Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240384/2/WEI/Bk

Linz, 28.08.2001

VwSen-240384/2/WEI/Bk Linz, am 28. August 2001
DVR.0690392
 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des P, vertreten durch Z gegen den Ermahnungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29. September 2000, Zl. SanRB 96-148-1999, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem § 74 Abs 5 Z 2 Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975 (BGBl Nr. 86/1975 idF der Novelle BGBl I Nr. 63/1998) iVm § 4 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 - LMKV 1993 (BGBl Nr. 557/1993 idF BGBl Nr. 555/1995 und BGBl II Nr. 462/1999) zu Recht erkannt:
 
Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Ermahnungsbescheid aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
 
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991.
 
 
Entscheidungsgründe:
 
1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über den Berufungswerber (Bw) wie folgt abgesprochen:
 
"Ermahnung
 
 
Sie haben, wie durch die Untersuchung der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz vom 17.9.1999 festgestellt wurde, durch die Lieferung des nicht den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entsprechend gekennzeichneten Produktes 'American Sandwich Tonno e Pomodoro' dieses in verbotener Weise in Verkehr gebracht.
 
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1) § 4 Zif. 1 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl.Nr. 72 idgF iVm § 74 Abs. 5 Zif. 2 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl.Nr. 86 idgF
2) § 4 Zif. 5 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl.Nr. 72 idgF iVm § 74 Abs. 5 Zif. 2 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl.Nr. 86 idgF
3) § 4 Zif. 6 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl.Nr. 72 idgF iVm § 74 Abs. 5 Zif. 2 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl.Nr. 86 idgF
4) § 4 Zif. 10 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl.Nr. 72 idgF iVm § 74 Abs. 5 Zif. 2 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl.Nr. 86 idgF
5) § 4 Zif. 3a Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl.Nr. 72 idgF iVm § 74 Abs. 5 Zif. 2 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl.Nr. 86 idgF
 
Rechtsgundlage: § 21 des Verwaltungsstrafgesetzes"
 
 
In der Begründung wird von der belangten Behörde lediglich Folgendes festgestellt:
 
"Im ggst. Fall war die Sorgfaltspflicht durch das bei der Fa. P GmbH verwendete AQL-Stichprobensystem ISO 2859 weitgehend erfüllt. Als Grad des Verschuldens konnte nur leichte Fahrlässigkeit angenommen werden.
Die Folgen der Übertretung - die Eignung der Angaben zur Irreführung der Verbraucher - waren als unbedeutend zu beurteilen."
 
Nach Wiedergabe des § 21 Abs 1 VStG beurteilte die belangte Behörde dessen Voraussetzungen als gegeben und führte noch an, dass der Bw unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zu ermahnen gewesen wäre, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
 
1.2. Gegen diesen "Ermahnungsbescheid", der dem Bw zu Handen seiner Rechtsvertreter am 4. Oktober 2000 zugestellt worden ist, richtet sich die gegenständliche Berufung vom 4. Oktober 2000, die rechtzeitig zur Post gegeben wurde und bei der belangten Behörde am 6. Oktober 2000 einlangte. Die Berufung beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheids und Einstellung des Strafverfahrens.
 
2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :
 
2.1. Mit Strafverfügung vom 13. März 2000, SanRB 96-148-1999, hat die belangte Behörde Herrn P angelastet:
 
"Sie haben es als gem. § 9 Abs. 4 VStG - Verantwortlicher Beauftragter der Fa. P Großhandel GmbH, E, T (verantwortlich für den Bereich TROCKENSORTIMENT) zu verantworten, daß wie anläßlich einer Kontrolle durch ein Lebensmittelaufsichtsorgan für den Bezirk Braunau am Inn, am 13.9.1999 um 10.22 Uhr im U, M festgestellt wurde, am 18.8.1999 'American Sandwich Tonno e Pomodoro' von der Fa. P an den oa. U in A geliefert und somit in Verkehr gebracht wurde, obwohl dieses Produkt nicht den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entsprechend gekennzeichnet war, da folgende Kennzeichnungselemente
 
1. Ziffer 1 - handelsübliche Sachbezeichnung
2. Ziffer 5 - Mindesthaltbarkeitsdatum
3. Ziffer 6 - Lagerbedingungen
4. Ziffer 10 - 'unter Schutzatmosphäre verpackt' mangelhaft waren:
Die Kennzeichnungselemente sind in italienischer Sprache abgefaßt und für den
Durchschnittsverbraucher nicht verständlich und
5. Ziffer 3a - Nettofüllmenge fehlte."
 
Dadurch erachtete die belangte Behörde die im Ermahnungsbescheid genannten Rechtsvorschriften als verletzt, verhängte je eine Geldstrafe in Höhe von S 200,-- (entspricht 14,53 Euro) und schrieb den Ersatz der Untersuchungskosten von S 337,50 als Barauslagen vor.
 
2.2. Dagegen erhob der Bw mit rechtsfreundlich vertretenem Schriftsatz vom 27. März 2000 Einspruch und erstattete mit weiterem Schriftsatz vom 8. Mai 2000 durch seine Rechtsvertreter eine rechtfertigende Stellungnahme. In dieser brachte er vor, dass ihn als verantwortlichen Beauftragten der nunmehr P GmbH kein Verschulden träfe, da er und die ihm untergebenen Personen sämtliche Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen, die zumutbar waren, gesetzt hätten. Die Qualitätssicherung der angelieferten Produkte auf ihre Übereinstimmung mit den maßgeblichen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen erfolge nach ISO 2859. Die Überprüfung wäre nach der statistischen Methode AQL 1 vorgenommen worden, welche vorgebe, wie viele Maßeinheiten abhängig vom Gesamtlos (Wareneingang) geprüft werden müssten. Damit werde ein Wahrscheinlichkeitsgrad von 85 % des Gesamtloses erreicht, was bedeute, dass mindestens 85 % in Ordnung seien, wenn bei den geprüften Maßeinheiten keine Fehler auftreten. Diese Prüfung nach AQL 1 sei nach den einschlägigen Erfahrungen der Lebensmittelbranche ausreichend. Intensivere Überprüfungen wären mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln weder möglich noch zumutbar. Dazu legte der Bw ein Konvolut von Ablichtungen über das AQL-Stichprobensystem ISO 2859 samt allerlei Etiketten mit Kontrollvermerken vor und beantragte die Einholung eines Amtssachverständigengutachtens aus dem Bereich der Lebensmittelbranche.
Das beanstandete Produkt sei etwa Mitte August 1999 an den U in A ausgeliefert worden, wobei im Zeitraum vom 15. Juli bis 15. August 1999 im Betrieb der P GmbH nach den dargestellten Kriterien geprüft und kontrolliert worden wäre. Aus den Etikettenkopien ergäben sich die stichprobenartigen Kontrollen der zuständigen Mitarbeiter, welche vom Bw ständig überwacht worden wären. Bisher hätte es noch keine Beanstandungen gegeben.
 
2.3. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den angefochtenen Ermahnungsbescheid vom 29. September 2000. In der dagegen eingebrachten Berufung wird kritisiert, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, in nachvollziehbarer Weise darzulegen, worin das Verschulden des Bw liegen soll und inwieweit er die Sorgfaltspflicht nicht erfüllt habe. Die Lebensmittelbehörde möge endlich sagen, was man noch alles machen müsse. Die im strafbehördlichen Verfahren beantragten Beweise habe die Erstbehörde ohne irgendeine Begründung nicht aufgenommen, weshalb das Verfahren mangelhaft geblieben sei.
 
3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der angefochtene Bescheid schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.
 
4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
 
4.1. Gemäß § 74 Abs 5 LMG 1975 idF BGBl I Nr. 63/1998 (Inkrafttreten am 01.05.1998) begeht im Fall der Ziffer 2 eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen,
 
wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 15 Abs 7 oder 8 lit a oder b, 19 oder 31 Abs 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.
 
Nach § 4 LMKV 1993 haben verpackte Waren, die iSd § 1 Abs 1 LMKV 1993 ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt sind, die in mehreren Ziffern bestimmten Kennzeichnungselemente zu enthalten, sofern die §§ 5 bis 7 nicht anderes bestimmen.
 
Im vorliegenden Fall geht es nach den im Ermahnungsbescheid zitierten Rechtsvorschriften um die Kennzeichnungselemente nach § 4 Z 1, 3a, 5, 6, 10 LMKV 1993. Näheres ist dem Schuldspruch aber nicht zu entnehmen. Auch der Zeitpunkt des Inverkehrbringens von verpackter und für den Letztverbraucher bestimmter Ware (vgl § 1 Abs 1 LMKV 1993) ist offen geblieben.
 
4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein auf § 21 Abs 1 VStG gestützter Bescheid einen Schuldspruch zu enthalten. Deshalb ist die Anführung des strafbaren Tatbestands und der übertretenen Verwaltungsnorm erforderlich (vgl dazu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 2 und E 3b zu § 21 VStG). Da ein Bescheid nach § 21 Abs 1 VStG einen Schuldspruch ohne Strafausspruch enthält und damit als eine Vormerkung im Verwaltungsstrafverfahren zu gelten hat, kann auch nicht zweifelhaft sein, dass der Schuldspruch den verwaltungsstrafrechtlichen Anforderungen des § 44a Z 1 und Z 2 VStG zu entsprechen hat.
 
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031).
 
Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 971).
 
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).
 
4.3. Der gegenständliche Ermahnungsbescheid enthält einen unzureichend konkretisierten Schuldspruch. Weder dem Spruch noch der Begründung ist zu entnehmen, inwiefern im konkreten Fall gegen die Bestimmungen der LMKV 1993 verstoßen worden sein soll. Auch das wesentliche Tatbestandsmerkmal des Inverkehrbringens wurde weder zeitlich, noch örtlich ausgeführt. Es genügt nicht, dass diese Umstände aus dem sonstigen Akteninhalt erschließbar sind, weil der gegenständliche Ermahnungsbescheid aus sich heraus verständlich sein und über einen den Bestimmtheitsanforderungen des § 44a Z 1 VStG entsprechenden Schuldspruch verfügen muss.
Für den unabhängigen Verwaltungssenat ist Sache des Berufungsverfahrens die durch den Spruch der belangten Behörde umschriebene Angelegenheit. Er darf nicht wesentliche Tatbestandsmerkmale ergänzen oder verändern, weil dies auf eine unzulässige Auswechslung der angelasteten Tat hinausliefe.
 
5. Im Ergebnis war daher der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen, weil der Bw jedenfalls die ihm nur unzureichend zur Last gelegte Tat nicht begangen haben kann. Auf das Berufungsvorbringen betreffend ein fehlendes Verschulden des Bw wegen eines angeblich ausreichenden Kontrollsystems brauchte nicht mehr eingegangen werden.
 
 
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.
 
 
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