das Aufsichtsorgan fest, daß im einzelnen angeführte Brot- und Backwaren im Bedienungsbereich zum Verkauf bereitgehalten wurden, wobei Brot in einer anliegenden Folie und das Gebäck teilweise in Netzen (mit Metalclips verschlossen) abgepackt und teilweise in perforierter Kunststoffolie (5er Semmeln der Fa. Ring) eingeschweißt war. Nach Ansicht des Lebensmittelaufsichtsorganes unterlagen die Waren, bei denen die vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente fehlten, der Kennzeichnungspflicht nach der LMKV 1993.

2.2. Über Anfrage der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land teilte die J mit Schreiben vom 6. April 1995 mit, daß der Bw verantwortlicher Beauftragter der Filiale in E wäre und legte zum Beweis dafür ein vom Bw am 2. Jänner 1990 unterschriebenes Merkblatt betreffend die Verantwortungsübernahme bei. Nach Einlangen dieser Mitteilung hat die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde als der sachlich zuständigen Wohnsitzbehörde zur Durchführung des Strafverfahrens gemäß § 29a VStG abgetreten. Die belangte Behörde erließ dann gegen den Bw die im Tatvorwurf inhaltlich mit dem angefochtenen Straferkenntnis übereinstimmende Strafverfügung vom 4. Mai 1995, gegen die der Bw durch seine Rechtsvertreter den Einspruch vom 17. Mai 1995 erhob. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 1995 rechtfertigte sich der Bw und beantragte die Verfahrenseinstellung.

2.3. Über Anfrage der belangten Behörde, inwieweit die Angabe eines Mindesthaltbarkeitsdatums auf Backwaren anzuwenden ist und wann die Ausnahmebestimmung des § 2 LMKV 1993 Anwendung findet, teilte die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in L mit Schreiben vom 9. August 1995, Zl. Ver-34/95, ihre Rechtsansicht mit. Danach sei gemäß § 7 Z 3 LMKV 1993 die Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums bei Backwaren, die ihrer Art nach normalerweise innerhalb von 24 Stunden ab Herstellung verzehrt werden, nicht erforderlich.

Dieser Sachverhalt treffe bei Kleingebäck nur auf Semmeln zu. Die Ausnahmebestimmung des § 2 LMKV 1993 treffe bei Backwaren nur auf Brot und Gebäck zu, das in vollständig offenen Papiersäcken feilgehalten wird. Backwaren in Netzen und Folien seien gemäß EU-Richtlinien als verpackt anzusehen.

Daraufhin räumte die belangte Behörde mit Schreiben vom 16.

August 1995 "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" dem Bw zu Handen seiner Rechtsvertreter Gelegenheit zur Stellungnahme ein, die mit Schriftsatz vom 15. September 1995 genützt wurde. Im Straferkenntnis ging die belangte Behörde auf die rechtlichen Ausführungen des Bw in seinen Stellungnahmen näher ein.

2.4. In der Berufung wird Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Bescheidspruches, des Verfahrens und der Bescheidfeststellungen und unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt.

Die Abtretung des Verfahrens an die belangte Behörde gemäß § 29a VStG sei rechtswidrig gewesen, weil eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung nicht erkennbar wäre. Im Bescheidspruch werde auf die Verantwortlichkeit nach § 9 Abs 1 VStG abgestellt, was auf den Bw nicht zutreffe. Ein unrichtiger Vorhalt könne in zweiter Instanz nicht mehr korrigiert werden. Die Stellungnahme der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung L wäre dem Bw nie vorgehalten worden, welcher Verfahrensmangel auch in zweiter Instanz nicht saniert werden könnte, weil dem Bw sonst eine volle Beweisinstanz genommen wäre. Außerdem habe die belangte Behörde keine Feststellungen zum Verschulden getroffen.

Unter dem Berufungspunkt "Unrichtige rechtliche Beurteilung" wird auf die im Strafverfahren erstatteten Stellungnahmen verwiesen. Selbst wenn man von verpackten Waren ausginge, könnte bezüglich der "Sesamspitze" nicht vorgehalten werden, daß das Los fehlte. Auch Sesamspitzen seien wie Semmeln sofort zu verbrauchen und daher gemäß § 4 Z 4 LMKV 1993 eine Loskennzeichnung nur dann erforderlich, wenn keine nach dem Tag aufgeschlüsselte Mindesthaltbarkeitsdeklaration erfolgt.

Da die Mindesthaltbarkeitskennzeichnung im Hinblick auf § 7 Z 3 LMKV 1993 nicht notwendig sei, sei auch die Loskennzeichnung nicht notwendig.

Bei den Semmeln und Sesamspitzen sei die Stückzahl erkennbar gewesen, weshalb das Fehlen der Stückzahl nicht vorgeworfen werden könnte. Außerdem trugen die Produkte sogar die Bezeichnung "Sesamspitzen 3er" und "5er Semmeln". Daß die Sachbezeichnung bei so klarer Erkennbarkeit der Ware nicht notwendig sei, ergebe sich aus dem Zweck der Norm. Zweck der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung sei, bei verpackten Waren den Prüfungsnachteil gegenüber unverpackten Waren auszugleichen. Semmeln in Netzen könnten in gleicher Weise getestet werden wie unverpackte Semmeln. Auch auf Folienumhüllungen treffe das zu. Bei Brot könne die Umhüllung nichts anderes als ein Griffschutz, keinesfalls eine Verpackung sein.

Die Berufung führt weiters die Ausnahmebestimmung des § 2 LMKV 1993 ins Treffen. Die üblichen Verkaufsgrößen wären zur unmittelbaren Abgabe an den Letztverbraucher gedacht gewesen. Die Ansicht im Straferkenntnis, daß die Verpackung offen sein müsse, sei nicht einsichtig. Natürlich könnten auch Papiersäcke verschlossen werden, um den Transport zu erleichtern.

Selbst wenn der unabhängige Verwaltungssenat dieser Argumentation nicht folgte, könnte den Bw kein Verschulden treffen. Der Bw setze hunderttausende Stücke Ware in tausenden verschiedenen Artikeln in Verkehr. Sämtliche Waren stammten von renommierten Lieferanten, mit denen es noch nie Schwierigkeiten gegeben hätte. Als Händler könnte dem Bw nicht mehr Sachkunde zugemutet werden als den Spezialisten.

Die Auslegung der neuen LMKV habe selbst Fachleuten erhebliche Schwierigkeiten bereitet.

Der Verfassungsgerichtshof habe zu § 5 VStG ausgesprochen (Hinweis auf EvBl 8/1995), daß die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären sei, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die am Verschulden zweifeln ließen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre daher das Verfahren einzustellen gewesen.

2.5. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung mit dem Bemerken vorgelegt, daß der Rückschein am Postweg verloren gegangen wäre, die Berufung im Hinblick auf das Datum aber rechtzeitig sein dürfte.

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist. Im übrigen wurde der Sachverhalt nicht bestritten und waren ausschließlich Rechtsfragen zu lösen.

Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war daher entbehrlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Zu den formellen Berufungseinwänden ist zunächst einzuräumen, daß die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land die Abtretung des Verfahrens nach § 29a VStG nicht näher begründet hatte. Diese Übertragung des Strafverfahrens ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Bescheid, sondern eine bloße verfahrensrechtliche Anordnung, deren Rechtswidrigkeit nur durch Anfechtung des erledigenden Bescheides geltend gemacht werden kann (vgl u.a. VwGH 14.2.1984, 83/04/0212; VwGH 31.5.1995, 85/18/0211; VwGH 6.2.1989/ 88/10/0026). Schon mangels Bescheidcharakters bedarf es keiner näheren Begründung. Die Übertragung ist allerdings unwirksam, wenn eine unrichtige Behörde genannt wurde (vgl die Judikaturnachweise bei Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 6. A, 349 Rz 834 Punkt 5).

Die gegenständliche Abtretung an die Wohnsitzbehörde ist der typische Fall einer Übertragung des Strafverfahrens. Eine Vereinfachung des Strafverfahrens folgt schon aus dem Umstand, daß die Strafbehörde als Wohnsitzbehörde zur Vernehmung des Beschuldigten keine Rechtshilfe benötigt. Die gegenständliche Übertragung war wirksam, auch wenn dafür keine ausdrückliche Begründung gegeben wurde.

4.2. Entgegen der Berufungsansicht kann auch die unzutreffende Bezugnahme der Strafbehörde auf § 9 Abs 1 VStG durch den unabhängigen Verwaltungssenat berichtigt werden.

Abgesehen davon, daß im Straferkenntnis ohnehin vom verantwortlichen Beauftragten die Rede ist und daher wohl nur ein Fehlzitat vorliegt (statt § 9 Abs 2 VStG wird irrtümlich § 9 Abs 1 VStG angeführt), kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der rechtlichen Verantwortlichkeit nach § 9 VStG korrigiert werden, weil diese nicht Sachverhaltselement sei und daher nicht Gegenstand der Verfolgungshandlung sein müsse (stRsp seit verst Sen VwSlg 12375 A/1987; ferner VwGH 29.6.1995, 94/07/0178; VwGH 17.11.1994, 94/09/0151; VwGH 30.6.1994, 94/09/0035; VwGH 24.6.1994, 94/02/0219).

4.3. In der Sache ist die Berufung aber im Recht. Die von der belangten Strafbehörde übernommene Rechtsansicht der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in L zur Ausnahmebestimmung des § 2 LMKV 1993, wonach diese nur auf Brot und Gebäck in vollständig offenen Papiersäcken anzuwenden wäre, entbehrt der rechtlichen Grundlage.

Nach § 2 LMKV 1993 gilt diese Verordnung nicht für Waren, die in Gegenwart des Verkäufers verpackt werden, und ebensowenig für zur Verkaufsvorbereitung verpackte Waren, wenn diese nur zur kurzfristigen Lagerung für die unmittelbare Abgabe an den Letztverbraucher, ausgenommen Selbstbedienung, bestimmt sind.

Art 12 der EU-Etikettierungsrichtlinie (Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18.12.1978 idgF, zitiert bei Feil, Österreichisches Lebensmittelrecht, 2. Band: Kennzeichnungsvorschriften, 27 ff) überläßt die Kennzeichnungsregelung den Mitgliedsstaaten bei Lebensmitteln, die dem Endverbraucher in nicht vorverpackter Form feilgeboten oder auf Wunsch des Käufers am Verkaufsort verpackt oder die im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt werden.

Gemäß Art 1 Abs 3 lit b) EU-Etikettierungsrichtlinie bedeuten "Vorverpackte Lebensmittel" die Verkaufseinheit, die ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher abgegeben werden soll und die aus einem Lebensmittel und der Verpackung besteht, in die das Lebensmittel vor dem Feilbieten abgepackt worden ist, gleichviel, ob die Verpackung es ganz oder teilweise umschließt, jedoch auf solche Weise, daß der Inhalt nicht verändert werden kann, ohne daß die Verpackung geöffnet werden muß oder eine Veränderung erfährt.

Die LMKV 1993 ist gemäß ihrem § 1 Abs 1 auf verpackte Waren gemäß §§ 2 und 3 LMG 1975 (Lebensmittel und Verzehrprodukte) anzuwenden, die ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt sind. Nach der Definition des § 1 Abs 2 LMKV 1993 sind Waren verpackt, die in Behältnissen oder Umhüllungen beliebiger Art, deren Inhalt ohne Öffnen oder Veränderung der Verpackung nicht vermehrt oder vermindert werden kann, abgegeben werden sollen.

Aus den Rechtsgrundlagen der LMKV 1993 ist ebenso wie aus der EU-Etikettierungsrichtlinie abzuleiten, daß es auf die Art der Verpackung nicht ankommt. Begrifflich wesentlich ist lediglich, daß der Inhalt ohne Einwirkung auf die Verpackung durch Öffnen oder durch Verändern ihrer Gestalt nicht verändert werden kann. Entgegen der Berufungsansicht gelten nach dieser weiten Begriffsbestimmung auch Netze, Folien oder sonstige Umhüllungen als Verpackung. Damit ist aber noch nichts über die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschrift des § 2 LMKV 1993 ausgesagt.

Die Meinung der Strafbehörde in Anlehnung an die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in L, daß nur Brot und Gebäck in vollständig offenen Papiersäcken unter die Ausnahme fallen könne, ist verfehlt. Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates erfüllen vollständig offene Papiersäcke den oben dargestellten Verpackungsbegriff überhaupt nicht, zumal die Ware ohne jede Veränderung des Papiersackes ausgetauscht werden könnte. Deshalb wäre die LMKV 1993 schon mangels relevanter Verpackung auf solche Fälle nicht anzuwenden. Demgegenüber setzt die Ausnahme nach § 2 LMKV aber eine verpackte Ware voraus.

4.4. Wesentliche Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme nach § 2 LMKV 1993:

Die zur Verkaufsvorbereitung verpackte Ware darf nur zur kurzfristigen Lagerung für die unmittelbare Abgabe an den Letztverbraucher im Bedienungsgeschäft bestimmt sein.

Nach der Anzeige des Lebensmittelaufsichtsorganes wurden die vorverpackten Brot- und Backwaren im Bedienungsbereich der Filiale der Firma J in E vorgefunden. Eine Selbstbedienung, für die die Kennzeichnungspflicht im vollen Umfang gilt, war demnach ausgeschlossen. Die angezeigten Einheiten waren in üblichen Verkaufsgrößen für die Abgabe an den Endverbraucher verpackt. Die Dauer der Lagerung wurde im strafbehördlichen Verfahren nicht ermittelt. Beim Gebäck (Semmeln, Sesamspitz) ist von vornherein anzunehmen, daß der Verzehr üblicherweise innerhalb von 24 Stunden ab Erzeugung stattfindet. Lediglich das "Sonnenblumen Roggenbrot rustikal schmackhaft" könnte auch länger gelagert werden. Insofern bietet die Aktenlage aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß nicht nur eine kurzfristige Lagerung für Stunden, sondern etwa eine für Tage erfolgte. Im Zweifel muß jedenfalls zugunsten des Bw von einer bloß kurzfristigen Lagerung für die Abgabe an den Letztverbraucher ausgegangen werden.

Da demnach die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht bei den gegenständlichen Brot- und Backwaren erfüllt waren, erfolgten Schuldspruch und Bestrafung des Bw jedenfalls zu Unrecht. Auf die weiteren Argumente der Berufung brauchte nicht mehr eingegangen zu werden.

4.5. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates nicht 4 nach den Wareneinheiten getrennte Deliktsfälle, sondern im Hinblick auf den unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang nur eine einheitliche strafbare Handlung anzunehmen gewesen wäre. Die Fassung der Strafnorm des § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 erfordert iVm den herangezogenen Vorschriften der LMKV 1993 keine andere Betrachtungsweise.

5. Bei diesem Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels begangener Verwaltungsübertretung einzustellen. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. W e i ß

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