Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260113/6/Wei/Bk

Linz, 28.03.1995

VwSen-260113/6/Wei/Bk Linz, am 28. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der I H, Geschäftsführerin, vertreten durch Dr. E C, Rechtsanwalt in W, vom 9. März 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21.

Februar 1994, Zl. Wa 96-11-1992/Mel, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 137 Abs 4 lit i) Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 (BGBl Nr. 215/1959 idF BGBl Nr. 252/1990) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Berufungswerberin hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 21.

Februar 1994 hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben es als § 9 VStG Verantwortliche der J. P Metallwaren Ges.m.b.H. & Co. KG., E, unterlassen, dem wasserpolizeilichen Auftrag vom 20.2.1992, Wa-200095/29-1992/Hz/Fr, zu entsprechen, wonach die Ableitung von 1.1.1.-Trichlorethan aus dem oben angeführten Betrieb in die öffentliche Kanalisationsanlage der Stadtgemeinde Enns bis 15.3.1992 einzustellen war." Durch die so umschriebene Tat erachtete die Strafbehörde den § 137 Abs 4 lit i) iVm § 138 Abs 1 WRG 1959 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung - ohne den Strafrahmen anzugeben - eine Geldstrafe von S 3.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 300,-vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin zu Handen ihrer Rechtsvertreter am 23. Februar 1994 zugestellt worden ist, richtet sich die vorliegende Berufung vom 9. März 1994, die am gleichen Tage - und damit rechtzeitig - zur Post gegeben wurde, mit dem Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses.

2.1. Dem Straferkenntnis und der Aktenlage ist der folgende entscheidungswesentliche S a c h v e r h a l t zu entnehmen:

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2.

Februar 1991, Zl. Wa-200095/18-1991/Hz/Fr, wurde der J.

P Metallwaren Ges.m.b.H. & Co KG, in E, die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer abgeänderten Abwasserbeseitigungsanlage sowie zur Erweiterung der Vorreinigungsanlagen "bei gleichzeitiger Neufestsetzung des Maßes der Wasserbenutzung zur Einleitung der im Metallwarenbetrieb anfallenden betrieblichen Wässer in die Ortskanalisation der Stadt E und weiter in die E" erteilt. Der Inhalt der wasserrechtlichen Bewilligung wird in Punkt A) 2. in qualitativer Hinsicht hinsichtlich verschiedener Parameter näher festgelegt, wobei für die Summe der Kohlenwasserstoffe max. 20 mg/l und für flüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe (BTX) max. 0,1 mg/l vorgesehen sind. Dazu wird unter "F) Nebenbestimmungen" im Punkt 2. vorgeschrieben:

"Die Ableitung von halogenierten Kohlenwasserstoffen aus der Entfettung und Schleifpastenentfernung ist grundsätzlich untersagt. Die Kontamination des betrieblichen Abwassers durch flüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe bzw.

sonstige Organochlorverbindungen darf nur in jenem Maß vorliegen, als allenfalls eine Vorbelastung des Nutzwassers durch derartige Stoffe besteht." Mit weiterem Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Februar 1992, Zl.

Wa-200095/29-1992/Hz/Fr, wurde die J. P Metallwaren Ges.m.b.H. als die persönlich haftende Gesellschafterin der J. P Metallwaren Ges.m.b.H. & Co KG verpflichtet, bis zum 15. März 1992 die Ableitung von 1.1.1.-Trichlorethan aus dem Betrieb an der oben angeführten Adresse in die öffentliche Kanalisationsanlage der Stadtgemeinde E einzustellen.

Anläßlich einer Überprüfung der Abwassersituation am 9.

April 1992 durch den Amtssachverständigen wurden eine Stichprobe und eine mengenproportionale Mischprobe zur Analyse auf flüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe genommen. Die Analyse zeigte eine Belastung mit 1.1.1.-Trichlorethan von 1410 und 1270 Mikrogramm pro Liter.

Auch wenn dies im Vergleich zu früheren Untersuchungen eine sinkende Tendenz bedeutete, zeigte sich der Amtssachverständige überrascht und konnte sich die Belastungswerte vorweg nicht erklären, weil die Metallentfettungsanlage auf eine CKW-freie, alkalische Entfettung ohne Kühlwasserbedarf umgestellt worden war. Nach Ansicht des Amtssachverständigen wäre ein Zivilingenieur zur Ermittlung des Kontaminationsherdes zu beauftragen. Im übrigen attestierte er einen im wesentlichen konsensgemäßen Betrieb. Die stark erhöhten AOX-Werte in der Stichprobe und Kurzzeitmischprobe vom 9. April 1992 führte er überwiegend auf die hohe Belastung des Abwassers durch 1.1.1.Trichlorethan zurück (vgl Bericht des Amtssachverständigen für Chemie vom 5. Mai 1992). Bei früheren Überprüfungen im Jänner 1992 wurden noch wesentlich höhere Belastungswerte von 14470 und 12260 Mikrogramm pro Liter festgestellt.

1.1.1.-Trichlorethan wird als stark wassergefährdender Stoff bezeichnet, der biologisch nicht abbaubar ist und eine bakterientoxische Wirkung besitzt. Aufgrund dieser ökologischen Kenndaten sei dieser Stoff grundsätzlich dem Abwasser fernzuhalten.

Im Verwaltungsstrafverfahren hat die Bwin betont, daß 1.1.1.-Trichlorethan spätestens seit dem 15. März 1992 im Produktionsprozeß der J. P Ges.m.b.H. & Co KG nicht mehr verwendet wird. Für diese Tatsache wurden auch Zeugen namhaft gemacht. Die im Betrieb noch vorhandenen Lösungsmittel wurden am 9. März 1992 der S B Gesellschaft m.b.H. zur Entsorgung überlassen. Der entsprechende Auftrags- bzw Lieferschein 6554 vom 9. März 1992 wurde in Kopie vorgelegt. Da sich dennoch Lösungsmittel nach dem 15. März 1992 in den Abwässern befanden, habe man das Institut für Technologie, Prof. Dr. Dipl.-Ing. B S mit der Ursachenfindung beauftragt. Dieser habe Proben entnommen, deren Ergebnis demnächst vorliegen werde.

Sobald Aufschluß über die Ursache besteht, werde mit der Sanierung umgehend begonnen.

Zur Meinung der Strafbehörde, daß eine Grenzwertüberschreitung hinsichtlich flüchtiger aromatischer Kohlenwasserstoffe (BTX) vorgelegen wäre, verwies die Bwin auf den (nicht aktenkundigen) Untersuchungsbericht des Dipl.-Ing. Dr. techn. A B vom 23. Juni 1992 über Abwasserfrachten vom 13. - 15. April 1992. Die Summe der flüchtigen aromatischen Kohlenwasserstoffe (BTX, Benzol, Toluol, Xylol) habe am 13., 14. und 15. April 1992 0,678, 1,494 und 0,609 Mikrogramm/l betragen, womit in keiner Weise eine Überschreitung der im Bewilligungsbescheid vom 2.

Februar 1991 festgelegten Grenzwerte vorgelegen wäre.

Die belangte Strafbehörde ging davon aus, daß 1.1.1.-Trichlorethan - wie behauptet - nicht mehr Verwendung im Produktionsprozeß fand. Demgegenüber stehe aber fest, daß dieser Stoff noch am 9. April 1992 in der Abwasserbehandlungsanlage vorhanden war. Dem behördlichen Auftrag, die Ableitung einzustellen, sei daher nicht entsprochen worden.

In rechtlicher Hinsicht gab die Strafbehörde den § 5 Abs 1 VStG wieder und führte begründend aus, daß die Bwin zweifelsfrei fahrlässig gehandelt habe, da sie als gemäß § 9 VStG für die Einhaltung der behördlichen Vorschriften Verantwortliche verpflichtet gewesen wäre, bereits vor dem 15. März 1992 alle notwendigen Maßnahmen (z.B. Beauftragen eines kompetenten Instituts) zu setzen, um die Quelle der Verunreinigung festzustellen.

Zum Vorwurf der Abwässereinleitung in eine Kanalisation gemäß § 137 Abs 2 lit h) WRG 1959 unter Überschreitung des festgelegten Grenzwertes für flüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe (BTX) brachte die Strafbehörde die Einstellung des Strafverfahrens zur Kenntnis.

2.2. Die Berufung bekämpft das Straferkenntnis zur Gänze.

Der Vorwurf, nicht bereits vor dem 15. März 1992 alle notwendigen Maßnahmen gesetzt zu haben, wird als aktenwidrig bezeichnet. Der Produktionsprozeß sei auf ein neues Entfettungsmittel umgestellt worden und wäre in der Zeit vom 20. bis 25. Februar 1992 stillgelegt worden, um zu gewährleisten, daß eventuelle Rückstände des Trichlorethan verdampfen können. Um sicherzustellen, daß dieses Lösungsmittel auch nicht mehr irrtümlich verwendet werden kann, habe die Bwin den Abtransport bzw die Übergabe zwecks Entsorgung an die S B Gesellschaft m.b.H. am 9. März 1992 veranlaßt. Sie habe dadurch alles Erdenkliche getan und sichergestellt, daß innerhalb des Betriebes keine weitere Quelle für die Verunreinigung der Abwässer ursächlich sein konnte.

Die belangte Behörde habe völlig unbeachtet gelassen, daß sich in unmittelbarer Nähe eine Tankstelle befinde, von der die Verunreinigung ausgehen könnte. Erhebungen seien nicht gepflogen worden. Weiters grenze ein Wohnblock an das Betriebsgelände, dessen Bewohner die Firma vertreiben möchten. Es könne nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden bzw habe die belangte Behörde keine Prüfungen angestellt, ob allenfalls von diesem Wohnblock oder von anderen Anlagen verunreinigende Substanzen in das Abwasser gelangen. Zur Erläuterung wird darauf verwiesen, daß die Firma von der Stadt Enns beschuldigt worden war, verunreinigende Substanzen in das Kanalnetz eingeleitet zu haben. Messungen im Anschlußkanal hätten bewiesen, daß die Verunreinigungen nicht durch die Firma erfolgt wären.

Der Bwin sei kein fahrlässiges Verhalten vorwerfbar und das Straferkenntnis sei mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet.

2.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung mit der Bemerkung vorgelegt, daß die Verwaltungsübertretung vom Amtssachverständigen festgestellt worden sei. Eigene dienstliche Wahrnehmungen seien keine gemacht worden, weshalb der Begründung des Straferkenntnisses nichts hinzugefügt werden könne.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint. Da das Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben war, konnte auf die Durchführung einer Berufungsverhandlung verzichtet werden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 137 Abs 4 lit i) WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach Abs 5 einer strengeren Strafe unterliegt, und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 250.000,-- zu bestrafen, wer einem ihm gemäß § 138 Abs 1 erteilten Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nicht nachkommt.

Nach dem gegenständlich relevanten § 138 Abs 1 lit a) WRG 1959 ist derjenige, der die Bestimmungen des WRG 1959 übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

Unter eigenmächtig vorgenommenen Neuerungen gemäß dem § 138 Abs 1 lit a) WRG 1959 sind (auch aufrechterhaltene) bewilligungslose Maßnahmen zu verstehen, die entweder einer Bewilligung nach dem Wasserrechtsgesetz bedürfen oder die gar nicht bewilligungsfähig sind (vgl dazu im einzelnen mit zahlreichen Judikaturnachweisen Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht [1993], 577 Rz 6 zu § 138 WRG).

4.2. Es steht unbestritten fest, daß nach dem Inhalt der wasserrechtlichen Bewilligung vom 2. Februar 1991 zur Einleitung betrieblicher Abwässer in die Ortskanalisation von Enns lediglich für flüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe (BTX), nicht aber für flüchtige halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe (AOX) wie 1.1.1.-Trichlorethan ein Grenzwert von 0,1 mg/l vorgesehen war. Die Ableitung dieser Kohlenwasserstoffe war nämlich überhaupt nicht bewilligt (vgl dazu Punkt F) 2. des Bewilligungsbescheides vom 2.2.1991). Da es sich bei 1.1.1.-Trichlorethan um einen stark wassergefährdenden Stoff handelt, war die Einleitung des kontaminierten Abwassers in die Kanalisation rechtswidrig und Anlaß für den wasserpolizeilichen Auftrag des Landeshauptmannes vom 20.

Februar 1992.

Der wasserpolizeiliche Auftrag im Sinne des § 138 Abs 1 WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht demjenigen zu erteilen, der die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes übertreten hat. Adressat für eine Leistungsverpflichtung ist regelmäßig der berechtigte Anlagenbetreiber (Eigentümer oder verfügungsberechtigter Dritter; näher dazu Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, 587 Rz 19 f zu § 138 WRG). Gegenständlich wurde mit Bescheid vom 2. Februar 1991 der J. P Metallwaren Ges.m.b.H. & Co KG die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer abgeänderten Abwasserbeseitigungsanlage sowie zur Einleitung nach Parametern beschriebener betrieblicher Abwässer in die Ortskanalisation der Stadt Enns erteilt. Anlagenbetreiberin und Wasserberechtigte war demnach diese Kommanditgesellschaft, die auch allein als Adressatin für einen wasserpolizeilichen Auftrag gemäß § 138 Abs 1 WRG 1959 in Betracht kam. Dennoch hat der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 25.

Februar 1992 den wasserpolizeilichen Auftrag gemäß § 138 Abs 1 WRG 1959 ohne ersichtlichen Grund der J. P Metallwaren Ges.m.b.H. als der bloß persönlich haftenden und selbst nicht wasserberechtigten Gesellschafterin dieser Kommanditgesellschaft erteilt.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat zur Klarstellung Einsicht in das Firmenbuch genommen und festgestellt, daß die J. P Metallwaren Gesellschaft m.b.H. als einzige persönlich haftende Gesellschafterin die J. P Metallwaren, Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co, Kommanditgesellschaft, seit 1. Februar 1966 selbständig vertritt. Geschäftsführerin der Gesellschaft m.b.H. ist die Bwin.

4.3. Im angefochtenen Straferkenntnis wird der wasserpolizeiliche Auftrag - so wie es im wasserpolizeilichen Administrativverfahren richtig gewesen wäre - mit der Kommanditgesellschaft in Verbindung gebracht und der Bwin die Nichterfüllung des bescheidmäßig bezeichneten wasserpolizeilichen Auftrages "als § 9 Verantwortliche der J. P Metallwaren Ges.m.b.H. & Co KG" angelastet. Dem widerspricht allerdings der tatsächlich ergangene - und offensichtlich rechtskräftig gewordene wasserpolizeiliche Auftrag an die Gesellschaft m.b.H., die damit formell als wasserrechtlich Leistungsverpflichtete anzusprechen ist.

Da die Strafbehörde ihrem Straferkenntnis einen Sachverhalt, nämlich die bescheidmäßige Leistungsverpflichtung der Kommanditgesellschaft, zugrundegelegt hat, der nach dem Bescheid des Landeshauptmannes tatsächlich nicht zutrifft, war das Straferkenntnis bereits deshalb ersatzlos aufzuheben. Zur Änderung entsprechend dem ergangenen wasserpolizeilichen Auftrag war der unabhängige Verwaltungssenat, der gemäß § 66 Abs 4 AVG (§ 24 VStG) an die Sache des Berufungsverfahrens (= Tatanlastung laut Straferkenntnis) gebunden ist, nicht befugt, weil dies im Hinblick auf die Leistungsverpflichtungen verschiedener juristischer Personen einer Auswechslung der Tat gleichgekommen wäre.

Die Strafbehörde hat es ferner auch entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 757) unterlassen, die Organfunktion der Bwin genau zu bezeichnen. Diese war zur Vertretung der Kommanditgesellschaft nach außen gemäß § 9 Abs 1 VStG als Geschäftsführerin der persönlich haftenden und vertretungsbefugten Ges.m.b.H-Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft berufen.

Schließlich ist noch zu bemängeln, daß im Straferkenntnis entgegen den Konkretisierungsanforderungen des § 44a Z 1 VStG kein eindeutiger und unverwechselbarer Tatzeitraum für das angelastete fortgesetzte Delikt der Nichterfüllung des wasserpolizeilichen Auftrages angegeben wird.

4.3. Zum erstbehördlichen Vorwurf der Fahrlässigkeit:

4.3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat kann auch auf der Grundlage des erstbehördlich angenommenen Sachverhalts die Ansicht der Strafbehörde nicht teilen, wonach die Bwin zweifelsfrei fahrlässig gehandelt hätte. Der wasserpolizeiliche Auftrag enthält nur die Anordnung zur Einstellung der Ableitung von 1.1.1-Trichlorethan in die öffentliche Kanalisationsanlage bis längstens 15. März 1992.

Bereits am 9. März 1992 wurden die restlichen Bestände dieses Lösungsmittels zur Entsorgung an einen Abfallsammler übergeben. Nach der unwiderlegten Berufungsbehauptung wurde die Anlage vor der Umstellung auf alkalische Entfettung sogar einige Tage stillgelegt, damit Rückstände des Lösemittels 1.1.1.-Trichlorethan verdampfen konnten.

Die bescheidmäßige Leistungsverpflichtung war vernünftigerweise so zu verstehen, daß damit nicht eine bedenkliche Erfolgshaftung, sondern nur die Auflage erteilt werden sollte, im Produktionsprozeß nicht weiterhin das Lösemittel 1.1.1.-Trichlorethan zu verwenden. Besondere Beseitigungsmaßnahmen wurden mit dem wasserpolizeilichen Auftrag nicht vorgeschrieben. Dies unterblieb deshalb, weil sich auch der Amtssachverständige anläßlich der Überprüfung am 9.

April 1992 über die für ihn überraschende Belastungssituation nicht im klaren war und den Kontaminationsherd nicht ermitteln konnte. Es wäre aber gerade der Sinn des § 138 Abs 1 lit a) WRG 1959, die Beseitigung der eigenmächtigen Neuerung bescheidmäßig genau vorzuschreiben und nicht bloß einen inhaltlich unzureichenden Verwaltungsbefehl zur Einstellung der Ableitung von einem bestimmten Stoff zu erlassen. Denn damit wurde die schon bestehende wasserrechtliche Verpflichtung, nicht entgegen dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 2. Februar 1991 Einleitungen in die Kanalisationsanlage vorzunehmen (vgl § 137 Abs 2 lit h) WRG 1959) nur "verdoppelt". Man kann mit guten Gründen in Frage stellen, ob derartige überflüssige wasserpolizeiliche Aufträge, die bei materiell identischem Verstoß gegen wasserrechtliche Verpflichtungen nur zur Anwendung des qualifizierten Delikts gemäß § 137 Abs 4 lit i) WRG 1959 (Strafrahmen S 250.000,--) anstatt des § 137 Abs 2 lit h) WRG 1959 (Strafrahmen S 30.000,--) führten, überhaupt zulässig oder qualifikationsbegründend sein können. Es geht jedenfalls nicht an, unterlassene Beseitigungsmaßnahmen oder Vorkehrungen als Verstoß gegen einen wasserpolizeilichen Auftrag anzulasten, der diesbezüglich weder ausdrückliche Vorschreibungen noch die geringste Aussage enthält.

4.3.2. Im übrigen ist der unabhängige Verwaltungssenat der Ansicht, daß die Strafbehörde von einem verfehlten Sorgfaltsmaßstab ausgegangen ist. Es kommt insofern auf das Verhalten an, das von der differenzierten Maßfigur des einsichtigen und besonnenen Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters in der konkreten Situation erwartet werden durfte (vgl dazu näher mwN Burgstaller, Wiener Kommentar, § 6 Rz 36 und 38; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A [1992], § 6 Rz 6 und 12; Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil I, 3. A [1990], § 80 Rz 16) Die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht dürfen dabei nicht überspannt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Recht ausgesprochen, daß nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern erst die Verletzung von Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den Umständen vernünftigerweise auferlegen darf, das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit ausmacht (vgl VwSlg 12947 A/1989; VwGH 28.10.1980, 2244/80; VwSlg 9710 A/1978).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann auch die Unterlassung von vorbeugenden Maßnahmen der Bwin nicht als objektive Sorgfaltswidrigkeit angelastet werden, wenn doch sogar der Amtssachverständige für Chemie die Belastung der Abwässer mit rückständigem 1.1.1.-Trichlorethan als Überraschung empfand und sich die Kontamination der Abwasserbeseitigungsanlage nicht erklären konnte. Die grundsätzliche Möglichkeit der Belastung des Abwassers mit 1.1.1.-Trichlorethan nach dem 15. März 1992 trotz der erfolgten Umstellung des Entfettungsvorganges auf alkalische Lösemittel war schon objektiv nicht vorhersehbar. Da nicht einmal der Amtssachverständige für Chemie mit Rückständen gerechnet hatte, brauchte dies die Bwin umso weniger tun.

Deshalb waren entgegen der Ansicht der Strafbehörde auch von einer einsichtigen und besonnenen Geschäftsführerin keinerlei Maßnahmen zur Feststellung einer nicht vorhersehbaren Quelle der Verunreinigung zu erwarten. Schon aus diesen Überlegungen ist die Berufung im Recht.

4.4. Demgegenüber laufen die weiteren unsubstantiierten Berufungsbehauptungen zur Frage möglicher dritter Verursacher von Kontaminationen, die erstmals im Berufungsverfahren aufgestellt werden, auf bloße Erkundungsbeweise hinaus, die von der Strafbehörde nicht aufgenommen werden mußten (vgl dazu und zur Mitwirkungspflicht ua VwGH 15.9.1994, 94/09/0139; VwGH 30.8.1991, 91/09/0056; VwSlg 12936 A/1989). Aus der Aktenlage sind keine Anhaltspunkte für denkbare fremde Verunreinigungen mit 1.1.1.-Trichlorethan innerhalb der betrieblichen Abwasseranlage der J. P Metallwaren Ges.m.b.H & Co KG - die kontaminierten Proben wurden dort und nicht etwa in der öffentlichen Kanalisation gezogen - zu entnehmen.

5. Im Ergebnis war das Straferkenntnis wegen mehrfacher inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Deshalb entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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