Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230787/9/Br/Bk

Linz, 10.07.2001

VwSen-230787/9/Br/Bk Linz, am 10. Juli 2001 DVR.0690392
 
 

ERKENNTNIS
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der K vertreten durch den Rechtsanwalt M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 9. Mai 2001, Zl.: Sich96-124-2000/HM, wegen Übertretung nach dem Meldegesetz, nach der am 4. Juli 2001 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
 

Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 26/2000 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 134/2000 - VStG.
 
 
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
 
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.1 VStG.
 
Entscheidungsgründe:
 
1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem Straferkenntnis vom 9. Mai 2001, Zl.: Sich96-124-2000/HM, über die Berufungswerberin wegen einer Übertretung nach § 22 Abs.2 Z4 Meldegesetz eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt und ihr zur Last gelegt, sie habe als Unterkunftgeberin den M bei der Meldebehörde angemeldet, obwohl sie Grund zur Annahme gehabt habe, dass dieser die Unterkunft tatsächlich nicht bezogen habe und auch nicht binnen einer Woche beziehen würde, was am 29.3.2000 festgestellt worden sei.
 
1.1. Die Behörde erster Instanz stützte diese Annahme auf die dienstliche Wahrnehmung eines Gendarmeriebeamten in ihrem Auftrag. Dieser Beamte habe feststellen können, dass sich M zum Zeitpunkt der Anmeldung durch die Berufungswerberin gar nicht in Österreich aufgehalten habe.
2. In der fristgerecht erhobenen Berufung verweist die Berufungswerberin auf den Mittelpunkt des Lebensinteresses ihres Schwiegersohns an ihrer Adresse. Dieser sei berufsbedingt als Schiffskapitän naturgemäß häufig auf hoher See, wobei dessen Ehefrau und Kinder in Reichenau lebten. Zur polizeilichen Anmeldung sei ihr durch ihren Rechtsbeistand geraten worden und treffe sie schon aus diesem Grund kein Verschulden. Herr M habe zwischenzeitig die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt.
 
2.1. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war sowohl mit Blick auf § 51e Abs.1 VStG als auch auf Art. 6 Abs.1 MRK erforderlich.
Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung nicht teil.
 
3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Behörde erster Instanz und durch Anhörung des Rechtsvertreters der Berufungswerberin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 4. Juli 2001. Ebenfalls wurde fernmündlich im Wege des Gemeindeamtes R die an der Adresse der Berufungswerberin polizeilich gemeldeten Personen und der Ausgang des Verfahrens über die Erteilung der Staatsbürgerschaft betreffend Herrn M amtswegig erhoben.
 
  1. Der Rechtsvertreter der Berufungswerberin brachte anlässlich der Berufungsverhandlung ergänzend Nachfolgendes vor:

Herr Y hat aufgrund der Familiengemeinschaft mit einer Österreicherin eine bis zum 21.12.1999 gültige Niederlassungsbewilligung gehabt. Diese Befristung ergab sich aus dem Ablauf der Gültigkeit seines Reisepasses an diesem Tag. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Herr Y aus beruflichen Gründen jedoch mit seiner Familie nicht in Österreich auf. Mittlerweile sei Herr Y österreichischer Staatsbürger aber nach wie vor sehr viel unterwegs, wobei er seinen ordentlichen Wohnsitz und Familiensitz in R hat.
Vor Ablauf des Visums am 21.12.1999 beantragte er aus Eigenem die Verlängerung der Niederlassungsbewilligung. Damals hatte er seinen Wohnsitz in L. Aufgrund der damaligen Wohnungsauflösung in L erklärte sich für die Durchführung der Visumsache die BPD Linz für unzuständig. Aus diesem Grund wurde der Akt an die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung abgetreten. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung sei dann aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht bereit gewesen, die Niederlassungsbewilligung zu verlängern, worauf sich Herr Y am 5.3.2000 brieflich an die Kanzlei des Rechtsvertreters der Berufungswerberin mit der Bitte um Rechtsbeistand wandte. Folglich sei von der Rechtsanwaltskanzlei sowohl mit der BPD Linz als auch mit der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung Kontakt aufgenommen worden, wobei der Kanzlei seitens der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung mitgeteilt worden sei, dass eine polizeiliche Meldung im Bezirk Urfahr-Umgebung zur Begründung deren Zuständigkeit erforderlich wäre. In diesem Zusammenhang sei es dann auch zur polizeilichen Anmeldung gekommen. Es könne mit gutem Grund davon ausgegangen werden, dass das Übersiedlungsgut von der Wohnung in L, die ja aufgelöst wurde, auch an den Wohnort der Schwiegermutter, der Berufungswerberin, transferiert wurde. Dem Berufungswerber wurde per Bescheid der Oö. Landesregierung, GZ Gem (Stb) - 407435/10-2000/Mah, mit Wirkung vom 23. August 2000 die österreichische Staatsbürgerschaft erteilt. Seine Familie, die Berufungswerberin als Schwiegermutter, Gattin und seine drei Kinder sind an der verfahrensgegenständlichen Adresse polizeilich gemeldet.
Da bereits mit dem Zeitpunkt 22. März 2000 sämtliche Voraussetzungen nach dem FrG für die Niederlassungsbewilligung glaubhaft vorlagen, können auch an objektiven Voraussetzungen für die polizeiliche Anmeldung am Aufenthaltsort seiner Familie keine Bedenken erblickt werden.
Laut der Darstellung der Berufungswerberin wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Aufenthaltsbewilligung des M vorerst nicht verlängert, sondern vom zuständigen Abteilungsleiter dem Genannten offenbar bedeutet, dass Erhebungen durchgeführt werden müssten. Letztlich wurde über diesen Antrag auch nicht entschieden. Parallel zum Verfahren über die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wurde ein Verfahren wegen Erteilung der Staatsbürgerschaft geführt, welches im Laufe des Jahres 2000 mit einer Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft beendet wurde. Erst nach Verleihung der Staatsbürgerschaft hätte dann der Schwiegersohn der Berufungswerberin wieder nach Österreich einreisen können. Zum Zeitpunkt der Anmeldung, die über den Rat des Rechtsvertreters bzw. über den Rat dessen Kanzlei erfolgte, sei für Frau R nicht abzusehen gewesen, dass die Erteilung der Staatsbürgerschaft bzw vorerst der Niederlassungsbewilligung länger dauern würde. Es ist davon auszugehen, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen nunmehr in R bestehe. Die drei Enkelkinder der Berufungswerberin gingen in R zur Schule und hätten ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft, wobei der Kindesvater, nämlich Herr Y nach wie vor berufsbedingt als Schiffskapitän viel auf hoher See unterwegs ist.
 
4.1. Diese Angaben scheinen glaubhaft logisch nachvollziehbar und hinsichtlich der polizeilichen Meldung der Familie des M und dessen zwischenzeitig erlangte österreichische Staatsbürgerschaft amtlich belegt.
Es ist daher auch auf Grund der beruflichen Situation des Schwiegersohnes der Berufungswerberin durchaus davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt seiner polizeilichen Anmeldung bei der Berufungswerberin bereits persönliche Sachen in Form von Übersiedlungsgut in der Wohnung deponiert hatte bzw. dass dies für ihn dort deponiert wurde. Wenn es sich darüber hinaus beim Ort der polizeilichen Meldung um den Sitz seiner Schwiegermutter handelte ist dies umso glaubwürdiger. Geradezu logisch scheint, dass zwecks Begründung der behördlichen Zuständigkeit auch die Begründung des Wohnsitzes zwingend geboten schien, wobei dies wohl legitimerweise am Sitz der Familienmitglieder geschah. Glaubhaft wurde auch dargetan, dass diese Anmeldung über den Rat des Rechtsbeistandes erfolgte, wobei zwischenzeitig die gemeldete Person auch die österreichische Staatsbürgerschaft erwarb.
Die häufige Ortsabwesenheit liegt im Übrigen in der Natur des Berufsbildes eines Schiffskapitäns, wobei dieser Tatsache wohl nicht entgegenstehen kann, den Mittelpunkt des Lebensinteresses am Aufenthaltsort seiner Familie zu haben. Schon aus der Anzeige lässt sich klar ableiten, dass der Schwiegersohn der Berufungswerberin bereits früher einen Wohnsitz in L hatte, woraus sich auch der Bestand eines Hausrates ableiten lässt. Die vorübergehende Unzulässigkeit der Einreise nach Österreich infolge des Ablaufes der Aufenthaltsbewilligung und das Bestreben um die Erteilung dieser Bewilligung stellt schon logisch nicht die Annahme der Unzulässigkeit einer polizeilichen Anmeldung dar, dies insbesondere dann nicht, wenn dies einerseits zur Begründung der behördlichen Zuständigkeit und andererseits wegen des Mittelpunktes des Lebensinteresses naheliegend ist.
 
5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Folgendes erwogen:
 
5.1. Die Behörde erster Instanz setzte sich hier weder mit der Frage der Erteilung des Rates zur polizeilichen Anmeldung durch einen Rechtsvertreter auseinander, noch mit der Frage des offenkundig schon zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden Mittelpunktes des Lebensinteresses. Würde man der Rechtsauffassung der Behörde erster Instanz folgen, wäre für Berufsgruppen, die sich überwiegend im Ausland aufhalten, der Mittelpunkt des Lebensinteresses am Sitz der übrigen Familienmitglieder im Ergebnis kaum denkbar. Eine Intention kann den melderechtlichen Vorschriften nicht zugesonnen werden. Hier konnte die Berufungswerberin sehr wohl davon ausgehen, dass ihr Schwiegersohn die Wohnung nach seiner Rückkehr, welche hier mit dem Erwerb der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung bzw. der österreichischen Staatsbürgerschaft erst möglich werden sollte, benötigen und demnach auch mit der Absicht beziehen würde, sich dort auf Dauer aufhalten zu wollen. Wenn die Anmeldung schließlich zwecks Begründung der behördlichen Zuständigkeit geboten war, so müsste in diesem Fall das Tatbestandselement des unterbleibenden "Beziehens der Wohnung binnen einer Woche" bereits im Lichte des anwaltlichen Rates zumindest auch als Schuldausschließungsgrund herhalten.
Im Übrigen stellt das Staatsbürgerschaftsgesetz, BGBl. Nr. 311/1985, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 124/1998 gemäß § 1 Abs.1 Z1 leg.cit. für die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz von mindestens zehn Jahren im Bundesgebiet, als eine essentielle gesetzliche Bedingung ab.
Wenn hier die Behörde erster Instanz die polizeiliche Anmeldung einer Person, für welche offenkundig die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorlagen, als Übertretung des Meldegesetzes beurteilte, erweist sich die in diesem Strafverfahren zum Ausdruck gelangende Rechtsauffassung einerseits als Wertungswiderspruch und ist andererseits rechtlich jedenfalls unhaltbar.
Das Verwaltungsstrafverfahren war daher mangels tatbestandsmäßigen Verhaltens nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
 
 
Rechtsmittelbelehrung:
 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
H i n w e i s:
 
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.
 
 
Dr. B l e i e r

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