Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251089/19/Lg/Ri

Linz, 25.08.2004

 

 

 VwSen-251089/19/Lg/Ri Linz, am 25. August 2004

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine VII. Kammer (Vorsitzender: Mag. Gallnbrunner, Berichter: Dr. Langeder, Beisitzende: Mag. Bismaier) über die Berufung des K C, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. F H, Dr. O U, Mag. A M, Mag. T L, F, G, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden, vom 17. November 2003, Zl. SV96-30-2002, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (AuslBG), zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

  1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 2.500 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 210 Stunden verhängt, weil er (wie aus dem Zusammenhang mit einem anderen im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfenen Delikt erschließbar: Gemeint: am 4.12.2002) von den Organen des Zollamtes Wels aufgefordert worden sei, die Identität einer offensichtlich ausländischen männlichen Person, die bei der Kontrolle geflüchtet sei, bekannt zu geben. Dieser Aufforderung sei der Berufungswerber nicht nachgekommen. Er habe somit die Durchführung der Amtshandlung beeinträchtigt. Dadurch habe der Berufungswerber § 28 Abs.1 Z2 lit.f iVm § 26 Abs.4 und 4a AuslBG verletzt.
  2.  

    In der Begründung wird Bezug genommen auf die Anzeige des Zollamtes Wels vom 9.12.2002, die Angaben des Berufungswerbers vom 4.12.2002 und die Rechtfertigung des rechtsfreundlich vertretenen Berufungswerbers vom 12.2.2003.

     

    Festzustellen sei, dass die Erhebungsbeamten eindeutig zwei flüchtende Personen wahrgenommen hätten, wobei nur eine dieser Personen identifiziert habe werden können. Der Berufungswerber sei mehrfach aufgefordert worden, die Identität der zweiten geflüchteten Person bekannt zu geben.

     

     

  3. In der Berufung wurde dagegen vorgebracht, die Behörde habe es antragswidrig verabsäumt, die Mutter (J Y) und den Bruder (Y C) des Berufungswerbers einzuvernehmen. Diese Personen hätten bestätigen können, dass sich außer dem Ausländer C M keine weitere fremde Person in der Küche aufgehalten habe. Der Berufungswerber habe zu keinem Zeitpunkt und auf keine wie immer geartete Weise die Kontrollorgane bei der Durchführung ihrer Amtshandlung beeinträchtigt sondern er sei stets um gute Zusammenarbeit bemüht gewesen. Dass eine zweite Person ins Freie flüchtete werde selbst von der Behörde nur als möglich und wahrscheinlich angenommen. Es könne vom Berufungswerber nicht verlangt werden, die Identität einer Person bekannt zu geben, welche sich zu keinem Zeitpunkt in der Küche aufgehalten habe und dem Berufungswerber nicht bekannt sei. Wenn sich eine weitere fremde Person in der Küche aufgehalten hätte, hätte der Berufungswerber auch deren Daten bekannt gegeben.

 

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Laut Anzeige des Zollamtes Wels vom 9.12.2002 hätten sich Kontrollbeamte nach der Ausweisleistung zur Küche begeben wollen, deren Verbindungstür zum Gästeraum jedoch versperrt vorgefunden. Durch eine Servieröffnung sei beobachtet worden, wie zwei männliche Personen aus der Küche flüchteten. Eine der geflüchteten Personen habe durch die Gendarmerie aufgegriffen werden können. Hinsichtlich der zweiten Person sei dies nicht gelungen, weshalb im Zuge der anschließenden Vernehmung des Lokalbetreibers dieser mehrfach aufgefordert worden sei, die Identität dieser zweiten Person bekannt zu geben. Er habe dazu angegeben, dass er von einer zweiten Person nichts wisse.

 

Der Berufungswerber gab am 4.12.2002 niederschriftlich an, er suche Personal. Der aufgegriffene Ausländer habe nicht bei ihm gearbeitet. Von einer zweiten Person, die geflüchtet sein soll, wisse er nichts. Zur Bekanntgabe der Identität dieser Person aufgefordert, gab der Berufungswerber an, diese nicht zu kennen.

 

Nach Aufforderung zur Rechtfertigung äußerte sich der Berufungswerber dahingehend, es sei ihm unerklärlich, wie die Kontrollbeamten zwei flüchtende Personen gesehen haben könnten. Der Vorwurf, durch Verweigerung der Identitätsbekanntgabe die Durchführung einer Amtshandlung beeinträchtigt zu haben, sei geradezu absurd. Dies sei nicht möglich gewesen, da sich - wie vorgebracht - mit Ausnahme des aufgegriffenen Ausländers keine fremde Person in der Küche befunden hätte.

 

 

  1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Gemäß § 28 Abs.1 Z2 lit.f AuslBG ist strafbar, wer entgegen dem § 26 Abs.4 und 4a die Durchführung der Amtshandlung beeinträchtigt.

 

Gemäß § 26 Abs.4 AuslBG sind die Zollorgane im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeit nach diesem Bundesgesetz befugt, die Identität von Personen festzustellen ... , wenn Grund zur Annahme besteht, dass es sich bei diesen Personen um ausländische Arbeitskräfte handelt, die beschäftigt werden oder zu Arbeitsleistungen herangezogen werden. Die Zollorgane sind, wenn wegen Gefahr im Verzug das Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht abgewartet werden kann, auch ermächtigt, Ausländer für die Fremdenpolizeibehörde festzunehmen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass diese Ausländer im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben oder ausüben wollen, ohne dazu berechtigt zu sein, und sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Denn Zollorganen kommen dabei die im § 35 VStG geregelten Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu. Die Ausländer sind unverzüglich der Fremdenpolizeibehörde oder der nächstliegenden Sicherheitsdienststelle zu übergeben.

 

Gemäß § 26 Abs.4a AuslBG ist die Feststellung der Identität das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit. Sie hat mit der vom Anlass gebotenen Verlässlichkeit zu erfolgen. Menschen, deren Identität festgestellt werden soll, sind hievon in Kenntnis zu setzen. Jeder Betroffene ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und die unmittelbare Durchsetzung der Identitätsfeststellung zu dulden.

 

Diese Bestimmungen erhielten ihre geltende Fassung mit BGBl. I Nr. 68/2002, in Kraft getreten am 1. Juli 2002.

 

Der AB, 1039 BlgNR, 21. GP, Seite 2, führt dazu aus, dass die (früher) geltende Regelung des § 26 Abs.4 AuslBG über die Identitätsfeststellung von Ausländern ausschließlich im Wege der Auskunftspflicht vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben worden sei, weil die Erteilung einer regelmäßig belastenden Auskunft im Ergebnis zu einer verfassungswidrigen Verpflichtung des Beschuldigten, sich im Strafverfahren selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen, führe. Wenn nämlich die erzwungene Erklärung angesichts der sie begleitenden Umstände den für das Vorliegen und den Nachweis eines Straftatbestandes typischer Weise entscheidenden Hinweis gibt, so sei dies einem Zwang zur Selbstbezichtigung gleichzuhalten, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermöge, dass der Arbeitgeber keine Auskunft darüber geben muss, ob der betretende Ausländer auch (sein) Arbeitnehmer ist.

 

Gemäß § 28 Abs.1 Z2 lit.f AuslBG idF vor Verfassung BGBl. I Nr. 68/2002 war strafbar, wer entgegen § 26 Abs.4 erster Satz AuslBG als Arbeitgeber seiner Verpflichtung, über die Identität von Personen Auskunft zu geben nicht nachkommt. § 26 Abs.4 aF AuslBG normierte eine Auskunftspflicht des Arbeitgebers hinsichtlich der Identität von Personen, welche sich an bestimmten (insbesondere Betriebsfremden nicht zugänglichen) Örtlichkeiten aufhalten und für die Grund zur Annahme besteht, dass es sich um ausländische Arbeitskräfte, welche vom in Frage stehenden Arbeitgeber beschäftigt werden, handelt.

 

Mit VfSlg 15600/1999 wurden die beiden genannten Bestimmungen wegen Verstoßes gegen das Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung (Art. 90 Abs.2 B-VG) vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.

 

Die genannten Bestimmungen würden den offensichtlichen und aus den Gesetzesmaterialien nachweisbaren Zweck verfolgen, die Identifizierung von Personen zu ermöglichen, wodurch die nachfragende Behörde in die Lage versetzt wird, dem Arbeitgeber die unerlaubte Beschäftigung nachzuweisen, sodass die Identifizierung regelmäßig die Überführung des Täters sicherstellt. Es sei dem Zwang zur Selbstbezichtigung gleichzuhalten, wenn eine erzwungene Erklärung angesichts der sie begleitenden Umstände den für den Nachweis einer Straftat typischer Weise entscheidenden Hinweis gibt.

 

Hingegen erachtete der Verfassungsgerichtshof § 28 Abs.1 Z2 lit.c iVm § 26 Abs.1 AuslBG (siehe dazu gleich unten) für unbedenklich, weil die genannte Strafbestimmung nicht auf § 26 Abs.4 AuslBG Bezug nimmt und § 26 Abs.1 AuslBG lediglich eine "allgemeine Mitteilungspflicht" enthält.

 

Gemäß § 28 Abs.1 Z2 lit.c AuslBG ist strafbar, wer seinen Verpflichtungen gemäß § 26 Abs.1 nicht nachkommt. § 26 Abs.1 AuslBG verpflichtet den Arbeitgeber, den Zollbehörden Anzahl und Namen der in seinem Betrieb beschäftigten Ausländer bekannt zu geben. Der Arbeitgeber ist auf Grund dieser Bestimmung verpflichtet, den Zollbehörden die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes notwendigen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in die erforderlichen Unterlagen zu gewähren. Die "allgemeine Mitteilungspflicht" des § 26 Abs.1 kann (bei verfassungskonformer Auslegung und richtiger systematischer Sicht) keine Pflicht zur Identitätsbekanntgabe flüchtiger Ausländer enthalten.

 

Eine solche Identitätsbekanntgabe kann, wie gezeigt, auch nicht, wie hier, auf § 26 Abs.4 und Abs.4a iVm § 28 Abs.1 Z2 lit.f AuslBG idgF gestützt werden. Dies ergibt sich eindeutig aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften und dem Gebot verfassungskonformer Interpretation.

 

Da die vorgeworfene Nichtbekanntgabe der Identität des flüchtigen Ausländers mithin nicht strafbar ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gallnbrunner
 

 

 

 

 
 

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