Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260132/2/Wei/Bk

Linz, 29.05.1995

VwSen-260132/2/Wei/Bk Linz, am 29. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Ing. H S, vom 29. April 1994 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 15. April 1994, Zl.

Wa 96-27/01-1994/Sch/Raf, mit dem eine Ermahnung wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs 3 lit d) Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 (BGBl Nr. 215/1959 idF BGBl Nr. 252/1990) erteilt worden ist, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid vom 15. April 1994 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und ermahnt:

"Sie haben es als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Laborleiter der österreichischen S AG. beim Werk S in E am 03.11.1993 um ca 12.00 Uhr verabsäumt, bei der Beaufsichtigung des Betriebes die notwendige Sorgfalt aufzuwenden, weshalb aufgrund einer Fehlschaltung ein Kalkvorratsbehälter überlaufen und die Kalkmilch in die T gelangen konnte." Durch die so umschriebene Tatanlastung erachtete die belangte Strafbehörde die Rechtsvorschrift des § 137 Abs 3 lit d) iVm § 31 Abs 1 und § 30 WRG 1959 als verletzt, sah gemäß § 21 Abs 1 VStG von der Verhängung einer Strafe ab und erteilte eine Ermahnung.

In der Begründung wird der Schuldspruch nicht erläutert, sondern nur pauschal behauptet, daß die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 VStG vorliegen. Eine Ermahnung sei ausgesprochen worden, um den Bw vor weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

1.2. Gegen diese Ermahnung, die dem Bw am 20. April 1994 durch RSb-Brief zugestellt worden ist, richtet sich die am 2. Mai 1994 - und damit rechtzeitig - bei der belangten Behörde eingelangte Berufung vom 29. April 1994, mit der der Bw sein Verschulden bestreitet.

2.1. Die Berufung führt begründend aus, daß es nicht zum Aufgabenbereich des Bw als Laborleiter der S E gehört, bei der Durchführung von Wartungsarbeiten bzw bei für den Betriebsablauf notwendigen Arbeiten anwesend zu sein bzw diese zu beaufsichtigen. Von den damaligen Arbeiten und Fehlbedienungen habe der Bw erst nachträglich durch den Anruf der Gendarmerie Kenntnis erhalten. Mit der Berufung legte er ein Schreiben der S E an die Berghauptmannschaft Salzburg und eine Aktennotiz zum gegenständlichen Vorfall vor. Der Fehler im Sicherheitssystem "Solereinigungs-Kanal" (Verzögerung bei der Meßwertaufnahme) wäre auch vom Bedienungspersonal nicht vorhersehbar gewesen. Aufgrund des Vorfalles sei angeordnet worden, daß bis zur Installation einer zuverlässigen Überwachungseinrichtung die Absperrklappe manuell geschlossen bleibt.

Abschließend resümiert der Bw, daß er weder seine Aufsichtspflicht verletzt noch eine strafbare Handlung begangen habe. Er bittet daher, seiner Berufung gegen die "Ermahnung" stattzugeben.

2.2. Die belangte Behörde hat die Berufung und ihren Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt, "die Abweisung der Beschwerde" und den Zuspruch eines pauschalierten Aufwandersatzes begehrt, obwohl dieser in einem Strafverfahren nach dem VStG nicht vorgesehen ist.

Inhaltlich wurde zur Berufung keine Stellungnahme abgegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsstrafakten festgestellt, daß der angefochtene Ermahnungsbescheid bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war daher entbehrlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 137 Abs 3 lit d) WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach Abs 4 oder 5 strengerer Strafe unterliegt, und ist gemäß Abs 3 mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer durch Außerachtlassung der ihn gemäß § 31 Abs 1 treffenden Sorgfaltspflicht eine Gewässerverunreinigung bewirkt.

Nach § 31 Abs 1 WRG 1959 hat jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen und Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, mit der im Sinne des § 1297 oder zutreffendenfalls des § 1299 ABGB gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 WRG 1959 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

Gemäß § 30 Abs 2 WRG 1959 wird unter Verunreinigung der Gewässer jede Beeinträchtigung der natürlichen Beschaffenheit des Wassers in physikalischer, chemischer und biologischer Hinsicht (Wassergüte) und jede Minderung des Selbstreinigungsvermögens verstanden.

Das Erfolgsdelikt des § 137 Abs 3 lit d) WRG 1959 setzt den Eintritt einer Gewässerverunreinigung voraus. Nach der strengen Richtlinie des § 30 Abs 2 WRG 1959 genügt schon jede Beeinträchtigung der Wassergüte. Durch den aktenkundigen Analysenbericht des Amtssachverständigen für Chemie vom 10. November 1993 ist für den Zeitpunkt der Probenahme erwiesen, daß die ausgelaufene Kalkmilch neben der vorübergehenden Trübung einen leicht überhöhten pH-Wert von 8,6 bzw eine höhere Alkalinität der T bewirkte. Nach Angaben des Bw gelangten etwa 15 m3 Kalkmilch in die T, bevor das automatische Sicherheitssystem den Kanal absperrte. Die dadurch bewirkte Gewässerverunreinigung war eher geringfügig. Folgeschäden sind nicht nachgewiesen worden.

4.2. Die belangte Behörde hat dem Bw "als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichem Laborleiter" angelastet, er habe es verabsäumt, bei der Beaufsichtigung des Betriebes die notwendige Sorgfalt aufzuwenden, weshalb ein Kalkvorratsbehälter infolge Fehlschaltung überlaufen und Kalkmilch in die T hätte gelangen können.

Mit diesem Vorwurf hat die Strafbehörde keine iSd § 44a Z 1 VStG hinreichend konkretisierte Tat angelastet (vgl näher zur Konkretisierungspflicht Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 937 ff). Die entscheidungswesentliche Tatfrage der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt wurde damit nicht in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise gelöst. Vielmehr fehlen konkrete Anhaltspunkte über allfällige Sorgfaltsmängel des Bw im Zusammenhang mit den betrieblichen Abläufen, die zur Gewässerverunreinigung führten. Die unsubstantiierte abstrakte Behauptung des Sorgfaltsmangels bei der betrieblichen Aufsicht ist für einen Fahrlässigkeitsvorwurf unzureichend. Der Schuldspruch läßt keine eindeutige und unverwechselbare Zuordnung zu den Fahrlässigkeitsmerkmalen des § 137 Abs 3 lit d) WRG 1959 zu, weil er unter gravierenden Feststellungsmängeln leidet, die eine rechtsrichtige Subsumtion unter den Fahrlässigkeitsbegriff von vornherein ausschließen.

4.3. Die belangte Behörde hat den entscheidungswesentlichen Sachverhalt gar nicht im einzelnen erhoben, sondern einfach den Bw als Laborleiter der S E als den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen behandelt, ohne weitere Ermittlungen zu rechtserheblichen Fragen anzustellen. Eine nähere Beurteilung der entscheidungswesentlichen Rechtsfragen hätte die genaue Erhebung des Unfallherganges, der Rolle der dabei tätigen Personen, ihrer betrieblichen Aufgaben und allfälliger Versäumnisse vorausgesetzt. Es war keineswegs von vornherein klar, daß nur der Laborleiter als möglicher Fahrlässigkeitstäter in Betracht kommt. Auch andere Betriebsangehörige konnten den Störfall schuldhaft unter Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten herbeigeführt haben. Nach Darstellung des Bw kam es im Zuge von Wartungsarbeiten zum Überlaufen eines Kalkmilch-Vorratsbehälters in den Solereinigungskanal, wo das Sicherheitssystem wegen verzögerter Meßwertaufnahme die Absperrklappe verspätet schloß. Wessen allfällige Fehlleistungen diesen Störfall verursacht haben und ob seitens der Betriebsleitung eine hinreichende Störfallvorsorge vorgesehen war, hat die Strafbehörde nicht erhoben. Die Verantwortung des Bw, wonach es nicht zu seinen Aufgaben als Laborleiter gehört, bei betrieblichen Abläufen anwesend zu sein und diese gleichsam permanent zu beaufsichtigen, ist schlüssig und durchaus zur Entlastung geeignet. Die Strafbehörde hat keine anderen Versäumnisse nachgewiesen, weshalb der Bw zu Unrecht schuldig gesprochen und gemäß § 21 Abs 1 VStG ermahnt worden ist. Es war daher der Ermahnungsbescheid aufzuheben und das Strafverfahren auch im Hinblick auf die mittlerweile eingetretene Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

Da es sich gegenständlich um ein fahrlässiges Erfolgsdelikt handelte, war die Beweislastumkehr des § 5 Abs 1 Satz 2 VStG nicht anwendbar. Die Strafbehörde hätte daher alle für den Fahrlässigkeitsvorwurf in objektiver und subjektiver Hinsicht entscheidungswesentlichen Tatsachen von Amts wegen ermitteln und die notwendigen Feststellungen treffen müssen.

5. Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG nur bei einer Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates vorgesehen, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird. Abgesehen davon, daß die Berufung erfolgreich war, ist ein Ermahnungsbescheid nicht als Straferkenntnis anzusehen (vgl auch Hauer/Leukauf, Handbuch, 4. A [1990], 812 Anm 3 zu § 21 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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