Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240568/2/SR/Ri

Linz, 16.01.2006

 

 

 

VwSen-240568/2/SR/Ri Linz, am 16. Jänner 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des Ing. M S, Estraße, W, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J H und Mag. Dr. T H, Rstraße, W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf an der Krems vom 29. November 2005, SanRB96-6-2005 wegen Übertretung des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 134/2002 (im Folgenden: SMG) zu Recht erkannt:

 

 

  1. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zum Verwaltungs- strafverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs. 1 VStG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf an der Krems wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. S Stahl- und Anlagenbau GmbH, R im T, R Straße, unterlassen, dem Bundesminister für Inneres mitzuteilen, dass die von der Fa. S- und Anlagenbau GmbH von der D Chem. Handelsgesellschaft W, Lstraße, bezogenen Liter Aceton und 600 kg Salzsäure, welche Vorläuferstoffe der Kategorie 3 zur Suchtmittelherstellung darstellen, mit hohem Erlös an einen Geschäftspartner in Bukarest verkauft wurden, sodass Sie im Rahmen Ihres Geschäftsbetriebes annehmen mussten, dass Vorläuferstoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtmitteln abgezweigt wurden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 44 Ziffer 3 i.V.m. § 18 Abs. 3 Suchtmittelgesetz 1997 i.V.m. Vorläuferstoffeverordnung 376/1997 und der EWG-Verordnung Nr. 3677/1990

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

1000,00 Euro

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

12 Stunden

gemäß

§ 44 Suchtmittelgesetz

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes zu zahlen:

100,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens, das sind 10% der Strafe;

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 1.100,00 Euro."

 

2. Gegen dieses dem Vertreter des Bw am 2. Dezember 2005 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. In der Begründung hat die Behörde erster Instanz im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bw die im Spruch angeführten Vorläuferstoffe der Kategorie 3 verkauft habe und die in der Anzeige dargelegten Begleitumstände vorgelegen seien. Der Bw hätte daher den Verdacht haben müssen, dass die genannten Stoffe nicht für mit seinem Unternehmen vergleichbare Zwecke Verwendung finden sollten, sondern möglicherweise zu unerlaubter Herstellung von Suchtmitteln Verwendung finden könnten. Somit hätte er dem Bundesminister für Inneres unverzüglich diese Wahrnehmungen mitteilen müssen. Das Unterlassen der Mitteilung sei vom Bw nicht bestritten worden. Somit sei davon auszugehen, dass er die im Spruch zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen habe. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit und die Mitwirkungsbereitschaft im Verfahren zu werten gewesen.

 

2.2. Dagegen hat der Rechtsvertreter die für den Verdacht ausschlaggebenden Begründungselemente der belangten Behörde zu widerlegen versucht und auch die rechtliche Beurteilung als verfehlt angesehen. Beispielsweise hat er darauf hingewiesen, dass nichts auf eine mögliche Abzweigung der Vorläuferstoffe aus dem Geschäftsbetrieb der Käuferin hingezeigt habe. Niemand habe bezweifelt, dass die Käuferin auch tatsächlich die Gewahrsame über die Ware erlangt habe. Aus der Tatsache, dass zwei leere Blechgebinde Aceton in den Niederlanden gefunden worden sind, könne noch nicht geschlossen werden, dass der Inhalt zur Suchtmittelherstellung verwendet worden sei. Erhebungen, wozu der Inhalt der Dosen verwendet und wie er aus der Gewahrsame der Käuferin gelangt sei, hätte die belangte Behörde unterlassen. Allenfalls habe die Käuferin ihre Sorgfaltspflichten verletzt. Die dargelegten Überlegungen würden aufzeigen, dass der Bw über keinerlei Wahrnehmungen verfügte, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass Vorläuferstoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtmitteln abgezweigt würden.

 

Abschließend beantragt der Bw neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides und die Einstellung des Strafverfahrens.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt SanRB96-6-2005 mit Schreiben vom 27. Dezember 2005 vorgelegt.

3.1. Auf Grund der Aktenlage steht folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:

 

3.1.1. Anfang Oktober 2003 kam es zwischen dem Bw und Ing. A G, General Manager der E C S.A. in M in der Nähe von R zu einer zufälligen Begegnung. Dabei wurden Visitenkarten ausgetauscht.

 

Im Juni 2004 trat Ing. A G telefonisch an den Bw heran und wollte von ihm 4000 kg Aceton, 600 kg Salzsäure und 850 Liter Ethanol kaufen. In der Folge holte der Bw bei mehreren österreichischen Firmen Angebote ein. Das beste Angebot legte die D Handelsgesellschaft mbH.

 

Bei einem Treffen bei der Raststation A auf der A Ende Juli Anfang August 2004 wurde ein Kaufpreis von 30.000 Euro für die verlangte Ware und Vorauszahlung vereinbart. Einige Tage später bezahlte Ing. A G die vereinbarten 30.000 Euro an der Raststation in W und der Bw bestellte am 9. August 2004 bei der D Handelsgesellschaft mbH 4890 Liter Aceton, 600 kg Salzsäure und 850 Liter Ethanol.

 

Die bestellte Ware wurde am 24. August 2004 (Datum des Lieferscheins) in EW-Gebinde zu 30 Liter an die S Stahl- und Anlagenbau GmbH, R Straße, R/T geliefert. Auf der Rechnung vom 25. August 2004 ist das Bestelldatum "16. August 2004" vermerkt und der Stempel "EINGEGANGEN 27. Aug. 2004" angebracht.

 

Einige Tage nach der Anlieferung wurde über Veranlassung von Ing. A G die zwischengelagerte Ware bei der S Stahl- und Anlagenbau GmbH in R/T in der R Straße mit einem VW-Kleintransporter abgeholt.

 

3.1.2. Der unter Punkt 3.1.1. festgestellte Sachverhalt ist unbestritten und die belangte Behörde hat ihn ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.

 

3.1.3. Mit Schreiben vom 10. Februar 2005 übermittelte das Bundeskriminalamt - Büro 3.5 der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems die "Strafanzeige" gegen den Bw.

 

Der Ladungsbescheid vom 15. Februar 2005 wurde dem Bw am 17. Februar 2005 durch Hinterlegung an der Firmenadresse zugestellt und wies folgende Tatanlastung auf:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. S Stahl- und Anlagenbau GmbH, R im T, R Straße, am 24.08.2004 von der D Chem. Handelsgesellschaft W, Lstraße, unter anderem 4890 Liter Aceton und 600 kg Salzsäure bezogen, wobei es sich dabei um Vorläuferstoffe der Kategorie 3 zur Suchtmittelherstellung handelt, und an einen Geschäftspartner der Fa. E C S.A., C Nr5, B, R, der sich als Ing. A G ausgab, mit hohem Erlös verkauft, Sie haben es somit als Wirtschaftsbeteiligter unterlassen, bei begründetem Verdacht (Menge, Geschäftsunterlagen etc.) Wahrnehmungen, die die Annahme rechtfertigen, dass Vorläuferstoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtmitteln abgezweigt werden, dem Bundesministerium f. Inneres mitzuteilen".

 

Da der Bw den Ladungsbescheid nicht behoben hat, wurde ihm ein inhaltsgleicher Ladungsbescheid an seine Wohnadresse zugestellt. Der Bw hat den Ladungsbescheid am 18. August 2005 eigenhändig übernommen.

 

Innerhalb offener Frist hat der Rechtsvertreter des Bw dagegen Berufung erhoben.

 

In der Folge wurde der Bw im Rechtshilfeweg vom Magistrat der Stadt Wels zur Rechtfertigung aufgefordert. Entsprechend dem behördlichen Ersuchen hat der Rechtsvertreter des Bw am 2. November 2005 eine Stellungnahme eingebracht, die Tatanlastung bestritten und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen wurde dargelegt, dass zum Unternehmensgegenstand der S Stahl- und Anlagenbau GmbH auch der Handel mit Waren aller Art gehöre. Das getätigte Geschäft sei daher durch den Unternehmensgegenstand gedeckt gewesen. Derartige Lieferungen würden jedoch nicht zum ausgeübten Kerngeschäft gehören. Der Bw habe nicht gewusst, dass es sich bei Aceton, Ethanol und Salzsäure um Vorläuferstoffe handeln würde.

 

3.2. Über die Berufung gegen den Ladungsbescheid vom 11. August 2005, SanRB96-6-2005 war gesondert abzusprechen.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 4 SMG sind Vorläuferstoffe im Sinne dieses Bundesgesetzes die im Artikel 1 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit dem Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 des Rates vom 13. Dezember 1990 über Maßnahmen gegen die Abzweigung bestimmter Stoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtstoffen und psychotropen Substanzen, ABl. Nr. L 357/1 vom 20. Dezember 1990, bezeichneten Stoffe und Zubereitungen.

 

Gemäß § 45 SMG sind unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden, soweit dieses Bundesgesetz auf sie verweist.

 

Gemäß § 17 SMG dürfen Vorläuferstoffe nur nach Maßgabe der gemäß § 22 erlassenen Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales erzeugt, erworben, besessen, in Verkehr gesetzt sowie - unbeschadet der einschlägigen, unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft - ein-, aus- oder durchgeführt werden.

 

Gemäß § 18 Abs. 1 SMG sind Wirtschaftsbeteiligte alle natürlichen oder juristischen Personen, die mit der Erzeugung, Verarbeitung, dem Handel oder der Verteilung von Vorläuferstoffen befasst sind oder damit verbundene Tätigkeiten, wie insbesondere die Vermittlung oder Lagerung von Vorläuferstoffen, ausüben.

Gemäß § 18 Abs. 3 SMG haben Wirtschaftsbeteiligte dem Bundesminister für Inneres unverzüglich die im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs festgestellten Wahrnehmungen einschließlich personenbezogener Daten, die die Annahme rechtfertigen, dass Vorläuferstoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtmitteln abgezweigt werden, mitzuteilen. Sie haben diese Mitteilungen gegenüber Dritten geheim zu halten. Wirtschaftsbeteiligte haben dem öffentlichen Sicherheitsdienst auf Verlangen alle Auskünfte zu erteilen, soweit dies zur Verhütung und Verfolgung der unerlaubten Herstellung von Suchtmitteln und der damit im Zusammenhang stehenden strafbaren Handlungen erforderlich ist.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Z 1 SMG hat der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales u.a. mit Verordnung nähere Vorschriften über das Inverkehrsetzen von Vorläuferstoffen zu erlassen.

 

Gemäß § 1 Abs. 1 der Vorläuferstoffeverordnung, BGBl. II Nr. 376/1997, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 605/2003 (im Folgenden: VorlV) sind Vorläuferstoffe im Sinne dieser Verordnung die im Artikel 1 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit dem Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 (§ 2 Z 7) unter der Kategorie 1 und 2 bezeichneten Stoffe einschließlich Zubereitungen, die Vorläuferstoffe enthalten.

 

Gemäß § 2 Z 4 VorlV ist unter Inverkehrsetzen jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe von in der Europäischen Gemeinschaft hergestellten oder in den freien Verkehr gebrachten Vorläuferstoffe an Dritte zu verstehen.

 

Gemäß § 2 Z 5 VorlV sind unter Wirtschaftsbeteiligte natürliche oder juristische Personen, die in der Europäischen Gemeinschaft mit der Herstellung, der Weiterverarbeitung, dem Handel oder der Verteilung von Vorläuferstoffen befasst sind oder damit verbundenen Tätigkeiten, wie die Vermittlung oder Lagerung von Vorläuferstoffen ausüben.

 

Gemäß § 2 Z 7 VorlV ist bei der Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 des Rates vom 13. Dezember 1990 auf die jeweils geltende Fassung abzustellen.

 

Gemäß § 44 Z 3 SMG begeht, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 36 300 Euro, im Nichteinbringungsfall mit einer Freiheitsstrafe bis 6 Wochen zu bestrafen, wer den §§ 17, 18 Abs. 2 erster Satz, Abs. 3 und Abs. 4 oder 20 zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

 

Mit der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 wurde die Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 samt der Verordnung (EWG) Nr. 3769/92 der Kommission vom 21. Dezember 1992 mit Wirkung vom 18. August 2005 aufgehoben.

 

4.2.1. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist; ........

 

Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch des Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. (Siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1521).

Ziffer 1 stellt somit klar, dass der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechtserheblichen Merkmalen konkretisiert umschrieben werden muss.

 

4.2.2. Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

 

Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als beschuldigtengerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

4.3. Aus der "Strafanzeige" vom 10. Februar 2005 kann keine umfassende Tatanlastung abgeleitet werden. Auch den Anlastungen in den einzelnen Ladungsbescheiden, die darüber hinaus bereits außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ergangen sind, ist, abgesehen von einer zeitlichen und örtlichen Groborientierung und dem unvollständigen Gebrauch der "verba legalia" eine gesetzeskonforme Tatumschreibung nicht zu entnehmen.

 

§ 18 Abs. 3 SMG sieht eine unverzügliche Verpflichtung zur Mitteilung vor. Darüber hinaus bezieht sich die Verpflichtung zur Mitteilung auf Wahrnehmungen, die der Wirtschaftbeteiligte im Rahmen seines Geschäftsbetriebes festgestellt hat und die die Annahme rechtfertigen, dass Vorläuferstoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtmitteln abgezweigt werden.

 

Während des gesamten erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahrens wurde dem Bw niemals der Vorwurf gemacht, dass er es unterlassen hat, die Mitteilung unverzüglich vorzunehmen. Die unverzügliche Mitteilung stellt ein wesentliches Tatbestandsmerkmal dar. Schon im Hinblick auf die Verfolgungsverjährung ist es erforderlich, den genauen Zeitpunkt festzustellen, wann die Verpflichtung des Bw bestanden hat.

 

Abgesehen davon, dass der innerstaatlichen Norm und den einschlägigen EG- und EWG-Verordnungen jener Regelungszweck zugrunde liegt, derartige Verdachtsmomente schnellstmöglich einer Überprüfung zuzuführen und im Falle des Zutreffens des Verdachtes eine mögliche unerlaubte Herstellung von Suchtmittel zu verhindern bzw. eine derartige Herstellung zu unterbinden bedarf es im Verwaltungsstrafverfahren einer exakten Umschreibung des vorwerfbaren Verhaltens.

 

Die Ausgestaltung der Strafbestimmung lässt eindeutig auf ein echtes Unterlassungsdelikt (die Nichtvornahme des gebotenen Tuns wird pönalisiert) schließen (arg.: hat unverzüglich mitzuteilen). Die Tat ist vollendet, wenn die Verpflichtung zu handeln nicht mehr besteht und die Handlung als solche nicht mehr nachgeholt werden kann.

 

§ 18 Abs. 3 SMG enthält eine Verpflichtung des Wirtschaftbeteiligten und stellt sohin eine Gebotsnorm dar. Durch die Strafbestimmung des § 44 SMG, welche eine Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG darstellt, ergibt sich, dass ein Zuwiderhandeln gegen dieses Gebot eine Verwaltungsübertretung darstellt. § 44 Z 3 i.V.m. § 18 Abs. 3 SMG stellt ausschließlich die Unterlassung der unverzüglichen Mitteilung der relevanten Wahrnehmungen unter Strafsanktion. Die darüber hinaus fortdauernde Nichtmitteilung der relevanten Wahrnehmungen fallen nicht unter die Strafsanktion dieser Gesetzesstelle (vgl. VwGH vom 19.10.1993, 93/04/0176).

 

Ein allfällig strafbares Verhalten des Bw endete daher unmittelbar nach den von ihm im Rahmen seines Geschäftsbetriebes festgestellten Wahrnehmungen i.S.d § 18 Abs. 3 SMG.

 

Die belangte Behörde hat sich zutreffend auf die Überlegungen in der Anzeige vom 10. Februar 2005 bezogen und ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Wahrnehmungen des Bw - unbekannter Kunde, ungewöhnliche Bestellmenge, Akzeptanz eines weit überhöhten Preises, Barzahlung des gesamten Kaufpreises im voraus und kurze Lieferfrist - die Annahme gerechtfertigt haben, dass Vorläuferstoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtmitteln abgezweigt werden. Da § 18 Abs. 3 SMG bereits die unverzügliche Mitteilungsverpflichtung für den Fall einer "Abzweigung von Vorläuferstoffen" vorsieht, ist - im Gegensatz zur Annahme des Bw - auch die Verwendung der gesamten Lieferung von Vorläuferstoffen für die unerlaubte Herstellung von Suchtmitteln von der Mitteilungsverpflichtung erfasst.

 

Der Bw hat gegenüber den einschreitenden Beamten vorgebracht, dass er auf "dem Gebiet (gemeint: Handel mit den genannten Substanzen)" keine Erfahrung hatte. Schon auf Grund seiner mangelnden einschlägigen Geschäftserfahrung hätte er im Vorfeld entsprechende Informationen einholen müssen.

 

Jedenfalls stellen die Verhandlungen über den beabsichtigten Kauf der Vorläuferstoffe, die große Bestellmenge, die Entrichtung des gesamten Kaufpreises in Form der Barzahlung im voraus und die Aufnahme der Verkaufverhandlungen durch einen nahezu unbekannten Geschäftspartner Wahrnehmungen im Sinne des § 18 Abs. 3 SMG dar, die vermuten lassen, dass die - bestellten - Vorläuferstoffe für die unerlaubte Herstellung von Suchtmittel verwendet werden.

 

Um die Tatzeit und den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist festlegen zu können, bedarf es der Feststellung, bis wann der Bw seiner unverzüglichen Mitteilungsverpflichtung nachkommen konnte.

 

Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass der Bw seiner unverzüglichen Mitteilungsverpflichtung schon nach den Vorbesprechungen im Juli/August 2004 bei der Raststation A, jedenfalls aber spätestens nach der Barzahlung des gesamten Kaufpreises und noch vor der Bestellung der Vorläuferstoffe nachkommen hätte müssen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Bw eine Fülle von Wahrnehmungen gemacht, die die Annahme rechtfertigten, dass Vorläuferstoffe für die unerlaubte Herstellung von Suchtmittel verwendet werden. Durch das Unterlassen der unverzüglichen Mitteilung wäre die Tat zu diesem Zeitpunkt als vollendet anzusehen. Abstellend auf den Gesetzestext, die einschlägigen EWG-, EG-Verordnungen und EG-Richtlinien und dem Regelungszweck kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass bei einer derartigen Fülle von Wahrnehmungen "unverzüglich" dahingehend auszulegen ist, dass eine Mitteilung an den zuständigen Bundesminister auch nach der Lieferung noch als rechtzeitig zu betrachten wäre.

 

4.4. Bis zum Entscheidungszeitpunkt ist keine taugliche Verfolgungshandlung erfolgt.

 

Daraus folgt, dass auch innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten gemäß § 31 Abs. 1 und 2 VStG keine taugliche, alle wesentlichen Tatbildmerkmale konkretisierende Verfolgungshandlung vorgenommen wurde.

 

Eine Ergänzung des Tatvorwurfes konnte allerdings nach Ablauf der Verfolgungsverjährung nicht mehr erfolgen.

 

Auf Grund der Ausführungen unter Punkt 4.3. kann der belangten Behörde im Hinblick auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung kein Vorwurf gemacht werden, da ihr die dem Verfahren zugrunde liegende "Strafanzeige" erst nach dem Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist zugegangen ist.

 

Selbst wenn man die Vollendung der Tat entgegen der Ansicht des Oö. Verwaltungssenates später ansetzen würde, ist, wie dargelegt, innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine taugliche Verfolgungshandlung von der belangten Behörde vorgenommen worden.

 

5. Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren schon mangels geeigneter Tatanlastung und eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

 

Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfiel damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

6. Anzumerken ist, dass nach der derzeitigen Gesetzeslage und den dynamischen Verweisungen u.a. ein Inverkehrsetzen der gegenständlichen Vorläuferstoffe bereits eine Übertretung des § 44 iVm § 17 SMG darstellen würde, da der Verkehr mit Vorläuferstoffen nur nach Maßgabe der Vorläuferstoffeverordnung zulässig ist. § 1 Abs. 1 VorlV stellt aber nur auf jene Stoffe der Kategorie 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 in der jeweils geltenden Fassung ab. Die hier vorliegenden Vorläuferstoffe sind jedoch in der Kategorie 3 angeführt, ein Inverkehrsetzen überhaupt nicht zulässig.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

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