Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260343/3/Ste

Linz, 08.02.2005

 

 VwSen-260343/3/Ste Linz, am 8. Februar 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des Dipl.Ing. K K, vertreten durch W/K & Partner, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Gmunden vom 3. Jänner 2005, Zl. Wa96-44/06-2004, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Wasserrechtsgesetz 1959, zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wird eingestellt.
  2. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG; § 45 Abs. 1 VStG; § 51c VStG.

zu II.: § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Gmunden vom 3. Jänner 2005, Zl. Wa96-44/06-2004, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) als Vorstand der S Austria AG in fünf Fällen Geldstrafen in Höhe von 65 bis 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 bis 46 Stunden) verhängt, weil er es als Vorstand der Sn Austria AG zu vertreten habe, "dass die im Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 14. Juli 1978, Wa-169/5-1978, festgelegten Grenzwerte für das Maß der Wasserbenutzung in quantitativer und qualitativer Hinsicht für die Ableitung der betrieblichen Abwässer der beim Betrieb der S S anfallenden häuslichen Abwässer, Kühlwässer und betrieblichen Abwässer sowie Niederschlagswässer in die Traun bzw. den Traunsee" an im Straferkenntnis genau genannten Tagen, zum Teil erheblich, wie aus einer im Spruch angeführten Tabelle angeführt, überschritten wurden. Die folgenden (fünf) Tabellen enthalten jeweils in der ersten Spalte das Datum der "Tage der Überschreitungen" oder die "Überschreitung im Jahr 2003". Die mittlere Spalte gibt jeweils den gemessenen Wert ("t/d", "m³/d" oder "m³/a") an. In der rechten Spalte ist jeweils - ohne weiteren konkretisierenden Hinweis - wörtlich angegeben:

Zu 1):


Grenzwert gemäß Spruchabschnitt I., 2a) des oben angeführten Bescheides:

2. Mit den Abwässern dürfen eingebracht werden
a) in den Traunsee über die Schlammein
bringungsanlage der ESW:
an gelösten Stoffen:
t/Betriebstag
NaCl 11,78
CaSO4 0,13
Na2SO4 0,20
KCl 0,38
NaOH 0,03
GESAMT
12,52

Zu 2):


Grenzwert gemäß Spruchabschnitt I., 1b), des oben angeführten Bescheides:

1.b) Zur Ableitung in den Traunfluss dürfen nur gelangen:
- das Kondensat aus der Thermokompressionsanlage in einer Menge von max. 1,178.800 m³/a (dies entspricht 3.840 m³/Betriebstag bzw. 160 m³/h)

Zu 3):


Grenzwert gemäß Spruchabschnitt I., 2b), des oben angeführten Bescheides

2. Mit den Abwässern dürfen eingebracht werden
b) in den Traunsee über die Einbringungsstelle der ESW für gelöste Stoffe an gelösten Stoffen:
KCl 26,66 t/Betriebstag
Na2SO4 23,59 t/Betriebstag
GESAMT
50,25 t/Betriebstag

Zu 4):


Grenzwert gemäß Spruchabschnitt I., 1b), des oben angeführten Bescheides:

1.b) Zur Ableitung in den Traunfluss dürfen nur gelangen:
- das Kondensat aus der Thermokompressionsanlage in einer Menge von max. 1,178.800 m³/a (dies entspricht 3.840 m³/Betriebstag bzw. 160 m³/h)

Zu 5):


Grenzwert gemäß Spruchabschnitt I., 1a.) des oben angeführten Bescheides:

Zur Ableitung in den Traunsee darf nur der entsohlte Schlamm aus der Sohlereinigung und das zur Aufschlämmung erforderliche Brüdenkondensat in einer Menge von insgesamt max. 213.672 m³/a (dies entspricht 696 m³/Betriebstag bzw. 29 m³/h) gelangen.

 

Dadurch habe der Bw eine Übertretung des § 137 Abs. 2 Z. 5 in Verbindung mit § 32 und § 137 Abs. 7 des Wasserrechtsgesetzes 1959 und § 9 Abs. 1 VStG begangen, weshalb er nach der genannten Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes 1959 zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu - nach Wiederholung der entsprechenden Spruchpunkt des Bescheids aus dem Jahr 1978 (wobei allerdings zusätzlich Tabellensummen gebildet und angeführt wurden, die sich im Bescheid aus dem Jahr 1978 nicht finden) - im Wesentlichen ausgeführt, dass von der Abteilung Wasserwirtschaft, Aufgabenbereich Gewässerschutz, des Amts der Oö. Landesregierung der belangten Behörde als Strafbehörde mitgeteilt worden sei, dass die im angeführten Bewilligungsbescheid festgelegten Grenzwerte an den im Spruch angeführten Tagen zum Teil erheblich überschritten worden seien. Die im Rahmen der Eigenüberwachung seitens des Betriebes vorgelegten Monatsmeldungen seien überprüft worden. Die 10 %ige Messtoleranz sei bereits berücksichtigt worden. Es läge in der Verantwortlichkeit der Konsensinhaberin, die Betriebsweise so zu ändern, dass der Konsens eingehalten werden könne. Der Berufungswerber sei Direktor der Betriebsstätte und für die Produktion verantwortlicher Entscheidungsträger, was und in welchem Umfang pro Tag produziert werde. Es sei Aufgabe des Betriebsverantwortlichen, seine Produktion so zu steuern, dass permanente vorgeschriebene Tagesgrenzwerte/-frachten nicht überschritten würden. Erwiesenermaßen würden die Überschreitungen aus einer massiven Produktionserhöhung in Verbindung mit der Inbetriebnahme eines dritten Verdampfers resultieren. Nach Rücksprache mit der Bewilligungsbehörde seien ausnahmslos die Tageswerte die für die Beurteilung maßgeblichen Werte. Die im "Altbescheid" der S unübliche Festlegung einer Jahresfracht würde aus dem damaligen Konsensantrag resultieren.

Darüber hinaus enthält die Begründung des Straferkenntnisses Ausführungen im Zusammenhang mit verschiedenen Einwendungen des nunmehrigen Bw im bis dahin durchgeführten Verfahren, Erwägungen zur Schuld und zur Strafbemessung.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seiner Vertreter am 10. Jänner 2005 zugestellt wurde, richtet sich die am 24. Jänner 2005 - und somit rechtzeitig - zur Post gegebene und bei der belangten Behörde am 25. Jänner 2005 eingelangte Berufung.

 

Darin bringt er im Wesentlichen vor, das Verwaltungsstrafverfahren sei mangelhaft durchgeführt worden, auf seine Rechtfertigung vom 17. September 2004 sei nicht ausreichend eingegangen worden. Bei zahlreichen Besprechungen mit der Wasserrechtsbehörde, bei denen auch der Amtssachverständige für Biologie anwesend gewesen sei, sei die bescheidmäßig falsche Beurteilung der "Gipslöslichkeit" erörtert worden. Auf diesen Umstand sei auch bei der Eingabe für das neu beantragte Wasserrecht hingewiesen und die Ableitungsfracht berichtigt worden. Im Bescheid selbst sei eine Tagesgesamtmengenbegrenzung nicht angeordnet. Es seien die im Bescheid angeführten Jahresmengen als Jahresfracht einzuhalten. Die Tageshöchstmengen dürften zur Bewertung nicht herangezogen werden. Diesbezüglich wird auf das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 27. August 2002, VwSen-260278/2, hingewiesen.

 

Der Wasserrechtsbescheid vom 23. August 1999, Wa-102164/50, betreffend das Kondensat sei mit der dort genehmigten Menge zu berücksichtigen, nicht nur die Menge des Bescheides 1978. Die bei der S gemessene Ableitmenge sei nicht gleichzusetzen mit der Einwirkung auf die Gewässer, da zur S abgeleitet und dort zwischengelagert werde, die Einwirkung auf die Gewässer selbst aber im Ermittlungsverfahren nicht festgestellt worden sei.

 

Die Tageshöchstwerte seien keine Auflagen im rechtlichen Sinne, die Auflagen des Bescheides 1978 würden sich an Jahresmengen orientieren. Dem Vorwurf, es seien Tagesgrenzwerte überschritten worden, fehle die entsprechende Rechtsgrundlage. Gemäß § 21 Abs. 3 WRG sei der Betrieb des dritten Verdampfers und die Einleitung der daraus anfallenden Abwässer in den Traunfluss und in den Traunsee genehmigt, da diesbezüglich beim Verwaltungsgerichtshof ein Beschwerdeverfahren anhängig sei und gemäß § 21 Abs. 3 WRG der Ablauf der Bewilligungsdauer bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof gehemmt sei. Laut Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zu VwSen-260278/2 vom 27. August 2002 genüge es, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die an einem Verschulden zweifeln lassen; solche Anhaltspunkte seien im vorliegenden Fall gegeben; es sei nicht zwingend ableitbar, dass die durch ein Rechenoperat ermittelten Tagesmengen nicht überschritten werden dürften, auch nicht, dass nur an 307 Arbeitstagen produziert werden dürfe; auch sei die Abwasserabgabemenge aus dem Werk S nicht gleichzusetzen mit der Einleitmenge. Es läge daher, wenn überhaupt, nur geringfügiges Verschulden im Sinne des § 21 VStG vor. Im Übrigen sei die Strafbemessung wesentlich zu hoch.

Im Übrigen wurde bereits 1993 das Wasserrecht neu beantragt; mit dem Projekt in der Endfassung vom 15. September 2003 (wasserrechtliche Verhandlung am 8. Oktober und 12. November 2004) wären alle in der Vergangenheit aufgetretenen Überschreitungsprobleme, die aus dem Bescheid von 1978 und der dort falsch beurteilten "Gipslöslichkeit" herrühren, beseitigt. Die entsprechende Zustellung des Bescheids sei noch für Jänner 2005 in Aussicht gestellt worden.

Abschließend wird beantragt, das Straferkenntnis aufzuheben, nach § 21 VStG vorzugehen, das Verfahren ganz einzustellen oder eine geringere Geldstrafe zu verhängen.

 

2. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde zu Zl. Wa44-06-2004. Eine - auch in der Berufung beantragte - öffentliche mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG entfallen.

2.2. Aus dem vorliegenden Akt geht folgender Sachverhalt hervor:

2.2.1. Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 14. Juli 1978, Wa-169/5, wurde der Österreichischen Sn AG eine wasserrechtliche Bewilligung zur Ableitung der im Betrieb der S S anfallenden häuslichen Abwässer, Kühlwässer und betrieblichen Abwässer sowie Niederschlagswässer in die Traun bzw. den Traunsee und Befristungen, Bedingungen und Auflagen erteilt. Dort ist in den Punkten I.1a, I.1b, I.2a und I.2b, I.5, I.12 ua. wörtlich ausgeführt:

"1a) Zur Ableitung in den Traunsee darf nur der entsolte Schlamm aus der Solereinigung und das zur Aufschlämmung erforderliche Brüdenkondensat in einer Menge von insgesamt max. 213.672 m³/a (dies entspricht 696 m³/Betriebstag bzw. 29 m³/h) gelangen.

1b) Zur Ableitung in den Traunfluss dürfen nur gelangen:

2. Mit den Abwässern dürfen eingebracht werden:

    1. In den Traunsee über die Schlammeinbringungsanlage der ESW:
    2. an Fesstoffen: t/a Betriebstag

      [...]

      an gelösten Stoffen:

      NaCl 3.617 11,78

      CaSO4 40 0,13

      Na2SO4 61 0,20

      KCl 117 0,38

      NaOH 9,6 0,03

    3. in den Traunsee über die Einbringungsanlage der ESW für gelöste Stoffe

an gelösten Stoffen:

KCl 8.186 t/a 26,66 t/Betriebstag

Na2SO4 7.243 t/a 23,59 t/Betriebstag.

[...]

5. [...] Bei der Berechnung wird eine meßtechnische Grenze der Genauigkeit von 10 % zugestanden. [...] Die Werte des Kontrollbuches sind der Wasserrechtsbehörde monatlich vorzulegen.

[...]

12. Die wasserrechtliche Bewilligung für die Einleitung in den Traunsee und in den Traunfluss wird befristet auf eine Zeit von fünfzehn Jahren ab Rechtskraft des Bewilligungsbescheides erteilt."

2.2.2. Im Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 13. Jänner 1987, Wa-1291/9, wurde der Österreichischen Sn AG ua. im Spruchpunkt II die Bewilligung zur Einleitung von in einem Entspannungsverdampfer verwendeten Kühlwassers in einer maximalen Menge von 100 l/s bzw. 8.640 m³/d in den Traunfluss unter bestimmten Auflagen erteilt, wobei im Punkt 3 wörtlich angeführt ist:

"3. Im abzuleitenden Abwasser darf ein Gehalt von max. 10 mg/l an Chloriden nicht überschritten werden. Feststoffe dürfen nicht zur Ableitung gelangen. Darüber hinaus dürfen im abzuleitenden Abwasser keine Inhaltsstoffe aufscheinen, die eine Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer hervorzurufen vermögen oder sonst nachteilige Auswirkungen auf die Fischerei oder die Gewässerbiozönose haben."

2.2.3. Mit Schreiben vom 4. August 2004 übermittelte das Land Oberösterreich-Abteilung Wasserwirtschaft der Behörde erster Instanz die Überprüfung und Auswertung 2003 der Eigenüberwachungsdaten der S Austria, Werk Ebensee. Die Beilage trägt am Deckumschlag das Datum 13. April 2004, auf der ersten Seite das Datum 25. Mai 2004. Aus dem Teil "Betreiberdatenauswertung 2003" sind die in das Straferkenntnis übernommenen Daten ersichtlich, wobei jeweils eine Messtoleranz von +/- 10 % bereits berücksichtig wurde.

2.2.3.1. In der Spalte "Schlammausschleussung, via S in den Traunsee - Messwerte - Tagesmischproben - gelöste Stoffe - t/d" finden sich dort für insgesamt vier Tage des Jahres 2003 ein Wert über dem "Grenzwert" von 13,77.

2.2.3.2. In der Spalte "Kondensat - Messwerte - Tagesmischproben - Menge - m³/d" finden sich für insgesamt 325 Tage des Jahres 2003 ein Wert über dem "Grenzwert" von 4224.

2.2.3.3. In der Spalte "Mutterlauge, Ableitung zur Solvay- Messwerte - Tagesmischproben - gelöste Stoffe - t/d" finden sich dort für insgesamt drei Tage des Jahres 2003 ein Wert über dem "Grenzwert" von 55,28.

2.2.3.4. Als Jahressumme findet sich dort für den Wert "Schlammausschleussung, via Solvay in den Traunsee - Messwerte - Tagesmischproben - Menge - m³/a" der Wert 242.787.

2.2.3.5. Als Jahressumme findet sich dort für den Wert "Kondensat - Messwerte - Tagesmischproben - Menge - m³/a" der Wert 2,171.510.

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 137 Abs. 2 Z. 5 des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 112/2003, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 14.530 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen, wer ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen eine gemäß § 32 bewilligungspflichtige Einwirkung auf Gewässer oder eine gemäß § 32b bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vornimmt.

 

Gemäß § 137 Abs. 7 WRG 1959 ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einem Jahr von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Bei Errichtung oder Änderung einer Wasseranlage ohne wasserrechtliche Bewilligung beginnt die Verjährung erst nach Beseitigung des konsenslosen Zustandes.

3.2. Nach § 44a Z. 1 VStG in jener Ausprägung, die diese Bestimmung durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) erfahren hat, muss der Spruch des Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat enthalten. Um den Erfordernissen der genannten Gesetzesstelle zu entsprechen, hat der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständige Rechtsprechung dargetan hat, wird dadurch, dass eine Strafnorm auf die in einem Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen verweist, das jeweilige in einem solchen Bescheid enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestands, was voraussetzt, dass derartige Auflagen so klar gefasst sein müssen, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen. Dem § 44a Z. 1 VStG ist dann entsprochen, wenn aufgrund der Tatumschreibung es dem Beschuldigten ermöglicht wird, im Verwaltungsstrafverfahren in der Lage zu sein, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen (vgl. z.B. VwGH vom 25. April 1995, 93/04/0112, mit weiteren Nachweisen).

Diesen Erfordernissen entsprechen weder der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses noch auch insgesamt die innerhalb der Frist zur Verfolgungsverjährung gesetzten Verfolgungshandlungen. Dies einerseits schon insofern nicht, als weder die Tathandlung noch der Tatzeitpunkt mit hinreichender Genauigkeit angeführt wurden.

Die belangte Behörde zitiert als Strafnorm § 137 Abs. 2 Z. 5 iVm. § 32 und § 137 Abs. 7 WRG 1959. Der die Strafdrohung beinhaltende § 137 Abs. 2 Z. 5 WRG 1959 lautet:

"Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist sofern die Tat nicht nach Abs. 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 14.530 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 4 Wochen zu bestrafen, wer ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen eine gemäß § 32 bewilligungspflichtige Einwirkung auf Gewässer oder eine gemäß § 32b bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vornimmt."

 

Diese Strafbestimmung enthält somit nicht nur eine mögliche Tatbegehungsvariante sondern mehrere, nämlich:

Die Behörde erster Instanz hat damit dem Bw keine nach dem WRG 1959 strafbare Tat vorgeworfen, wenn sie dem Bw im gesamten Verfahren (in undifferenzierter Weise) vorgeworfen hat, im Bescheid aus dem Jahr 1978 festgelegte Grenzwerte in quantitativer und qualitativer Hinsicht überschritten zu haben.

 

Die Berufungsbehörde musste daher schon auf Grund dieser Überlegungen das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einstellen.

 

3.3. Darüber hinaus ist zur Erfüllung des Tatbestandes erforderlich, dass es sich - sofern es sich um Einwirkungen auf Gewässer handelt - nicht um bloß geringfügige Einwirkungen sondern um gemäß § 32 bewilligungspflichtige Einwirkungen handelt; die gleiche Unterscheidung wird in der Strafbestimmung auch zwischen bewilligungspflichtigen bzw. nicht bewilligungspflichtigen Indirekteinleitungen getroffen. Der Tatvorwurf ist somit in Bezug auf die angeführte Strafnorm zu unbestimmt geblieben, da diese Vorschrift mehrere Verbote beinhaltet, deren jedes für sich übertreten werden kann. Ein auf § 137 Abs. 2 Z. 5 WRG gestützter Vorwurf, Grenzwerte eines im Spruch angeführten Bescheides überschritten zu haben, muss daher, um dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot des § 44a Z. 1 VStG zu entsprechen eindeutig erkennen und zuordnen lassen, welche Tat dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, dh., ob bzw. welches der beinhalteten Verbote übertreten worden sei, dh. weiters, dass der Beschuldigte, sollen seine Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt werden, wissen muss, wogegen er sich zu verteidigen hätte. Diese Eindeutigkeit fehlt im bekämpften Tatvorwurf. Die bloße Wiedergabe von mengenmäßig festgestellten Überschreitungen von normierten Auflagen, welche darüber hinaus möglicherweise auch unter die Strafnorm des § 137 Abs. 2 Z. 7 WRG zu subsumieren sind, vermag den geforderten individualisierten Tatbezug und den Vorwurf eben (eindeutig nur) darauf abstellender wesentlicher Tatbestandsmerkmale nicht zu ersetzen.

 

3.4. Auch die bloße Wiedergabe der Auflagen in einer Tabelle, wobei noch dazu der Text der Auflage (hinsichtlich der Summen) offenbar ergänzt wurde, ist im Sinne dieser Darlegungen nicht als ausreichend anzusehen, da sich die entsprechende Tatzuordnung in Ansehung der in Betracht kommenden Tatbestandselemente aus dem Spruch des Straferkenntnisses - unabhängig von in diesem Zusammenhang erforderlichen Begründungsdarlegungen - selbst ergeben muss (vgl. auch dazu z.B. VwGH vom 25. April 1995, 93/04/0112, mit weiteren Nachweisen). Gleiches gilt für den Umstand, dass aus dem Straferkenntnis nicht ersichtlich ist, warum der Bescheid aus dem Jahr 1978 samt seinen Auflagen - obwohl er nach seiner Befristung (vgl. Punkt 12 der Nebenbestimmungen) bereits erloschen sein müsste - (offenbar auf Grund des Wiederverleihungsantrags) noch rechtswirksam ist. Auch dieser Umstand oder jedenfalls § 21 Abs. 3 dritter Satz WRG 1959 hätte insoweit als Teil der Strafnorm dem Bw entsprechend vorgeworfen werden müssen und im Spruch des Straferkenntnisses einen Niederschlag finden müssen.

3.5. Eine weitere Unbestimmtheit zeigt sich darüber hinaus auch darin, dass die im Spruch genannten Punkte 2 und 4 praktisch ident sind. Hinsichtlich dieser beiden Spruchpunkte dürfte das angefochtene Straferkenntnis wohl auch das Doppelbestrafungsverbot unberücksichtigt lassen, scheint es doch nicht ohne weiteres zulässig, eine Person hinsichtlich der gleichen Ableitungsbestandteile (Kondensat) sowohl wegen der Überschreitung von 325 Einzel-Tageswerten als auch der Überschreitung der sich aus der Summe dieser sowie weiterer 40 Tageswerte ergebenden Jahresmenge zu bestrafen.

 

3.6. Zu den Spruchpunkten 1 und 3 ist weiters zu beachten, dass die vorgeworfene und mit den Messergebnissen verglichenen und letztlich Grundlage für die Bestrafung bildenden Gesamtmengen (Tabellensummen) sich in den oben zitierten Auflagepunkten des Bescheids aus dem Jahre 1978 nicht unmittelbar finden. Eine entsprechende Zusammenrechung ist lediglich zum Spruchpunkt 1 auf Seite 8 "Variante II" der Verhandlungsschrift vom 5. Oktober 1977 zu entnehmen, die nach dem genannten Bescheid zwar "einen ergänzenden Bestandteil dieses Bescheids bildet". Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats kann daraus aber nicht eine Ergänzung des Auflagenpunktes abgeleitet werden, jedenfalls nicht mit der notwendigen Klarheit, die gefordert wäre, um eine taugliche Basis für eine Bestrafung zu bieten.

 

3.7. Gemäß § 44a Z. 2 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Nach § 137 Abs. 2 Z. 5 WRG 1959 besteht die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, aus der genannten Strafbestimmung und im Fall der Vornahme einer Einwirkung auf Gewässer "entgegen einer Bewilligung" in Verbindung mit der konkret bezeichneten Untergliederung jenes Bescheids, gegen den verstoßen wurde. Die belangte Behörde trennte im vorliegenden Fall den Spruch des angefochtenen Bescheids in Darstellung des Sachverhalts und die Bezeichnung der verletzten Verwaltungsvorschrift. Dabei widerspricht der angefochtene Bescheid jedoch insofern der dargestellten Rechtslage, als in dem § 44a Z. 2 VStG betreffenden Spruchteil als verletzte Norm lediglich § 137 Abs. 2 Z. 5 iVm. § 32 und § 137 Abs. 7 WRG 1959 nicht aber auch jener Punkt des in Frage kommenden Bescheids genannt ist, der die betreffende Auflage enthält.

 

3.8. Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats besteht im vorliegenden Fall ein weiteres gravierendes Probleme darin, dass offenbar nicht (mehr) wirklich klar und eindeutig nachvollziehbar ist, in welchem Umfang überhaupt und mit welchen Grenzwerten die genannten Auflagen für den gegenwärtigen Betrieb der Anlage (noch) Geltung haben. Abgesehen von der an sich schon nicht jeden Zweifel ausschließenden Formulierung der Auflagen im Bescheid aus dem Jahr 1978 und der Frage der Geltung des Spruchpunkts II aus dem Jahr 1987, wurde mit der Betreiberin der Anlage offenbar auch von der Wasserrechtsbehörde (bei zahlreichen Besprechungen) die Frage der "falschen Beurteilung der Gipslöslichkeit" erörtert. Darüber hinaus hatte die Betreiberin bereits im Jahr 1993 einen entsprechenden Bewilligungsantrag gestellt, über den - jedenfalls bis Jänner 2005 - nicht entschieden wurde.

 

In diesem Zusammenhang wird auch auf die in der Berufung zitierte Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats aus dem Jahre 2002 (VwSen-260278/2 vom 27. August 2002) hingewiesen, wonach bereits damals als auffallend festgestellt wurde, dass der zu Grunde liegende Bewilligungsbescheid vom 14. Juli 1978, Wa-169/5, im Wesentlichen Grenzwerte pro Jahr vorsieht, denen dann die entsprechenden Tagesfrachten zugeordnet werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass aus dieser Regelungstechnik zwar auf einen Richtwertcharakter der Tagesfrachten geschlossen werden könne, dies jedoch nicht zwingend so zu verstehen sei, dass jede noch so geringe Überschreitung der Tagesfracht bereits als Konsensverletzung anzusehen sei.

 

Da diese Unklarheiten und Unbestimmtheiten jedenfalls in einem Strafverfahren im Zweifel nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen können, gibt es nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats im vorliegenden Fall letztlich keine hinreichend konkretisierte Strafnorm, die verletzt ist.

 

3.9. Die Sanierung dieses im Ergebnis daher zu unbestimmt gebliebenen Tatvorwurfs und der unvollständigen verletzten Verwaltungsvorschrift war vom Unabhängigen Verwaltungssenat unter Beachtung der Fristen des § 137 Abs. 7 WRG 1959 iVm. § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG selbst unter der Annahme nicht möglich, dass es sich bei der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung möglicherweise um ein Dauerdelikt handelt. Die zur Last gelegten Übertretungen beziehen sich ausschließlich auf das Kalenderjahr 2003, das Straferkenntnis hingegen stammt vom 3. Jänner 2005, die Berufung wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit Schreiben vom 28. Jänner 2005 (eingelangt am 31. Jänner 2005) vorgelegt. Zwar würde selbst die Berufungsentscheidung eine taugliche Verfolgungshandlung darstellen, doch käme auch sie in jedem Fall zu spät. Die die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist verlängernde Bestimmung des zweiten Satzes des § 137 Abs. 7 WRG 1959 kommt im vorliegenden Falle deswegen nicht zum Tragen, weil es sich nicht um die Errichtung oder Änderung einer Wasseranlage ohne wasserrechtliche Bewilligung handelt.

 

In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus für den Oö. Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar, warum die Mitteilung der Abteilung Wasserwirtschaft betreffend Überschreitungen des Kalenderjahres 2003 erst im August 2004 der belangten Behörde übermittelt wurde und diese erst ab diesem Zeitpunkt das Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet hatte, musst sie doch auf Grund der monatlichen Meldungen der Werte des Kontrollbuchs (vgl. Auflage Punkt 5 des Bescheids aus dem Jahr 1978) bereits laufend über die Messwerte informiert sein oder konnte sich jedenfalls laufend darüber informieren.

 

3.10. Der Berufung war daher gemäß § 24 VStG iVm. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesem Grund stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG einzustellen, ohne dass auf die weiteren Vorbringen des Rechtsmittelwerbers inhaltlich eingegangen werden musste.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Wolfgang Steiner

 
 

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