Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-260180/2/Wei/Bk

Linz, 18.04.1996

VwSen-260180/2/Wei/Bk Linz, am 18. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des A K, geb. 1927, R, vom 8. Mai 1995 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 11.

April 1995, Zl. Wa 96-10-1994-Lac, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 WRG 1959 (BGBl Nr. 215/1959 idF BGBl Nr. 252/1990) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 11. April 1995 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie sind als im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der 'O Erzeugungs- und Vertriebsges.m.b.H.' dem ihr vom Amt der o.ö.

Landesregierung mit Bescheid vom 30.3.1993, Wa-600492/178-1993/Ort/Kes, gemäß § 138 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz erteilten Auftrag, die beim Betrieb in H, erfolgte Einleitung sämtlicher betrieblicher Abwässer in den Vorfluter "S" unverzüglich einzustellen und durch geeignete Maßnahmen bis längstens 1.3.1994 auf Dauer die Möglichkeit einer derartigen Ableitung zu unterbinden, nicht nachgekommen, weil, wie beim Lokalaugenschein am 30.8.1994 festgestellt wurde, nach wie vor betriebliche Abwässer in schlecht gereinigtem Zustand (farbbelastet, nicht geruchlos) in die S, wo im Einleitungsbereich eindeutige, massive Beeinträchtigungen feststellbar waren, eingeleitet werden." Dadurch erachtete die belangte Strafbehörde den § 137 Abs 4 lit i) WRG 1959 als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte nach dem Strafrahmen des § 137 Abs 4 WRG 1959 eine Geldstrafe von S 3.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 300,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 26. April 1995 durch Hinterlegung beim Zustellpostamt zugestellt wurde, richtet sich die am 9. Mai 1995 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung vom 8. Mai 1995, mit der erschließbar die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

2. Der Aktenlage ist der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t zu entnehmen:

2.1. Mit Bescheid des Amtes der o.ö. Landesregierung (richtig: Landeshauptmannes von Oberösterreich) vom 30. März 1993, Zl. Wa-600492/17-1993, wurde im Spruchabschnitt I der "O Erzeugungs- und Vertriebs Gesellschaft m.b.H.", J, gemäß § 138 Abs 1 WRG 1959 aufgetragen, die entgegen der wasserrechtlichen Bewilligung vom 17. August 1973, Wa-1057/3-1973, bei ihrem Betrieb R Gemeinde H, erfolgende Einleitung sämtlicher betrieblicher Abwässer in den Vorfluter "S" unverzüglich einzustellen und durch geeignete Maßnahmen bis längstens 30. April 1993 auf Dauer die Möglichkeit einer derartigen Ableitung zu unterbinden.

Dieser Bescheid wurde vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 18. Jänner 1994 bestätigt und die Erfüllungsfrist mit 1. März 1994 bestimmt. Der nach Geschäftszahl nicht näher bezeichnete Berufungsbescheid befindet sich nicht im vorgelegten Aktenkonvolut.

Im Verwaltungsstrafverfahren erklärte der Bw, daß anläßlich der wasserrechtlichen Verhandlung am 30. August 1994 die wasserrechtliche Bewilligung in Aussicht gestellt worden wäre, daß aber die (gemeint zwischenzeitige) Einleitung der Abwässer nicht erlaubt worden wäre (Niederschrift vom 7.12.1994). Anläßlich der strafbehördlichen Vernehmung vom 31. Jänner 1995 erklärte der Bw, daß er irrtümlich angenommen hätte, daß die Abwässer bis zur Einreichung des Abwasserprojekts eingeleitet werden dürften.

2.2. Im Strafakt befindet sich die Kopie eines mit 25.

September 1992 datierten Schreibens der "O vertriebsges.mbh.", J an die Gewerbeabteilung der belangten Behörde mit folgendem Inhalt:

"Betrifft: Vollmachtserteilung Sehr geehrte Damen und Herren! Ich O K beauftrage meinen Vater Herrn A mich in meiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma P Ges.m.b.H. am Produktionsstandort in H nach außenhin zu vertreten.

Wir ersuchen um Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen Firmenstempel unleserliche Unterschrift" 2.3. Im angefochtenen Straferkenntnis ging die belangte Behörde davon aus, daß keine Maßnahmen zur Abstellung des gesetzwidrigen Zustandes getroffen wurden und daß zumindest eine grob fahrlässige Handlungsweise vorzuwerfen wäre. Die im untersten Bereich des Strafrahmens angesiedelte Strafe von S 3.000,-- wäre unter Berücksichtigung der Einkommensund Vermögensverhältnisse bemessen worden, wobei die bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen wäre. Eine Begründung für die Verantwortlichkeit nach § 9 Abs 2 VStG wurde nicht gegeben.

2.4. In der Berufung wird weitgehend unschlüssig angeführt, daß mehrere Ansuchen um Aufschub des Einmündungsverbotes eingebracht worden wären. Ein Aufschub wäre auch immer erteilt worden, wobei der letzte Termin 1. März 1994 gleich dem der Einreichung des Abwasserprojekts gewesen wäre. Damit wäre alles in Ordnung gewesen. Nachträglich hätte der Bw erfahren, daß noch einmal ein Ansuchen bis zur Baubewilligung bzw zur Einmündungsmöglichkeit in den Kanal hätte eingebracht werden müssen.

Es wäre nicht möglich, die Arbeit einzustellen und nach Errichtung des Kanals wieder zu beginnen. Der Bw wäre der Ansicht gewesen, daß mit Einreichung des Abwasserprojekts das Einleitungsverbot in die S aufgehoben war. Hätte die Firma vor dem 1. März 1993 um Fristverlängerung angesucht, wäre diese auch erteilt worden. Es möge berücksichtigt werden, daß der Betrieb bereits seit 1992 eine Kläranlage habe und daß "bei der Stillegung des jetzigen Betriebkanals" alle Leute ohne Arbeit wären.

2.5. Die belangte Behörde hat die Berufung mit ihrem teilweise unvollständigen Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis aus anderen als in der Berufung vorgebrachten Gründen bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Die belangte Behörde hat den festgestellten Sachverhalt zu Recht unter die Verwaltungsübertretung des § 137 Abs 4 lit i) WRG 1959 subsumiert und bis auf die fehlende Angabe der Berufungsentscheidung des BMLW vom 18. Jänner 1994 auch einen ausreichend konkretisierten Spruch formuliert. Die gegen den Schuldspruch vorgetragenen Einwendungen des Bw sind nicht geeignet, die zugestandene Nichterfüllung des wasserpolizeilichen Auftrags in der nach der Aktenlage ausgewiesenen Tatzeit vom 2. März 1994 bis 30. August 1994 zu entschuldigen. Ein entschuldigender Rechtsirrtum liegt nicht vor, weil die Wasserrechtsbehörde schon nach den Angaben des Bw im strafbehördlichen Ermittlungsverfahren keinerlei Anlaß für berechtigte Mißverständnisse geboten hat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Rechtsirrtum nur entschuldigen, wenn er erwiesenermaßen unverschuldet ist (vgl etwa VwGH 4.3.1992, 91/03/0097,0098; VwGH 12.8.1994, 94/02/0226). Der bloße Umstand, daß in einer Frage Rechtsunsicherheit herrscht, berechtigt noch nicht dazu, sich ohne weiteres für die günstigste Variante zu entscheiden. Vielmehr hätte sich der Bf einschlägig informieren und den allfälligen Nachweis unrichtiger amtlicher Rechtsauskünfte erbringen müssen (vgl VwGH 15.12.1994, 94/09/0092).

4.2. Dennoch kann der Bw entgegen der Ansicht der Strafbehörde nicht für die angelastete Verwaltungsübertretung verantwortlich gemacht werden, weil er nach der Aktenlage nicht als verantwortlicher Beauftragter angesehen werden kann.

Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 und Abs 4 VStG besteht die Möglichkeit der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten, der nicht dem Kreise der zur Vertretung nach außen Berufenen angehört, für einen bestimmten räumlich oder sachlich abgegrenzten Unternehmensbereich. Nach § 9 Abs 4 VStG muß der verantwortlich Beauftragte seiner Bestellung nachweislich zugestimmt haben. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung (seit verst Sen v 16.1.1987 VwSlg 12375 A/1987), daß der verantwortliche Beauftragte erst ab dem Zeitpunkt seiner nachweislichen Zustimmung an die Stelle des sonst gemäß § 9 Abs 1 VStG Verantwortlichen tritt. Dabei ist der Nachweis durch ein Beweisergebnis zu erbringen, das schon vor Begehung der Tat etwa in Form einer Urkunde oder Zeugenaussage vorhanden war.

Es genügt nicht, wenn sich der Beschuldigte auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten beruft, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (vgl näher VwGH 12.12.1991, 19/06/0084). Auch die einseitige Erklärung, die Verantwortung zu übernehmen, oder die stillschweigende Funktionsübernahme kommt nach dem Gesetzeswortlaut nicht in Betracht (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 759).

Nach der Aktenlage hat die O und vertriebsgesellschaft m.b.H. mit Schreiben vom 25. September 1992 der Gewerbeabteilung der belangten Behörde lediglich mitgeteilt, daß der Bw seinen Sohn O in der Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma P Ges.m.b.H. am Produktionsstandort in H vertrete. Mit dieser Formulierung wurde inhaltlich keine Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften iSd § 9 Abs 2 VStG übertragen.

Außerdem kann durch eine solche einseitige Mitteilung der erforderliche Bestellungsakt iSd § 9 Abs 4 VStG, dem der verantwortliche Beauftragte nachweislich zugestimmt haben muß, nicht nachgewiesen werden. Dieser müßte nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durch ein Beweisergebnis vor Begehung der angelasteten Tat (Bestellungsurkunde, Protokoll oä) nachgewiesen werden. Eine nachträgliche Behauptung oder etwa die bloße Berufung auf nachträgliche Zeugenaussagen genügt nie. Außerdem muß nach dem § 9 Abs 4 VStG ein klar abgegrenzter Bereich der Verantwortlichkeit festgeschrieben und eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen sein. Diese gesteigerten Anforderungen werden durch die aktenkundige Vollmachtserteilung vom 25. September 1992 nicht erfüllt.

Da der erforderliche Nachweis im erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht erbracht worden ist, hätte die Strafbehörde gemäß § 9 Abs 1 VStG ungeachtet der unbeachtlichen Mitteilung der genannten Gesellschaft m.b.H.

von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit der organschaftlichen Vertreter ausgehen müssen. Zur genauen Bezeichnung der juristischen Person und zur Ermittlung des handelsrechtlichen Geschäftsführers wäre es sinnvoll gewesen, einen Firmenbuchauszug mit historischen Daten für die relevante Tatzeit einzuholen.

5. Im Ergebnis steht jedenfalls fest, daß der keine Geschäftsführerfunktion bekleidende Bw mangels wirksamer Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nicht hätte bestraft werden dürfen. Das Strafverfahren gegen den Bw war daher aus diesem Grund gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG (der Beschuldigte hat die ihm zur Last gelegte Straftat nicht begangen) einzustellen. Gemäß § 66 Abs 1 VStG entfällt auch die Verpflichtung des Bw zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß