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VwSen-250168/4/Gu/Ho

Linz, 15.02.1993

VwSen - 250168/4/Gu/Ho Linz, am 15. Februar 1993 DVR.0690392 - &

B e s c h e i d

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des W und der W GesmbH gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 19. August 1992, SV/10/1992+1/Ho, in der Sache der Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung mangels Parteistellung zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Rechtsgrundlage: § 10, § 13 Abs.3 AVG iVm § 24 VStG, § 49 VStG, § 51e Abs.2 VStG.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit Strafverfügung vom 24. Juli 1992, SV/10/1992, Herrn W S, geb. , H schuldig erkannt, ab dem 25. November 1991 bis zum heutigen Tag (offensichtlich gemeint bis zum 24. Juli 1992) als handelsrechtlich verantwortliches Organ der Wilhelm S GesmbH, , und somit als Dienstgeber die ihm gemäß § 42 Abs.1 ASVG obliegende Verpflichtung, der O.ö. Gebietskrankenkasse auf deren schriftliche Aufforderung vom 7. November 1991 hin alle maßgeblichen Umstände für das Versicherungsverhältnis der über das U Außenhandelsunternehmen, Budapest, bei der Wilhelm S GesmbH Beschäftigten längstens binnen 14 Tagen wahrheitsgemäß Auskunft zu erteilen, durch Verweigerung die Erfüllung dieser Auskunft und damit § 111 ASVG verletzt zu haben. Hiefür wurde ihm eine Geldstrafe von 600 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden auferlegt.

Nach Zustellung und eigenhändiger Empfangnahme des Schriftstückes durch den Beschuldigten am 29. Juli 1992 langte am 6. August 1992 bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding ein am 5. August 1992 der Post zur Beförderung übergebener Einspruch gegen diese Strafverfügung ein, welcher auf den Firmenpapier des Betriebes der Wilhelm S GesmbH verfaßt war, den Text trug:

Betreff: Einspruch gegen die Strafverfügung vom 24.07.1992, bei uns eingegangen am 29.07.1992 Zur Wahrung der Einspruchsfrist erheben wir gegen obgenannte Strafverfügung Einspruch und werden diese in den nächsten Tagen begründen. Mit freundlichen Grüßen Stampiglie der Wilhelm S GesmbH Unleserliche Unterschrift.

Daraufhin erging der angefochtene Bescheid sowohl an Wilhelm S, als auch an die Wilhelm S GesmbH jeweils unter der Adresse H . Eingabe wurde demnach als Rechtsmittel qualifiziert, welches von einer Person verfaßt wurde, welche im Verfahren keine Parteistellung besitzt. Dieser Ausspruch wurde mit dem Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahre 1983 versehen. In der dagegen gemeinsam erhobenen Berufung machen beide Bescheidadressaten geltend, daß der Einspruch im Namen des Herrn S erfolgt sei und nur versehentlich der Brief firmenmäßig verfaßt worden sei.

Nachdem nur eine rechtliche Beurteilung der Sache heranstand, konnte diese ohne mündliche Verhandlung erfolgen.

Die Berufung ist im Ergebnis begründet. Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen eine Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Gemäß § 10 Abs.1 1. Satz AVG, welcher gemäß § 24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.

Gemäß Abs.2 leg.cit. richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht. Hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 13 Abs.3 von amtswegen zu veranlassen.

Gemäß § 10 Abs.4 AVG kann die Behörde von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltungsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

Gemäß § 13 Abs.3 AVG ermächtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechung mit der Wirkung aufzutragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 13 Abs.4 AVG kann die Behörde, wenn ein schriftliches Anbringen keine eigenhändige und urschriftliche Unterschrift aufweist, wenn sie Zweifel darüber hat, ob das Anbringen von der darin genannten Person stammt, eine Bestätigung durch ein schriftliches Anbringen mit eigenhändiger und urschriftlicher Unterschrift auftragen und zwar mit der Wirkung, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist nicht mehr behandelt wird.

Der angefochtene Bescheid stützt seine Begründung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahre 1983.

Mittlerweile ist der Verwaltungsgerichtshof durch Erkenntnis des verstärkten Senates vom 10. Jänner 1985, Zl. 83/05/0073, Slg. 11633 (A) von seiner streng formalen Betrachtungsweise abgegangen.

Aufgrund der Formulierung des Einspruches vom 5. August 1992 kann mit gutem Grund angenommen werden, daß dieser Einspruch von der Wilhelm S GesmbH namens des Beschuldigten verfaßt wurde.

Unter Hinweis auf die bürgerlich rechtlichen Vorschriften und die Spruchpraxis des Obersten Gerichtshofes (Entscheidung vom 5.9.1972, 4 Ob 565/72, FBL 1973/25) ist festzuhalten, daß eine Bevollmächtigung an eine juristische Person und an eine Personengesellschaft des Handelsrechtes zulässig ist, sodaß im vorliegenden Fall lediglich ein Widerspruch zu § 10 Abs.1 AVG, also einer Formvorschrift des Verwaltungsverfahrens vorliegt. Ein solcher Widerspruch zu der Vorschrift des § 10 Abs.1 AVG stellt ein Formgebrechen eines schriftlichen Anbringens im Sinne einer Ergänzungsbedürftigkeit der Eingabe selbst dar. Der Begriff des Formgebrechens ist, da den Verwaltungsverfahrensgesetzen jeglicher Formalismus fremd ist, weit auszulegen. Der Sinn der Verfahrensvorschrift ist darin gelegen, eine den rechtsstaatlichen Erfordernissen entsprechende Durchsetzung der materiellen Rechte der Partei zu gewährleisten, nicht aber darin durch Formvorschriften die Durchsetzung dieser Rechte in größerem Maß als unbedingt erforderlich einzuschränken. Ist aber das Fehlen einer Unterschrift oder einer Vollmacht als verbesserungsfähig anzusehen, dann ist es auch zulässig, ein nach den Verfahrensvorschriften nicht zulässiges Einschreiten einer juristischen Person als Bevollmächtigter als verbesserungsfähiges Formgebrechen zu werten. In Wahrheit ist nämlich die Berufung als nicht unterschrieben zu werten, da sie weder die Unterschrift des Machtgebers noch die einer zur Vertretung legitimierten Person trägt. Sie ist daher zur Verbesserung zurückzustellen. (vgl. auch das auf dieser Linie liegende Erkenntnis des VwGH vom 4. September 1992, Zl. 92/18/0236-5).

Nachdem ein verbesserungsfähiges Gebrechen vorlag, hätte die Behörde nicht mit der sofortigen Zurückweisung der Eingabe vorgehen dürfen, sondern dem Beschuldigten die Verbesserung auftragen müssen.

Aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid zu beheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Erkenntnis ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer 6

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