Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230796/11/Br/Bk

Linz, 10.10.2001

VwSen-230796/11/Br/Bk Linz, am 10. Oktober 2001

DVR.0690392

 
 
 

E R K E N N T N I S
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn W, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 21. Juni 2001, Zl.: III/S-45.177/00-2, wegen Übertretung nach § 81 Abs.1 SPG, nach der am 10. Oktober 2001 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
 
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr.51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 29/2000 - AVG iVm § 19 Abs.1 und 2, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 138/2000 - VStG.
 
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
 
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.1 VStG.
 
Entscheidungsgründe:
 
1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe im Ausmaß von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil er am 15.12.2000, von 08.15 Uhr bis 08.25 Uhr in L, durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört hätte, indem er Angestellte der Firma T, die im Auftrag der Hausverwaltung Räumungsarbeiten durchführten, lautstark beschimpft und ihnen mehrmals Gegenstände aus der Hand gerissen habe.
 
2. Begründend ging die Erstbehörde im Ergebnis davon aus, dass nach objektiven Kriterien gemessen, durch das Verhalten des Berufungswerbers der Ablauf an einen öffentlichen Ort beeinträchtigt worden sei. Dies insbesondere mit Blick auf die dadurch bei anderen Personen herbeigeführte Verhaltensänderung.
 
2.1. Der Berufungswerber führt in seiner Berufung hierzu Folgendes aus (auf Grund der inhaltlichen Spezifität dieser Ausführungen werden sie wörtlich wiedergegeben):
 
"W, Dauer-Berufungswerber
berechtigster Art
amtl, gemeldet u. ständig aufhältig Lds.Biblio-Gang
wie auch immer verdächtig in Mi, 3.Jul 01 11h3o
N
 
An die abschaffungsbedrohte bzw.
zusammenlegungsgefährdete Strafamt (III/S-45.177/00-2=Ra)
BUNDES-Polizeidirektion
Pf. 293 4o2o LINZ (Adresse unter Datenschutz)
 
1.) Vorbemerkung: Gefertigter hat einerseits ohne jeglichen bisherigen persönlichen Kontakt eine Amtsperson noe K
 
a.) im TV in." heute" ausgerechnet im Buffet des Landesstudios anläßlich der Festnahmepräsentation meines dritten Doppelgängers noe. H K. ?!?(Datenschutz), der, wenn man den Medien glaubt, einerseits die Berufsbezeichnungs "Einbrecher" zu tragen berechtigt ist, aber auch andererseits die Tätigkeit eines "Jungmösenkontrollors" ausübt, mithin also live optisch auf die Netzhaut bekommen.
b.) anläßlich einer Niederschrift, fast einschlägiger d.h. überflüssigster Art, im Wz.W, Exempl. d. Zeitschriften "Die BPII u. Der Krb.II zu sich genommen, in welcher das wunderherrliche Abhandlungsthema §§Wann darf sich ein Pol. in Dienst, setzen; und, wenn ja, warum nicht? §§ gelesen.
 
H A U P T T E I L : Dieser Schriftsatz beinhaltet gg. ob. Erk.
 
die B E R U F U N G
 
und den Antrag, das Erkenntnis aufzuheben.
 
Begründungen: (absatzweise)
 
1.) der ???Tat??? bestand des Kautschuk-Delikts der ""Ordnungs"" störung ist nicht zweifelsfrei erWIESEN" sondern frei erFUNDEN.
 
2.) Konkrete Angaben zum Sachverhalt habe ich dennoch und deshalb nicht gemacht, da ansonsten eine mündl.Verh. ein Viert-
Pleonasmus wäre. Diesbzgl. habe ich aber meine Meinung geändert.
 
3.) zu Abs. 7: das besonders rücksichtslose, gesetzwidrige, sachentziehende kompetenzüberschreitende, unmenschliche, wertvernichtende, kriminelle Verhalten wurde von 3 Teilen der "Gegenseite" gesetzt, wobei die Pol-Organe noch gar nicht berücksichtigt sind. Diesen kann man bestenfalls exzessive und einseitige Unfähigkeit vorhalten.
 
Auf die weiteren Absätze möchte ich in diesem Schriftsatz zwecks Wahrung der Frist und meines ggw. gefühlsmäßigen Wohlbefindens noch nicht eingehen, sondern will diese in einem nachgereichten K L A R -stellungspapier darlegen.
Eigenhändige Unterschriftsparaphe mit dem handschriftlich angebrachten Zusatz "Unratsbekämpfer" (e.h. Unterschrift des Berufungswerbers)."
 
 
3. Die Erstbehörde hat den Akt nach Plausibilitätsprüfung zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 51e Abs.1 VStG zur Wahrung der im Sinne des Art. 6 EMRK garantierten Rechte erforderlich.
 
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bundespolizeidirektion Linz. Ferner durch Vernehmung des RevInsp. N und des B als Zeugen sowie des Berufungswerbers als Beschuldigten im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung, an welcher auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teilnahm. Ebenfalls wurde von der Erstbehörde noch ein Schreiben des Berufungswerbers vom 3.7.01 zu dieser Sache vorgelegt.
 
5. Zur o.a. Zeit wurde p.A. N, eine von der G angeordnete Räumung des Kellerabteils und des diesem nächstgelegenen Ganges angeordnet. Diese Räumung betraf die vom Berufungswerber dort verwahrten und wohl auch in seinem Eigentum stehenden Gegenstände. In Kenntnis der offenbar fehlenden Einsicht für diese Maßnahme seitens des Berufungswerbers, wurde bereits vorweg zwecks Unterstützung die Polizei angefordert und zum Räumungsort beordert. Im Verlaufe der Räumung versuchte der Berufungswerber mehrfach diverse Gegenstände von der Beförderung in den Container hinanzuhalten. Er drückte diesbezüglich einerseits seinen Unmut über die Vorgangsweise aus - dies auch durch schmähende Äußerungen gegenüber den Arbeitern - andererseits versuchte er durch zwei- bis dreimaligen manuellen Zugriff einzelne, im offenkundigen Eigentum des Berufungswerbers stehende und aus seiner Sicht für ihn noch brauchbare Gegenstände (etwa einen Metallsessel), vor der Entsorgung zu sichern. Dies dadurch, dass er einerseits versuchte, die Arbeiter durch Unmutsäußerungen von dem Wegwerfen dieser Sachen abzuhalten und andererseits durch Wegnehmen einzelner Gegenstände deren Entsorgung zu verhindern. Um dies zu unterbinden, wurde der Berufungswerber verhalten, sich vom Ort der Amtshandlung zu entfernen. Dieser Aufforderung kam er offenbar auch nach. Als hiervon betroffene dritte Personen kamen an sich nur Hausparteien in Betracht. Solche wurden in wenigen Einzelfällen von diesen Vorgängen letztlich - wenn überhaupt - nur im Vorbeigehen berührt und keinesfalls in einem Umfang, dass darin bei empirischer und objektiver Betrachtung eine Störung der Ordnung erblickt werden könnte.
 
5.1. Der Zeuge B. G gab anlässlich der Berufungsverhandlung vorerst an, der Berufungswerber hätte ihm leid getan, weil offenbar persönliche Sachen von diesem entsorgt werden sollten. In diesem Zusammenhang hätte sich der Berufungswerber jedoch dann auch abfällig über Ausländer geäußert, sodass er sich im Ergebnis beschimpft fühlte. Die Behinderung beschrieb der Zeuge zusammenfassend letztlich dahingehend, dass dieser einige bereits in den Container verfrachtete Sachen wieder herausholte und diese abermals zum Container getragen werden mussten.
Der Meldungsleger gab in diesem Zusammenhang an, der Berufungswerber hätte mehrfach den Keil von der Türsicherung herausgezogen, sodass die Tür wieder aufgemacht werden musste, wodurch eine Behinderung der Arbeiten entstanden sei. Ebenfalls habe der Berufungswerber den Arbeitern diverse Gegenstände aus der Hand gerissen. Dieses Verhalten sei erst nach Eskortierung des Berufungswerbers auf die gegenüberliegende Straßenseite unterblieben.
In Substanz kann aus diesen Schilderungen schlussgefolgert werden, dass der Berufungswerber - was er auch selbst einräumt - über die Räumung sich entrüstete und diese Entrüstung auf den zwangsweisen Eigentumsentzug zurückgeführt werden muss. Die darin motivierte Unmutsäußerung ist subjektiv zumindest verständlich.
Durchaus nachvollziehbar lässt sich als Resümee der Ereignisse daher zusammenfassen, dass es weder zu einer nennenswerten Behinderung der Arbeiten und auch zu keiner Situation kam, die in seiner Auswirkung die Ordnung an einem öffentlichen Ort tatsächlich spürbar nachteilig beeinträchtigt hätte. Vielmehr scheint die dem Wesen des Berufungswerbers inhärente und auch hier amtsbekannte Wesensart, diverse Situationen pointiert auszusprechen und darauf emotional zu reagieren, offenbar nachteilig interpretiert worden zu sein.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung machte der Berufungswerber einen durchaus sachlichen Eindruck, wobei er sich abermals in Wortspielereien erging; es empfiehlt sich schon nach den Grundsätzen der Toleranz diese als solche hinzunehmen und ihnen keine überschießende Bedeutung beizumessen.
 
6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat Folgendes erwogen:
 
6.1. Gemäß § 81 Abs.1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, "wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört; er ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden."
Dem Berufungswerber wurde im Ergebnis vorgeworfen, "durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt dadurch gestört zu haben, indem er Angestellte einer Räumungsfirma lautstark beschimpft und ihnen Gegenstände aus den Händen gerissen hätte."
 
6.1.1. Nach der Rechtslage des SPG wurde die Strafbarkeit gegenüber der früheren Bestimmung des Art. IX Abs.1 Z1 EGVG in zwei Punkten inhaltlich zurückgenommen. Bei der Beurteilung eines spezifischen Verhaltens ist im Sinne der anzuwendenden Rechtsvorschrift auch auf die Intention des Täters abzustellen, wobei es auch darauf ankommt, ob etwa eine Rechtfertigung für eine Störung der Ordnung vorliegen würde (vgl. die Gesetzesmaterialien zum Sicherheitspolizeigesetz [148 Blg. NR 18. GP, 52], sowie Fuchs - Funk - Szymanski, Manz Taschenbuchausgabe, Seite 154 ff und VwGH 24.4.1995, 94/10/0154).
Demnach hat der Gesetzgeber nicht jedes Verhalten, das früher noch den Tatbestand des Art. IX Abs. 1 Z.1 bzw. Z.2 EGVG erfüllte, als von Strafbarkeit umfasst erblicken wollen. Das Tatbild der §§ 81 Abs. 1 bzw. 82 SPG wurde vom Gesetzgeber des SPG durch die Einfügung zusätzlicher Tatbestandselemente ("durch besonders rücksichtsloses Verhalten"; "ungerechtfertigt";) im Unwerturteil gegenüber Art. IX Abs.1 Z1 und 2 EGVG nicht aufrechterhalten, sondern eingeschränkt.
Die hier vom Berufungswerber selbst nicht in Abrede gestellten Unmutsäußerungen über den durch die Zwangsräumung verfügten, von ihm aber missbilligten Eigentumsentzug, kamen hier in Form einer Ordnungsstörung zumindest nicht in einer für ein Strafverfahren erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck. Der von § 81 Abs.1 SPG verpönte "Erfolg" würde etwa dadurch ausgelöst, dass der normale Ablauf an einem öffentlichen Ort beeinträchtigt wird (wurde), indem dieses Verhalten bei einem unbefangenen Menschen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schädlichen hervorzurufen geeignet ist (VwGH 2.7.1984, 84/10/0074). Hier käme, wenn überhaupt, allenfalls nur jener Bereich zwischen Hauseingang und dem vor dem Haus aufgestellten Abfallcontainer in Betracht. Diesbezüglich hat aber das Beweisverfahren kein schlüssiges Ergebnis erbracht. Eine derart herbeigeführte Beeinträchtigung ist nach objektiven Kriterien zu messen (vgl. etwa h. Erk. v. 14. Jänner 1998, VwSen-230696). Der Verfassungsgerichtshof vertrat bereits zur alten Rechtslage die Auffassung, dass unter 'Ordnung an öffentlichen Orten' der Zustand der gewöhnlichen Verhältnisse der Dinge der Außenwelt zueinander zu verstehen ist. Es musste durch ein spezifisches Verhalten der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein (VfSlg. 4813/1964). Eine solche negative Veränderung ist zwar nach der Judikatur zum früheren Art. IX EGVG schon zu bejahen gewesen, wenn eine Person dazu bewogen wurde, sich anders zu verhalten, als wenn der Vorfall nicht stattgefunden hätte (VfGH 25. Jänner 1991, ZfVB 1992/460). Unter diesem Gesichtspunkt kann selbst eine solche, im Agieren des Berufungswerbers ursächliche Verhaltensänderung in der Außenwelt nicht erkannt werden, wenngleich sein Verhalten im subjektiven Empfinden des Meldungslegers als negativ und das Räumungsgeschehen als "zu Unrecht kritisiert und in Ansätzen behindert" empfunden worden sein mag (s. Hauer - Kepplinger, Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz, Seite 388, Anm.7, sowie VfGH, 19.3.1986, B470/83, B473/83 mit Hinweis auf VwSlg. 2263, VfSlg. 8145/1977, 8146/1977, 8580/1979, 9860/1983).
 
6.1.2. Auf Grund des hier als erwiesen anzusehenden Sachverhaltes beschränkte sich die kurzzeitige Interaktion, die auch hier wieder in einer dem Berufungswerber eigenen Wesensart grundgelegen ist, welche vielfach missdeutet zu werden scheint. Es mag in diesem Fall durchaus realistisch nachvollzogen werden, dass der Berufungswerber mit Nachdruck verschiedene von der Räumung umfasste Gegenstände aus seinem Eigentum gleichsam zu retten suchte, sodass darin Unmutsäußerungen auch durchaus als allgemein begreifliche Gemütsbewegungen eingestuft werden können und auch mit Blick darauf nicht tatsbestandsmäßig qualifizierbar sind.
 
Rechtsmittelbelehrung:
 
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
H i n w e i s:
 
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.
 
 
 

Dr. B l e i e r
 

Beschlagwortung:
Unmutsäußerung, Verhaltensänderung erzwungen