Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280032/5/Le/Ri

Linz, 11.12.1995

VwSen-280032/5/Le/Ri Linz, am 11. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Dr.

I I, pA. W Ges.m.b.H., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 19.1.1995, Zl. GZ.

101-6/3-2370, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl.Nr.51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c, 51e Abs.1, 65 und 66 Verwaltungsstrafgesetz 1991 VStG, BGBl.Nr.52/1991 idgF.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) je 4 Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen für 4 Verwaltungsübertretungen wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes verhängt.

Nach dem Spruch dieses Erkenntnisses hätte es der nunmehrige Bw als gemäß § 9 Abs.1 VStG verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der "W Ges.m.b.H.", L, H, zu verantworten, daß die obgenannte Gesellschaft im Firmenstandort L, L, als Arbeitgeber iSd Arbeitszeitgesetzes (im folgenden kurz: AZG) Arbeitnehmer im Tatzeitraum Juli entgegen den Bestimmungen des AZG beschäftigt hätte. Den Arbeitnehmern T H und H R wäre an näher bezeichneten Tagen zu wenig ununterbrochene Ruhezeit gewährt worden und wären die beiden Arbeitnehmer an bestimmt bezeichneten Tagen über die höchstzulässige Tagesarbeitszeit von 10 Stunden hinaus beschäftigt worden.

In der Begründung dazu wurde ausgeführt, daß die gegenständlichen Übertretungen vom Arbeitsinspektorat angezeigt worden wären. Der Beschuldigte hätte sich in objektiver Tathinsicht dahingehend gerechtfertigt, daß er mit Herrn S G als Restaurantleiter und gewerblichen Geschäftsführer am Firmenstandort L, L, einen verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 letzter Satz VStG bestellt hätte und diese Bestellung auch dem zuständigen Arbeitsinspektorat gemäß § 23 Abs.1 ArbIG 1993 ordnungsgemäß angezeigt hätte. Nach Auffassung des Beschuldigten sei er daher nicht mehr verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

Nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter ausgeführt, daß Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Bestellung gemäß § 23 Abs.2 ArbIG 1993 sei, daß der Beauftragte ein leitender Angestellter sei, welchem maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen wurden. Im vorliegenden Fall sei aber aus dem Ermittlungsverfahren hervorgekommen, daß alle Restaurantleiter (Beauftragte) gegenüber dem zuständigen Außendienstdirektor in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten weisungsgebunden wären, wobei dieser wiederum der Geschäftsleitung unterstellt sei. Bei Herrn G, welcher im Handelsregister nicht aufscheine, handle es sich demnach bestenfalls um einen weisungsgebundenen Angestellten der mittleren Führungsebene. Da nach ständiger Rechtslehre leitende Angestellte in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten nur solche seien, die im Spitzenfeld der Unternehmenshierarchie mit maßgeblichen Führungsaufgaben und Anordnungsbefugnissen tätig wären (Manager der "Zweiten Ebene") bzw weisungsgebundene und untergeordnete Angestellte nicht in Frage kommen, könne eine rechtswirksame Bestellung von Herrn G zum Beauftragten nicht vorliegen.

Im Hinblick darauf, daß Herr G in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten über eingeschränkte Befugnisse verfüge, sei dieser als Bevollmächtigter gemäß § 28 Abs.1 AZG anzusehen und werde unter dieser Verantwortung strafrechtlich verfolgt.

Die weiteren Ausführungen in der Begründung beziehen sich auf die subjektive Tatseite sowie die Strafbemessung.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 7. Februar 1995, mit der beantragt wurde, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

In der Begründung wurde dargelegt, daß im gegenständlichen Betrieb "K", in L, L, Herr S G als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 23 ArbIG bestellt worden sei. Er sei verantwortlich für den Einkauf von Waren in der Höhe von acht Millionen Schilling p.a., weiters über Personalkosten von über zwölf Millionen Schilling, um nur die wesentlichsten Größenordnungen des Betriebes anzuführen. Die Führung und Steuerung eines Restaurants dieser Größenordnung sei ohne eigenverantwortlichen selbständig handelnden Mitarbeiter nicht möglich. Der Personaleinsatz und die Mitarbeiterführung wären ein Hauptaufgabengebiet des Restaurantleiters und würden von diesem selbständig erledigt. Er erstelle die Dienstpläne und überwache deren Einhaltung. Er sei auch unmittelbarer Vorgesetzter aller Mitarbeiter im Betrieb mit der Befugnis, Dienstverhältnisse abzuschließen und zu lösen. Ob er hierüber Rücksprache mit dem Regionalleiter halte oder Ratschläge einhole, bleibe ihm vollkommen freigestellt.

Unter Berufung auf das Erkenntnis des VwGH "88/08/0140", verwies der Berufungswerber weiters darauf, daß die Qualifikation als leitender Angestellter nicht verlange, daß der Mitarbeiter seine Führungsaufgaben völlig weisungsfrei entscheiden können müsse, da ja auch der leitende Angestellte Arbeitnehmer und schon aus diesem Grunde an Weisungen seines Arbeitgebers gebunden sei. Bei der Beurteilung, ob jemand leitender Angestellter iSd ArbIG sei, sei auf seine Entscheidungsbefugnisse abzustellen.

In der Entscheidung OGH Arb 9351 sei ein Geschäftsführer eines Gastlokales, der vom Aufgabenbereich vergleichbare Funktionen wie der Restaurantleiter habe, als leitender Angestellter anerkannt worden.

Bei der Auswahl der Restaurantleiter läge das Unternehmen großen Wert darauf, daß die verantwortlichen Mitarbeiter das notwendige Wissen auch über die arbeitsrechtlichen Bestimmungen hätten. Dem werde einerseits dadurch Rechnung getragen, daß im konkreten Fall Herr G den Befähigungsnachweis für das Gastgewerbe und somit die Befugnis habe, das Gewerbe als selbständiger Unternehmer auszuüben, und andererseits durch unternehmensinterne Schulungen. Herr G hätte das Restaurantleiterzertifikat absolviert, in dem ua auch die arbeitsrechtlichen Bestimmungen den leitenden Angestellten nähergebracht würden, was in der Folge auch durch eine Prüfung kontrolliert werde.

Die Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen erfolge durch die Kontrolle der Dienstpläne, die monatlich an die Verwaltung nach Linz zu senden wären und dort ausgewertet würden. Die Arbeitskarten, in denen die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden vermerkt sind, würden sowohl vom Restaurantleiter als auch vom Mitarbeiter und vom Personalleiter geprüft und unterzeichnet. Sollten hier leitende Angestellte durch wiederholte oder exorbitante Übertretungen der einschlägigen Bestimmungen auffallen, so werde durch Analyse der Ursachen der Grund für die Überschreitungen eruiert und in der weiteren Folge abgestellt.

Die Geschäftsführung sähe sich außerstande, die Diensteinteilungen für 1.200 Mitarbeiter und allfällige Änderungen im vorhinein auf deren Gesetzeskonformität zu prüfen, weshalb sie auf die verläßliche Mitarbeit des Restaurantleiters vor Ort angewiesen sei.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat aus dem vorgelegten Verwaltungsakt einen ausreichend ermittelten Sachverhalt festgestellt.

Die Berufung wurde dem Arbeitsinspektorat für den 9.

Aufsichtsbezirk zur Kenntnis gebracht.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 1994 hat das Arbeitsinspektorat dazu Stellung bezogen und darauf hingewiesen, daß unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes einer allfälligen Einstellung des Verfahrens gegen Herrn Dr. I zugestimmt werde.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat über die Berufung erwogen:

4.1. Dem Beschuldigten steht das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat (§ 51 Abs.1 VStG).

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates.

4.2. Der Sachverhalt des gegenständlichen Berufungsverfahrens ist unbestritten. Die Kernfrage ist, ob der Bw neben dem Restaurantleiter S G verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist oder ob er diese Verantwortlichkeit zur Gänze an den Restaurantleiter übertragen hat.

Während sich die belangte Behörde der ersten Rechtsmeinung angeschlossen hat, ist der unabhängige Verwaltungssenat der Auffassung, daß den Bw keine Verantwortlichkeit mehr trifft, weil er diese rechtzeitig und umfassend an den Restaurantleiter S G abgetreten hat.

Dafür sprechen folgende Überlegungen:

§ 9 Abs.2 VStG bestimmt folgendes:

"(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt ..., aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen .... für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden." Nach Abs.4 leg.cit. kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Aus den bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, insbesonders dem Dienstvertrag vom 27. März 1992, sowie der Ergänzung vom 1. Juli 1992, geht eindeutig hervor, daß Herr S G gleichzeitig mit der Bestellung zum Restaurant-Geschäftsführer zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der für den jeweiligen Betrieb in Betracht kommenden Verwaltungsvorschriften bestellt wurde.

Demgemäß obliegt ihm unter anderem die eigenverantwortliche Beachtung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen, wobei das Arbeitszeitgesetz ausdrücklich angeführt wurde. Der Beauftragte hat durch eigenhändige Unterschrift bestätigt, mit dieser Bestellung einverstanden zu sein.

Damit wurde dem Restaurantleiter des Gastbetriebes "K" wirksam die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit übertragen, die sich räumlich auf den Betrieb "K" in Linz sowie sachlich für den selben Betrieb unter anderem auch auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen bezieht.

Dadurch, daß dem Restaurantleiter mit der Ergänzung vom 1.

April 1992 die selbständige Berechtigung übertragen wurde, alle zur Durchsetzung der übernommenen Verpflichtungen erforderlichen Anordnungen zu treffen, sind auch die Voraussetzungen des § 9 Abs.4 VStG erfüllt.

4.3. Für verantwortliche Beauftragte zur Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen bestimmt § 23 Abs.1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 - ArbIG, daß die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 des VStG erst rechtswirksam wird, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Meldung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist.

Das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk, Linz, hat mitgeteilt, daß eine derartige schriftliche Mitteilung erstattet wurde.

§ 23 Abs.2 ArbIG bestimmt, daß Arbeitnehmer für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes nur dann zu verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 VStG rechtswirksam bestellt werden können, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

Die belangte Behörde vermeinte, daß die Weisungsgebundenheit des Restaurantleiters S G in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten gegenüber dem zuständigen Außendienstdirektor seine Qualifikation als "leitender Angestellter" ausschließe.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß § 23 Abs.2 ArbIG diese Einschränkung tatsächlich nicht vorsieht und gerade im Anlaßfall der Restaurantleiter S G geradezu klassisch als "leitender Angestellter" tätig ist. Dafür spricht nicht nur seine Eigenverantwortlichkeit für den Wareneinkauf in Höhe von immerhin acht Millionen Schilling pro Jahr, sondern besonders auch seine selbständige Kompetenz, Dienstverhältnisse selbständig abschließen und auch wieder lösen zu können, sowie auch seine Befugnis, die Diensteinteilung der Mitarbeiter zu regeln.

Damit erfüllt der Restaurantleiter des "K" alle maßgeblichen Führungsaufgaben selbstverantwortlich; er ist damit als "leitender Angestellter" iSd § 23 Abs.2 ArbIG anzusehen.

Seine Weisungsgebundenheit in der Hierarchiepyramide "nach oben" steht seiner Anordnungsbefugnis "nach unten" - also hinsichtlich der Mitarbeiter des "K" - nicht entgegen. Nicht nur die Person(Personen), die an der Spitze der Hierarchiepyramide steht(stehen), kann (können) Anordnungsbefugnis haben, sondern auch der Unternehmensspitze unterstellte Personen. Für diese Auffassung spricht auch bereits der vom Gesetzgeber verwendete Begriff "leitende Angestellte", weil ein "Angestellter" eben immer weisungsgebunden ist.

In diesem Zusammenhang wird auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.5.1994, VwGH 92/18/0198, verwiesen, mit dem diese Rechtsauffassung hinsichtlich eines weisungsgebundenen Filialleiters gestärkt wird.

Es kann daher im vorliegenden Fall kein Zweifel daran bestehen, daß den Bw für die vorgeworfene Verwaltungsübertretung keine Verantwortlichkeit trifft, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

4.4. Wenn ein Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird, so entfällt auch ein Beitrag zu den Kosten des durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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