Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-251032/4/Lg/Ni

Linz, 29.04.2003

 

 VwSen-251032/4/Lg/Ni Linz, am 29. April 2003

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch
sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 27. März 2003 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des A E Z, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried i.I. vom 13. Februar 2003, Zl. SV96-2-2002, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

 

 

  1. Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis in so weit bestätigt. Bestätigt wird ferner die Höhe der verhängten Geldstrafe. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird jedoch auf 66 Stunden herabgesetzt.
  2.  

  3. Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat entfällt.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 16 Abs.2, 19 VStG.

Zu II.: § 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

  1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 726 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als außenvertretungsbefugtes Organ der H & H M GmbH mit dem Sitz in R, welche ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin der H & H M GmbH mit dem Sitz in R, ist, gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten habe, dass die H & H M GmbH die dominikanische Staatsangehörige E P D A in der Zeit von 27.9.2001 bis Ende Oktober 2001 in einer näher bezeichneten Bar in E, beschäftigt habe, ohne dass die für eine legale Ausländerbeschäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorgelegen seien.

 

In der Begründung verweist das angefochtene Straferkenntnis auf zwei Aussagen der gegenständlichen Ausländerin vor der Behörde am 27.11.2001 und am 6.3.2002. Bezug genommen wird ferner auf die Stellungnahme des Bw vom 8.8.2002 und Stellungnahmen des Arbeitsinspektorates (AI).

 

In rechtlicher Hinsicht wird auf die Rechtsprechung des VwGH hingewiesen,
wonach die Tätigkeit als Tänzerin und/oder Animierdame, in Barbetrieben
oder vergleichbaren Etablissements eine Beschäftigung im Sinne des § 2 AuslBG darstelle (unter Zitierung der Erkenntnisse des VwGH vom 27. Juni 2001, Zl. 99/09/0195, vom 15. Dezember 1999, Zl. 99/09/0078, vom 28. September 2000, Zl. 98/09/0060, vom 4. April 2001, Zl. 99/09/0156, vom 20. März 2002, Zl. 2000/09/0150, vom 10. Februar 1999, Zl. 98/09/0331, vom 18. Dezember 1998, Zl. 98/09/0281, vom 10. März 1999, Zl. 97/09/0046). Nicht maßgeblich sei in welchem Rechtsverhältnis die Vertragspartner zueinander stehen (unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. September 1993, Zl. 92/09/0322).

 

Aufgrund der Aussagen der Ausländerin stehe fest, dass diese im vorgeworfenen Tatzeitraum im gegenständlichen Lokal als Animierdame, Tänzerin und Prostituierte tätig war. Sie sei zumindest ansatzweise in die Betriebsorganisation eingegliedert gewesen, was sich darin zeige, dass der Ort (die gegenständliche Bar), die Zeit (welche nach Angaben der Ausländerin festgelegt war) und die Art (Prostitution, Animieren und Tanzen) der Arbeit vorgegeben waren. Die Ausländerin sei bei der Verwertung ihrer Arbeitskraft darauf angewiesen gewesen, dass ihr von der Arbeitgeberin die Betriebsmittel (das Lokal) zur Verfügung gestellt werden und der Betrieb (z.B. durch das Besorgen von Getränken) organisiert wird. Die Betriebsorganisation (Festlegung der Öffnungszeiten, Bestimmung der Getränkepreise usw.) sei einseitig erfolgt, auch wenn die Ausländerin zu den vorgegebenen Bedingungen freiwillig tätig gewesen sein sollte.

 

Einer diesbezüglichen Einwendung des Bw wird entgegengehalten, dass der der Ausländerin erteilte Aufenthaltstitel (selbständige Tätigkeit ohne Niederlassung) der Annahme einer tatsächlichen unselbständigen Tätigkeit nicht entgegenstehe.

 

Es sei davon auszugehen, dass die Ausländerin die Arbeit im gegenständlichen Lokal nicht zum Vergnügen sondern aus Gründen der Existenzbestreitung leistete. Sie habe angegeben als Krankenschwester in der Dominikanischen Republik sehr wenig verdient zu haben und dass sie nach Österreich gekommen sei, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

 

Die Ausländerin habe von der Arbeitgeberin zwar nur ein erfolgsabhängiges Entgelt erhalten (z.B. in Form der Getränkeumsatzbeteiligung) was jedoch der grundsätzlichen Annahme einer wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht entgegenstehe.

 

Anlässlich der Bemessung der Strafhöhe wird festgestellt, dass der Unrechtsgehalt der Tat nicht gering ist und Fahrlässigkeit angenommen wird. Ausgegangen wird von einem geschätzten monatlichen Nettoeinkommen von 1.000 Euro sowie keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten. Strafmildernd sei die Unbescholtenheit zu werten, Erschwerungsgründe lägen nicht vor. Ein beträchtliches Überwiegen von Milderungsgründen im Sinne von § 20 VStG sei nicht gegeben.

 

 

  1. In der Berufung wird geltend gemacht, dass nach der Geschäftspraxis des gegenständlichen Unternehmens Prostituierte ausschließlich eine selbständige Tätigkeit auf Werkvertragsbasis ausüben. Aus den Angaben der ebenfalls zunächst verfahrensgegenständlichen Ausländerin E M M A, welche im selben Zeitraum im selben Unternehmen tätig war, hätte die Behörde erschließen müssen, dass die vom Beschuldigten aufgezeigte Geschäftspraxis den Tatsachen entspreche. Demgemäß sei das Verfahren gegen diese Ausländerin eingestellt worden.

 

Da die hier gegenständliche Ausländerin mit ihren Behauptungen völlig allein dastehe, sei im Zweifel davon auszugehen, dass auch diese Ausländerin auf selbständiger Basis für das gegenständliche Unternehmen Dienste verrichtet hatte und nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden war. Bestätigt wurde dies dadurch, dass der Aufenthaltstitel der hier gegenständlichen Ausländerin auf "selbständig ohne Niederlassung" laute.

 

 

  1. Aus dem Akt ist ersichtlich:
  2.  

    Am 27.11.2001 gab die gegenständliche Ausländerin im Rahmen einer
    Befragung anlässlich der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vor der Bezirkshauptmannschaft Braunau bekannt, sie habe den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Österreich einem österreichischen Staatsbürger und dessen Gattin (Namen unbekannt) gegeben. Es sei ihr unbekannt, warum das Erstantragsformular als Ausstellungsort "G" anführt. Sie selbst sei nie in Ungarn gewesen. Sie habe sich nach Österreich begeben, weil sie als Krankenschwester in der dominikanischen Republik zu wenige verdiene. Sie habe die Absicht gehabt in Österreich lediglich als Animiermädchen und Tänzerin tätig zu werden.

     

    Sie sei von der erwähnten österreichischen Staatsangehörigen am Flughafen in Wien abgeholt worden und von einem Mann zu einem Club in V gebracht worden ("K-B"). Dort sei ihr bekannt gegeben worden, dass sie auch als Prostituierte arbeiten müsse.

     

    Hierauf habe sie sich entschlossen, mit einer Freundin, welche bereits einmal in Ried gearbeitet habe, in den hier gegenständlichen Club zu wechseln. In diesem Club sei sie an einem Mittwoch in der letzten Septemberwoche gekommen. Dort habe sie folgende Tätigkeiten ausgeübt: Prostitution, Tanzen und Animation. Sie habe sich die Arbeitszeit nicht frei einteilen können, sie sei ihr genau vorgegeben worden. Für die Prostitution seien folgende Tarife festgesetzt gewesen: eine halbe Stunde S 1.850, davon habe sie S 900 erhalten; eine Stunde S 2.950, davon habe sie S 1.500 erhalten. Das Geld sei von der Kellnerin kassiert und der Ausländerin sei ca. alle vier Tage ihr Anteil ausbezahlt worden. Wenn der Chef im Lokal anwesend war, sei täglich bzw. unmittelbar abgerechnet worden. Für das Zimmer habe die Ausländerin für jeden Tag S 200 bezahlen müssen.

     

    Für einen Tanzauftritt als Striptease-Tänzerin habe sie 200 S bekommen. Dieser Betrag sei ihr vom Chef ausbezahlt worden.

     

    Für die Getränke, Animation seien folgende Tarife festgesetzt gewesen:

    Der Gast habe für einen Piccolo-Sekt S 300 bezahlt, davon habe sie S 80 bekommen. Für eine Flasche Sekt habe der Gast S 1.600 bezahlen müssen, davon habe die Ausländerin S 300 bekommen. Die Getränke seien ebenfalls alle drei bis vier Tage abgerechnet worden. Bei Anwesenheit des Chefs sei sofort abgerechnet worden.

     

    Es sei auf sie Druck ausgeübt worden, als Prostituierte zu arbeiten. Sie habe Angst vor körperlichen Angriffen gehabt und auch davor, dass sie kein Visum mehr bekomme. Sie habe aber jederzeit das Lokal verlassen können.

     

    Am 6. März 2002 sagte die hier gegenständliche Ausländerin unter Beisein eines Dolmetschers und im Hinblick auf den Bw (Verdacht der Übertretung des AuslBG und des ASVG) ergänzend zeugenschaftlich aus, ihre tägliche Arbeitszeit vom 27.9.2001 durch ca. einen Monat habe sich jeweils von 21.30 Uhr bis ca. 4.00 Uhr morgens belaufen. Sie sei nicht pflichtversichert gewesen und habe sich die Arztkosten selbst bezahlen müssen.

     

     

  3. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung gab der Bw kund, wenig mit den Damen zu tun zu haben, da er tagsüber arbeite bzw. "administrativ tätig" sei. Er kontrolliere die Ausländerinnen nur "sporadisch" auf "Visa, versicherungsmäßig" und "ob alles passt". Die gegenständliche Ausländerin habe er nicht gekannt. Betriebsinterne Vorgänge seien ihm unbekannt.
  4.  

  5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Das angefochtene Straferkenntnis stützt sich auf die Angaben der Ausländerin anlässlich ihrer behördlichen Befragung am 27.11.2001 iVm ihrer zeugenschaftlichen Aussage vom 6.3.2002. Diese Angaben sind lebensnah und schlüssig. Sie stimmen außerdem im Wesentlichen mit den Angaben zweier weiterer Prostituierter des Lokals, nämlich von E M (vgl. VwSen-251020) und von M A E M (im erstinstanzlichen Akt betreffend das hier gegenständliche Verfahren beiliegend) überein. Die Angaben der hier gegenständlichen Ausländerin werden in der Berufung nicht detailliert bezweifelt, vielmehr wird lediglich pauschal das "selbständige" Tätigsein der Prostituierten "auf Werkvertragsbasis" behauptet. Die Angaben der Prostituierten M bestätigen jedoch eine Getränkeumsatzbeteiligung und eine Beteiligung der Prostitutionseinnahmen. Lediglich die freie Arbeitszeiteinteilung wird durch Martinez behauptet, dies freilich mit dem einschränkenden Zusatz, wegen sehr dringenden Geldbedarfs bemüht gewesen zu sein, möglichst viel zu arbeiten.

 

Der Bw nützte die in der öffentlichen mündlichen Verhandlung gebotene Gelegenheit zur Aufstellung substantiierter Behauptungen nicht sondern gab sich weitergehend uninformiert.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat unter diesen Voraussetzungen keine Bedenken, den Sachverhaltsannahmen des angefochtenen Straferkenntnisses zu folgen. Auch hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation der Prostitution in Clubs und der Getränkeumsatzbeteiligung von Animierdamen folgt das angefochtene Straferkenntnis der ständigen Rechtsprechung des VwGH. Zutreffend ist auch der Hinweis des angefochtenen Straferkenntnisses, wonach das Auftreten der Ausländerin vor Behörden als "Selbständige" (etwa vor dem Finanzamt oder in fremdenrechtlicher Hinsicht) an der hier relevanten arbeitsrechtlichen Einordnung ihrer Tätigkeit nichts ändert. Prostituierte bzw. Animierdamen aus der dominikanischen Republik sind erfahrungsgemäß zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts darauf angewiesen, ihren Körper bzw. ihre Arbeitskraft auf die gegenständliche Art und Weise zu verwerten. Mangelnde Orientierung in der österreichischen Arbeitswelt bzw. im österreichischen Wirtschaftsleben schränken nicht nur die Möglichkeit zu "selbständigem" Auftreten sondern sogar auch die unselbständige Verwertung ihrer Arbeitskraft stark ein. Bei der Ausübung der Prostitution und der Tätigkeit als Animierdame ist eine solche Ausländerin auf die Geschäftspartnerschaft von Club-Betreibern angewiesen. Dies auch im Sinne der Zurverfügungstellung der Betriebseinrichtung (eines einschlägigen Lokals, eines Zimmers, der Bereitstellung der Getränke usw.). Das Funktionieren eines solchen Betriebes setzt die Eingliederung der Prostituierten (Animierdamen) in den Betrieb voraus; dies selbst dann, wenn eine gewisse Selbstkoordination der Prostituierten (Animierdamen) Platz greifen sollte. Allfällige "freie" Diensteinteilungen fallen angesichts des gegebenen existenziellen Drucks wenig ins Gewicht. (Vgl. etwa auch das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats vom 2. April 2003, Zl. VwSen-251016/12/Lg/Ni.)

 

Die Tat ist daher dem Bw in objektiver und, da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind, auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Bemerkt sei, dass sich der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer nicht strafbefreiend darauf berufen kann, von der Tätigkeit der Ausländerin nichts gewusst zu haben, zumal er ein ausreichendes Kontrollsystem nicht darzutun vermochte.

 

Ebenfalls nicht entgegen zu treten ist der Bemessung der Geldstrafe und ihrer Begründung im angefochtenen Straferkenntnis (Verhängung der Mindestgeldstrafe). Überwiegende Milderungsgründe im Sinne des § 20 VStG sind nicht zu erkennen (ersichtlich ist lediglich die Unbescholtenheit des Bw). Die Tat bleibt auch nicht soweit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass an eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG zu denken wäre. Da den erwähnten Strafzumessungsgründen eine wesentlich geringere Ersatzfreiheitsstrafe entspricht, war die Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend herabzusetzen, was dem Bw die Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat erspart.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Langeder

 

 
 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum