Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240495/2/SR/Ri

Linz, 15.04.2004

 

 

 VwSen-240495/2/SR/Ri Linz, am 15. April 2004

DVR.0690392
 

 

E R K E N N T N I S
 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des F R, J-R-Straße, T, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 19. Februar 2004, Zl. SanRB96-193-2001, wegen Übertretung des § 9 Abs. 1 lit.c der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 13. Dezember 1972 über den Verkehr mit Speiseeis (Speiseeisverordnung) BGBl. Nr. 6/1973 i.d.g.F i.V.m. § 74 Abs. 5 Ziff. 1 und § 77 Abs. 1 Ziff. 18 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG), BGBl. Nr. 86/1975 i.d.F. BGBl. II Nr. 150/2001, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z. 3 und 51e Abs. 2 Z.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002- VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als Inhaber der Firma "G R", J-R-Straße, T, zu verantworten, dass, wie am 10.07.2001 um 10.15 Uhr anlässlich einer Probenentnahme durch ein Lebensmittelaufsichtsorgan festgestellt wurde, in der Firma J L, C I, W Straße, , Speiseeis Tiramisu in Verkehr gebracht wurde, (hergestellt in Ihrer Firma, J-R-Straße, T), in dem sich lt. Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz, 2.300 Enterokokken in 1 g oder ml Speiseeis Tiramisu befanden, obwohl laut Speiseeisverordnung § 9 Abs. 1 lit. c, Speiseeis so herzustellen ist, dass darin nicht mehr als 1.000 Enterokokken in 1 g oder ml enthalten sind. Damit wurde der festgesetzte Grenzwert an Enterokokken deutlich überschritten und somit liegt ein Verstoß gegen die zitierte Verordnung vor.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 9 Abs. 1 lit.c der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 13. Dezember 1972 über den Verkehr mit Speiseeis (Speiseeisverordnung) BGBl. Nr. 6/1973 i.d.g.F i.V.m. § 74 Abs. 5 Ziff. 1 und § 77 Abs. 1 Ziff. 18 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG), BGBl. Nr. 86/1975 i.d.F. BGBl. II Nr. 150/2001.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie gemäß § 74 Abs. 5 Ziff. 1 LMG eine Geldstrafe von 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden, verhängt.

Ferner haben Sie gemäß § 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) 10% der Strafe, das sind 7,20 Euro, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, zu zahlen.

Gemäß § 64 Abs. 3 VStG haben Sie außerdem die in diesem Strafverfahren entstandenen Barauslagen (Untersuchungsgebühr) von 136,14 Euro für die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz durchgeführten Untersuchungen zu ersetzen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag beläuft sich somit auf 215,34 Euro.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG).".

 

2. Gegen dieses dem Bw am 10. März 2004 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

2.1. Die Behörde erster Instanz wirft dem Bw im Spruch vor, dass "er es als Inhaber der gegenständlichen Firma zu verantworten habe, dass in der Firma J L in Linz Speiseeis Tiramisu in Verkehr gebracht wurde". In der Begründung führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass durch den erwiesen anzusehenden Sachverhalt der objektive Tatbestand der dem Bw zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfüllt sei.

2.2. Der Bw hat in der Berufungsschrift u.a. ausgeführt, dass im Jahr 2001 keine Eislieferung an die Firma L stattgefunden habe. Seine Eisproduktion und der Eissalon in Traun seien von der Firma T Gmbh betrieben worden.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Berufungsvorbringen hinreichend geklärt erscheint.

 

  1. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 74 Abs. 5 LMG 1975 macht sich, wer den Bestimmungen der in § 77 Abs. 1 Z 18 angeführten Rechtsvorschrift zuwiderhandelt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 3600 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 Speiseeisverordnung ist Speiseeis so herzustellen und zu behandeln, dass in je 1 Gramm nicht mehr als 1.000 Enterokokken enthalten sind.

 

4.2. Das dem Bw von der Behörde erster Instanz zur Last gelegte, mit Strafe bedrohte Verhalten wurde mit dem Inverkehrbringen von Speiseeis Tiramisu mit 2.300 Enterokokken pro "g" bzw. "ml" in der Firma J L in L, W Straße umschrieben.

 

Gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 iVm § 77 Abs. 1 Z. 18 LMG 1975 und § 9 Speiseeisverordnung macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Speiseeis nicht so herstellt und nicht so behandelt, dass im Speiseeis je Gramm nicht mehr als 1.000 Enterokokken enthalten sind.

 

Verwaltungsstrafrechtlich relevant ist hier nicht das "Inverkehrbringen" des gegenständlichen Speiseeises sondern die nicht verordnungskonforme Herstellung bzw. Behandlung des Speiseeises. Darüber hinaus wäre im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 25.2.2003, Zl. 2001/10/0257) auf Grund der - nicht zutreffenden - Tatortanlastung (Inverkehrbringen des Speiseeises in Linz) die unzuständige Behörde eingeschritten.

 

Abgesehen von der im Spruch zum Ausdruck kommenden Sachverhaltsfeststellungen ist aber gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 iVm § 77 Abs. 1 Z. 18 LMG 1975 und § 9 Speiseeisverordnung von der Zuständigkeit der belangten Behörde auszugehen.

 

Die Behörde erster Instanz hat es jedoch unterlassen, den Tatvorwurf gesetzmäßig zu konkretisieren. Dem Bw war es daher nicht möglich, auf die ihm vorgeworfene Tat konkret einzugehen (arg.: Ausführungen in der Berufungsschrift - Lieferung an die Firma L). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Tat so eindeutig zu umschreiben, dass kein Zweifel besteht, wofür der Täter zur Verantwortung gezogen wird. Diesen Anforderungen ist dann entsprochen, wenn die Tat dem Beschuldigten in so konkreter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Beschuldigte rechtlich davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein (vgl. z.B. das Erkenntnis eines verstärken Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. 11.894/1).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (VwGH 3.9.1996, 96/04/0080 u.a). Sache des Berufungsverfahrens ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (VwGH 19.3.1997, 93/11/0107 u.a). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher nicht zulässig (VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses der Erstbehörde ist einer zulässigen Korrektur durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht zugänglich. Dieser ist nämlich nach § 66 Abs. 4 AVG nicht befugt, den Tatvorwurf auszutauschen. Der Tatvorwurf der Erstbehörde orientiert sich nicht am Wortlaut des herangezogenen Straftatbestands und ist deshalb aus rechtlicher Sicht unschlüssig. Eine Konkretisierung der Tat iSd § 44a Z 1 VStG muss zeitlich und örtlich in Abhängigkeit vom herangezogenen Verwaltungsdelikt so präzise vorgenommen werden, dass der Tatvorwurf unverwechselbar erscheint.

 

Mit den Spruchausführungen hat die Behörde einen "eigenständigen" Tatvorwurf erhoben, der im Gesetz keine Deckung findet.

 

4.3. Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 74 Abs. 7 LMG 1975 ein Jahr. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

 

Nach § 32 Abs.2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als beschuldigtengerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Bei der Umschreibung der für eine Verfolgungshandlung wesentlichen Kriterien in der zuletzt zitierten Gesetzesstelle wird auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet wird, sodass sich die Verfolgungshandlung auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z2 VStG beziehen muss (siehe dazu die Erkenntnisse verstärkter Senate vom 16. Jänner 1987, Zl. 86/18/0073, und vom selben Tag, Zl. 86/18/0077).

 

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

 

Innerhalb der Jahresfrist des § 74 Abs. 7 LMG 1975 wurden von der Behörde erster Instanz gegen den Bw zwar Verfolgungshandlungen gesetzt, die jedoch nicht alle rechtserhebliche Merkmale aufgewiesen haben.

 

4.4. Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, da Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Auf die weiteren Berufungsgründe war nicht mehr einzugehen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

 

 

 

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

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