Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240537/9/BMa/Be

Linz, 27.02.2006

 

 

 

VwSen-240537/9/BMa/Be Linz, am 27. Februar 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Berufung des J M, vertreten durch die Rechtsanwälte W K & P, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Wels-Land vom 1. Juni 2005, Zl. SanRB96-48-2004, wegen Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11. Jänner 2006 zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird insofern stattgegeben, als der Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 21 Abs.1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird, wobei dem Berufungswerber aber unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens eine Ermahnung erteilt wird.
  2.  

  3. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 10/2004-AVG iVm. §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52/1, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 117/2002 - VStG

zu II.: §§ 64 ff VStG

 

Entscheidungsgründe:

    1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt:

 

"Sehr geehrter Herr M!

Taten (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung)

Sie haben als Betriebsleiter und somit als das für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ für die Betriebsstätte Zentralmolkerei F GesmbH & CO KGt, der A Zentralmolkerei, zu verantworten, das anlässlich einer lebensmittelpolizeilichen Kontrolle am 17.05.2004 um 10:15 Uhr im UAnlagenwerk des Betriebes Zentralmolkerei F GesmbH & CO KG in, folgende Mängel festgestellt wurden:

  1. im U-Anlagen-Raum und den angrenzenden Lagerräumen:

  1. Der hygienische Zustand der sich über der Kartonagenaufrichtungsanlage befindlichen Lagerräume war nicht zufriedenstellend, da keine räumliche Abtrennung (gleicher Luftraum) zur U-Anlage bestand. Weiters befand sich in den Lagerräumen alte verstaubte Anlagenteile und Verpackungsmaterial, Arbeitsschuhe und Stiefel. Die Fenster der Lagerräume waren mit keinem Insektenschutzgitter versehen bzw. waren in einigen Fenstern keine Glasscheiben eingesetzt. Weiters wurde eine große Anzahl toter Insekten auf einer Fensterbank in den Lagerräumen vorgefunden.
  2. Die Tür zum Zugang in den Flaschenabfüllbereich war rostig und somit nicht aus einem leicht zu reinigendem Material.
  3. Im U-Anlagen-Raum befanden sich leere Holzpaletten und auf Holzpaletten gelagertes Verpackungsmaterial.
  4. Die Decke des UHT-Anlagen-Raumes war nicht gereinigt. Es konnten rostige Befestigungsschrauben, lose Deckenteile und Verschmutzungen festgestellt werden.
  5. Die unter der Decke montierten Rohrleitungen waren stark verstaubt und ebenso verschmutzt, die Rohrhalterungen waren zum Teil verrostet.
  6. Bei dem Boden im UHT-Anlagen-Raum und den Böden in den angrenzenden Lagerräumen fehlte die Fugenmasse zum Teil gänzlich, so dass das in den Fugen enthaltene Wasser nicht ablaufen konnte. Weiters wurde ein Glasteil in den Fugen vorgefunden. Sanierungsbedürftige Stellen wurden im gesamten Altbestand, eine große Anzahl derartiger Stellen im Bereich des Temperaturschreibers der UHT-Anlage und im Lagerbereich der Reinigungsmittel festgestellt.
  7. Die Reinigung einer Geräteoberfläche einer Anlage um UHT-Anlagenraum war durch Verstaubung unzureichend.
  8. Die Vorrichtung zum Befüllen der Flaschenabfüllanlage mit Einwegflaschen war rostig.
  9. Ein nicht dichtes Schwenktor im UHT-Anlagen-Raum stand offen, dadurch war das Eindringen von Schädlingen möglich.
  10. Mauerdurchbrüche bzw. Kabelführungen im UHT-Anlagenraum und in den angrenzenden Lagerräumen waren nicht dicht angeschlossen.
  11. Die Glasfensterteile der Wand zwischen der UHT-Anlage und der Palettierung waren mit keinem Insektenschutzgitter versehen.
  12. Ameisen konnten im UHT-Anlagen-Raum und in den angrenzenden Lagerräumen vielerorts am Boden, entlang der Abflussgitter, auf offenen Milchbehältern und auf Milchschläuchen vorgefunden werden. Speziell im Übergangsbereich zwischen UHT-Anlage und der neu angebauten Blockabpackung war zwischen den Fliesen eine 1,5 cm lange Öffnung, wo eine große Anzahl von Ameisen festgestellt werden konnte.
  13. B) im UHT-Abfüllraum:

  14. Im UHT-Abfüllraum befand sich ein Stapel mit leeren Holzpaletten (20 Stück) und ein Montagewagen, welcher für Montagearbeiten am Wochenende in den
    UHT-Abfüllraum eingebracht wurde, jedoch vor Arbeitsbeginn nicht aus dem Abfüllraum entfernt wurde.
  15. C) im Neubau Blockabfüllung:

  16. Im Neubau (Blockabfüllung) fehlte das erforderliche berührungslose Handwaschbecken.
  17. Die Abwasserleitung im Neubau Blockabfüllung war nicht geschlossen, wodurch Schädlinge über das Abflusssystem in den Produktionsbereich gelangen konnten.
  18. Das automatische Rolltor des Neubaus Blockabfüllung schloss nach außen nicht dicht ab, da die Gummilippe nicht über die gesamte Breite reichte. An der linken Seite war der Gummi von Nagern abgefressen.
  19. Die sich links vom Rolltor befindliche Tür nach außen schloss nicht dicht ab, da die Gummilippe 4-5 cm nach oben verschoben war und somit ein Eindringen von Schädlingen bzw. Insekten in diesem Bereich möglich war.
  20. Die Feder des Rolltores war stark angerostet.
  21. D) im Lagerraum für Zutaten oberhalb der Blockabfüllanlage:

  22. Der Lagerraum für Zutaten oberhalb der Blockabfüllanlage, wo Zutaten für die UHT-Erzeugnisse offen gelagert und ausgewogen werden, war mit einem unhygienischen Lagerraum für alte Maschinenteile verbunden. Die vorhandene Tür zum Schließen des Raumes ist durch Lagern von Paletten unverschlossen gewesen.
  23. E) im H-Werk Sterilisation Flaschenabfüllung:

  24. waren die Oberfläche von Behältern und Geräten verstaubt und rostig.
  25. Die Wände waren nahe der Decke an der Fensterseite mit Schimmel belastet.
  26. Die Rohrleitungen im H-Werk waren nicht entsprechend angedichtet, so dass die Wand nicht glatt und leicht zu reinigen war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 74 Abs. 4 Z. 1 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. 126/2004, in Verbindung mit § 5 Z.2 und in Verbindung mit

zu 1) Anhang B, Kapitel I Z. 1,

zu 2) Anhang B Kapitel I Z.2 lit. d,

zu 3) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Zif. 1,

zu 4) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Zif. 1,

zu 5) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Zif. 1,

zu 6) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Zif. 1,

zu 7) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Zif. 1,

zu 8) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Zif. 1,

zu 9) Anhang B Kapitel I Zif. 5 in Verbindung mit Anhang B Kapitel II Abschnitt A Z.2,

zu 10) Anhang B Kapitel I Zif. 5 in Verbindung mit Anhang B Kapitel II Abschnitt A Z.2,

zu 11) Anhang B Kapitel I Zif. 5 in Verbindung mit Anhang B Kapitel II Abschnitt A Z.2,

zu 12) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Z. 2,

zu 13) Anhang B Kapitel II Anschnitt A Z.1,

zu 14) Anhang B Kapitel I Z. 2 lit.g,

zu 15) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Z. 2,

zu 16) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Z. 2,

zu 17) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Z. 2,

zu 18) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Z. 1,

zu 19) Anhang B Kapitel II Abschnitt A Z. 1,

zu 20) Anhang B Kapitel 2 Abschnitt A Z. 1,

zu 21) Anhang B Kapitel 2 Abschnitt A Z. 1,

zu 22) Anhang B Kapitel 2 Abschnitt A Z. 1

der Milchhygieneverordnung, BGBI. Nr. 897/1993, in der Fassung der Verordnungen BGBI. II Nr. 40/1998, BGBI. II Nr. 278/2002 und BGBI. II Nr. 103/2005

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

1)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

2)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

3)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

4)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

5)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

6)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

7)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

8)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

9)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

10)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

11)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

12)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

13)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

14)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

15)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

16)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

17)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

18)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

19)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

20)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

21)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

22)

50,00 Euro

6 Stunden

§ 74 Abs. 4 LMG 1975

Ferner haben Sie gemäß § 64 Abs. 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBI. Nr. 52, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. 117/2002, zu zahlen:

110,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

1210,00 Euro

Außerdem sind ggf. die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54 lit. d VStG)."

1.2. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde begründend ausgeführt, der Bw als Betriebsleiter und somit als das für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zum Zeitpunkt der lebensmittelpolizeilichen Kontrollen am 17. Mai 2004 gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Zentralmolkerei F GesmbH & CO KG habe nicht dafür gesorgt, dass die allgemeinen Hygienevorschriften für Be- und Verarbeitungsbetriebe und die allgemeinen Vorschriften für Räume der Be- und Verarbeitungsbetriebe gemäß der Milchhygieneverordnung im angeführten Betrieb eingehalten worden seien. Dies sei aufgrund der Anzeige anlässlich der lebensmittelpolizeilichen Kontrolle am 17. Mai 2004 um 10.15 Uhr in diesem Betrieb und aufgrund der der Anzeige angeschlossenen Beweisfotos erwiesen. Diese zweiundzwanzig Übertretungen nach der Milchhygieneverordnung seien in der Stellungnahme des Bw vom 16. September 2004 auch nicht bestritten worden.

Ein näheres Eingehen auf die subjektive und objektive Tatseite der festgestellten Verwaltungsübertretungen erübrige sich, da der Bw die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht bestritten, sondern lediglich um ein Absehen von einer Bestrafung ersucht habe. Die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen seien somit als erwiesen anzusehen. Der Strafbemessung wurde ein geschätztes monatliches Nettoeinkommen von 1.400 Euro, kein Vermögen und keine Sorgepflichten zugrunde gelegt. Die verhängte Strafe sei innerhalb der Grenze des diesbezüglich vorgesehenen Strafrahmens festgesetzt und bewege sich mit einer Höhe von 50 Euro pro Verwaltungsübertretung im untersten Bereich des Strafrahmens.

Dies sei schuldangemessen, da das Gesetz für derartige Übertretungen Geldstrafen bis zu jeweils 7.300 Euro vorsehe und damit zum Ausdruck komme, dass der Gesetzgeber der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes und der aufgrund des Lebensmittelgesetzes erlassenen Verordnungen (u.a. Milchhygieneverordnung) hohe Bedeutung beimesse. Die Strafhöhe sei geeignet, den Berufungswerber in Zukunft von der Begehung gleicher oder ähnlicher Übertretungen abzuhalten. Erschwerungsgründe seien keine zu berücksichtigen gewesen, als mildernd sei das Geständnis des Berufungswerbers und der Umstand gewertet worden, dass seitens des Unternehmens eine Zertifizierung nach IFS (International Food Standard) angestrebt worden sei und das am 10. August 2004 durchgeführte Audit gezeigt habe, dass alle für die Lebensmittelsicherheit notwendigen Fakten eingehalten worden seien.

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Berufungswerber am 2. Juni 2005 zugestellt worden ist, richtet sich die am 16. Juni 2005 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung, mit der die Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsverfahrens in eventu die Herabsetzung der Strafhöhe beantragt wurde.

Begründend wurde darauf hingewiesen, dass die Zentralmolkerei F GesmbH & CO KG zum Zeitpunkt der lebensmittelpolizeilichen Kontrolle am
17. Mai 2004 Maßnahmen zur Erlangung einer Zertifizierung nach IFS (International Food Standard) durchgeführt habe. Die vor dem Überprüfungszeitpunkt gezogenen Proben hätten ebenso wie die danach gezogenen keine Beanstandungen ergeben. Im Produktionssystem würden ab der UHT-Erhitzung bis zur Abfüllung sterile Reinraumbedingungen vorliegen, wobei der UHT-Erhitzungsvorgang den wichtigen, kritischen Kontrollpunkt im Produktionsprozess darstelle. Der gesamte aseptische Bereich der Produktionsanlage stehe ständig unter leichtem Überdruck, der mittels gefilterter Sterilluft erzeugt werde. Die Produktionswege der Anlage würden automatisch mit Heißdampf gereinigt (CIP-Anlage) und der aseptische Bereich mit H2O2 und Heißdampf sterilisiert. Es treffe den Berufungswerber kein Verschulden an den allfällig festgestellten Mängeln anlässlich der lebensmittelpolizeilichen Kontrolle am 17. Mai 2004. Seit seiner Bestellung als Betriebsleiter sei von ihm alles unternommen worden, um den Hygiene- und Produktanforderungen sowohl der Behörde als auch der angeführten Zertifizierungsstellen gerecht zu werden. Tatsächlich würden die im Straferkenntnis angefochtenen Mängel nicht vorliegen und der Betrieb strengere Kriterien erfüllen als jene des Lebensmittelgesetzes 1975 iVm der Milchhygieneverordnung 1993.

Die Strafhöhe im Gesamtbetrag von 1.100 Euro sei weder tat- noch schuldangemessen.

Selbst bei Vorliegen der festgestellten Mängel könne es weder zu Gesundheitsschädigungen oder Gefährdungen durch ungenießbare oder verunreinigte Produkte kommen.

Bei der Strafbemessung sei weiteres nicht berücksichtigt worden, dass der Berufungswerber sowohl für drei minderjährige Kinder als auch seine Ehegattin, die nur geringfügig beschäftigt sei, unterhaltspflichtig sei.

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat am
11. Jänner 2006 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Berufungswerbers, seines Vertreters, RA Dr. Alexander Koch, und des Vertreters der belangten Behörde, S S, durchgeführt. Als Zeuge wurde WAR W W, Lebensmittelaufsichtsorgan für den Bezirk Wels-Land, einvernommen.

Zu Beginn der mündlichen Verhandlung wurde der objektive Tatbestand außer Streit gestellt.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Die Bestrafung durch die belangte Behörde erfolgte auf der Grundlage des LMG 1975 iVm der Milchhygieneverordnung, BGBl. Nr. 879/1993 idF BGBl. II Nr. 103/2005.

Nach Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung, aber noch vor Erlassung dieses Erkenntnisses, trat eine Änderung der für dieses Verfahren maßgeblichen Rechtsgrundlage ein, indem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG (ausgegeben am 20. Jänner 2006) verlautbart wurde.

Gem. § 95 Abs. 1 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006, nicht jedoch vor dem Ablauf des Tages seiner Kundmachung im Bundesgesetzblatt, in Kraft.

Gem. § 95 Abs.7 Z 6 tritt die Milchhygieneverordnung, BGBl. Nr. 897/1993, vorbehaltlich des Abs. 8 außer Kraft.

Abs. 8 leg cit. bestimmt, dass die Milchhygieneverordnung hinsichtlich der mikrobiologischen Kriterien und Temperaturkontrollerfordernisse, soweit sie nicht in der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 geregelt sind, bis zur Erlassung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, die diese Gegenstände regeln, in Kraft bleibt.

 

Gem. § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Dieses "Günstigkeitsprinzip" ist von den Behörden erster Instanz zu prüfen.

Die Berufungsbehörde hat im Verwaltungsverfahren ihrer Entscheidung die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides gegebene Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen. Das bedeutet insbesondere, dass das Straferkenntnis dieser Basis auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen ist. Die Änderung der Rechtslage nach Fällung des Bescheides 1. Instanz ist rechtlich ohne Bedeutung (Hauer/Leukauf Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 FN6 zu § 1 Abs.2 VStG).

 

Im konkreten Fall gelangt die neue geänderte Rechtslage nicht zur Anwendung. Abgesehen davon sind die Strafdrohungen nach dem LMSVG deutlich höher als jene nach dem LMG 1975.

3.1. Gemäß § 74 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1975 über den Verkehr mit Lebensmitteln einschließlich Nahrungsergänzungsmitteln, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen (Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975), BGBl. Nr. 86/1975 idF BGBl. I Nr. 126/2004, ist mit Geldstrafe bis zu 7.300 Euro zu bestrafen, wer den Bestimmungen unter anderem einer aufgrund der §§ 10, 21, 29 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

Eine aufgrund dieser Bestimmungen erlassene Verordnung ist die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz über Hygienevorschriften für die Herstellung und Vermarktung von Rohmilch, wärmebehandelter Milch und Erzeugnissen auf Milchbasis (Milchhygieneverordnung), BGBl. Nr. 897/1993 idF BGBl. II Nr. 103/2005.

In Anhang B Kapitel I und II dieser Verordnung wird festgelegt, über welche Ausstattung die Be- und Verarbeitungsbetriebe mindestens verfügen müssen und welche Hygienevorschriften für Räume, Ausrüstungen und Arbeitsgeräte in Be- und Verarbeitungsbetrieben zu beachten sind. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im bekämpften Bescheid verwiesen.

 

Bei den Verwaltungsübertretungen handelt es sich um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs.1 VStG. Nach § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG besteht die Rechtsvermutung für das Verschulden (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters. Bestreitet er dieses, so hat er nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes initiativ alles darzutun, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, dass er solche Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen. Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn die Verstöße ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurden (vgl. das Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl. 90/10/0078 und vom 6. Mai 1996, Zl. 94/10/0116).

3.2. Im konkreten Fall wurde über 22 Mängel, die anlässlich der Kontrolle am
17. Mai 2004 festgestellt wurden, im bekämpften Straferkenntnis abgesprochen.

In der mündlichen Verhandlung konnte der Berufungswerber glaubhaft dartun, dass er bemüht war, als Verantwortlicher der Betriebsstätte Zentralmolkerei F GesmbH & CO KG diese Betriebsanlage den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend zu führen bzw. zu sanieren. So wurde vom als Zeugen vernommenen kontrollierenden Lebensmittelaufsichtsorgan auch zugestanden, dass der Bw nach Feststellen der Mängel einsichtig reagiert habe und die Beanstandungen anlässlich einer Nachkontrolle weitgehend beseitigt worden wären.

Es wurde aber auch dargelegt, dass es sich im gegenständlichen Fall um eine ältere Betriebsanlage handle, bei der ständig Wartungsarbeiten erforderlich seien (Seite 4 der Verhandlungsschrift vom 11. Jänner 2006).

Daraus ergibt sich, dass den Bw als Verantwortlicher für diese Betriebsanlage, die aufgrund ihres Alters ständiger Wartung bedarf, eine erhöhte Sorgfaltspflicht in dieser Hinsicht trifft.

Bei ständigen Kontrollen seiner Betriebsanlage hätte es dem Bw auffallen müssen, dass diese die im Strafbescheid aufgezeigten Mängel aufweist, und er hätte sofortige Maßnahmen treffen müssen, diese zu beseitigen.

Die Unterlassung der sofortigen Behebung dieser Mängel ist dem Bw vorwerfbar, er hat dadurch ein fahrlässiges Verhalten verwirklicht und somit schuldhaft gehandelt.

 

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde von der Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Nach hM liegt geringes Verschulden des Täters vor, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. Hauer/Leukauf Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 5, VStG § 21 E6ff). Nach der strafrechtlichen Judikatur zum vergleichbaren § 42 StGB muss die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der Deliktsverwirklichung geringfügig sein. Maßgebend sind der das Unrecht bestimmende Handlungsunwert und der Gesinnungsunwert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt. Der Erfolgsunwert wurde im Merkmal "unbedeutende Folgen der Übertretung" verselbstständigt.

Im konkreten Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Übertretung durch den Berufungswerber keine Folgen nach sich gezogen hat, da die untersuchten Proben keine Beanstandungen ergeben haben. Gegenteiliges wurde auch von der belangten Behörde nicht behauptet.

Der Berufungswerber wurde noch nie verwaltungsstrafrechtlich auffällig, insbesondere ist dies das erste Verfahren, das gegen ihn wegen Übertretung der Milchhygieneverordnung geführt wurde.

Die Verhandlung hat ergeben, dass der Berufungswerber bemüht ist, die Betriebsanlage in einem gesetzeskonformen Zustand zu halten, dies bedarf jedoch auf Grund des Alters dieser Betriebsanlage eines erhöhten Aufwands, den der Bw bisher offenbar unterschätzt hat. Damit ist aber auch im Vergleich zu den typischen Fällen der Deliktsverwirklichung sein Verschulden geringfügig. Das Strafausmaß kann auch in diesem Fall nicht primär von spezialpräventiven Gesichtspunkten geprägt sein, da der Gesinnungsunwert des Unterlassens der Sanierung der Betriebsanlage offensichtlich gering ist, hat doch der Bw innerhalb der ihm gesetzten Frist die beanstandeten Mängel behoben.

Unter diesen Umständen konnte mit einer Ermahnung des Berufungswerbers das Auslangen gefunden werden, wobei auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hinzuweisen war.

4. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt im Fall der Aufhebung des Strafausspruchs die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

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