Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230044/9/Gf/Hm

Linz, 13.07.1992

VwSen-230044/9/Gf/Hm Linz, am 13. Juli 1992
DVR.0690392


E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Berufung des Dietmar G, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 19. Februar 1992, Zl. St.5.506/91-B (Erk.), nach der am 7. Juli 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird gemäß § 21 VStG und § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattgegeben, als von der Verhängung einer Strafe sowie von der Erteilung einer Ermahnung abgesehen wird; im übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldausspruches bestätigt.

II. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 19. Februar 1992, Zl. St.5.506/91-B, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 200 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt, weil er am 12. Mai 1992 um 17.30 Uhr bei der Grenzkontrollstelle Haibach ohne gültiges Reisedokument in das Bundesgebiet eingereist sei und dadurch die Bestimmung des § 3 Abs. 1 des Paßgesetzes, BGBl.Nr. 422/1969, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 270/1992 (im folgenden: PaßG) verletzt habe.

1.2. Gegen dieses dem Beschwerdeführer am 24. Februar 1992 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 8. März 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Beschwerde.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß auch vom Beschwerdeführer unbestritten geblieben sei, daß er bei seiner Einreise lediglich eine gerichtlich beglaubigte Kopie seines Personalausweises mitgeführt habe. Dabei handle es sich jedoch nicht um ein gültiges Reisedokument i.S.d. § 3 Abs. 1 PaßG, was insbesondere schon daran deutlich werde, daß ansonsten die Bestimmungen über die Entziehung des Reisepasses oder Personalausweises leerlaufen würden. Durch eine gerichtlich beglaubigte Kopie könne nämlich nicht der rechtmäßige und tatsächliche derzeitige Besitz des Personalausweises, sondern nur nachgewiesen werden, daß dessen Inhaber im Zeitpunkt der Beglaubigung im Besitz dieses Dokumentes war.

Aus diesen Gründen sei daher der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 19 VStG zu bestrafen gewesen.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß eine gerichtlich beglaubigte Kopie entgegen der Auffassung der belangten Behörde als gültiges Reisedokument i.S.d. § 3 Abs. 1 PaßG zu werten und er übrigens zum Zeitpunkt des Grenzübertrittes auch tatsächlich im Besitz eines gültigen Personalausweises gewesen sei, diesen jedoch nicht mit sich geführt habe.

Da somit eine strafbare Handlung nicht vorliege, wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstel lung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. III-St.-5.506/91 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der der Beschwerdeführer und dessen Vertreter sowie OR Dr. Johann Bernberger als Vertreter der belangten Behörde als Parteien und GI W (Zollwache Haibach) als Zeuge erschienen sind.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entschweidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Am 12. Mai 1991 verließ der Beschwerdeführer - um Bekannte in Münzkirchen zu besuchen - beim Grenzübergang Achleiten im PKW seines Vaters das Bundesgebiet und fuhr anschließend etwa 3 km über deutsches Staatsgebiet, um um 17.30 Uhr dieses Tages beim Grenzübergang Haibach wieder in das Bundesgebiet einzureisen. Der Beschwerdeführer verfügte bei seiner Einreise lediglich über eine vom Bezirksgericht Linz am 23. März 1990 beglaubigte Fotokopie seines Personalausweises mit der Nr. 4928986, ausgestellt von der Bundespolizeidirektion Linz am 19. März 1990 und gültig bis zum 19. März 2000. Das Original dieses Personalausweises hatte der Beschwerdeführer - weil ein Grenzübertritt ursprünglich nicht geplant war - zu Hause gelassen. Die Einreise wurde dem Beschwerdeführer trotz des Hinweises, daß es sich bei dieser Fotokopie nicht um ein i.S.d. § 3 Abs. 1 PaßG gültiges Reisedokument handelt, nicht verwehrt.

Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die insoweit übereinstimmenden Aussagen der beiden einvernommenen Zeugen.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 40 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 PaßG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 30.000 S oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, der ohne gültiges Reisedokument (Reisepaß oder Paßersatz) in das Bundesgebiet einreist. Nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 des Europäischen Abkommens über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten des Europarates, BGBl.Nr. 175/1958, i.V.m. dem Österreich betreffenden Anhang hiezu können österreichische Staatsangehörige auch unter Vorweis bloß eines amtlichen Personalausweises in das Gebiet eines Mitgliedsstaates des Europarates einreisen und ist Österreich verpflichtet, dem Inhaber eines amtlichen Personalausweises die Rückkehr in das Bundesgebiet ohne weitere Prüfung zu gestatten. Was die Rückreise aus Deutschland betrifft, stellt sohin auch ein amtlicher Personalausweis ein gültiges Reisedokument i.S.d. § 3 Abs. 1 PaßG dar.

Gemäß § 283 des Außerstreitgesetzes, RGBl. 208/1854, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 343/1989 (im folgenden: AußStrG), kann die Übereinstimmung der gerichtlich oder außergerichtlich verfertigten Abschriften von Urkunden mit dem vorgewiesenen Original von dem dazu bestimmten Beamten ohne besondere Bewilligung des Gerichtes geschehen.

4.2. § 283 AußStrG ermächtigt die Gerichte sohin (lediglich) dazu, die Übereinstimmung von Abschriften von Urkunden mit dem Original zu vidimieren. Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, kann durch die Vorlage einer gerichtlich beglaubigten Fotokopie eines Personalausweises nur nachgewiesen werden, daß diese Fotokopie im Zeitpunkt der Erteilung des Beglaubigungsvermerkes mit dem vorgelegten Original übereinstimmte. Der Beglaubigungsvermerk des Bezirksgerichtes Linz vom 23. März 1990 lautet daher auch nur:

"Das Gericht bestätigt, daß die von der Partei angefertigte Fotokopie mit der Urschrift übereinstimmt." Im Zuge eines derartigen Beglaubigungsverfahrens wird eine materielle Rechtmäßigkeitsprüfung nicht durchgeführt. Der gerichtliche Beglaubigungsvermerk vermag sohin nur die Tatsache der formellen Identität beider Urkunden, nicht aber auch nachzuweisen, ob die in der Urkunde zum Ausdruck kommende materielle Berechtigung auch tatsächlich zu Recht besteht, und zwar weder für den Zeitpunkt, in dem der Beglaubigungsvermerk erstellt wird, noch gar für einen späteren Zeitpunkt. Ist daher für ein behördliches Verfahren die Frage, ob zu einem nach der Erteilung des Beglaubigungsvermerkes liegenden Zeitpunkt das in der Urkunde zum Ausdruck gebrachte Rechtsverhältnis noch aufrecht ist - wie dies bei der Einreise mittels eines gerichtlich beglaubigten fotokopierten Personalausweises zutrifft -, von Relevanz, so vermag der erteilte Beglaubigungsvermerk hiefür lediglich den Anschein, daß dies zutreffen könnte, zu liefern, nicht aber mehr.

Daß § 3 Abs. 1 PaßG zur Einreise in das Bundesgebiet die Vorlage eines gültigen Reisedokumentes - nämlich eines Reisepasses, eines Paßersatzes oder eines Personalausweises - fordert, liegt nicht zuletzt darin begründet, den Grenzverkehr möglichst flüssig abwickeln zu können. Der Zollbehörde die Verpflichtung aufzuerlegen, im Falle des Vorweises einer vor mehr als einem Jahr gerichtlich beglaubigten Fotokopie des Personalausweises vor der Grenzabfertigung erst ein Ermittlungsverfahren durchführen zu müssen, ob der Einreisende auch tatsächlich derzeit noch über ein gültiges Original verfügt oder ob ihm dieses nicht etwa zwischenzeitlich gemäß § 31 Abs. 2 i.V.m. § 19 Abs. 1 PaßG entzogen wurde etc., würde diesem Grundgedanken hingegen offensichtlich zuwiderlaufen.

Aus allen diesen Gründen ist daher davon auszugehen, daß eine gerichtlich beglaubigte Fotokopie eines Personalausweises kein gültiges Reisedokument i.S.d. § 3 Abs. 1 PaßG darstellt. Damit hat der Beschwerdeführer aber tatbestandsmäßig i.S.d. § 40 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 VStG gehandelt.

4.3. Dem Beschwerdeführer kann zwar nicht zum Vorwurf gemacht werden, die Rechtsvorschrift des § 283 AußStrG selbst sowie die daraus resultierenden Konsequenzen nicht auch im Detail gekannt zu haben; er hätte sich jedoch - z.B. anläßlich seiner Ausreise beim Zollamt Achleiten - vor der tatsächlichen Verwendung der gerichtlich beglaubigten Fotokopie seines Personalausweises zumindest darüber informieren müssen, ob dies auch zum Zweck des Grenzübertrittes zulässig ist. Indem er dies - weil er bei der Ausreise "einfach durchgewunken" wurde - unterlassen hat, kann ihm sohin der Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 2 VStG nicht zugutegehalten werden. Der Beschwerdeführer hat daher jedenfalls fahrlässig und in diesem Sinne auch schuldhaft gehandelt.

4.4. Gemäß § 21 Abs. 1 VStG hat die Behörde von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind; sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Das Verschulden des Beschwerdeführers ist insofern als geringfügig anzusehen, als er die Grenze nur deshalb überschritten hat, um den spontanen Muttertagswunsch seiner Großmutter, deren Bekannte in Münzkirchen zu besuchen und hiezu wegen des starken Regens die besser ausgebaute Teilstrecke über deutsches Bundesgebiet zu benutzen, zu erfüllen. Die Übertretung hat auch keine Folgen nach sich gezogen. Weiters scheint es auch nicht erforderlich, den Beschwerdeführer gesondert zu ermahnen, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen der gleichen Art abzuhalten, da es nach seinem in der öffentlichen mündlichen Verhandlung an den Tag gelegten Verhalten offensichtlich war, daß es ihm mit der vorliegenden Beschwerde in erster Linie um die Klärung einer zwischen ihm und der belangten Behörde strittigen Rechtsfrage ging und sich daher keine Anhaltspunkte dafür ergaben, daß er eine für ihn ungünstige Entscheidung nicht akzeptieren werde. In diesem Sinne konnte daher auch von der Erteilung einer Ermahnung abgesehen werden.

4.5. Aus allen diesen Gründen war daher der vorliegenden Berufung gemäß § 21 VStG und gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als von der Verhängung einer Strafe und der Erteilung einer Ermahnung abzusehen war; im übrigen war diese hingegen abzuweisen und der Schuldspruch des angefochte nen Straferkenntnisses zu bestätigen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war gemäß § 66 Abs. 1 VStG eine Kostenentscheidung nicht zu treffen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 51d VStG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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