Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280035/22/Kon/Fb

Linz, 22.03.1996

VwSen-280035/22/Kon/Fb Linz, am 22. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Herrn Ing. W G, P, S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M L, Z, F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 10. Februar 1995, Ge96-87-1994-Pa-Gra, wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ASchG), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und Verkündung am 19. März 1996 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und § 45 Abs.1 Z1 (1. Fall) VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuld- und Strafausspruch:

"Der Beschuldigte, Herr Ing. W G, geb. am 21.01.1966, wohnhaft in S, P, hat es als gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG. 1991 bestellter verantwortlicher Beauftragter der Firma Ing. C S Bauges.m.b.H. (Baumeistergewerbe im Standort W b.Fr. Nr. ) und somit als für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften Verantwortlicher für die von der Ing. C S Bauges.m.b.H. in S b.Fr. betriebene Kanalbaustelle, zu vertreten, wie anläßlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk festgestellt wurde, daß bei der Kanalbaustelle in S b.Fr., Siedlungsstraße, in der Nähe des Hauses S b.Fr., M, am 20. Juli 1994 die Arbeitnehmer des Betriebes, und zwar S L und H W in einem ca. 2 m tiefen, ca. 2,3 m breiten und ca. 5 m langen Künettenabschnitt mit dem Säubern der Künettensohle beschäftigt waren, wobei die Wände der Künette weder durch Verbaue gesichert (gepölzt) noch abgeböscht waren, obwohl die Künette nicht in Fels oder in einem Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Fels herankommt, ausgeführt wurde und eine Tiefe von mehr als 1,25 m aufwies.

Der Beschuldigte hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 4 der Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl.Nr.

267/1954, in Verbindung mit § 33 Abs. 7 und § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl.Nr. 234/1972, jeweils i.d.g.F., begangen.

Gemäß § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes 1972 wird gegen den Beschuldigten eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- verhängt.

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 7 Tagen.

Der Beschuldigte hat gemäß § 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 von Hundert der verhängten Strafe (1 Tag Freiheitsstrafe = S 200,--), das sind S 1.000,-- zu bezahlen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt daher S 11.000,--." In seiner dagegen erhobenen Berufung wendet der Beschuldigte gegen seine Bestrafung im wesentlichen ein, daß ein Abpölzen der Baugrube nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§ 16 Abs.4 Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl.Nr.

267/1954) nicht notwendig gewesen sei, weil die Grabungen in felsigem bzw in felsähnlichem Gelände durchgeführt worden seien. Die Baugrube hätte überhaupt nur mittels Hydraulikmeißel bzw durch Sprengungen ausgehoben werden können. Die anderslautende Behauptung des Arbeitsinspektorates sei unrichtig und durch das vorgelegte Fotomaterial, das genau die Baugrube zeige, eindeutig widerlegt. So sei aus dem Fotomaterial zu ersehen, daß es sich um felsähnliches Material gehandelt habe und es einer Abpölzung nicht bedurfte.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt der Beschuldigte die unterbliebene Einvernahme der von ihm angeführten Zeugen und das Nichtauseinandersetzen der belangten Behörde mit dem von ihm vorgelegten objektiven Beweismaterial (Fotos).

Aufgrund dieses Berufungsvorbringens hat der unabhängige Verwaltungssenat für den 19. März 1995 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung unter Ladung der Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und von Zeugen wie weiters unter Beiziehung eines technischen Amtssachverständigen für Bodenund Baustoffprüfungen anberaumt und an diesem Tag durch geführt.

Bei dieser Verhandlung gab der meldungslegende Arbeitsinspektor Ing. H G als Zeuge an, bei seiner am 20.7.1994 erfolgten Kontrolle im Bereich des verfahrensgegenständlichen Grabens keinen Boden vorgefunden zu haben, der seiner Beschaffenheit nach Fels oder hinsichtlich seiner Festigkeit an Felsen herangereicht hätte. Die Grabenwände wären nahezu senkrecht gewesen. Seiner Qualifikation nach wäre der Boden halbfest, bindig bis steif, der Grabenboden selbst als fest zu bezeichnen gewesen.

Der Beschuldigte Ing. W G von der C S BaugmbH gab bei der Verhandlung an, daß die Grabungsarbeiten teils durch sprengen, ansonsten durch Einsatz von Hydraulikmeißeln durchgeführt worden seien. Die S BaugmbH hätte schon früher im Gemeindegebiet von S Kanalbaustellen gehabt, sodaß man gewußt habe, daß auch im Bereich der gegenständlichen Baustelle Felsboden gegeben sei. Die oberste Schicht des Grabens hätte aus einem ca 10 cm starken Asphaltbelag bestanden, dem sich ein ca 20 bis 30 cm mächtiger Frostkoffer angeschlossen habe. Dann hätte der Felsuntergrund begonnen.

Der als Zeuge einvernommene S L sagte aus, bei der gegenständlichen Baustelle zum Tatzeitpunkt als Baggerführer eingesetzt gewesen zu sein und die Aushubarbeiten durchgeführt zu haben. Damit der Kabelgraben hätte ausgehoben werden können, sei der Einsatz des Hydraulikmeißels erforderlich gewesen. In vorherigen Abschnitten des Grabens hätte auch teilweise mit dem Hydraulikmeißel kein Aushub mehr bewerkstelligt werden können, sondern seien Bodensprengungen hiefür notwendig gewesen. Weil er sich erinnern könne, habe der Grabenboden aus reinem Fels bestanden, die Grabenwände bis zu 50 cm abwärts, vom Frostkoffer aus gemessen, seien Flinsgestein gewesen. Nach Einsichtnahme in die im Akt erliegenden Baustellenfotos und nach Anhörung der Aussagen des Beschuldigten wie der einvernommenen Zeugen, erstattete der beigezogene Amtssachverständige seine gutächtliche Äußerung.

In dieser hält er zunächst fest, daß im Gebiet der gegenständlichen Baustelle geologisch das Kristallin der Böhmischen Masse anstehe. Bodenmechanisch handle es sich hiebei um die Verwitterungsschwarte des Granits, welche aus sandigen Tonen oder tonigen Sanden in der Regel bestehe.

Diese Böden seien bis in unterschiedliche Tiefen mittels Schrämen zu lösen, ab größerer Tiefe und bei geringer Klüftigkeit müsse die Bodenlösung durch Sprengungen vorgenommen werden. Kennzeichnende Lösarbeiten für schweren Fels der Bodenklasse 7 sei Sprengung, für den der Bodenklasse 6 zugehörenden leichten Fels sei kennzeichnende Lösart das Schrämen. Nach fachlicher Erfahrung seien Böden dieser Bodenklassen auch im Bereich der gegenständlichen Baustelle vorgelegen und wären als solche zumindest für den Zeitraum der Baustellendauer als standsicher anzusehen gewesen. Was den oberen Bereich des Grabens betreffe, so habe dieser aus einem Kiestragkörper in einer Mächtigkeit von ca 20 bis 30 cm bestanden, welcher in der Regel gut verdichtet sei. Dies wäre nach den vorliegenden Fotos beim vorhandenen Kiestragkörper der Fall gewesen. Es seien dabei zwar Randausbrüche unmittelbar nach dem Aushub nicht auszuschließen, doch könnten diese keine Gefahr für Leib und Leben der Arbeitnehmer bilden. Die auf den Kiestragkörper aufsitzende Bitumenkiste sei als stabil anzusehen. Nach den ihm zu Gehör gelangten Aussagen, sowie den vorliegenden Unterlagen (Fotos) sei aus Sicht des Bodensachverständigen eine Pölzung oder Abböschung der verfahrensgegenständlichen Grabenwände nicht erforderlich gewesen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs.4 Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl.Nr.

267/1954, müssen Künetten, die nicht in Felsen oder einem Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Felsen herankommt, ausgeführt werden, bei Tiefen von mehr als 1,25 m auf jeden Fall gepölzt werden.

Für die Beurteilung, ob Fels oder ein Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Felsen herankommt, können die Punkte 2.2.6 und 2.2.7. der ÖNORM B 2205 herangezogen werden. So ist bei schwerem Fels der Bodenklasse 7 kennzeichnende Lösart das Sprengen, bei leichtem Fels (Reisfels und Schrämboden) der Bodenklasse 6 kennzeichnende Lösgeräte bei händischer Arbeit: Brechstange, Meißel und Schlegel.

Aufgrund des im Rahmen der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweisverfahrens und der zitierten Bestimmungen der ÖNORM B 2205 ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Ansicht gelangt, daß vieles dafür spricht, daß der gegenständliche Graben zumindest in einem Boden, dessen örtliche Standfestigkeit an jene von Felsen herankommt (§ 16 Abs.4 BAV) ausgeführt wurde; jedenfalls aber nicht ausreichend erwiesen werden kann, daß der Bodenbeschaffenheit nach eine Pölzung vorzunehmen gewesen wäre. Der Grund, warum der unabhängige Verwaltungssenat die Einstellung des Strafverfahrens wegen nicht erwiesener Tat (§ 45 Abs.1 Z1 erster Fall VStG) und nicht gemäß dem zweiten Fall der zitierten Gesetzesstelle (keine Verwaltungsübertretung) verfügt hat, ist allein darin gelegen, daß die Beurteilung der Standsicherheit des Bodens als zentrales Beweisthema nicht mehr vor Ort vorgenommen werden konnte.

Aus den dargelegten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Aufgrund der vorliegenden Berufungsentscheidung ist der Beschuldigte von der Entrichtung jeglicher Verfahrenskosten befreit.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K o n r a t h

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