Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240459/2/WEI/Eg/Da

Linz, 21.10.2004

 

 

 VwSen-240459/2/WEI/Eg/Da Linz, am 21. Oktober 2004

DVR.0690392
 

 
 
 
 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der E W, L, F, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Freistadt vom 24. Juli 2003, Zl. SanRB96-21-2003, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs 1 Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 (BGBl. Nr. 86/1975, idF BGBl. I Nr. 98/2001 [Euro-Umstellungsgesetz]), zu Recht erkannt:

 

 

I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 


Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.
 
 
 
 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Freistadt wurde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

 

"Sie haben als verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Gewerbeinhaberin für ein "Handels- und Handelsagentengewerbe gem. § 124 Ziffer 10 Gewerbeordnung 1994" mit dem Standort P, W, zumindest 1 Stück "A" am 9. November 2002 auf dem Messegelände in W anlässlich der Gesundheitsmesse zum Verkauf angeboten und damit in Verkehr gebracht, obwohl es verboten ist, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung. Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptome oder auf physiologische oder pharmakologische- insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinende hemmende, schlankmachende, gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Die Informationsbroschüre zu dem oben angeführten Produkt weist u.a. nachstehende Angaben auf:

"Durchschnittswert von 800 Personen bei Meridiandiagnose nach Dr. V:"

Grafik

"Rot: der Messwert nach Konsumieren des normalen Wassers

Blau: der Messwert nach Konsumieren des belebten A".

Auf der Grafik ist beispielhaft der Meridianstatus der Testpersonen (aus einer umfangreichen Testserie) dargestellt. Der anzustrebende physiologische, gesunde Normbereich ist als blaue Kreisscheibe markiert. Werte außerhalb des Kreisringes stellen Disharmonien des Meridianregimes dar, die zu Pathologien führen können oder bereits Ausdruck von Pathologien sind. Die rote Kennlinie dokumentiert eine belastete Ausgangssituation - die blaue Kennlinie zeigt den positiven Einfluss des aktivierten Wassers (Expositionsdauer: 2 Minuten). Alle Meridiane erreichen ein harmonisches Niveau, das einer Therapeutischen Wirkung gleichkommt. In den Versuchsreihen zeigten alle A aktivierten Wasser unabhängig von ihrem Ursprung (Grazer Stadtwasser, Wasser aus dem Leibnitzerfeld, diverse Hausbrunnen) reproduzierbare signifikante Verbesserungen des Meridianregimes.

Lt. Diesen Aussagen und der angegebenen Grafik befinden sich alle Menschen, die "normales" Wasser trinken, in einem Zustand, der zu Pathologien führen kann oder bereits in einem Zustand mit Pathologien.

Dies stellt eine Irreführung des Verbrauchers dar, da "normales" Wasser strengen Kontrollen unterliegt und gem. der Trinkwasserverordnung geeignet sein muss, ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit getrunken oder verwendet zu werden. Weiters erweckt diese Darstellung den Eindruck, dass das Gerät dazu geeignet wäre, Krankheiten zu verhüten.

Das Produkt ist somit als falsch bezeichnet zu beurteilen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 74 Abs. 1, § 8 lit. f, § 9 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 28 Abs. 1 lit. c Lebensmittelgesetz 1975, BGBl.Nr. 86/1975, i.d.g.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfrei-heitsstrafe von

Gemäß

300 Euro

13 Stunden

§ 74 Abs. 1 leg.cit.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

35 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe

(je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 14,53 Euro angerechnet);

25,98 Euro als Ersatz der Barauslagen lt. § 45 Abs. 2 Lebensmittelgesetz 1975 für das Gutachten der Ö vom 21. März 2003

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher 355,98 Euro."

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin am 28. Juli 2004 persönlich zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende am 12. August 2004 - und somit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

 

1.3. Begründend führt die Bwin in ihrer Berufung Folgendes an:

 

"Ich berufe hiermit gegen die oben angeführte Straferkenntnis innerhalb der gesetzlichen Frist. Die Gründe dafür möchte ich Ihnen in Kurzform schildern. Die Prospekte, welche ich auf der Messe in Wels im vergangenen Herbst verteilt habe, wurden mir von der Firma A in K in der S, (Erzeuger und Erfinder des A) zur Verfügung gestellt. Es wurde lediglich mein Eindruck in diesen Prospekt von der zuständigen Druckerei der Firma A vorgenommen. Da mein Kontakt zum Erzeuger mittlerweile sehr eng ist, und ich mich auch vor der Abgabe dieser Prospekte bei der Firma über die Richtigkeit der Aussagen in diesem Prospekt vergewissert habe, verstehe ich nun überhaupt nicht, warum ich hier bestraft werden soll. Laut Aussagen von Hr. und Fr. L (Geschäftsführer der Firma A) ist der Prospekt vor dem Druck von deren Rechtsanwälten geprüft und abgesegnet worden. Deswegen verstehe ich nicht, wie es zu einer Strafverfolgung auf grund dessen kommen konnte.

 

Die Firma befindet sich seit Ende Juli bis 15. August im Betriebsurlaub und deswegen konnte ich jetzt mit der Geschäftsführung keinen Kontakt aufnehmen.

 

Ich bin lediglich der Handelsvertreter der Firma, so wie Tausende andere es auch sind. Aus diesem Grund bitte ich Sie, direkt mit der Firma A in K in der S Kontrakt aufzunehmen."

 

Damit wird inhaltlich - gerade noch erkennbar - die Aufhebung des angefochtenen Bescheids beantragt.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende S a c h v e r h a l t :

2.1. Am 9. November 2002 um 12.23 Uhr führte das Lebensmittelaufsichtsorgan des Magistrates Wels anlässlich der Gesundheitsmesse auf dem Messegelände in W eine Lebensmittelkontrolle durch und nahm bei der Bwin eine Probe der Ware "A".

 

Die Broschüre zum A enthält unter anderem eine Auflistung von Vorteilen, welche bei der Anwendung von mit dem "A " vitalisiertem Wasser beobachtet wurden, wie etwa "ihr Wasser wird energetisch hochwertiger, Wasser wird basischer, Wasser wird vitaler und hautverträglicher, alle Mineralien bleiben dem Wasser erhalten, gewaschenes Obst und Gemüse bleibt länger frisch, bringt die ursprüngliche Frische natürlicher Quellen, Geschmacksverbesserung bei Getränken und Speisen, welche mit vitalisiertem Wasser zubereitet werden sind viel milder und bekömmlicher, Steigerung des Wohlbefindens, gesundheitlich: wissenschaftliche und ärztliche Gutachten zeigen den positiven Einfluss auf den gesamten Organismus".

 

Weiters wird in einer Grafik Folgendes dargestellt:

"Durchschnittswert von 800 Personen bei Meridiandiagnose nach Dr. V:

 

Rot: Messwert nach Konsumieren des normalen Wassers

Blau: Messwert nach Konsumieren des belebten A.

Auf der Grafik ist beispielhaft der Meridianstatus der Testpersonen (aus einer umfangreichen Testserie) dargestellt. Der anzustrebende physiologische, gesunde Normbereich ist als blaue Kreisscheibe markiert. Werte außerhalb des Kreisringes stellen Disharmonien des Meridianregimes dar, die zu Pathologien führen können oder bereits Ausdruck von Pathologien sind. Die rote Kennlinie dokumentiert eine belastete Ausgangssituation - die blaue Kennlinie zeigt den positiven Einfluss des aktivierten Wassers (Expositionsdauer 2 Minuten). Alle Meridiane erreichen ein harmonisches Niveau, das einer therapeutischen Wirkung gleichkommt. In den Versuchsreihen zeigten alle A aktivierten Wasser unabhängig von ihrem Ursprung (Grazer Stadtwasser, Wasser aus dem Leibnitzerfeld, diverse Hausbrunnen) reproduzierbare signifikante Verbesserungen des Meridianregimes."

2.2. Die Ö für G, Lebensmitteluntersuchung L, hat bezüglich dieser Probe Befund und Gutachten vom 21. März 2003, UZ: 006083/2002, erstellt. Aufgrund dieses Gutachtens wurde von der belangten Behörde gegen die Bwin ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet und ihr mit Strafverfügung vom 12. Juni 2003 die oben bezeichnete Verwaltungsübertretung zur Last gelegt, gegen welche sie mit Schreiben vom 30. Juni 2003 Einspruch erhob.

Im ordentlichen Verfahren führt die Bwin in ihrer Rechtfertigung vom 7. Juli 2003 an, dass es sich beim A um ein Wasserbelebungsgerät, somit weder um ein Lebensmittel noch um ein Verzehrprodukt oder um einen Zusatzstoff handelt. Daher entspreche die Zitierung des § 28 Abs. 1 lit. c LMG weder dem zur Last gelegten Sachverhalt noch sei diese Bestimmung überhaupt anwendbar. Die Vorwürfe würden faktisch und rechtlich ins Leere gehen und seien falsche Schlussfolgerungen gezogen worden, da die Methode nach Dr. V eine mittlerweile anerkannte Methode sei. Dass die Verbesserung des Zustandsbildes den Eindruck erwecke, dass bei Nichtverwendung eines Wasserbelebungsgerätes alle Leute krank seien, sei mit logischem Denkvermögen nicht nachvollziehbar. Außerdem bestehe keine Rechtsgrundlage zur Vorschreibung von Untersuchungskosten, da die Ö untersucht habe, was fachlich einer Untersuchung bedürfe. Über die Prüfung des Gerätes sei im Gutachten kein Wort verloren worden. Die Frage der Bezeichnung eines Lebensmittels sei jedoch keine Sachfrage, die die Agentur zu prüfen habe, sondern eine Rechtsfrage, die der Behörde zukomme. Wenn die Behörde sich dazu nicht in der Lage sieht, könne sie Fachleute beiziehen, müsse jedoch die entsprechenden Kosten selbst tragen.

In der Folge wurde von der belangten Behörde das angefochtene Straferkenntnis vom 24. Juli 2003 erlassen.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Freistadt zur Zahl SanRB 96-21-2003 festgestellt, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nach der Aktenlage geklärt erscheint und nur Rechtsfragen zu beantworten sind.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Zunächst ist klarzustellen, dass die einschlägige LMG-Novelle BGBl I Nr. 69/2003, die am 14. August 2003 kundgemacht wurde und im Wesentlichen eine Änderung des bisher geregelten Regimes betreffend das Verbot gesundheitsbezogener Angaben nach § 9 LMG 1975 vorsieht, auf den vorliegenden Fall im Jahr 2002 (Straferkenntnis vom 24.07.2003) im Hinblick auf die Grundsätze des § 1 Abs 2 VStG noch nicht anwendbar ist. Im Folgenden wird daher noch die alte Rechtslage dargestellt:

Gemäß § 74 Abs 1 LMG 1975 idF vor der Novelle BGBl I Nr. 69/2003 macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 7.300 Euro zu bestrafen

wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt.

 

Nach § 8 lit f) LMG 1975 idF vor der Novelle BGBl I Nr. 69/2003 sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

Nach § 9 Abs 1 LMG 1975 idF vor der Novelle BGBl I Nr. 69/2003 ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen


a) sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten
oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder
pharmakologische, insbesondere jungerhaltende,
Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder
gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer
derartigen Wirkung zu erwecken;
b) auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf
Gutachten hinzuweisen;
c) gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen
von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von
Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige
auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden.

Gemäß § 9 Abs 2 leg.cit. gelten die Verbote des Abs 1 nicht für jene althergebrachten Bezeichnungen, die keinerlei Zweifel über die Beschaffenheit der Ware zulassen. Nach § 9 Abs 3 leg.cit. hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist. Der Bescheid ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für die Zulassung nicht mehr gegeben sind.

Gemäß § 28 Abs 1 leg.cit. ist es verboten, Gebrauchsgegenstände in Verkehr zu bringen, die

  1. bei bestimmungsgemäßem oder vorauszusehendem Gebrauch gesundheitsschädlich sind;
  2. bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet sind, Lebensmittel, Verzehrprodukte, Zusatzstoffe oder kosmetische Mittel nachteilig zu beeinflussen;
  3. falsch bezeichnet sind und unter § 6 lit a, b oder e fallen;
  4. den nach § 29 erlassenen Vorschriften nicht entsprechen.

 

4.2. Zur Problematik der Rechtslage vor der Novelle BGBl I Nr. 69/2003 ist das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 2003, Zl. 2003/10/0026, ergangen, in dem auf Seiten 8 f wie folgt ausgeführt wird:

 

"Nach dem - über das Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes um Vorabentscheidung vom 18. Dezember 2000 ergangenen - Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 23. Jänner 2003, C-421/00, C-426/00 und C-16/01, sind jene Bestimmungen des österreichischen Lebensmittelgesetzes, die jede gesundheitsbezogene Angabe auf der Etikettierung und der Aufmachung von Lebensmitteln vorbehaltlich besonderer Genehmigung generell verbieten, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar.

 

In der Begründung dieses Urteiles hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften dazu ausgeführt, dass die Richtlinie 79/112 (Etikettierungsrichtlinie) alle Angaben verbietet, die sich auf eine menschliche Krankheit beziehen, unabhängig von ihrer Eignung, den Verbraucher irrezuführen, sowie diejenigen Angaben, die, obzwar sie sich nicht auf eine Krankheit, sondern etwa auf die Gesundheit beziehen, irreführend sind (Rz 28).

 

Weiters hat der Gerichtshof ausgesprochen, dass Lebensmittel mit einer Etikettierung, die nicht irreführende gesundheitsbezogene Angaben enthält, als den Vorschriften der Richtlinie 79/112 entsprechend anzusehen sind und dass die Mitgliedstaaten ihren Vertrieb nicht mit der Begründung untersagen können, diese Etikettierung sei möglicherweise nicht ordnungsgemäß (Rz 30).

 

Nach Rechtsprechung des EuGH besitzt das Gemeinschaftsrecht Vorrang gegenüber innerstaatlichem Recht. Dieser "Anwendungsvorrang" hat zur Folge, dass entgegenstehendes innerstaatliches Recht ohne Weiteres unanwendbar wird (vgl. EuGH Rs 106/77 [Simmenthal II], Slg. 1978, 629, Rz 17/18, u.a.).

 

Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, dass die Bestimmungen des LMG, soweit sie jede gesundheitsbezogene Angabe auf der Etikettierung und der Aufmachung von Lebensmitteln vorbehaltlich besonderer Genehmigung generell verbieten, also unabhängig davon, ob sie irreführend sind oder nicht, nicht mehr anwendbar sind.

 

Der alle gesundheitsbezogenen Angaben erfassende Verwaltungsstraftatbestand des § 74 Abs. 1 LMG in Verbindung mit § 8 lit. f und § 9 Abs. 1 leg.cit. wird durch die Etikettierungs-Richtlinie eingeschränkt. Verboten sind gesundheitsbezogene Angaben demnach nur, wenn sie

 

  1. sich auf eine menschliche Krankheit beziehen, oder
  2.  

  3. irreführend sind."

 

Offenbar wegen dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber nunmehr mit der am 15. August 2003 in Kraft getretenen LMG-Novelle BGBl I Nr. 69/2003 den § 9 in einer stark reduzierten Neufassung betreffend ein "Verbot krankheitsbezogener Angaben" erlassen. Gesundheitsbezogene Angaben sind nunmehr ohne Bewilligung erlaubt, wenn sie sich nicht auf menschliche Krankheiten beziehen.

 

4.3. Die belangte Behörde wirft der Bwin im Straferkenntnis in Anlehnung an das gegenständliche Gutachten der Ö, L L, vor, dass die Informationsbroschüre Aussagen enthalte, wonach alle Menschen, die "normales" Wasser trinken, sich in einem Zustand, der zu Pathologien führen kann oder bereits in einem Zustand mit Pathologien befänden, was zur Irreführung des Verbrauchers führe, da normales Wasser strengen Kontrollen unterliege und gemäß der Trinkwasserverordnung geeignet sein müsse, ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit getrunken oder verwendet zu werden.

 

Der Oö. Verwaltungssenat teilt diese Ansicht nicht. Aus der Bröschüre zum "A", der auch als Wasser-Vitalisator und Kalktransformer bezeichnet wird, geht hervor, dass bioenergetisch positive Effekte und vor allem in komplementärmedizinischer Hinsicht (Meridiandiagnose Dr. V) ein günstiger Einfluss auf die Gesundheit und den Organismus bewirkt werde. Diese aktenkundig unwiderlegte Darstellung bedeutet inhaltlich entgegen der Behauptung im Gutachten der Ö noch nicht, dass bei schulmedizinischer Betrachtung Menschen durch den Genuss von "normalem" Trinkwasser krank werden können oder bereits krank sind. Diese Schlussfolgerung im Gutachten läuft auf eine exzessive Interpretation der Informationsbroschüre hinaus, die auch vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage über die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Angaben nicht vertretbar erscheint.

 

Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats versteht die Angaben in der Broschüre zum bezeichneten Produkt lediglich gesundheitsbezogen und nicht krankheitsbezogen. Bei Anwendung des angeblich patentierten Gerätes "A" zur Verbesserung der Wasserqualität und Kalktransformation werden bioenergetisch günstige Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden vorhergesagt. Eine krankheitsbezogene bzw. krankmachende Auswirkung bei Nichtanwendung des Produktes ist aus den Angaben in der Informationsbroschüre nicht abzuleiten.

 

5. Im Ergebnis hätte die belangte Behörde den durch das Gemeinschaftsrecht teilweise verdrängten § 9 LMG 1975 nicht als Grundlage für einen Schuldspruch und eine Bestrafung nach § 74 Abs 1 LMG 1975 heranziehen dürfen, weil in der Informationsbroschüre zum "A" nur gesundheitsbezogene Angaben, die keine menschliche Krankheit betreffen, gemacht wurden. Es war daher aus Anlass der Berufung das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens. Auch der Ersatz von Untersuchungskosten nach § 45 Abs 2 LMG 1975 ist bei diesem Ergebnis ausgeschlossen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 
 

Dr. W e i ß
 
 

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