Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240400/2/WEI/Ni

Linz, 07.06.2002

VwSen-240400/2/WEI/Ni Linz, am 7. Juni 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des P, vertreten durch Rechtsanwalt gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 18. April 2001, Zl. SanRB 96-14-2001, wegen Beihilfe zu einer Verwaltungsübertretung nach dem § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz (StGBl Nr. 152/1945 idF BGBl Nr. 345/1993) iVm der Verordnung des BGMU, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr. 591/1993, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
  2. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis hat die belangte Strafbehörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Mit Strafverfügung, SanRB96 vom 22.2.2001 wurde über Sie eine Geldstrafe von S 1.000,-- verhängt, weil Sie in der Zeit von April 2000 bis Jänner 2001 im Entspannungs- und Freizeitclub, Gemeinde B, zur Übertretung des Geschlechtskrankheitengesetzes beigeholfen bzw. die Übertretung erleichtert haben, weil Sie als Schriftführer des Vereins 'Entspannungs- und Freizeitclub', die Hälfte des Monatsnettogewinns der Personen, welche die Prostitution ausgeübt haben, einbehalten haben.

Mit Stellungnahme des ausgewiesenen Machthabers P vom 21.3.2001 haben Sie sich dahingehend gerechtfertigt, dass nicht erkennbar ist, auf welche Art und Weise Sie dazu beigetragen bzw. erleichtert hätten, dass mehrere Personen keinen Ausweis hatten. Die Rechtsnormen beträfen nur Personen, die die Prostitution ausübten und bezögen sich nicht auf Ihren Verantwortungsbereich.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht fest, dass Sie folgende Rechtsvorschriften verletzt haben:

§§ 5 Abs. 1 u. 2, 7 Verwaltungsstrafgesetz 1991, §§ 1. u. 5 der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz, BGBl. Nr. 591/1993 i.V.m. § 12 Abs. 2 Geschlechtskrankheitengesetz, BGBl. Nr. 54/1946 i.d.g.F.

Es wird daher über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe: S 1.000,--

Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Tage

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) einen Betrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich Schilling 200,-- angerechnet) zu zahlen:

Kosten des Strafverfahrens: S 100,--

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher S 1.100,-- (entspricht 79,94 Euro)

Rechtsgrundlage:

§ 12 Abs. 2, BGBl. Nr. 54/1946 i.d.g.F."

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 20. April 2001 zugestellt wurde, richtet sich die am 4. Mai 2001 rechtzeitig bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung vom 3. Mai 2001, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt wird.

2.1. Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses auf Grund von nicht näher bezeichneten Anzeigen des Gendarmeriepostens M davon aus, dass der Bw Schriftführer eines Vereines sei, in dem die gewerbsmäßige Prostitution ausgeübt werde. Aus seiner Rechtfertigung sei eindeutig zu erkennen, dass er diesen Umstand nicht bestreite. Denn nach Meinung des Bw ließ sich nicht erkennen, auf welche Art und Weise er beigetragen hätte, dass mehrere Personen kein Gesundheitsbuch hatten, wobei diese Verpflichtung diese Personen selbst treffe.

Die belangte Strafbehörde führt weiter aus, dass auf Grund der Rechtfertigung davon auszugehen sei, dass der Bw von der Ausübung der Prostitution wusste. Aus der Anzeige der P gehe ferner hervor, dass der Bw die Hälfte des Nettoeinkommens der tätigen Personen für den Verein vereinnahmt habe. Es sei weder behauptet worden, noch könne glaubwürdig dargebracht werden, dass der Bw nicht in Kenntnis des Umstandes gewesen sei, dass bei der Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution ein Gesundheitsbuch nötig ist. Der Bw habe daher zumindest fahrlässig im Sinne des Verwaltungsstrafgesetzes und somit schuldhaft gehandelt. Das Schreiben der P, keine weiteren Angaben zu machen und ihre Anzeige zurückzuziehen, sei als Schutzbehauptung zu werten, weil sie offenkundig Repressalien befürchte oder schon solchen ausgesetzt gewesen sei. Ihre Aussagen in der Anzeige der Gendarmerie sei daher glaubwürdig. Aus diesen Gründen stehe fest, dass der Bw an der Begehung einer Verwaltungsübertretung beteiligt gewesen sei. Da er den im Spruch angeführten Bestimmungen zuwidergehandelt hätte, wäre spruchgemäß entschieden worden. Bei der Strafbemessung wertete die belangte Behörde die bisherige Unbescholtenheit als mildernd und keinen Umstand als erschwerend. Das monatliche Einkommen des Bw wurde mit S 15.000 angenommen.

2.2. In der rechtsfreundlich vertretenen Berufung verweist der Bw auf seine Rechtfertigung vom 21. März 2001 und vertritt weiterhin den Standpunkt, dass sich nicht erkennen lasse, auf welche Art und Weise er dazu beigetragen bzw es erleichtert hätte, dass mehrere Personen kein Gesundheitsbuch hatten. Er habe niemanden von der Erfüllung der in Rede stehenden gesetzlichen Verpflichtung abgehalten. Die Strafbehörde bleibe Antworten auf wesentliche Fragen schuldig. Selbst wenn der Bw in Kenntnis gewesen wäre, dass jemand bei Ausübung der Prostitution kein Gesundheitsbuch habe, bedeutete ein solches "Dulden" eines gesetzwidrigen Zustandes noch keinesfalls das Vorliegen der Begehungsform der Anstiftung oder Beihilfe. Nur wer vorsätzlich veranlasst oder erleichtert, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, mache sich strafbar. Dass dies gegenständlich der Fall gewesen wäre, behaupte selbst die Erstbehörde nicht.

Der Bw habe nicht nachgefragt, wer ein Gesundheitsbuch besitzt und habe ihm dies auch niemand mitgeteilt. Er hätte davon nichts gewusst und könnte schon deshalb Vorsatz nicht angenommen werden. Dies wäre aber ohnehin nebensächlich, weil § 7 VStG ein aktives Tun erfordere, welches die Erstbehörde zu Recht nicht festgestellt habe. Dass er die Hälfte des Monatsnettogewinns von Prostituierten einbehalten hätte, wäre unrichtig und könnte auch das ihm zur Last gelegte Verhalten nicht begründen. Auch die Identität der Tat wäre nicht unverwechselbar umschrieben.

3. Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz werden u.a. Übertretungen der auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verordnungen, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine strengere Bestrafung stattfindet, als Verwaltungs-übertretung mit Geld bis zu 1.000,-- RM (= S 1.000,-- laut Umrechnung gemäß § 3 Abs 2 Schillinggesetz, StGBl Nr. 231/1945) oder mit Arrest bis zu zwei Monaten bestraft. Mit dem 1. Euro-Umstellungsgesetz - Bund (vgl Art 108 des BGBl I Nr. 98/2001) wurde die Betragsangabe S 1.000 durch 70 Euro ersetzt. Die absolute Höchstgrenze der Freiheitsstrafe beträgt allerdings nach dem § 12 Abs 1 Satz 3 VStG seit der Verwaltungsstrafgesetz-Novelle BGBl Nr. 516/1987 sechs Wochen.

Nach § 1 der Verordnung des BMGU, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr. 591/1993, über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen (im folgenden kurz Prostitutionsverordnung), haben sich Personen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen, vor Beginn dieser Tätigkeit sowie regelmäßig im Abstand von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen. Gemäß § 5 der Prostitutionsverordnung haben die im § 1 genannten Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit den Ausweis (vgl § 2) bei sich zu führen und den Organen der Bezirksverwaltungsbehörde und des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.

Die Verordnungsermächtigung nach § 11 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz und die auf ihrer Grundlage ergangene Prostitutionsverordnung stellen auf die Tätigkeit der gewerbsmäßigen Vornahme oder Zulassung sexueller Handlungen am eigenen und /oder fremden Körper ab.

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (ständige Rspr. seit den Erk. verst. Senate in VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Bescheidspruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale in der Begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 970 f, Anm 2 zu § 44a VStG).

Der von der belangten Behörde formulierte Spruch enthält großteils eine irrelevante Schilderung von Verfahrensabläufen, nicht aber einen anhand der Umstände des Einzelfalles hinreichend konkretisierten Tatvorwurf unter Berücksichtigung der wesentlichen Tatbestandsmerkmale auf der Grundlage der oben dargestellten Rechtsvorschriften. Eine zeitlich und örtlich näher bestimmte Übertretung des § 1 der Prostitutionsverordnung iVm dem § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz durch bestimmte Personen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen wird nicht ansatzweise ausgeführt. Vielmehr ist nur pauschal von Beihilfe zur Übertretung des Geschlechtskrankheitengesetzes die Rede, weil der Bw als Schriftführer des Vereins "Entspannungs- und Freizeitclub" die Hälfte des Monatsnettogewinns der Personen, die die Prostitution ausgeübt hätten, einbehalten habe. Wieso der Bw schon damit eine Übertretung des Geschlechtskrankheitengesetzes erleichtert haben soll, vermag auch das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates nicht nachzuvollziehen. Die dem Bw angelastete Tätigkeit mag ihn verdächtig erscheinen lassen, der sachlogische Zusammenhang für den intendierten Schuldvorwurf ist aber damit noch nicht gegeben.

4.3. Gemäß § 7 VStG unterliegt der Strafe einer Verwaltungsübertretung, wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert.

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses stellt auch die Begehungsform der Beihilfe iSd § 7 VStG und damit die Beteiligungsverhältnisse unzutreffend dar. In Anknüpfung an seine oben zitierte Judikatur zur Tatkonkretisierung nach § 44a Z 1 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof in zwei Erkenntnissen aus dem Jahr 1990 zur Begehungsform der Beihilfe klargestellt, dass im Spruch sowohl die Tatumstände zu konkretisieren sind, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zur verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglicht, als auch jenes konkrete Verhalten darzustellen ist, durch welches der Tatbestand der Beihilfe verwirklicht wird. Dabei bedarf es auch eines konkreten inhaltlichen Tatvorwurfes bezüglich der vorsätzlichen Begehungsweise (vgl VwSlg 13.112 A/1990 und VwSlg 13.224 A/1990)

Die Tatumschreibung der belangten Behörde verfehlt diese Anforderungen offenkundig. Es bedarf dazu keiner weiteren Erörterung. Die belangte Behörde hat überdies in Verkennung der Rechtslage ausgeführt, dass der Bw zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt hätte, obwohl für die Begehungsform der Beihilfe nach § 7 VStG eindeutig vorsätzliches Handeln gefordert wird. Schließlich beruht auch die strafbehördliche Bezugnahme auf § 5 Abs 1 VStG auf einem grundlegenden Missverständnis der Beteiligungsstrafbarkeit.

5. Bei diesem Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis schon wegen qualifizierter Spruchmängel aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels der Anlastung eines strafbaren Verhaltens einzustellen. Gemäß dem § 66 Abs 1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. W e i ß