Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251146/16/Kü/Hu

Linz, 01.12.2005

 

 

 

VwSen-251146/16/Kü/Hu Linz, am 1. Dezember 2005

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine X. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Berufung des Herrn A Y, O, L, vom 2. August 2004, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft E vom 27. Juli 2004, Zl. SV96-2-10-2004, wegen einer Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22. November 2005, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft E vom 27.7.2004, SV96-2-10-2004, wurde über den Berufungswerber (in der Folge Bw) eine Geldstrafe von 2.500 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verhängt, weil er seinen Bruder, den türkischen Staatsangehörigen Y H, geb. ..., zumindest am 6.4.2004 um ca. 12.30 Uhr in seinem Lokal "A K P" der Y OEG in E, S, als Koch (bei der Kontrolle hat er Kebab zubereitet) beschäftigt hat, obwohl ihm für seinen Bruder weder eine Beschäftigungsbewilligung, noch eine Zulassung als Schlüsselkraft noch eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, noch der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder einen Niederlassungsnachweis besaß.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass der Sachverhalt im Verfahren nicht bestritten worden sei. Aus dem gesetzlichen Strafrahmen sei ersichtlich, welch große Bedeutung seitens des Gesetzgebers der Einhaltung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zugemessen werde. Es sei daher der Ansicht der Zollverwaltung - Zollamt Linz, zu folgen gewesen. Der zur Last gelegte Tatbestand sei durch die Aushilfstätigkeit des Bruders erfüllt.

 

Bei der Bemessung der Strafe hätte die Behörde auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse und das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Der Bw habe vor der Behörde bekannt gegeben, dass er für zwei Kinder sorgepflichtig sei und sein monatliches Einkommen ca. 2.000 Euro brutto betrage. Strafmildernde Umstände seien nicht bekannt, sodass die Strafe in der von der Zollverwaltung geforderten Höhe zu verhängen gewesen sei.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in der das gegenständliche Straferkenntnis zur Gänze angefochten wird. Der Bw führt zur Begründung aus, dass er der Ansicht sei, dass die Aushilfstätigkeit seines Bruders H keine illegale Beschäftigung darstelle.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft E hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, bestehend aus drei Mitgliedern, berufen (§51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.11.2005. In der Verhandlung wurden neben den kontrollierenden Organen des Zollamtes Linz auch der Bruder des Bw, Herr H Y, als Zeugen einvernommen.

 

Aufgrund der durchgeführten mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt fest:

Im April 2004 hat der Bw zusammen mit seinem Bruder V Y in E, S, das Lokal "A P und K" betrieben, wobei die beiden zu diesem Zweck eine offene Erwerbsgesellschaft, nämlich der A P und K Y OEG, deren persönlich haftende Gesellschafter sie waren, gründeten. Am Vormittag wurde das Lokal von V Y betreut, am Nachmittag hat der Bw im Lokal gearbeitet.

 

Am 5. April 2004 ist es zwischen dem Bw und seinem Bruder V Y zu einem Streit gekommen. Aufgrund dieses Streites ist V Y umgehend nach Deutschland abgereist, ohne sich weiter um das Lokal in E zu kümmern. Da der Bw am nächsten Tag, dem 6.4.2004, bei der Firma R in L zu arbeiten hatte und für diesen Tag nicht frei bekommen hat, hat er seinen Bruder H Y ersucht, nach E zu fahren und das Lokal A K und P aufzusperren. Der Bw hat seinen Bruder ersucht, Kleinigkeiten vorzubereiten und das Lokal zu reinigen, er selbst wollte am Nachmittag nachkommen, um das Lokal zu betreuen.

 

Für diese Arbeitstätigkeit wurde mit seinem Bruder H kein Entgelt vereinbart. H Y hat, wie bei türkischen Familien üblich, von seinem Bruder Essen und Getränke bekommen. Gewohnt hat der Bruder des Bw zu dieser Zeit bei seiner Freundin in L.

 

Am 6.4.2004 um die Mittagszeit wurde das Lokal von Organen der Zollbehörde kontrolliert und dabei festgestellt, dass Herr H Y Kebab zubereitete und verkaufte. Arbeitsmarktrechtliche Papiere für seine Tätigkeit konnte er nicht vorweisen.

 

Nach der Kontrolle wurde vom Bw eine Änderung in der A P und K Y OEG herbeigeführt, als Herr H Y als persönlich haftender Gesellschafter in die OEG eingetreten ist und Herr V Y aus der OEG ausgetreten ist. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservices E vom 14. Juni 2004, Gz.: RGS402, wurde festgestellt, dass Herr H Y einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der A P und K Y OEG ausübt und dieser gemäß § 2 Abs.2 AuslBG als selbstständig Erwerbstätiger anzusehen ist.

Seit 1. April 2005 ist das Lokal in E geschlossen.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den im wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Bw selbst und den Angaben der Zeugen im Zuge der mündlichen Verhandlung. Die Feststellung, wonach H Y für seine Arbeitstätigkeit keinen Lohn erhalten hat und er nur, wie bei türkischen Familien üblich, Essen und Getränke bekommen hat, gründen sich auf den übereinstimmenden Angaben des Bw und seines Bruders. Diese Angaben decken sich mit den Ausführungen des Bw bei seiner Ersteinvernahme durch die Organe des Zollamtes. Die Feststellung, wonach H Y zum Zeitpunkt der Beschäftigung am 6.4.2004 nicht bei seinem Bruder, sondern bei einer Freundin in L gewohnt hat, gründet sich auf dessen glaubwürdiger Darstellung, an welcher der Unabhängige Verwaltungssenat grundsätzlich nicht zweifelt.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 3 Abs.1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder einen Niederlassungsnachweis besitzt.

 

Nach § 2 Abs.2 AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung

  1. in einem Arbeitsverhältnis,
  2. in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,
  3. in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs.5 leg.cit.
  4. nach den Bestimmungen des § 18 leg.cit. oder
  5. überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs.4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl.Nr. 196/1988.

 

5.2. Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht fest, dass Herr H Y zum Bw weder in einem Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes oder in einem Ausbildungsverhältnis gestanden ist, noch dass es sich bei ihm um einen betriebsentsandten Ausländer oder eine überlassene Arbeitskraft im Sinne des § 2 Abs.2 AuslBG gehandelt hat. Im Hinblick auf die Definition der Beschäftigung im § 2 Abs.2 AuslBG ist somit zu prüfen, ob die Tätigkeit von H Y als in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis erbracht zu qualifizieren ist und deshalb dem Beschäftigungsbegriff des AuslBG unterliegt. Dem gegenüber könnte auch, wie vom Bw dargestellt, in der Tätigkeit von H Y ein Gefälligkeitsdienst anzunehmen sein, der nicht unter den Beschäftigungsbegriff des AuslBG zu subsumieren ist.

 

Als Gefälligkeitsdienste, die keine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs.2 AuslBG darstellen, können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden aufgrund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden. Bei dieser Prüfung ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können. Wesentlich ist für die Annahme eines Gefälligkeitsdienstes die Freiwilligkeit der Arbeitsleistung insofern, als keine Verpflichtung zu ihrer Erbringung bestehen darf (vgl. VwGH 25.2.2004, Zl. 2001/09/0197, 27.3.2003, Zl. 2000/01/0017).

 

Gefälligkeitsdienste sind dadurch charakterisiert, dass aus den sie betreffenden Erklärungen bzw. Verhaltensweisen überhaupt kein Rechtsfolge- bzw. Gestaltungswille zum Abschluss eines Vertrages, insbesondere eines Dienstvertrages hervorgeht (Bachler, Ausländerbeschäftigung - eine Gratwanderung zwischen Legalität und Illegalität 1995, Seite 31 m.w.N.)

 

Die spezifische Bindung zwischen dem Bw und dem Beschäftigten ist durch ihre familiäre Bindung jedenfalls gegeben. Wie sowohl der Bw als auch H Y immer wieder betont haben, erfolgte die Arbeitsleistung aufgrund der familiären Bindung bzw. den Umstand, dass der Bw in eine Art Notsituation geraten ist. Am Vorabend des Beschäftigungstages hat der andere Bruder des Bw, mit dem er bislang zusammen die OEG betrieben hat, gleichsam fluchtartig Österreich verlassen und ist nach Deutschland gereist. Dem Bw war es nicht möglich, von seinem Arbeitsplatz frei zu bekommen und hat deshalb, da er das Lokal am folgenden Tag, dem 6.4., unbedingt aufsperren wollte, seinen Bruder um einen Gefälligkeitsdienst ersucht. Für seinen Bruder war die Aushilfstätigkeit aufgrund der familiären Bindung selbstverständlich, ohne dass er sich für diese Beschäftigung eine Gegenleistung erwartet hätte. Mithin ist davon auszugehen, dass Herr H Y seine Arbeitsleistung freiwillig erbracht hat und diese als Hilfeleistung für seinen Bruder gedacht war. Herr H Y schilderte in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig, dass eine Entlohnung für ihn kein Thema gewesen ist. Durch die Unentgeltlichkeit der Arbeitsleistung fehlt es an der für eine Beschäftigung nach dem AuslBG essentiellen persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit. Bei Gesamtbetrachtung der näheren Umstände des Falles und in Würdigung der engen familiären Bindung stellt sich die Hilfstätigkeit von H Y als Gefälligkeitsdienst ohne jeglicher Rechtspflicht dar und sind damit die Merkmale eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses und damit der Beschäftigungsbegriff des AuslBG nicht erfüllt.

 

Die näheren Umstände des Falles zeigen aber auch, dass mit der Hilfstätigkeit des H Y keinesfalls die Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes umgangen werden sollten. Dies deshalb, da in der Folge H Y in die OEG eingetreten ist und auch vom Arbeitsmarktservice festgestellt wurde, dass dieser einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der OEG ausübt und somit als selbstständig Erwerbstätiger im Sinne des § 2 Abs.2 AuslBG gilt. Dies ist jedenfalls als Indiz dafür zu werten, dass grundsätzlich die Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eingehalten werden und nur aufgrund der familiären Situation vom Bw kurzfristig die Hilfeleistung seines Bruders H Y in Anspruch genommen wurde.

 

Aus diesen Gründen ist die von der ersten Instanz im gegenständlichen Straferkenntnis angelastete Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.a AuslBG als vom Bw nicht begangen zu werten, weshalb das gegenständliche Strafverfahren einzustellen und daher wie im Spruch zu entscheiden war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens. Der diesbezügliche Ausspruch war daher in den Spruch aufzunehmen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

 

 

 

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