Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240180/2/Wei/Bk

Linz, 28.11.1996

VwSen-240180/2/Wei/Bk Linz, am 28. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des K Angestellter, M, vertreten durch D und D, vom 25.

Jänner 1996 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 11. Jänner 1996, Zl.

SanRB 96-55-1995 SJ/ZE, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 20 iVm § 74 Abs 5 Z 3 Lebensmittelgesetz 1975 LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl Nr.

756/1992) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben, gemäß dem § 21 Abs 1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und dem Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens eine Ermahnung erteilt.

II. Der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 65 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 11.

Jänner 1996 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben es als die gemäß § 9 Abs.2 VStG. 1991 verantwortlich beauftragte Person der H, S, am 13. Oktober 1995 um 08,35 Uhr in der H-Filiale in K an der B 24, verabsäumt, vorzusorgen, daß Lebensmittel, die in Verkehr gebracht werden, nicht durch äußere Einwirkungen hygienisch nachteilig beeinflußt werden können. Es wurde das nicht ausreichend verpackte Gebäck im Verkaufsraum in Selbstbedienungs-Schütten feilgehalten und somit in Verkehr gebracht, bei denen der Kunde Zugriff auf mehrere Gebäckstücke hatte bzw. ihm das Zurücklegen von diesem möglich war.

Diese Umstände waren geeignet, Lebensmittel nachteilig zu beeinflussen und stellten daher eine Gefährdung der Gesundheit für Konsumenten dar." Dadurch erachtete die Strafbehörde § 74 Abs 5 Z 3 iVm § 20 LMG 1975 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach dem Strafrahmen des § 74 Abs 5 LMG 1975 eine Geldstrafe von S 2.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 200,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bw am 12. Jänner 1996 eigenhändig übernommen hat, richtet sich die am 25.

Jänner 1996 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, die die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise eine Ermahnung anstrebt.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich nachstehender S a c hv e r h a l t :

2.1. Das Lebensmittelaufsichtsorgan hat mit Schreiben vom 23. November 1996 den spruchmäßig angelasteten Sachverhalt unter Vorlage eines Lichtbildes angezeigt. In dieser Anzeige wurde gerügt, daß Kunden auf das unzureichend (in Netzen) verpackte Gebäck freien Zugriff gehabt hätten und daß der notwendige Tröpfchenschutz nicht vorgelegen wäre. Dadurch hätte die Gefahr der Übertragung von Krankheiten bestanden.

Nicht ordnungsgemäß verpacktes Brot oder Gebäck dürfte daher nur in der Bedienung verkauft werden. Bei lebensmittelpolizeilichen Revisionen vom 24. Juli 1995 und vom 9. August 1995 wären die Mißstände bereits gerügt und zur Behebung binnen 14 Tagen aufgefordert worden.

2.2. Gegen die Strafverfügung vom 6. Dezember 1995 erhob der Bw Einspruch und gestand zu, daß er erfahren hätte, daß die verwendeten Gebäckspender in absehbarer Zeit nicht mehr erlaubt wären und daß sich die Landesinnung der Bäcker bei den Herstellern um geeignete Semmelspender und Folien bemüht hätte. Diese Vorgangsweise wäre ihm in einem Telefonat mit Ing. U von der "O" bestätigt worden. Man hätte ihm mitgeteilt, daß von Anzeigen abgesehen werde. Unabhängig davon hätte er mit den Bäckern Gespräche wegen neuer Verpackungen geführt. Die Schwerpunktaktion L 2 hätte ihn überrascht. Das Hauptproblem bei der Umstellung von Netzauf Sackerlverpackung wäre die Zeitkomponente. Für eine reibungslose Umstellung benötige man 3 bis 4 Monate. In der Zwischenzeit wären in einer größeren Zahl von Filialen schon Schlauchbeutelverpackungen verwendet worden, wobei dies seit 2. Jänner 1996 in allen Filialen der Fall wäre. Der Bw fühlte sich daher nicht schuldig.

2.3. Im Straferkenntnis wertete die belangte Behörde diese Angaben des Bw als reine Schutzbehauptungen. Unter Hinweis auf nicht aktenkundige vorangegangene Strafverfahren führte sie begründend aus, daß bei einer Besprechung am 19. April 1995 zwischen der Leitung der Lebensmittelaufsicht beim Amt der o.ö. Landesregierung und Vertretern der O.ö. Wirtschaftskammer bezüglich Hygiene beim Brot- und Gebäckverkauf in der Selbstbedienung eine Vorgangsweise zur Abschaffung der Mißstände festgelegt worden wäre. Spätestens Anfang Oktober wäre die einvernehmlich vereinbarte Frist abgelaufen. Im Hinblick auf den Tatzeitpunkt 13. Oktober 1995 wäre die Verwaltungsstrafe daher auszusprechen gewesen. Erschwerend wertete die belangte Behörde drei angeblich auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Verwaltungsübertretungen, die aber im vorgelegten Verwaltungsstrafakt nicht ausgewiesen wurden. Sie ging im übrigen von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 25.000,-- und einem Vermögen für den Hälfteanteil an einem Einfamilienhaus von S 1,250 Mio. bei fehlenden Sorgepflichten aus.

2.4. In der Berufung wird der wesentliche Sachverhalt grundsätzlich nicht bestritten, die hygienisch nachteilige Behandlung durch die geübte Verkaufsweise aber in Abrede gestellt. Der Bw wäre nicht in Kenntnis der Besprechung vom 21. April 1995 gewesen. Die Firma H wäre nicht eingeladen worden. Auch die Ergebnisse der Besprechung wären nicht bekannt geworden. Dem Bw wäre amtlicherseits mitgeteilt worden, daß die Bäckereifachausstellung im Herbst 1995 (ÖBA) in Wels abgewartet werden könnte, auf der geeignete Spender vorgestellt werden. Zwischenzeitig hätte der Bw mit seinen Lieferanten ohnehin Lieferungen von Gebäck in verpackter Form vereinbart und durchgeführt. Die Besprechung vom 21.

April 1995 hätte keine normative Kraft entfalten, sondern nur eine Verwaltungspraxis herstellen können. Die Berufung vermißt in weiterer Folge Hinweise im angefochtenen Straferkenntnis, warum nach dem Stand der jeweiligen Wissenschaft nachteilige hygienische Beeinflussungen durch die bisher geübte Verkaufsweise entstehen sollten.

Erst am 19. Dezember 1995 wäre der Bw durch die belangte Behörde ermahnt worden. Davor wären keine Ermahnungen vorgekommen. Da der inkriminierte Sachverhalt zeitlich weit davor läge, hätte der Bw nicht wissen müssen, daß die Darbietung von Gebäck in der bisherigen Form nach Ansicht der Strafbehörde nicht zulässig ist.

2.5. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt vorgelegt, ohne eine Gegenschrift einzubringen. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht in Erwägung gezogen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß der wesentliche Sachverhalt unstrittig ist und in erster Linie Rechtsfragen zu beurteilen sind.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 75 Abs 5 LMG 1975 macht sich im Fall der Z 3 einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen wer den Bestimmungen der §§ 15 Abs 6 oder 17 Abs 2, 18 Abs 1, 20, 26 Abs 2, 30 Abs 5 erster Satz oder 34 Abs 1 zuwiderhandelt.

§ 20 LMG 1975 verpflichtet denjenigen, der Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit dies nach dem Stand der jeweiligen Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

Nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft birgt die im Selbstbedienungsgeschäft gegebene Möglichkeit eines unkontrollierten Betastens von frei zugänglichen Gebäckstücken durch viele Konsumenten ohne Zweifel ein nicht unerhebliches Risiko der Übertragung von Infektionskrankheiten. Vermeidbar ist dieser hygienische Mißstand durch Gebäckspender, die ein Zurücklegen der ausgewählten Ware ausschließen, oder durch eine geeignete Verpackung, die die Ware nicht dem ungeschützten Zugriff aussetzt (zur Selbstbedienung beim Brotverkauf vgl näher die Erlässe des BMGU vom 1.4.1986, Zl.

III-31950/4-6b/86 und des BMGK vom 26.7.1995, Zl.

32.018/0-III/B1b/95, wiedergegeben bei Barfuß/Smolka/Onder, Lebensmittelrecht 2. A, Teil I A, Komm zu § 20 LMG 1975, 13 f).

Das gegenständliche Feilhalten von genetzten Gebäckstücken in Selbstbedienungsschütten - wie auf dem im Akt befindlichen Lichtbild ersichtlich - bedeutet einen hygienischen Mißstand, den der Bw in tatsächlicher Hinsicht auch zugestand, zumal er sich nach seinem eigenen Vorbringen im Einspruch gegen die Strafverfügung intensiv um Verbesserungen bemühte. Die Berufungsansicht, daß das Verhalten des Bw nicht strafbar erscheint, trifft nicht zu.

4.2. Der erkennende Verwaltungssenat ist aber mit der Berufung der Meinung, daß im vorliegenden Fall gemäß § 21 Abs 1 VStG noch einmal von einer Strafe abgesehen und mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden kann.

Der Bw hat unwiderlegt und glaubhaft vorgebracht, daß er mit der Landesinnung der Bäcker und mit der Lebensmittelpolizei Kontakte betreffend die weitere Vorgangsweise zur Umstellung auf neue Gebäckspender hatte, wobei er auf die Bäckereifachausstellung im Herbst 1995 verwiesen wurde. Unabhängig davon führte er auch Gespräche mit Lieferanten wegen besserer Verpackungen. Für eine reibungslose Umstellung der Verpackungen veranschlagte er 3 bis 4 Monate, was dem O.ö.

Verwaltungssenat einleuchtend erscheint.

Gegen den Bw spricht die Anzeige des Lebensmittelaufsichtsorgans, die auch auf vorangegangene Beanstandungen Ende Juli und Anfang August verweist. Die im Straferkenntnis erwähnte Besprechung vom 19. April 1995 zwischen der Leitung der Lebensmittelaufsicht beim Amt der o.ö. Landesregierung und Vertretern der O.ö. Wirtschaftskammer mit dem vereinbarten Moratorium bis Anfang Oktober 1995 ist dem Bw nach seiner Darstellung nicht bekannt geworden. Diese Einlassung ist glaubwürdig, weil offenbar nicht einmal das kontrollierende Lebensmittelaufsichtsorgan davon etwas erfahren hatte. Andernfalls wäre es nicht erklärbar, wieso dieses Lebensmittelaufsichtsorgan entgegen der von der Leitung der Lebensmittelaufsicht festgelegten Verwaltungspraxis bereits Ende Juli bzw Anfang August 1995 eine nach den tatsächlichen Umständen nicht einsichtige und auch nicht einhaltbare Frist zur Behebung der Mißstände von lediglich 14 Tagen einräumte. Die Meinung der belangten Strafbehörde, daß am 13. Oktober 1995 jedenfalls die bis Anfang Oktober zugestandene Frist eindeutig angelaufen wäre, weshalb reine Schutzbehauptungen vorlägen, kann der erkennende Verwaltungssenat nicht teilen. Abgesehen davon, daß der Bw von dieser vereinbarten Frist anläßlich der Besprechung vom 19.

April 1995 offenbar nichts erfahren hatte, erscheint eine bis Anfang Oktober 1995 eingeräumte Frist nicht derart bestimmt, daß schon am 13. Oktober 1995 eindeutig und für jedermann erkennbar eine relevante (schuldhafte) Überschreitung angenommen werden kann. Dem schlüssigen Sachvorbringen des Bw hat die belangte Behörde im übrigen nichts entgegengesetzt, weshalb von der Richtigkeit dieser Darstellung ausgegangen werden konnte. Daß der Bw wegen gleichgelagerter Fälle bereits vorbestraft wäre, kann dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht entnommen werden. In diesem befindet sich nicht einmal ein aktuelles Verzeichnis der verwaltungsstrafbehördlichen Vorstrafen.

Die konkrete Vorgangsweise der Selbstbedienung über ein eher kleines klappbares Fenster aus einer sonst mit Plexiglas weitgehend geschützten Schütte, bedeutete objektiv noch keinen gravierenden hygienischen Mißstand. Eine direkte Kontamination etwa durch Nießen wäre kaum möglich gewesen.

Nur wenn ein Kunde nicht bloß mit der Hand durch das Fenster greift, sondern auch seinen Kopf in gebückter Haltung in die Öffnung hält, wäre sie denkbar. Die Infektionsgefahr durch unkontrolliertes Betasten der bloß genetzten Gebäckstücke war zwar gegeben, aber auch nicht besonders hoch. Das Verschulden des Bw kann angesichts der geschilderten Umstände nur als geringfügig betrachtet werden. Da er sich auch um bessere Verpackungen alsbald bemühte - insofern ist zu seinen Gunsten auch eine gewisse Abhängigkeit von den Lieferanten mitzubedenken - und Schlauchbeutelverpackungen durchsetzte, die jedenfalls seit Jänner 1996 durchwegs Verwendung finden, sieht der O.ö. Verwaltungssenat auch keine besonderen spezialpräventiven Bedürfnisse. Bestimmte nachteilige Folgen der Übertretung sind auch nicht bekanntgeworden.

5. Im Ergebnis konnte daher von einer Strafe abgesehen und eine bloße Ermahnung ausgesprochen werden. Gemäß § 65 VStG hatte der Bw daher auch keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. W e i ß

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