Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240534/2/WEI/Ps

Linz, 30.06.2006

 

 

 

VwSen-240534/2/WEI/Ps Linz, am 30. Juni 2006

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des K Z, p.A. H, S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B G, S, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 4. April 2005, Zl. SanRB 96-4´51-2004, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 74 Abs 5 Z 2 Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975, idF BGBl I Nr. 69/2003) iVm § 4 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 -LMKV (BGBl Nr. 557/1993 zuletzt geändert BGBl II Nr. 222/2003) zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Wie vom Lebensmittelaufsichtsorgan bei einer Kontrolle am 1. Juni 2004 um 10.16 Uhr im Betrieb H - F, P, G, festgestellt wurde, haben Sie als gemäß § 9 Abs 2 VStG verantwortlicher Beauftragter dieses Betriebes zu verantworten, dass in einem Verkaufs-Selbstbedienungskorb im Geschäft der bezeichneten H - Filiale 'Weintrauben Dauphine White Seeded', die nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend gekennzeichnet waren, in Verkehr gebracht wurden.

 

Am 1. Juni 2004 um 10.16 Uhr wurde vom Lebensmittelaufsichtsorgan im Betrieb H - F, P eine amtliche Probe 'Weintrauben Dauphine White Seeded' entnommen und an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Lebensmitteluntersuchung Linz, zur Untersuchung überbracht.

 

Die Kontrolle/Untersuchung hat ergeben, dass diese als verpacktes Lebensmittel der Lebensmittelkennzeichnungs-Verordnung 1993 unterliegt. Die vorliegende Probe ist mit 'Dauphine White Seeded grp' bezeichnet. Die Bezeichnung 'Dauphine' bezeichnet eine Sorte weißer Weintrauben, die süß sind, große Beeren tragen und von länglich ovaler Form sind. Die Bezeichnung 'White seeded grp' bezeichnet weiße Weintrauben mit Kern. Die Bezeichnungselemente sind aber derart gestaltet, dass sie für die Verständnis ein Fachwissen benötigen, das für die Mehrzahl der Verbraucher nicht vorausgesetzt werden kann. Damit kann von einer leichten Verständlichkeit nicht gesprochen werden. Die Sachbezeichnung ist daher mangelhaft. Auf der Etikette ist weder die handelsübliche Bezeichnung noch eine Beschreibung der Ware und erforderlichenfalls ihrer Verwendung, die hinreichend genau ist, um es dem Käufer zu ermöglichen, die tatsächliche Art der Ware zu erkennen und sie von Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen sie verwechselt werden könnte, enthalten."

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 iVm § 3 Abs 1 lit a) und § 4 Z 1 lit a) der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in Höhe von 36 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 3 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde der Betrag von 3,60 Euro (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben. Als Ersatz für Barauslagen gemäß § 64 Abs 3 VStG wurden ferner die Untersuchungskosten der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Linz, in Höhe von 54,08 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 7. April 2005 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 21. April 2005, die am 22. April 2005 bei der belangten Behörde einlangte. Die Berufung strebt primär die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens an.

1.3. Die belangte Behörde hat die Berufung unter Anschluss ihres Strafaktes zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgender wesentliche S a c h v e r h a l t:

 

2.1. Mit Anzeige der Landessanitätsdirektion vom 7. Juli 2004, SanLA0509/0004/0111-SEME-2004, berichtete das Lebensmittelaufsichtsorgan über eine lebensmittelpolizeiliche Kontrolle am 1. Juni 2004 um 10.16 Uhr im Betrieb H - F, P, G, bei der die Probe "Dauphine White Seeded GRP" genommen wurden. Im Probenbegleitschreiben ist von Warenbezeichnung auf Grund des Aufdruckes, Ursprungsland Südafrika (Erzeuger Dole SA), Auffindungsart SB-Korb und fehlender deutschen Kennzeichnung die Rede.

 

Über die bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), Lebensmitteluntersuchung Linz, eingereichte Probe erstattete diese das Untersuchungszeugnis vom 24. Juni 2004 zu UZ: 003004/2004. Im Befund wird die Originalpackung als farblose Kunststofftasse mit Klemmdeckel mit Beschriftung laut Kopie und einem Nettogewicht von 498,0 g beschrieben. Aus der beigelegten Ablichtung ist eine Etikette mit der englischen Sachbezeichnung in Großbuchstaben "DAUPHINE WHITE SEEDED GRP", ein transparentes Verpackungsteil mit deutlich erkennbaren Beeren einer Weintraube und der Aufdruck "Dole" ersichtlich.

 

Die sensorische Untersuchung sowie jene auf Pestizide ergab keinerlei Beanstandungen. Im Gutachten wird im Übrigen die Meinung vertreten, dass die Kennzeichnung der Probe nicht der Bestimmungen des § 3 Abs 1 lit a) iVm § 4 Z 1 (handelsübliche Sachbezeichnung) LMKV 1993 entspreche, weil von leichter Verständlichkeit der Bezeichnung nicht gesprochen werden könne. Dazu führt die AGES begründend aus:

 

"Die vorliegende Probe ist mit 'Dauphine. White seeded grp' bezeichnet. Die Bezeichnung Dauphine bezeichnet eine Sorte weißer Weintrauben, die süß sind, große Beeren tragen und von länglich-ovaler Form sind. Die Bezeichnung 'White seeded grp' bezeichnet weiße Weintrauben mit Kern. Die Bezeichnungselemente sind aber derart gestaltet, dass sie für die Verständnis ein Fachwissen benötigen das für die Mehrzahl der Verbraucher nicht vorausgesetzt werden kann."

 

2.2. Mit Strafverfügung vom 14. Juli 2004 lastete die belangte Behörde dem Bw die Übertretungen des § 3 Abs 1 lit a) und des § 4 Z 1 LMKV 1993 an und verhängte jeweils 36 Euro Geldstrafe. Dagegen erhob der Bw durch seinen Rechtsvertreter rechtzeitig Einspruch. Im ordentlichen Ermittlungsverfahren erstattete der Bw die Rechtfertigung vom 30. November 2004.

 

Zunächst verweist der Bw darauf, dass die amtliche Gegenprobe von der A untersucht wurde. Dem beigelegten Untersuchungszeugnis vom 2. Juli 2004 (Gutachten des Zivilingenieurs von Dipl.-Ing H F) sei zu entnehmen, dass die Probe keinen Anlass für eine Bemängelung, insbesondere im Hinblick auf die Verpackung und Etikettierung biete. Dem Bw könne daher kein Vorwurf gemacht werden und er wende auch einen Schuldausschließungsgrund nach § 5 Abs 2 VStG ein.

 

Der Bw verwies weiter auf die Verordnung (EG) Nr. 2789/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 zur Festsetzung der Vermarktungsnormen für Tafeltrauben. In dieser Verordnung werde im Anhang VI. Punkt B normiert, dass als Sachbezeichnung das Wort Tafeltrauben angegeben werden müsse. Diese Verpflichtung bestehe nur dann, wenn der Inhalt einer Verpackung von außen nicht sichtbar ist. Wie dem Untersuchungszeugnis der A zu entnehmen sei, wurden die Weintrauben in durchsichtigen Kunststoffbechern verpackt und waren daher von außen sichtbar. Somit habe keine Verpflichtung bestanden, diese Sachbezeichnung auf der Packung anzuführen.

 

Im gegenständlichen Fall sei auch eine Beschreibung der Ware durch Anführung der Worte '"Dauphine. White Seeded GRP" vorgenommen worden, welche in Verbindung mit der durchsichtigen Verpackung hinreichend genau sei, um es dem Käufer zu ermöglichen, die tatsächliche Art der Ware zu erkennen und sie von anderen Erzeugnissen zu unterscheiden. Auf der Verpackung haben sich zusätzliche Informationen über die Sorte der Traube befunden. Dem Tatvorwurf wird entgegen gehalten, dass Rechtsvorschriften bestehen, nach welchen die Anführung der Sachbezeichnung im konkreten Fall nicht notwendig sei, dass auch nach § 4 Z1 lit a) LMKV die handelsübliche Sachbezeichnung nicht zwingend anzugeben sei und die Ware jedenfalls ausreichend beschrieben sei, um dem Konsumenten das Erkennen der Ware zu ermöglichen. Sollte die Behörde bei ihrem bisherigen Rechtsstandpunkt bleiben, so sei das Verschulden jedenfalls als geringfügig zu bezeichnen und die Folgen der Übertretung seien unbedeutend. In eventu hat der Bw daher das Absehen von Verfolgung nach § 21 Abs 1 VStG beantragt.

 

2.3. Mit Schreiben vom 24. Jänner 2005 hat die A, Lebensmitteluntersuchung L, zur Rechtfertigung des Bw Stellung genommen. Die Vermarktungsnorm für Tafeltrauben (Verordnung EG Nr. 2789/1999 idFd Verordnungen EG Nr. 716/2001, 2137/2002, 46/2003 und 907/2004) sei bei der Begutachtung berücksichtigt worden. Die im gegenständlichen Fall geforderte Angabe des Namens und der Anschrift des Packers und/oder Absenders, der Sorte, des Ursprungslandes und der Klasse seien vorhanden. Die Angabe "Tafeltrauben" sei im konkreten Fall (durchsichtige Verpackung) nicht notwendig und das Fehlen sei auch nicht beanstandet worden.

 

Im Gegensatz zu dieser Verordnung kenne die LMKV diese Ausnahmebestimmung bei Erkennbarkeit der Ware von außen nicht, so dass die Sachbezeichnung angegeben werden müsse. Die A L vertritt im Gegensatz zur Rechtfertigung des Bw die Auffassung, dass "Dauphine White Seeded Grp" keine ausreichende Sachbezeichnung bzw für einen durchschnittlichen Konsumenten nicht leicht verständlich sei.

 

In der Äußerung des Bw vom 11. Februar 2005 wird neuerlich auf die Verordnung (EG) Nr. 2789/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 hingewiesen, welche eine Rechtsvorschrift iSd § 4 Z 1 LMKV sei. Die A verkenne das Zusammenspiel der LMKV und der Vermarktungsnormen für Tafeltrauben. Die Regelung der LMKV trete in den Hintergrund, weil für die gegenständliche Ware Rechtsvorschriften vorgesehen seien. Bei der Auslegung der A würden sich die Rechtsvorschriften widersprechen, was zum Anwendungsvorrang der europäischen Verordnung gegenüber der LMKV führen müsste.

 

2.4. In der weiteren Stellungnahme vom 25. Februar 2005 vertritt die A nach wie vor eine Gegenansicht. Die LMKV verweise auf andere Rechtsvorschriften nur in Bezug darauf, welche Bezeichnung als Sachbezeichnung heranzuziehen sei, im vorliegenden Fall unstrittig "Tafeltrauben". In Bezug auf das Ob der Kennzeichnung verweise die LMKV nicht auf andere Rechtsvorschriften, sondern regle dies selbst.

 

Einen Widerspruch der Rechtsvorschriften gebe es nicht, weil sich der Geltungsbereich nicht decke. Die Verordnung über Vermarktungsnormen gelte auch für unverpackte Waren, die LMKV nur für verpackte. Bei Waren, die nicht im Sinne der LMKV verpackt sind (zB.: Trauben in Obststeigen) gelte nur die erstgenannte Verordnung und die Sachbezeichnung müsse nicht angegeben werden. Anders bei verpackten Waren, die der LMKV unterliegen. Es gebe folglich keinen Grund, weshalb die LMKV gegenüber anderen Rechtsvorschriften in den Hintergrund treten solle. Die Vorschriften der LMKV seien ebenso europäischer Rechtsbestand, weil sie auf der EG-Etikettierungsrichtlinie (Richtlinie des Rates 79/112/EWG) beruhen und diese umsetzen. Zum gegenständlichen Aspekt gebe es keine nationalen Rechtsspielräume.

 

In weiterer Folge erging das angefochtene Straferkenntnis, in dem die belangte Behörde den Rechtsansichten der A L folgt und davon ausgeht, dass dem Bw auch der Entlastungsbeweis iSd § 5 Abs 1 VStG (Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens durch Darlegung eines ausreichenden Kontrollsystems) nicht gelungen sei.

 

2.5. Die Berufung rügt zunächst, dass der Tatvorwurf entgegen dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 1997, Zl. 93/10/0066, nicht mit der gemäß § 44a Z 1 VStG gebotenen Deutlichkeit erkennen lasse, worin die "Inverkehrsetzung" bestanden bzw durch welche Vorgangsweisen iSd § 1 Abs 2 LMG 1975 diese stattgefunden habe. Aus dem Tatvorwurf gehe auch die Menge an Weintrauben nicht hervor. Im Straferkenntnis werde auch nicht angeführt, worin die Verwechslungsgefahr bestehe. Eine Verwechslungsfähigkeit zu behaupten, jedoch nicht zu konkretisieren sei rechtswidrig. Ferner wird ausgeführt, dass der Vorwurf entgegen der Darstellung der belangten Behörde nicht eingeschränkt, sondern verändert und der zweite Vorwurf in der Strafverfügung erweitert worden wäre, wodurch angeblich das Parteiengehör verletzt worden wäre.

 

Das angefochtene Straferkenntnis leide aber auch an materieller Rechtswidrigkeit. Die weiteren Ausführungen beschäftigen sich mit dem Verhältnis von § 4 Z 1 LMKV und der Vermarktungsnorm für Tafeltrauben nach der Verordnung (EG) Nr. 2789/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 und wiederholen im Wesentlichen den schon bisher vertretenen Standpunkt. Selbst wenn man die Vermarktungsnorm nicht für eine Rechtsvorschrift iSd § 4 Z 1 LMKV halte und kein Anwendungsvorrang bestehen würde, so wäre dennoch kein Verstoß gegeben. Nach § 4 Z 1 lit a LMKV sei eine Beschreibung der Ware und erforderlichenfalls ihrer Verwendung anzuführen, die es dem Käufer ermögliche, die Art der Ware zu erkennen und sie von Erzeugnissen, mit denen sie verwechselt werden könnte, zu unterscheiden. Auf Grund der Beschreibung "Dauphine White Seeded GRP" und der durchsichtigen Verpackung, sei jedem Konsumenten das Erkennen der Ware ohne Schwierigkeiten möglich und eine Verwechslung undenkbar gewesen. Die Beschreibung könne auch mit Bildern und durch Präsentation der Ware erfolgen.

 

Auch das vorgelegte Gegengutachten von Dipl.-Ing F (A) hätte die Verkehrsfähigkeit und damit auch die rechtskonforme Kennzeichnung bestätigt. Die Rechtsmeinung der Behörde werde durch dieses Gutachten widerlegt.

 

Zum mangelnden Verschulden wird auf sorgfältige Auswahl des Lieferanten und Prüfungen der Ware durch unabhängige Labors auf Verkehrsfähigkeit hingewiesen. Zum Beleg für die ausreichend wahrgenommene Kontrollpflicht werden vier in Auftrag gegebene Gutachten aus den Jahren 2003 und 2004 von der Prüfstelle "Das Qualitätslabor" betreffend verschiedene andere Produkte "Weintrauben" vorgelegt. Zum Rechtsirrtum wird vorgebracht, dass der Bw, dem die Vermarktungsnorm für Tafeltrauben und die LMKV bekannt waren, mit der nunmehr behaupteten Auslegung der belangten Behörde nicht habe rechnen können. Zu der Erkundigungspflicht wird auf die zahlreichen Filialen der H in Österreich, für die meist unterschiedliche Behörden zuständig seien, verwiesen. Es könne dem Bw nicht zumutbar sein, Erkundigungen bei allen örtlich zuständigen Behörden einzuholen. Abschließend wird auch auf die gebotene Anwendung des § 21 Abs 1 VStG hingewiesen.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat konnte den entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus den in tatsächlicher Hinsicht übereinstimmenden Ausführungen der belangten Behörde und des Bw ableiten. Es waren daher im Wesentlichen nur Rechtsfragen zu beurteilen.

 

4. In der Sache hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 74 Abs 5 LMG 1975 begeht im Fall der Ziffer 2 eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen,

 

wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 15 Abs 7 oder 8 lit a oder b, 19 oder 31 Abs 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

 

Nach § 4 LMKV haben verpackte Waren, die iSd § 1 Abs 1 LMKV ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt sind, die in mehreren Ziffern bestimmten Kennzeichnungselemente zu enthalten, sofern die §§ 5 bis 7 nicht anderes bestimmen. Dies ist beim gegebenen Sachverhalt nicht der Fall.

 

Gemäß § 1 Abs 1 LMG 1975 ist dieses Bundesgesetz auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln einschließlich Nahrungsergänzungsmittel, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen anzuwenden.

 

§ 1 Abs 2 LMG 1975 enthält in Ergänzung zum § 1 Abs 1 LMG 1975 eine umfassende Legaldefinition. Danach ist unter Inverkehrbringen das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht. Bei Beurteilung einer Ware ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige dem Gesetz nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer dem Gesetz nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt.

 

Das Inverkehrbringen der verpackten Ware im Wege der Abgabe an den Letztverbraucher (vgl § 1 Abs 1 LMKV) durch Feilhalten im Verkaufs-Selbstbedienungskorb der H F in P kann im vorliegenden Fall nicht bezweifelt werden. Auch wenn der Tatvorwurf noch besser gefasst hätte werden können, liegt die Art der Inverkehrsetzung auf der Hand und lässt sich aus dem Spruch gerade noch klar genug ableiten. In der Zusammenfassung der beiden Tatvorwürfe der Strafverfügung zu einem einzigen im Straferkenntnis vermag der Oö. Verwaltungssenat auch keine rechtswidrige Vorgangsweise zu erkennen. Von einer Verletzung des Parteiengehörs kann keine Rede sein, weil es insofern auf eine in rechtlicher Hinsicht ganz korrekten Anlastung nicht ankommt. Nach h. Ansicht liegen keine iSd § 44a VStG relevanten Spruchmängel vor.

 

4.2. Die wesentliche Rechtsfrage im vorliegenden Fall betrifft das Kennzeichnungsrecht.

 

4.2.1. Gemäß § 4 Z 1 iVm § 1 Abs 1 und 2 LMKV idF BGBl II Nr. 462/1999 sind grundsätzlich verpackte für den Letztverbraucher bestimmte Waren mit der Sachbezeichnung einer Ware zu kennzeichnen. Das ist jene Bezeichnung, die in den für diese Waren geltenden Rechtsvorschriften vorgesehen ist.

 

Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht können sich aus §§ 5 bis 7 LMKV (arg. "sofern die §§ 5 bis 7 nicht anderes bestimmen") ergeben. §§ 5 bis 7 LMKV regeln allerdings andere Kennzeichnungselemente als die Sachbezeichnung einer Ware, von der keine Ausnahme vorgesehen ist.

 

Nach § 4 Z 1 lit a) LMKV ist bei Fehlen von Rechtsvorschriften die Sachbezeichnung die handelsübliche Bezeichnung oder eine Beschreibung der Ware und erforderlichenfalls ihrer Verwendung, die hinreichend genau ist, um es dem Käufer zu ermöglichen, die tatsächliche Art der Ware zu erkennen und sie von Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen sie verwechselt werden könnte.

 

Gemäß § 3 Abs 1 lit a) LMKV müssen die Kennzeichnungselemente leicht verständlich sein und sind an gut sichtbarer Stelle deutlich lesbar und dauerhaft auf der Verpackung oder auf einem mit ihr verbundenen Etikett anzubringen. Sie dürfen nicht durch andere Angaben oder Bildzeichen verdeckt oder getrennt werden.

 

4.2.2. Die LMKV entspricht weitgehend der Regelung im Gemeinschaftsrecht:

 

Die Richtlinie (RL) 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür hat die alte, mehrfach geänderte Etikettierungsrichtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 aufgehoben und die Materie neu kodifiziert.

 

Im Art 3 Abs 1 der RL 2000/13/EG wird in der Ziffer 1 die Verkehrsbezeichnung als eine von mehreren zwingenden Angaben der Etikettierung genannt. Ausnahmen sind nach Art 4 der RL nur für die weiteren Angaben nach Art 3 Abs 1 Z 2 bis 5 vorgesehen.

 

Gemäß Art 5 Abs 1 RL 2000/13/EG ist die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels die Bezeichnung, die in den für dieses Lebensmittel geltenden gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.

 

Nach Art 5 Abs 1 lit a) der zitierten RL ist bei Fehlen gemeinschaftlicher Vorschriften die Verkehrsbezeichnung die Bezeichnung, die in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen ist, in dem die Abgabe an den Endverbraucher oder an gemeinschaftliche Einrichtungen erfolgt. Fehlt eine solche Bezeichnung ist die Verkehrsbezeichnung die verkehrsübliche Bezeichnung in dem Mitgliedstaat, in dem die Abgabe an den Endverbraucher oder an gemeinschaftliche Einrichtungen erfolgt, oder eine Beschreibung des Lebensmittels und erforderlichenfalls seiner Verwendung, die hinreichend genau ist, um es dem Käufer zu ermöglichen, die tatsächliche Art des Lebensmittels zu erkennen und es von Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen es verwechselt werden könnte.

 

Die in Art 3 und Art 4 Abs 2 der RL vorgesehenen Angaben müssen leicht verständlich sein und werden an gut sichtbarer Stelle deutlich lesbar und unverwischbar angebracht. Sie dürfen auf keinen Fall durch andere Angaben oder Bildzeichen verdeckt oder getrennt werden.

 

4.2.3. Die Verordnung (EG) Nr. 2789/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 zur Festsetzung der Vermarktungsnorm für Tafeltrauben bestimmt in ihrem Art 1, dass die Vermarktungsnorm im Anhang festgesetzt ist und für alle Vermarktungsstufen gilt. In der Erwägung 5 zur Erlassung der Verordnung wird auch als Grund angeführt:

 

"Die Nachfrage nach Kleinpackungen mit Tafeltrauben unterschiedlicher Sorten oder unterschiedlichen Ursprungs nimmt zu. Es ist daher angebracht, diese Art der Aufmachung von Tafeltrauben zu erlauben und die Kennzeichnungsvorschriften entsprechend anzupassen."

 

Im Anhang (Überschrift: NORM FÜR TAFELTRAUBEN) wird unter Abschnitt V (BESTIMMUNGEN BETREFFEND DIE AUFMACHUNG) im Punkt A die Gleichmäßigkeit des Inhalts der Packstücke und unter Punkt B die Verpackung geregelt. Im Abschnitt VI (BESTIMMUNGEN BETREFFEND DIE KENNZEICHNUNG) wird vorgeschrieben, dass jedes Packstück zusammenhängend auf einer Seite die in aus den Punkten A bis E folgenden Angaben in lesbaren, unverwischbaren und von außen sichtbaren Buchstaben aufweisen muss. Nach dem Punkt A zur "Identifizierung" sieht der gegenständlich einschlägige Punkt B unter der Überschrift "Art des Erzeugnisses", die Angabe: "Tafeltrauben, wenn der Inhalt von außen nicht sichtbar ist" und ferner die Angaben: "Name der Sorte oder gegebenenfalls der Sorten" und gegebenenfalls "Gewächshaus" vor.

 

4.3. An sich trifft die Rechtsansicht der A L und der belangten Behörde zu, dass die LMKV und im Übrigen auch die einschlägige RL 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 betreffend Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln eine Ausnahme von der Angabe der Sachbezeichnung (Verkehrsbezeichnung) bei sichtbarer Ware nicht kennt. Die gemäß Art 5 Abs 1 RL 2000/13/EG ebenso wie nach § 4 Z 1 LMKV maßgebliche Sachbezeichnung ergibt sich unbestritten aus einer gemeinschaftlichen Rechtsvorschrift (Verordnung (EG) Nr. 2789/1999 der Kommission) und lautet "Tafeltrauben". Der Verweis auf Rechtsvorschriften betrifft nur die Art der Sachbezeichnung als solche und nicht die Frage, ob eine solche anzugeben ist oder nicht. Die Berufungsausführungen für den Fall des Fehlens von Rechtsvorschriften und zur angeblich ausreichenden Beschreibung der Ware durch die Worte "Dauphine White Seeded GRP" in Verbindung mit der durchsichtigen Verpackung verfehlen den Kern der Rechtsfrage. Die gegenständliche Beschreibung der Ware gibt lediglich die Sorte der Weintrauben entsprechend der oben dargestellten Vermarktungsnorm für Tafeltrauben an, sie ist aber keine Sachbezeichnung.

 

Dennoch ist die Berufung erfolgreich, weil auch das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats die weitere Rechtsansicht der belangten Behörde und der A L, wonach ein Widerspruch wegen unterschiedlichen Geltungsbereiches der LMKV und der Vermarktungsnorm für Tafeltrauben nicht vorliege, nicht teilen kann. Obwohl die Verordnung der Kommission auch für unverpackte Ware gilt, so vermag dies nichts daran zu ändern, dass sie in Bezug auf den Regelungsgegenstand "Vermarktung von Tafeltrauben" auch Verpackung und Etikettierung regelt (vgl auch Punkt 4.3.2.). Insbesondere aus der Begründungserwägung 5 ergibt sich, dass wegen zunehmender Nachfrage nach Kleinpackungen mit Tafeltrauben diese Art der Aufmachung erlaubt und die Kennzeichnungsvorschriften entsprechend angepasst werden sollten. Es handelt sich demnach nicht um ganz verschiedene, sondern um sich überschneidende Geltungsbereiche der in Betracht kommenden Rechtsvorschriften, weshalb Widersprüche durchaus möglich sind.

 

Im vorliegenden Fall besteht ein Widerspruch in der Frage der zwingenden Angabe der Sachbezeichnung "Tafeltrauben" auf verpackten Weintrauben. Während die speziellere Vermarktungsnorm für Tafeltrauben eine Ausnahme von der Angabe der Sachbezeichnung für den Fall des sichtbaren Inhalts und damit der Erkennbarkeit der Ware durch den Konsumenten vorsieht, kennen die RL 2000/13/EG und die LMKV eine solche Ausnahme nicht, obwohl es - wie die Regelung der Sachbezeichnung (Verkehrsbezeichnung) in den genannten Kennzeichnungs-vorschriften erschließen lässt - offensichtlich ebenfalls nur um den Zweck geht, dem Käufer zu ermöglichen, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von anderen verwechslungsfähigen Lebensmitteln zu unterscheiden. Eine solche Verwechslungsgefahr in Bezug auf die Art des Lebensmittels bestand beim gegebenen Sachverhalt im Hinblick auf die verwendete durchsichtige Kunststofftasse mit Klemmdeckel jedenfalls nicht.

 

Der aufgezeigte Normwiderspruch könnte auf Ebene der Europäischen Union so gelöst werden, dass die Vermarktungsnorm für Tafeltrauben als lex specialis vorgeht, zumal auch vom Normzweck der RL 2000/137EG nichts dagegen spricht. Für die Anwendung der europäischen Rechtsvorschriften in Österreich ist davon auszugehen, dass die Verordnung (EG) Nr. 2789/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt (vgl Art 3 der zit. Verordnung), während dies für die Richtlinie nicht anzunehmen ist. In Österreich kommt dieser Verordnung für Tafeltrauben im Verhältnis zur LMKV Anwendungsvorrang zu, weshalb § 4 Z 1 LMKV verdrängt wird und die Angabe der Sachbezeichnung im gegenständlichen Fall von sichtbar verpackten Weintrauben entfallen kann.

 

5. Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren mangels einer Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt auch die Ersatzpflicht gemäß § 45 Abs 2 LMG 1975 für Untersuchungskosten sowie gemäß § 66 Abs 1 VStG überhaupt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. W e i ß

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