Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550072/23/Kl/Pe

Linz, 13.02.2004

VwSen-550072/23/Kl/Pe Linz, am 13. Februar 2004

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine IV. Kammer (Vorsitzender: Dr. Konrath, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Linkesch) über die Berufung der OS G f I C GmbH, , vertreten durch Rechtsanwälte S-S-F & P gegen den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 13.1.2003 Fin-090974/5-2003-Schü/Spr, im Vergabeverfahren "Einführung einer Standard-Software für Dokumentenmanagement, Workflow und Archivierung" wegen Abweisung des Antrages auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zurückgewiesen wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 2 Abs.1 und 2 und 20 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz, LGBl.Nr. 153/2002.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 4.12.2002 (richtig: 14.12.2002), eingelangt am 17.12.2002, wurde von der Antragstellerin der Antrag gestellt,

  1. ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten,
  2. die Entscheidung des Antraggegners, das Vergabeverfahren im Wege eines Verhandlungsverfahrens durchzuführen, für nichtig zu erklären,
  3. das gesamte Vergabeverfahren wegen unzutreffender Wahl des Verhandlungsverfahrens für nichtig zu erklären,
  4. die Entscheidung des Antraggegners, das gesamte Vergabeverfahren wegen unzutreffender Wahl des Verhandlungsverfahrens - sohin wegen zwingender Gründe - nicht zu widerrufen, für nichtig zu erklären und
  5. die Zuschlagsentscheidung des Antraggegners zu Gunsten der Fabasoft AT Software GmbH & Co KG für nichtig zu erklären.

Weiters wurde ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung eingebracht, mit welcher die Aussetzung der Zuschlagsentscheidung und die Untersagung der Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens verfügt werden soll.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Wahl des Verhandlungsverfahrens vergaberechtswidrig erfolgt sei, weil der Auftragnehmer lediglich Standard-Software zu liefern hätte, ohne diese weitergehend auf die konkreten Bedürfnisse des Auftraggebers anpassen zu müssen. Es liege daher ein Lieferauftrag vor. Die Voraussetzungen der Vergabe eines Lieferauftrages im Verhandlungsverfahren mit vorheriger öffentlicher Bekanntmachung seien sehr eingeschränkt und diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall nicht erfüllt. Die vergaberechtswidrige Wahl des Verhandlungsverfahrens stelle einen zwingenden Grund für einen Widerruf dar. Weiters sei die zulässige Dauer der Zuschlagsfrist überschritten worden. Schließlich wurde dargelegt, dass der Auftraggeber seiner Mitteilungspflicht nach § 31 Abs.4 Oö. Vergabegesetz nicht ausreichend nachgekommen sei.

2. Die Oö. Landesregierung hat mit Bescheid vom 19.12.2002, Fin(Just)-090974/2-2002-Schü/Bla, dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattgegeben und das gesamte Vergabeverfahren bis zur Entscheidung der Nachprüfungsbehörde im Nachprüfungsverfahren ausgesetzt, wobei die Aussetzung insbesondere die Zuschlagsentscheidung, die Zuschlagserteilung und den Abschluss eines daraus resultierenden zivilrechtlichen Vertrages erfasst.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hat die Oö. Landesregierung mit Bescheid vom 13.1.2003, Fin-090974/5-2003-Schü/Spr, die Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung, das Vergabeverfahren im Wege eines Verhandlungsverfahrens durchzuführen, auf Nichtigerklärung des gesamten Vergabeverfahrens wegen unzutreffender Wahl des Verhandlungsverfahrens sowie auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Antraggegners, das gesamte Vergabeverfahren wegen unzutreffender Wahl des Verhandlungsverfahrens - sohin wegen zwingender Gründe - nicht zu widerrufen, wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen, und den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung als unbegründet abgewiesen. Nach Darlegung der wesentlichen Punkte in den Schriftsätzen der Parteien und des durchgeführten Ermittlungsverfahrens führte die Nachprüfungsbehörde erster Instanz begründend aus, dass seitens der Antragstellerin eine Mitteilung gemäß § 31 Abs.4 Oö. Vergabegesetz von der Auftraggeberin beantragt wurde, nicht jedoch eine Verständigung von der behaupteten Rechtswidrigkeit hinsichtlich der angeführten Punkte im Nachprüfungsantrag erfolgt sei. Es war daher lediglich der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zulässig. Dieser wurde deshalb abgewiesen, weil zum Ausschreibungszeitpunkt aus Sicht der Auftraggeberseite nicht unzweifelhaft feststand, dass der überwiegende Teil des Auftrages die Lieferung einer Standard-Software ausmache, sondern, dass im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Wettbewerbes und der Hintanhaltung von Wettbewerbsvorteilen zu Gunsten bestimmter Unternehmen aufgrund der Komplexität des ausgeschriebenen Konzepts von einem Dienstleistungsauftrag ausgegangen werden konnte und daher die Wahl des Verhandlungsverfahrens rechtmäßig erfolgt sei. Weiters kann die mangelhafte Bekanntmachung der Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes bzw der Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes nicht zur Nichtigkeit der Zuschlagsentscheidung führen, da dies weder gesetzlich angeordnet ist noch einen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens mit sich bringt.

3. Gegen die abweisende Entscheidung der Nachprüfungsbehörde wurde mit der nunmehr dem Oö. Verwaltungssenat vorliegenden rechtzeitigen Eingabe Berufung erhoben. Der zurückweisende Teil wurde somit rechtskräftig. Nach ausführlicher Darlegung des Sachverhaltes, insbesondere des Herganges des Vergabeverfahrens, wurde Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens geltend gemacht. Weiters wurde unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht, weil einerseits der Ausschlussgrund gemäß § 28 Abs.6 Z11 Oö. Vergabegesetz für das Angebot der erfolgreichen Bieterin vorgelegen sei, weil wie aus dem dargestellten Sachverhalt hervorgehe, aufgrund einer formellen Dienstanweisung an das zuständige Projektteam der Leistungsgegenstand des Vergabeverfahrens wesentlich geändert worden sei und die erfolgreiche Bieterin Informationen erhalten habe, die den anderen Bietern nicht zur Kenntnis gebracht worden seien und dadurch der Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung nicht eingehalten wurde, sondern der Ausscheidungsgrund des Verstoßes gegen die guten Sitten oder den Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbs gegeben sei. Andererseits sei hinsichtlich der erfolgreichen Bieterin auch der Ausschlussgrund gemäß § 28 Abs.6 Z6 Oö. Vergabegesetz - nämlich nicht plausibel erklärbarer Preis - gegeben, zumal die erfolgreiche Bieterin die Kosten für Anpassung und Customizing jeweils mit 0 Euro ausgepriesen habe, obwohl auch bei Überwiegen des Lieferanteils gegenüber dem Dienstleistungsanteil völlig unplausibel sei, dass für Anpassung und Customizing keinerlei Kosten entstünden. Dies hätte der Auftraggeberseite auch auffallen müssen und wäre daher das Angebot der erfolgreichen Bieterin als unvollständiges Angebot und somit mit einem unbehebbaren Mangel behaftetes Angebot auszuscheiden gewesen, weil durch eine Verbesserung eine Änderung der Bieterreihung nicht auszuschließen gewesen wäre. Die bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung vom 5.12.2002 sei daher jedenfalls vergaberechtswidrig und es hätte daher die Zuschlagsentscheidung antragsgemäß für nichtig erklärt werden müssen. Es wurde daher beantragt, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und den letzten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides zu beheben und darüber hinaus bescheidmäßig

  1. die Entscheidung des Antraggegners, Fabasoft bzw das Angebot von Fabasoft nicht auszuscheiden, für nichtig zu erklären und
  2. die Zuschlagsentscheidung des Antraggegners zu Gunsten der F AT Software GmbH & Co KG für nichtig zu erklären.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Parteiengehör gewahrt und es hat die Auftraggeberin in einem Schriftsatz vom 14.2.2003 nach Klarstellung zum Vergabeverfahren ausgeführt, dass die Bw erst mit Schreiben vom 21.1.2003, also erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides, die Auftraggeberin aufgefordert habe, behauptete Vergaberechtswidrigkeiten zu beseitigen. Es sei nicht zulässig, im gegenständlichen Berufungsverfahren auch andere Entscheidungen, die nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens waren, sondern erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides in einem weiteren Verfahren angefochten wurden, zu bekämpfen. Die Entscheidung, den Bieter Fabasoft nicht auszuscheiden, wird in der vorliegenden Berufung erstmals bekämpft und ist nicht Sache des Berufungsverfahrens und war auch nicht Gegenstand des Verfahrens erster Instanz. Hiezu hätte es Einwendungen gegen diese Entscheidungen im Wege des Vorverfahrens gemäß § 59 Abs.1 Oö. Vergabegesetz und in weiterer Folge eines gesonderten Nachprüfungsantrages bedurft. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung, das Angebot von F nicht auszuscheiden, ist daher unzulässig. Zu den Ausscheidungsgründen selbst wurde dargelegt, dass § 28 Abs.6 Z11 Oö. Vergabegesetz Abreden zwischen Bietern zum Gegenstand hat, solche aber nicht einmal von der Bw behauptet worden seien. Das Vorbringen der Bw sei unschlüssig. Weiters sei auch die unplausible Preisgestaltung erst im Berufungsverfahren geltend gemacht worden und sei daher auch diesbezüglich Unzulässigkeit des Antrages gegeben. Darüber hinaus sei eine plausible Erklärung von Fabasoft abgegeben worden.

Ein unvollständiges Angebot liege nicht vor, weil die erforderlichen Anpassungen im Leistungsumfang und im angebotenen Gesamtentgelt enthalten sind.

Es wurde daher beantragt, die Berufung als unzulässig zurückweisen, in eventu die Berufung als unbegründet abzuweisen. Von der Bw wurde eine Replik erstattet und darin insbesondere auf den Wortlaut des § 28 Abs.6 Z11 Oö. Vergabegesetz hingewiesen, wonach darin drei von einander unabhängige Ausschlusstatbestände geregelt sind. Es wäre daher das Angebot von Fabasoft wegen Verstoß gegen die guten Sitten und den Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbs jedenfalls auszuschließen.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat mit Erkenntnis vom 5.3.2003, VwSen-550072/7/Kl/Rd, die Berufung im Grunde der §§ 66 Abs.4 AVG, 58 und 59 Abs.3 Oö. Vergabegesetz, LGBl.Nr. 59/1994 idF LGBl.Nr. 79/2000 als unzulässig zurückgewiesen, weil in der Berufung beantragt wurde, die Entscheidung, das Angebot der erfolgreichen Bieterin nicht auszuscheiden, für nichtig zu erklären, und diese Entscheidung nicht im Nachprüfungsantrag bezeichnet wurde und auch die Gründe der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung vor Einbringung des Nachprüfungsantrages nicht dem Auftraggeber bekannt gegeben wurden und auch nicht eine Zweiwochenfrist zur Beseitigung der behaupteten Rechtswidrigkeit ausgelöst wurde. Es wurden daher die Voraussetzungen gemäß § 59 Abs.1 Oö. Vergabegesetz nicht erfüllt und es wurde die genannte Entscheidung auch nicht gemäß § 59 Abs.3 Z1 Oö. Vergabegesetz im Antrag angeführt. Auch wurden im Berufungsverfahren für eine Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung andere Gründe angeführt, als jene im Verfahren erster Instanz.

6. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht, welcher mit Erkenntnis vom 27.11.2003, Zl.: 2003/04/0069-8, den Bescheid aufhob und in der Begründung ausführte:

"Vergleichbar mit der Regelung des § 63 Abs.3 AVG, dass eine Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat, stellen die Gründe nach § 59 Abs.3 Z5 Oö. Vergabegesetz (nur) ein Formalerfordernis dar, ohne etwas daran zu ändern, dass - wenn dem Antragserfordernis des § 59 Abs.3 Z5 Oö. Vergabegesetz entsprochen wurde - die Behörde auch auf späteres, neues Vorbringen der Partei Bedacht zu nehmen hätte (zur Regelung des § 63 Abs.3 AVG vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 20. September 1951, Slg. Nr.2227/A). Auch enthält das Gesetz keine Begrenzung des Streitgegenstandes, wie dies etwa § 41 Abs.1 erster Satz VwGG vorsieht oder auch nunmehr das Oö. Vergabenachprüfungsgesetz in § 2 Abs.2 hinsichtlich der ‚im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte' (also auch nicht hinsichtlich der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt)."

6.1. Unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Oö. Verwaltungssenat im fortgesetzten Verfahren Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil die Berufung zurückzuweisen war, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 67d Abs.2 Z1 AVG entfallen.

7. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

7.1. Das gegenständliche Vergabeverfahren wurde im Jahr 2002 eingeleitet.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz, LGBl.Nr. 153/2002, tritt dieses Landesgesetz mit 1.1.2003 in Kraft und gleichzeitig das Oö. Vergabegesetz, LGBl.Nr. 59/1994, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl.Nr. 79/2000, außer Kraft.

Aufgrund der Übergangsregelung nach § 20 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz ist auf ein vor Inkrafttreten des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes durch einen nach außen in Erscheinung tretenden Akt des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin eingeleitetes Vergabeverfahren hinsichtlich der Nachprüfung weiterhin der vierte Teil des Oö. Vergabegesetzes anzuwenden, also §§ 58ff Oö. Vergabegesetz.

§ 20 Abs.2 Satz 2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz trifft eine Übergangsregelung für den Fall der Aussetzung oder Vorabentscheidung dahingehend, dass nach Einlangen der Entscheidung nach den Bestimmungen "dieses Landesgesetzes" das Verfahren fortzuführen ist.

§ 20 Abs.2 Satz 3 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz bestimmt, dass nach einer Aufhebung eines Bescheides des unabhängigen Verwaltungssenates durch den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof, die nach dem In-Kraft-Treten dieses Landesgesetzes erfolgt, das Verfahren jedoch nach den Bestimmungen dieses Landesgesetzes fortzuführen ist.

Im gegenständlichen Fall wurde gemäß § 20 Abs.2 Satz 1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz zunächst ein Nachprüfungsverfahren nach den Bestimmungen des Oö. Vergabegesetzes durchgeführt, der darin ergangene Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates aber mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.11.2003, also nach dem Inkrafttreten des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes, aufgehoben, sodass das Verfahren nach der Bestimmung des § 20 Abs.2 Satz 3 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz nach diesem Landesgesetz fortzuführen ist.

Eine gleichlautende Regelung enthält § 188 Abs.3 Satz 3 Bundesvergabegesetz 2002, welches ebenfalls anordnet, dass das Verfahren nach den Bestimmungen "dieses Bundesgesetzes" fortzuführen ist, was Kommentatoren dahingehend interpretieren, dass damit das Bundesvergabegesetz 2002 gemeint ist. Es führen daher Gerhard Prünster und Michael Sacht in ZVB 2003/102 ("Zwischen Systembruch und Interpretation") zu Recht aus: "Dies würde aber konsequenterweise bedeuten, dass Bestimmungen des BVergG 2002 anzuwenden wären, die zum Zeitpunkt des Beginns des Vergabeverfahrens noch nicht absehbar waren. Besondere Problematik erlangt diese Bestimmung beim ‚Systembruch', der durch die gesondert anfechtbaren Entscheidungen des § 20 Z13 lit.a BVergG 2002 und der Einführung von Präklusionsfristen indiziert wurde." Es wurde daher folgender Ansatz zur Interpretation gefunden: "Genauso, wie sich in § 188 Abs.1 BVergG 2002 die Worte ‚dieses Bundesgesetz' auf das in Abs.1 ausschließlich genannte BVergG 2002 beziehen, könnte man (bei europarechtlich konformer Interpretation und unter Beachtung aller Rechtsschutzüberlegungen sowie unter Nachsicht aller anderen Aspekte) diesen Ansatz auch hinsichtlich des § 188 Abs.3 leg.cit anwenden und die Worte ‚dieses Bundesgesetz' auf das in Abs.3 ausschließlich genannte BVergG 1997 rückbeziehen. Damit würden alle Verfahren, die ursprünglich dem BVergG 1997 unterlagen, auch nach Vorabentscheidungen durch den EuGH bzw. nach Bescheidbehebung durch den VfGH oder VwGH wieder nach den (materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen) Normen des BVergG 1997 beurteilt werden können."

Eine solche dem Effektivitätsgebot im Rechtsschutz entsprechende Interpretation ist aufgrund des klaren Gesetzeswortlautes im Oö. Vergabenachprüfungsgesetz nicht möglich, zumal der Oö. Landesgesetzgeber im 3. Satz des § 20 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes von "dem In-Kraft-Treten dieses Landesgesetzes" spricht und im weiteren Halbsatz dann die Fortführung des Verfahrens "nach den Bestimmungen dieses Landesgesetzes" anordnet. Damit kommt klar zum Ausdruck, dass der Landesgesetzgeber nach Aufhebung durch den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof die Anwendung des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes - freilich nur für das Nachprüfungsverfahren - gemeint hat.

Neben dem bereits im obzit. Aufsatz dargelegten Systembruch hat der Oö. Landesgesetzgeber aber auch dahingehend einen Systembruch geschaffen, dass nach dem Oö. Vergabenachprüfungsgesetz ein zweigliedriger Instanzenzug nicht mehr vorgesehen ist, also der unabhängige Verwaltungssenat in erster und letzter Instanz als Nachprüfungsbehörde eingerichtet ist. So gesehen kann der 3. Satz des § 20 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes nur dahin verstanden werden, dass die bereits vor Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof begründete Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates - als Berufungsinstanz - nach Bescheidaufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof bestehen bleibt, also organisationsrechtlich keine Änderung eintritt, im Übrigen aber für das Nachprüfungsverfahren (verfahrensrechtliche Regelungen) das Oö. Vergabenachprüfungsgesetz anzuwenden ist.

7.2. Aus dem erstbehördlichen Akt ist ersichtlich, dass die Antragstellerin mit Eingabe vom 16.4.2003 einen Feststellungsantrag gemäß § 61 Abs.4 Oö. Vergabegesetz eingebracht hat, in welchem sie auf Seite 9 bekannt gab, dass der Auftraggeber am 11.3.2003 den Zuschlag an Fabasoft erteilte. Die EU-weite Bekanntmachung über diesen vergebenen Auftrag wurde am 25.3.2003 im Supplement zum ABL veröffentlicht. Diese Bekanntmachung wurde von den Rechtsvertretern am 26.3.2003 im Supplement abgerufen und der Antragstellerin bekannt gegeben.

Gemäß § 2 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz ist der unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagserteilung zuständig

zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das BVergG und die dazu ergangenen Verordnungen

  1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
  2. zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

Nach Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen das BVergG oder die dazu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde (§ 2 Abs.3 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz).

Im Grunde dieser Gesetzesbestimmung war daher wegen der bereits am 11.3.2003 erfolgten Zuschlagserteilung eine Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates und daher auch der vorgelagerten ersten Instanz zur Nichtigerklärung einer Entscheidung nicht mehr gegeben. Eine Nichtigerklärung nach dem Zuschlag ist nicht zulässig. Es war daher spruchgemäß der angefochtene Bescheid der Oö. Landesregierung dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zurückgewiesen wird.

7.3. Gemäß § 14 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz wird angeordnet, dass, wenn ein Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates vom Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wird und vor der Entscheidung des Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshofes der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen wurde, der unabhängige Verwaltungssenat unter Zugrundelegung der von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts vertretenen Rechtsanschauung lediglich festzustellen hat, ob die angefochtene Entscheidung des Auftragebers rechtswidrig war. Diese Bestimmung sieht für den Fall, dass zunächst ein Antrag auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eingebracht und dann im Zuge des Beschwerdeverfahrens vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts ein Zuschlag erteilt oder ein Vergabeverfahren widerrufen wurde, vor, dass das Nichtigerklärungsverfahren im Anschluss an die Entscheidung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts als Feststellungsverfahren (Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung und ohne weitere Antragstellung) fortzusetzen ist.

Von dieser Bestimmung war im gegenständlichen Fall durch den Oö. Verwaltungssenat nicht Gebrauch zu machen, würde dies doch zur Folge haben, dass für das nach dem Zuschlag vorgesehene Feststellungsverfahren nunmehr zwei verschiedene Behörden zuständig wären, nämlich einerseits der unabhängige Verwaltungssenat in erster Instanz aufgrund der Bestimmung des § 14 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz und die Oö. Landesregierung als erste Instanz für den bereits eingebrachten Feststellungsantrag vom 16.4.2003 im Grunde der Übergangsbestimmung des § 20 Abs.2 Satz 1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz.

Diese scheinbar sich ergebende Doppelzuständigkeit, die eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts des gesetzlichen Richters bedeuten würde, kann durch verfassungskonforme Interpretation gelöst werden. Während nämlich § 14 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz als Regelung des Rechtsschutzes (Vergabenachprüfungsverfahrens) seit Inkrafttreten des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes am 1.1.2003 mit dem Hintergrund zu sehen ist, dass ein Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates (als erste und einzige Instanz) nach dem Oö. Vergabenachprüfungsgesetz durch den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wird und aber in diesem Zuge der Zuschlag erteilt wurde, stellt der § 20 Abs.2 Satz 3 des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes einen Sonderfall dar, nämlich dass ein Bescheid des Oö. Verwaltungssenates, der nach dem Oö. Vergabegesetz und vor Inkrafttreten des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes erlassen wurde, vom Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof nach dem Inkrafttreten des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes aufgehoben wird. Es ist daher § 20 Abs.2 dritter Satz Oö. Vergabenachprüfungsgesetz als speziellere Norm zu sehen und geht diese Norm vor. Dies bedeutet, dass im fortgesetzten Berufungsverfahren des unabhängigen Verwaltungssenates zwar nach der eindeutigen Regelung des § 20 Abs.2 dritter Satz Oö. Vergabenachprüfungsgesetz dieses Gesetz für das fortgesetzte Rechtsschutzverfahren anzuwenden ist, § 14 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz aber mangels eines durch den unabhängigen Verwaltungssenat in erster Instanz erlassenen Bescheides nicht anzuwenden ist.

Es muss nämlich die Wortfolge "ein Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates" in § 14 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz unter Bedachtnahme auf die Übergangsbestimmungen in § 20 Abs.1 und 2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz in verfassungskonformer - das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des gesetzlichen Richters achtender - Interpretation so gelesen werden, dass darunter "ein erstinstanzlicher Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates nach dem Oö. Vergabenachprüfungsgesetz" zu verstehen ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Konrath

Beachte: 

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VfGH vom 26.09.2005, Zl.: B 437/04-6, B 650/04-6

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