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VwSen-250278/6/Gu/Atz

Linz, 06.04.1994

VwSen-250278/6/Gu/Atz Linz, am 6. April 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Kurt Wegschaider und durch den Berichter Dr. Hans Guschlbauer sowie durch den Beisitzer Dr. Michael Keinberger über die Berufung des S Ö, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 30.9.1993, SV96/6/1992, wegen Übertretung des AuslBG zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten S Ö eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG, § 9 Abs. 1 VStG, § 15 Abs. 1 GesmbHG, § 16 Abs. 1 GesmbHG, § 17 GesmbHG, § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z.1 lit.a AuslBG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat am 30.9.1993 zur Zahl SV96/6/1992 gegen S Ö ein Straferkenntnis erlassen, dessen Spruch lautet:

"Sie haben als zur Vertretung nach außen berufenes und damit als gemäß § 9 VStG verantwortliches Organ der "S GesmbH" den türkischen Staatsangehörigen A O in der Zeit vom 1.1.1992 bis 10.1.1992 im Lebensmittelgeschäft in F, S, als Verkäufer unerlaubt beschäftigt, da Ihnen für den Ausländer für diese Zeit weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde noch dieser selbst eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besaß. Diese Beschäftigung erfolgte, obwohl Sie mit Straferkenntnis der BH-Freistadt vom 28.6.1990, SV96/21/1990, wegen einer gleichen Verwaltungsübertretung rechtskräftig bestraft wurden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z.1 lit.a Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl.Nr. 218/1975 idgF.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von 15.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Std. gemäß § 28 Abs. 1 Z.1 lit.a des Ausländerbeschäftigungsgesetz Weitere Verfügungen (z.B. Anrechnung der Vorhaft, Verfallsausspruch):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

1.500,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 16.500,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)." Dagegen hat der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte eine rechtzeitige Berufung eingebracht und bestritten, daß er in der Zeit vom 1.1.1992 bis 10.1.1992 das zur Vertretung nach außen berufene und somit gemäß § 9 VStG verantwortliche Organ der "S GesmbH" gewesen sei.

Mit Beschluß der Gesellschafter der Lebensmittel "S GesmbH" vom 13.12.1991 sei er mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer dieser Gesellschaft abberufen worden, was aus dem in Kopie beigefügten Gesellschafterbeschluß ersichtlich sei. Weiters habe er mit Notariatsakt vom 13.12.1991 seine Geschäftsanteile an der Lebensmittel "S GesmbH" im Nennbetrag von 220.000 S an Herrn S C und Frau H C abgetreten. Zum Beweis dessen beruft er sich auf die Ablichtung eines Notariatsaktes vom 13.12.1991.

Die Wirksamkeit der Abberufung von der Geschäftsführung sei von der (erst später erfolgten) Eintragung im Handelsregister (nunmehr Firmenbuch) unabhängig. Lediglich dritten Personen, denen diese Abberufung nicht bekannt war, könne sie im rechtsgeschäftlichen Verkehr (und nur dort) nicht entgegen gehalten werden (OGH Evidenzblatt 1975/106).

Die Rechtsansicht der Strafbehörde, daß die Rechtshandlungen erst mit Eintragung in das Firmenbuch wirksam werden, sei unrichtig. Die Anmeldung der Abberufung eines Geschäftsführers sei lediglich deklarativ und somit auch ohne Eintragung in das Firmenbuch wirksam (vergl. das österreichische GesmbH-Recht Reich-Rohrwig, Seite 168 unten und Seite 171).

Nachdem er für die angelastete Verwaltungsübertretung nicht verantwortlich sei, beantragt er die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

Da der für die Beurteilung maßgebliche Teil des Sachverhaltes durch Urkunden bereits nachgewiesen wurde und es sich demnach um die Beurteilung einer Rechtsfrage handelte, war die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entbehrlich.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat der mitbeteiligten Partei, Landesarbeitsamt Oberösterreich, zu der in der Berufung aufgeworfenen Frage Gelegenheit des rechtlichen Gehörs geboten.

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat anläßlich der Aktenvorlage keine Stellungnahme zum Berufungsvorbringen erstattet.

Feststeht, daß am 8. Jänner 1992 der türkische Staatsangehörige A O im Lebensmittelgeschäft "S GesmbH" in F, S, von einem nachforschenden Gendarmerieorgan als aufhältig angetroffen wurde.

Zuvor, und zwar am 13.12.1991 fand im Notariat des Dr. H P A, öffentlicher Notar in Wels, die Abtretung von Geschäftsanteilen der Lebensmittel "S GesmbH" statt und wurde vor diesem Notar auch der Beschluß der Gesellschafter beurkundet, daß diese den bisherigen Gesellschafter S Ö - den Beschuldigten - mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der Gesellschaft abberiefen und Herrn S C mit sofortiger Wirkung zum Geschäftsführer mit Einzelvertretung bestellten.

Diese Änderung in der Geschäftsführung wurde vom Notariat dem Firmenbuchgericht mitgeteilt und am 21.1.1992 von diesem registriert.

Eine Anfrage der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 27. April 1992, bezogen auf die handelsrechtliche Geschäftsführung für die Tatzeit vom 1.1.1992 bis 10.1.1992, ergab die Auskunft, daß die genannte Gesellschaft zum fraglichen Zeitpunkt von S Ö und S G vertreten wurde.

Gleichzeitig fand sich der Hinweis, daß mit 21. Jänner 1992 die Abberufung der beiden Geschäftsführer und die Bestellung des S C als neuer Geschäftsführer eingetragen worden war. Die Erledigung des Firmenbuchgerichtes langte am 4. Juni 1992 bei der Erstbehörde ein. Bereits zuvor am 22.

April 1992 hatte die belangte Behörde das Schreiben der Lebensmittel "S GesmbH" zur Aufklärung und Kenntnis erhalten, daß bereits vor dem vorgeworfenen Tatzeitraum eine Änderung in der Geschäftsführung eingetreten war.

Sie hat sich allerdings bei der Verfolgung weiterhin an den Beschuldigten mit der Rechtsansicht gehalten, daß nur der Buchstand des Firmenbuches maßgeblich sei.

Mit dieser auch vom Landesarbeitsamt Oberösterreich gestützten Rechtsansicht, die aus der sofortigen Wirksamkeit des Rücktrittes im Innenverhältnis ohne Registrierung zu schließen vermeint, daß dann aber im Außenverhältnis sohin bei der Frage, wer verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist, die Abberufung erst zum Zeitpunkt der Registrierung wirksam werde, ist sie nicht im Recht.

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z.1 lit.a AuslBG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt wurde. Bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden dieser mit Geldstrafe von 5.000 S bis zu 60.000 S, im Wiederholungsfall von 10.000 S bis zu 120.000 S, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern, für jeden dieser mit Geldstrafe von 10.000 S bis zu 120.000 S, im Wiederholungsfall von 20.000 S bis zu 240.000 S.

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen (um eine solche handelt es sich bei der "Lebensmittel S GesmbH") oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Im AuslBG (der besonderen Verwaltungsvorschrift) fehlt eine Sonderbestimmung für die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung. Die Bestellung verantwortlicher Beauftragter wurde nicht reklamiert; demnach hatte sich die Verfolgung des Verdachtes einer Übertretung nach dem AuslBG gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Lebensmittel "S GesmbH" zu richten.

Aufgrund der Einheitlichkeit der Rechtsordnung sind für die Feststellung, wer und zu welchem Zeitpunkt nun dieser handelsrechtliche Geschäftsführer ist, die gesellschaftsrechtlichen und firmenbuchrechtlichen Vorschriften maßgebend.

Gemäß § 15 Abs. 1 GesmbHG erfolgt die Bestellung eines Geschäftsführers durch den Beschluß der Gesellschafter. Gemäß § 15 Abs. 2 GesmbHG muß ein Dritter eine eingetragene und bekanntgemachte Tatsache gegen sich gelten lassen. Dies gilt nicht bei Rechtshandlungen, die innerhalb von 15 Tagen nach der letzten Bekanntmachung vorgenommen werden, sofern der Dritte beweist, daß er die Tatsache weder kannte noch kennen mußte.

Gemäß § 16 Abs. 1 GesmbHG kann die Bestellung zum Geschäftsführer durch Beschluß der Gesellschafter jederzeit widerrufen werden.

Beide Beschlüsse sind bereits rechtsbegründend und bedürfen zu ihrem Wirksamwerden nicht der Eintragung im Handelsregister.

Gemäß § 1 des Firmenbuchgesetzes besteht das Firmenbuch aus dem Hauptbuch und der Urkundensammlung. Das Firmenbuch dient der Verzeichnung und Offenlegung von Tatsachen, die nach diesem Bundesgesetz oder nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften einzutragen sind. Gemäß § 3 Z.8 leg.cit. sind bei allen Rechtsträgern Name und Geburtsdatum des Einzelkaufmannes, bei anderen Rechtsträgern ihre vertretungsbefugten Personen sowie der Beginn und die Art ihrer Vertretungsbefugnis einzutragen. Gemäß § 10 Abs. 1 des Firmenbuchgesetzes sind Änderungen eingetragener Tatsachen unbeschadet sonstiger gesetzlichen Vorschriften beim Gericht unverzüglich anzumelden; das Gericht hat die Eintragungen entsprechend zu ändern, im Falle ihrer Unzulässigkeit zu löschen.

Aus der Textierung "ist die Tatsache eingetragen und bekanntgemacht worden, so muß ein Dritter sie gegen sich gelten lassen" (§ 15 Abs. 2 GesmbHG) vertritt die herrschende Literatur (vergl. Kastner-Dorald-Novotny, Grundriß des Österreichischen Gesellschaftsrechtes, 5. Auflage, Manz-Wien 1990, Seite 373 ff, Reich-Rohrwig, das Österreichische GesmbH-Recht, Seite 97 ff, Seite 168 und 171; HGB-Kommentar Straube-Manz Wien 1987, Seite 127 ff) und der Oberste Gerichtshof die Auffassung, daß die im Handelsregister aufscheinende Eintragung betreffend den Geschäftsführer einer GesmbH nur deklarativen Charakter besitzt.

Einem in Unkenntnis befindlichen Dritten kann die Änderung einer eintragungspflichtigen Tatsache nur im (privat)rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht entgegengehalten werden.

Im Hoheitsbereich (z.B auch bei Zustellung einer Klage), dies gilt auch für die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens, gilt das bloße Vertrauen auf die Eintragung im Register nicht.

Auf den gegenständlichen Fall bezogen gilt, wenn Zweifel auftauchen, wie dies hier im Verfahren geschehen ist, das Vertrauen auf den diesbezüglichen Registerstand nicht, sondern richtet sich der Wirksamkeitsbeginn auch im Außenverhältnis nach dem Gesellschafterbeschluß, den es zu erforschen gilt.

Eine (zivilrechtliche) Haftung wird in der Literatur allenfalls nur bei schuldhafter Unterlassung der Eintragung angenommen.

Ein Verschulden des S Ö an einer verspäteten Einreichung des notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlusses kann, abgesehen davon, daß es sich in vorliegender Sache nicht um den privatrechtsgeschäftlichen Verkehr handelt, nicht unterlegt werden.

Dem Berufungswerber ist somit der Nachweis gelungen, daß er für die ihm angelastete Tat nicht einzustehen hatte.

Aus diesem Grunde war das gegen ihn erlassene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Dies hatte auf der Kostenseite zur Folge, daß er keinerlei Beiträge für das erstinstanzliche und für das Berufungsverfahren zu leisten hat (§ 66 Abs. 1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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