Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280031/5/Ga/La

Linz, 05.04.1995

VwSen-280031/5/Ga/La Linz, am 5. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des R. F., vertreten durch Dr. Z., Dr. W. & P., Rechtsanwälte in ..........., .............., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft .......... vom 3.

Jänner 1995, Zl. Ge96-145-1994, wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (AZG), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4 VStG: § 24; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d und § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber einer Übertretung nach § 28 Abs.1 Z5 iVm § 26 Abs.1 AZG schuldig erkannt und deswegen mit einer Geldstrafe in der Höhe von 6.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) kostenpflichtig bestraft.

Als erwiesen wurde angenommen (§ 44a Z1 VStG): Der Berufungswerber habe als nach außen hin vertretungsbefugtes Organ der 'S. & F. Ges.m.b.H.', wie bei der Besichtigung seines näher bezeichneten, in der Gemeinde ...........

gelegenen Gesundheitshotels von Arbeitsinspektoren am 7.

September 1994 habe festgestellt werden können, keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden seiner Arbeitnehmer in der Betriebsstätte geführt.

2.1. Die belangte Behörde hat die das Straferkenntnis in Schuld und Strafe anfechtende Berufung ohne inhaltliche Gegenäußerung vorgelegt und den Strafakt angeschlossen. Der Berufungswerber begehrt Aufhebung und Verfahrenseinstellung, hilfsweise die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung bzw die Erteilung einer Ermahnung bzw die Minderung der Geldstrafe auf 300 S.

Der Vorlage angeschlossen hat die belangte Behörde auch die Niederschrift über die nach Einbringung der Berufung erfolgte Vernehmung zweier Arbeitsinspektoren als "Zeugen" vom 15. Februar 1995; dies mit der Bemerkung, daß sie "auf Grund der Aussage der Zeugen" von einer Berufungsvorentscheidung Abstand genommen habe.

Dem als Amtspartei auch am Berufungsverfahren teilnehmenden Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk hat der unabhängige Verwaltungssenat zum Inhalt der Berufung Parteiengehör ermöglicht.

2.2. Aus dieser Aktenlage, insbesondere aus der Beweisaufnahme durch Einsicht in den Strafakt zu Zl.

Ge96-145-1994 geht hervor, daß das angefochtene Straferkenntnis - gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben ist.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Das wesentliche Vorbringen des Berufungswerbers zur Schuld läßt sich dahin zusammenfassen, daß zum Zeitpunkt der Besichtigung nur die "Stundenabrechnungen" nicht vorhanden gewesen seien, weil sich diese zur Lohnabrechnung beim Steuerberater befunden hätten. Abgesehen davon aber habe er ohnedies im Betrieb ordnungsgemäße Arbeitsaufzeichnungen geführt. Im übrigen sei die Darstellung in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses, wonach anzunehmen gewesen sei, daß die aktuellen Arbeitsstunden noch gar nicht aufgezeichnet worden wären und sich nur die länger zurückliegenden Aufzeichnungen beim Steuerberater befänden, überhaupt nicht nachvollziehbar, weil es dafür überhaupt keine Beweisergebnisse gäbe.

Zur Strafe wendet der Berufungswerber im wesentlichen ein, daß die Verhängung der Höchststrafe nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch mit keinem einzigen Wort begründet worden sei.

3.2. Im Berufungsfall ist das Arbeitszeitgesetz idF der mit 1. Juli 1994 (hier maßgeblich) in Kraft getretenen Novelle BGBl.Nr. 446/1994 anzuwenden.

Gemäß § 28 Abs.1 AZG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte eine mit Geldstrafe von 300 S bis 6.000 S zu bestrafende Verwaltungsübertretung, wenn sie gemäß Z5 dieser Vorschrift die Aufzeichnungspflichten gemäß § 26 Abs.1, 2, 4 oder 5 verletzen. Gemäß der hier allein als verletzt zugrundegelegten Gebotsnorm des § 26 Abs.1 AZG hat der Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen.

3.3. Gemäß § 44a Z1 VStG hat ein Schuldspruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Um den aus dieser Vorschrift als sogen. Konkretisierungsgebot in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgeleiteten Grundsätzen zu entsprechen, muß der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau umschreiben, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat, jedenfalls nach Ort und Zeit, unverwechselbar feststeht (vgl. dazu die allgemeinen Fußnoten zu § 44a VStG in HAUER/LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 936 ff). Für das Zeitkriterium der Tatidentität verlangt die ständige Judikatur, daß der Zeitpunkt der Begehung und, falls es sich um einen Zeitraum handelt, auch dessen Ende kalendermäßig eindeutig umschrieben wird. In der Regel ist somit die als erwiesen angenommene Tat durch die Feststellung der Tatzeit zu präzisieren. Diesen Bestimmtheitsanforderungen muß, soll der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist unterbrochen werden, auch schon die erste Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG genügen (vgl. das bei RINGHOFER, Verwaltungsverfahrensgesetze II [1992], 294 ff, zu § 32 unter E5 zit. Erk. VwSlg. 12.375 A/1987; ferner zB VwGH 9.7.1992, 92/10/0004; uva). Für die hinlänglich bestimmte Tatanlastung ist weiters erforderlich, daß grundsätzlich die wesentlichen Tatbestandsmerkmale durch wörtliche Anführung zu bezeichnen sind (idS zB VwGH 10.6.1992, 92/04/0055; VwGH 29.1.1991, 90/04/0126 ua).

3.4. Indem der Berufungswerber ausführt, daß er im Betrieb sehr wohl eine "ordnungsgemäße Arbeitszeitaufzeichnung", aus der die Dienstnehmer, die jeweilige Dienstzeit und die Dienststunden ersichtlich seien, führe und lediglich die "Stundenabrechnung" nicht im Betrieb, sondern beim Steuerberater gelegen sei, erliegt er einer Fehldeutung der hier als verletzt zugrundegelegten Gebotsnorm des § 26 Abs.1 AZG, die ausdrücklich und sprachlich unmißverständlich Aufzeichnungen (nur) über die (tatsächlich schon) geleisteten Arbeitsstunden anordnet. Mit den von ihm selbst nach Art und Inhalt so beschriebenen Aufzeichnungen vermag der Berufungswerber nicht darzutun, daß er damit die allein fraglichen Aufzeichnungen über geleistete Arbeitsstunden seiner Arbeitnehmer geführt hat. Mit dem Arbeitsinspektorat (im Akt einliegende Stellungnahme vom 30. November 1994) ist der unabhängige Verwaltungssenat der Auffassung, daß es sich bei den vom Berufungswerber beschriebenen Aufzeichnungen lediglich um einen Arbeitszeitaushang iSd § 25 AZG ("Aushangpflicht"), somit um eine gemäß dieser Vorschrift anzubringende Aufzeichnung darüber, wie die Normalarbeitszeit (inkl. Ruhepausen und Ruhezeit) der Arbeitnehmer - für die regelmäßig zu erbringende Arbeitsleistung - gestaltet ist. Eine Verletzung dieser Aushangpflicht ist jedoch nicht Tatvorwurf des Schuldspruchs.

Mit seinem weiteren Einwand (Punkt 5 der Berufungsschrift), wonach aus dem als verletzt vorgeworfenen § 26 Abs.1 AZG in keiner Weise hervorgehe, daß die dort angeordneten Aufzeichnungen "in der Betriebsstätte" zu führen seien, hat der Berufungswerber allerdings die Fassung des AZG vor der Novelle BGBl.Nr. 446/1994 im Auge. Tatsächlich kannte die Altfassung des § 26 Abs.1 AZG dieses Tatbestandsmerkmal noch nicht. Die nun seit 1. Juli 1994 geltende Rechtslage verlangt freilich ausdrücklich die Führung der Aufzeichnungen in der Betriebsstätte und gilt mit dieser Modifikation jedenfalls auch für solche Arbeitgeber und Betriebsstätten, wie sie nach der Aktenlage zugrundeliegen.

Mit diesem Einwand für sich allein gewänne daher der Berufungswerber noch nichts für sich.

3.5.1. Allerdings hatte der unabhängige Verwaltungssenat von sich aus aufzugreifen, daß der bekämpfte Schuldspruch den Anforderungen aus dem Konkretisierungsgebot nicht entspricht und dadurch Rechtspositionen des Berufungswerbers irreparabel beinträchtigt. So ist, was die Kriterien der Unverwechselbarkeit der Tat anbelangt, die Tatzeit für die Verletzung der Aufzeichnungspflicht nur vermeintlich vorgeworfen. Das im Schuldspruch angegebene Datum '7. September 1994' kennzeichnet nur den Feststellungszeitpunkt; die Tatzeit dahingehend, für welche Zeitspannen (schon) geleisteter Arbeitsstunden die Aufzeichnungspflicht verletzt worden ist, ist damit nicht umschrieben. Darüberhinaus sind auch weder im Strafakt noch in der Begründung des Straferkenntnisses Anhaltspunkte dafür aufzufinden, daß die belangte Behörde beweiskräftig ermittelt hätte, für welche Zeiträume dem Arbeitgeber die Nichterfüllung der Aufzeichnungspflicht eigentlich vorgeworfen wird.

In diesem Zusammenhang ist beachtlich, daß der objektive Tatbestand einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht nach Maßgabe des § 26 Abs.1 AZG als Unterlassungsdelikt in der Gestalt eines Dauerdelikts verwirklicht wird. Das heißt, nicht nur die unterlassende Herbeiführung, sondern auch die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes bleibt fortwirkend bis zu dem Zeitpunkt der schließlichen Erfüllung der Gebotsnorm strafbar. Das aber hätte aus dem Blickwinkel des § 44a Z1 VStG wenigstens den Vorwurf des Beginns des Tatzeitraumes erfordert. Gegenständlich kann aber der Feststellungszeitpunkt keinesfalls mit dem Beginn des deliktischen Zuwiderhandelns gegen die Aufzeichnungspflicht iSd spruchgemäßen Tatanlastung gleichgesetzt werden.

Welche Bedeutung der Figur des Dauerdelikts für die im Berufungsfall angelastete Verwaltungsübertretung zukommt, wird wiederum anhand der durch die Novelle BGBl.Nr. 446/1994 geänderten Rechtslage deutlich. Zeiträume nämlich, die vor dem 1. Juli 1994 liegen, könnte der angefochtene Schuldspruch, der ausdrücklich nur auf die Führung der Aufzeichnungen in der Betriebsstätte abstellt, rechtens gar nicht in den Tatvorwurf einbeziehen. Nach der Aktenlage kann indessen nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde nichterfüllte Aufzeichnungspflichten schon ab Beginn des Jahres 1994 erfassen wollte. Auch dadurch aber wird einsichtig, daß der allein auf den Feststellungszeitpunkt abstellende Schuldspruch die Tatumstände nicht so genau umschreibt, daß die Tat unverwechselbar feststünde.

Weil auch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. Oktober 1994 als erste Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG an derselben Unbestimmtheit wie der Schuldspruch leidet, ist die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist - andere Verfolgungshandlungen innerhalb dieser Frist sind nicht dokumentiert - von Anfang an nicht unterbrochen worden, sodaß die Tat des Schuldspruchs bereits zum Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Straferkenntnisses der Verjährung anheimgefallen gewesen ist.

Zusammenfassend hätte schon aus diesem Grund, entgegen der Auffassung der belangten Behörde, Anlaß zur Inanspruchnahme der Möglichkeiten einer - das Straferkenntnis aufhebenden Berufungsvorentscheidung gemäß § 51b VStG bestanden.

Wenngleich dieser Aufhebungsgrund für sich allein durchschlägt, ist - mit Blick auf künftige, ähnlich gelagerte Fallkonstellationen - noch auf folgende Besonderheiten des angefochtenen Straferkenntnisses einzugehen:

3.5.2. Adressat der als verletzt zugrundegelegten Gebotsnorm ist die 'S. & F. Gesellschaft m.b.H.' als Arbeitgeber. Für eine juristische Person hat, weil Strafen nur gegen natürliche Personen verhängt werden können (siehe die bei RINGHOFER aaO, 126 f, zu § 9 VStG wiedergegebene Judikatur), im Falle einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung das gemäß dem GesmbHGesetz zum (handelsrechtlichen) Geschäftsführer bestellte Außenvertretungsorgan der Gesellschaft oder aber ein gemäß § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter strafrechtlich verantwortlich einzutreten. Für Übertretungen des AZG kann auch der schlicht Bevollmächtigte iSd § 28 Abs.1 Einleitung AZG in die strafrechtliche Verantwortlichkeit einbezogen sein.

Nach der Rechtsprechung des VwGH und der Entscheidungspraxis des unabhängigen Verwaltungssenates muß jedoch in allen diesen Fällen der Schuldspruch mit der erforderlichen Eindeutigkeit erkennen lassen, ob die Tat dem Bestraften als von ihm persönlich begangen oder als hiefür nur Verantwortlichen angelastet wird. Diesbezüglich genügt es daher nicht, wenn - wie hier - zwar die Eigenschaft des Bestraften als Außenvertretungsorgan einer Gesellschaft angeführt ist, alle anderen Kriterien aber (seine Stellung als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Zusammenhalt mit dem Zitat des § 9 Abs.1 VStG; seine Stellung als verantwortlicher Beauftragter im Zusammenhalt mit dem Zitat des § 9 Abs.2 erster Fall VStG) gänzlich unerwähnt bleiben, indem das angefochtene Straferkenntnis weder im Spruchelement gemäß § 44a Z1 VStG noch im Spruchelement gemäß § 44a Z2 VStG noch in den Begründungsdarlegungen die gebotenen Klarstellungen vornimmt.

3.5.3. Offenbar ohne eigene Ermittlungen ist die belangte Behörde von einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht hinsichtlich aller Arbeitnehmer ausgegangen. Im Hinblick darauf aber, daß einerseits der Textierung der Anzeige des Arbeitsinspektorats vom 29. September 1994 nicht von vornherein zweifelsfrei zu entnehmen ist, ob der Pflichtenverstoß tatsächlich alle oder möglicherweise nur bestimmte Arbeitnehmer betrifft, und daß andererseits der Berufungswerber die Tat grundsätzlich bestritten hat, wären entsprechende Feststellungen zum diesbezüglich maßgebenden Sachverhalt, auch mit Rücksicht auf den danach zu bewertenden Unrechtsgehalt der Tat, naheliegend gewesen.

3.5.4. Schließlich leidet das Straferkenntnis an irreführenden Begründungsmängeln dadurch, daß vom Schuldspruch gar nicht erfaßte Tatbilder zur Begründung der gesetzwidrigen Unterlassung des Berufungswerbers angeführt werden. Die vom Schuldspruch allein als verletzt vorgeworfene Gebotsnorm des § 26 Abs.1 AZG regelt aber weder, wie von der belangten Behörde unterstellt, die Auflagepflicht noch die Einsichtgewährungspflicht (so die Begründung Seite 2 vorletzter Absatz und Seite 3 oben).

Diesbezüglich übersieht die Begründung, daß hiefür das AZG eigene Gebote mit darauf bezogenen Übertretungstatbeständen normiert, deren Verletzung jedenfalls nicht Gegenstand dieses Strafverfahrens war.

4. Zur Strafbemessung Mit seinen ausdrücklichen Einwendungen ist der Berufungswerber im Recht. Vorliegend ist mit 6.000 S die gesetzlich bestimmte Höchststrafe verhängt worden. Warum überhaupt eine Strafe bzw. warum die Höchststrafe ausgemessen wurde, verschweigt die belangte Behörde. Derart krasse Begründungsmängel zur Strafbemessung in Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft ......... sind dem unabhängigen Verwaltungssenates schon wiederholt zur Prüfung vorgelegen. Zuletzt wurde in den Entscheidungsgründen des h.

Erkenntnisses VwSen-221150/3 vom 23. Dezember 1994 zum Strafbescheid der belangten Behörde vom 16. November 1994, Zl.

Ge96-114-1994, einschlägig ausgeführt:

"Ob überhaupt und mit welchen Feststellungen bzw.

Beurteilungen die belangte Behörde ein an den Kriterien des § 19 Abs.1 und Abs.2 iVm § 16 Abs.2 letzter Satz VStG orientiertes Strafbemessungsverfahren durchgeführt hat, ist dem Straferkenntnis nicht zu entnehmen. In Verletzung des § 60 AVG (§ 24 VStG) enthält das Straferkenntnis diesbezüglich nur eine völlig inhaltsleere Kulissenbegründung.

Weder der zugrundegelegte Unwert der Tat noch das dem Berufungswerber zugemessene Verschuldensmaß, auch nicht die gegeneinander abgewogenen, allfälligen Erschwerungs- und Milderungsgründe und schließlich auch nicht die für die Geldstrafe berücksichtigten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers sind aus dem Straferkenntnis nachvollziehbar." Diese Ausführungen gelten für das vorliegend angefochtene Straferkenntnis in gleicher Weise. Dazu kommt in diesem Fall, daß die Feststellung, wonach bei der Strafbemessung "ein monatliches Einkommen als Geschäftsführer von 30.000 S angenommen" wurde, aktenwidrig ist. Die belangte Behörde hat zu den diesbezüglichen Verhältnissen des Berufungswerbers aktenkundig weder Ermittlungen gepflogen noch sind dem Berufungswerber - im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht - zu schätzen gewesene Einkommensverhältnisse vorgehalten worden.

Mit dem Halbsatz: "... und es war somit unter Rücksichtnahme auf § 19 VStG spruchgemäß zu entscheiden", dem begründend sonst nichts beigefügt ist, hat sich die belangte Behörde auch in diesem Fall der ihr gesetzlich aufgetragenen Pflicht zur Begründung des Strafausspruchs entschlagen.

Weiters fällt auf, daß das Arbeitsinspektorat in der Anzeige vom 29. September 1994 auf eine einschlägige Verwaltungsvorstrafe des Beschuldigten hinweist, die belangte Behörde strafbemessend aber darauf mit keinem Wort eingeht.

Zusammenfassend ist das angefochtene Straferkenntnis auch in diesem Punkt rechtswidrig. Die belangte Behörde übersieht, daß weder der Bundesverfassungsgesetzgeber der B-VG-Novelle BGBl.Nr. 685/1988 noch der Verfahrensgesetzgeber der VStG-Novelle BGBl.Nr. 358/1990 ein Rechtsschutzsystem grundgelegt bzw. eingerichtet haben, das es der Strafverfolgungsbehörde ermöglichen könnte, die ihr verfahrensgesetzlich aufgetragene Begründung der Strafbemessung - zu Lasten der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Beschuldigten - einfach auf den im Grunde der Art. 129, 129a und 129b B-VG als Tribunal iSd Art.6 Abs.1 MRK eingerichteten unabhängigen Verwaltungssenat zu überwälzen.

5. Zusammenfassend war das Straferkenntnis wegen Vorwurfs einer nicht hinlänglich individualisierten und auch sonst unbestimmt gebliebenen Tat aufzuheben; gleichzeitig war gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, weil Umstände vorliegen die die Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

6. Die Aufhebung und die Einstellung bewirken auf der Kostenseite, daß der Berufungswerber mit Beiträgen zum Strafverfahren weder vor der belangten Behörde noch vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu belasten ist.

7. Aus Zweckmäßigkeitsgründen hält der unabhängige Verwaltungssenat aus Anlaß dieses Verwaltungsstrafverfahrens noch fest:

7.1. Der von der belangten Behörde zugleich mit dem Strafakt vorgelegten, am 15. Februar 1995 aufgenommenen 'Niederschrift über die Vernehmung von Zeugen' kann ein Beweiswert als förmlicher Zeugenbeweis iSd AVG nicht zugemessen werden. Wenn davon ausgegangen werden kann, daß eine förmliche Vernehmung der beiden Arbeitsinspektoren als Zeugen beabsichtigt war, dann wäre die genaue Bezeichnung des der Vernehmung zugrundegelegt gewesenen Beweisthemas erforderlich gewesen. Aus der Niederschrift ist jedoch weder ein Beweisthema noch der Inhalt einer sonstigen Fragestellung ersichtlich. Das Beweisthema kann auch nicht allfälligen Zeugenladungen entnommen werden, weil solche der Aktenvorlage nicht angeschlossen waren. Davon abgesehen sieht das Verfahrensgesetz nicht vor, daß - wie hier - zwei Zeugen offenbar zugleich vernommen werden und die Aussagen beider zu einem einheitlichen, nicht je zuordenbaren Text zusammengefaßt werden. Aus allen diesen Gründen verstoßen "Zeugenvernehmungen" dieser Art gegen den im § 39 Abs.2 letzter Satz AVG niedergelegten und auch im Verwaltungsstrafverfahren zu beachtenden Grundsatz der Verwaltungsökonomie.

7.2. Das durch die Novelle BGBl. 446/1994, u.zw. erst im Zuge der parlamentarischen Ausschußberatungen in den Text des § 26 Abs.1 AZG eingefügte Tatbestandsmerkmal, wonach die dort geregelten Aufzeichnungen "in der Betriebsstätte" zu führen sind, ist - weil diese Wortfolge nach ihrem objektiven Ausdruck nicht von vornherein nur in einem bestimmten (einzig möglichen) Sinn verstanden werden kann auslegungsbedürftig (vgl. hiezu WALTER-MAYER, Bundesverfassungsrecht, 7. A [1992], Rz 132 mwN). In den diesfalls zur Auslegung heranzuziehenden Materialien zur Novelle ist die Änderungsanordnung unerläutert geblieben; der betreffende Ausschußbericht, 1672 BlgNR XVIII. GP, gibt hiezu keine Aufhellung über die subjektive Absicht des Gesetzgebers.

In seiner Stellungnahme vom 13. März 1995 zur vorliegenden Berufungsschrift vertritt das Arbeitsinspektorat für den 9.

Aufsichtsbezirk folgende Rechtsansicht mit Bezugnahme auf das neu eingefügte Tatbestandsmerkmal: "Werden Arbeitszeitaufzeichnungen geführt und liegen diese jedoch nicht in der Betriebsstätte auf, da sie sich z.B. beim Steuerberater befinden, wird somit den Bestimmungen des § 26 Abs.1 AZG nicht entsprochen." Hiezu erklärt der unabhängige Verwaltungssenat, daß er die möglicherweise intendierte - Allgemeingültigkeit dieser Aussage nicht teilt; sie läßt sich aus dem positiv vorliegenden Gesetzestext in dieser Unbedingtheit auch nicht ableiten und sind im Zweifel Gebotsnormen dieser Art grundsätzlich nicht extensiv, sondern restriktiv zu interpretieren.

Es wäre mit Blick auf den Wirtschaftsalltag überdies auch nicht einsichtig, daß schon allein dann, wenn regelmäßig und vollständig geführte Aufzeichnungen über bereits absolvierte Aufzeichnungszeiträume unschwer wiederbeschaffbar außer Haus an eine auch der Behörde bekannte (und zudem betrieblich aktuell involvierte) Adresse gegeben werden, die Aufzeichnungspflicht iSd § 28 Abs.1 Z5 AZG verletzt sein soll.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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