Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280012/13/Kei/Shn

Linz, 19.07.1994

VwSen-280012/13/Kei/Shn Linz, am 19. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des J S, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. J N, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 3. Dezember 1993, Zl.Sich96/272/1993/Stei/He, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30. Juni 1994 und mündlicher Verkündung der Entscheidung am 11. Juli 1994, zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG); § 45 Abs.1 Z2, § 51 und § 51e VStG; II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 3. Dezember 1993, Zl.Sich96/272/1993/Stei/He, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil er "sich am 2.6.1993 um ca 15.40 Uhr in H, Güterweg R, trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, das seine gesetzlichen Aufgaben wahrnahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert" habe, indem er die Beamten bezichtigt habe, auf dem Posten nur zu schlafen und spöttische argwöhnische Bemerkungen über die Beamten gemacht habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 82 Abs.1 SPG begangen, weshalb er gemäß § 82 Abs.1 SPG zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses dem Berufungswerber am 10. Februar 1994 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 22. Februar 1994 bei der belangten Behörde eingelangt ist und daher fristgerecht erhoben wurde.

Der Berufungswerber beantragt, daß das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird.

3. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hatte der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 14. März 1994, Zl.Sich96/272/1993/Stei/He, Einsicht genommen und am 30. Juni 1994 eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e VStG durchgeführt.

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen:

Am 2. Juni 1993 um ca 15.40 Uhr wurde der Berufungswerber in H, auf dem Güterweg R, einer Verkehrskontrolle unterzogen. Diese Kontrolle wurde von den beiden Gendarmeriebeamten Revierinspektor G H und Revierinspektor T L vorgenommen. Im Zuge dieser Kontrolle tätigte der Berufungswerber folgende Äußerung gegenüber dem Revierinspektor H (ein- bis zwei mal, sinngemäß): "Es wäre gescheiter, wenn Sie die Schnellfahrer in der S strafen würden, anstatt auf dem Posten zu schlafen!". Daraufhin wurde der Berufungswerber von Revierinspektor H abgemahnt. Diese Abmahnung ist dem Berufungswerber zu Bewußtsein gekommen.

Nach der Abmahnung wirkte der Berufungswerber nur unwillig und lustlos bei der Kontrolle mit. Er murmelte dabei einzelne Worte, die aber nicht verständlich waren. Der Berufungswerber war dabei nicht aggressiv, er hat auch nicht geschrien. Die oa Äußerung hat der Berufungswerber nach der (ersten) Abmahnung nicht wiederholt. Durch den Revierinspektor H erfolgte - wegen der Unwilligkeit und Lustlosigkeit des Berufungswerbers - eine zweite Abmahnung.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1.1. Gemäß § 82 Abs.1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

Gemäß § 45 Abs.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn (Z2 erster Halbsatz) der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

4.1.2. Der im Punkt 3 angeführte Sachverhalt wurde aufgrund der Aussagen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Personen als erwiesen angenommen.

4.2. Nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts wurde der Begriff "ungestümes Benehmen" (Art.IX Abs.1 Z2 des außer Kraft getretenen EGVG) dem Begriff "aggressives Verhalten" gleichgesetzt (s.hiezu Hauer-Keplinger, "Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz", Eisenstadt 1993, S 395 und die dort zitierte Judikatur). Auch nach der Regierungsvorlage zum Sicherheitspolizeigesetz sollte diesbezüglich (Art.IX Abs.1 Z2 EGVG: "ungestümes Benehmen" und § 82 SPG: "aggressives Verhalten") eine inhaltliche Änderung nicht eintreten. "Ungestümes Benehmen" (bzw "aggressives Verhalten") ist "ein solches Verhalten, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organes zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechtes derart übertreten wird, daß diese Abwehr zufolge des Tones des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als aggressives Verhalten gewertet werden muß" (Hauer-Keplinger, S 395). Nach einer Begründungsformel des VfGH ist unter einem "ungestümen Benehmen" (bzw "aggressiven Verhalten") "ein sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten anzusehen" (VfSlg 7464/1974, Zl.9229/1981).

Der Berufungswerber hat sich nach der ersten Abmahnung durch Revierinspektor H (arg. "trotz vorausgegangener Abmahnung", § 82 Abs.1 SPG) - wie im Punkt 3 ausgeführt zwar unwillig und lustlos verhalten, er hat aber dabei nicht ein aggressives Verhalten an den Tag gelegt. Auch die im Punkt 3 angeführte Äußerung hat er nach der Abmahnung nicht wiederholt. Daher liegt das Tatbild der Bestimmung des § 82 Abs.1 SPG im gegenständlichen Zusammenhang nicht vor.

4.3. Es war daher der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Keinberger

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