Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280046/2/Ga/La

Linz, 13.03.1995

VwSen-280046/2/Ga/La Linz, am 13. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des A gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 13. Februar 1995, Zl.

Ge96-67-1994-Bi, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs.4 AVG iVm Art. 6 Abs.1 MRK sowie §§ 24, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e VStG mit der Feststellung, daß der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über einen Berufungsantrag, wie ihn das Arbeitsinspektorat gestellt hat, nicht zuständig ist, zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Aus der von der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen zugleich mit dem Strafakt zu Zl. Ge96-67-94-Bi vorgelegten Berufung des bezeichneten Arbeitsinspektorates ergibt sich folgender Sachverhalt:

Das Arbeitsinspektorat hat der Bezirkshauptmannschaft mit Schreiben vom 19. Juli 1994 mehrere von ihm anläßlich einer Kontrolle bei einem näher angegebenen, mit seinem Sitz im Sprengel der belangten Behörde gelegenen Gastgewerbebetrieb hinsichtlich eines bestimmten jugendlichen Arbeitnehmers festgestellte Übertretungen des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 - KJBG angezeigt und beantragt, gegen den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen Geldstrafen zu verhängen.

Das über diese Anzeige eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gegen den als Dienstgeber verantwortlichen Inhaber des Gastgewerbebetriebes hat die belangte Behörde zum einen mit dem eingangs zitierten Straferkenntnis und den darin ausgesprochenen insgesamt sieben Schuldsprüchen abgeschlossen, wobei zu sechs Schuldsprüchen Geldstrafen zwischen 1.000 S und 3.000 S verhängt wurden und zu einem Schuldspruch gemäß § 21 Abs.1 VStG eine Ermahnung erteilt wurde. Hinsichtlich des Verdachts jedoch der Übertretung der Vorschrift gemäß § 15 Abs.1 KJBG über die Gewährung der dort geregelten Ruhepause hat die belangte Behörde zum anderen die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs.1 Z1 erster Fall VStG mit der Begründung verfügt, daß in diesem Punkt auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht mit einer für die Bestrafung ausreichenden Sicherheit erwiesen werden konnte.

Nur gegen diese im Spruchteil II. des Straferkenntnisses enthaltene Einstellungsverfügung hat das Arbeitsinspektorat gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG Berufung erhoben und dem angefochtenen Bescheid in diesem Punkt mit der Begründung, daß die belangte Behörde die im Ermittlungsverfahren diesbezüglich zugrundegelegt gewesenen Arbeitsaufzeichnungen zu Unrecht in Zweifel gezogen habe, inhaltliche Rechtswidrigkeit vorgeworfen. Im Grunde dieses Vorwurfs stellt das Arbeitsinspektorat an den unabhängigen Verwaltungssenat den ausdrücklichen "A n t r a g, (...), das Straferkenntnis vom 13. Februar 1995, Zl.

Ge96-67-1994, dahingehend abzuändern, daß der Beschuldigte wegen Übertretung des § 15 Abs.1 KJBG iSd § 30 KJBG mit 2.000 S bestraft wird." 2. Zur Entscheidung über einen in dieser Ausdrücklichkeit formulierten Antrag ist jedoch der unabhängige Verwaltungssenat sachlich nicht zuständig.

2.1. Mit diesem Berufungsantrag übersieht das Arbeitsinspektorat, daß vorliegend ein rein verfahrensrechtlicher Spruchinhalt zugrundeliegt, nämlich die Verfügung, das iSd § 32 Abs.1 VStG eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren nicht materiell durch Schuldspruch, sondern formell durch Einstellung zu beenden.

Darin allein kommt der Bescheidwille (vgl. WALTER/MAYER, Verwaltungsverfahrensrecht 5. A [1991], Rz 384) der Strafbehörde zum Ausdruck. Nur dieser Spruchinhalt als Sache iSd § 66 Abs.4 AVG (§ 24 VStG) hätte Ziel (Objekt) darauf gerichteter Berufungsanträge sein und auf die Ebene der Berufungsbehörde gehoben werden können.

Lehre und Judikatur haben zum Begriff der 'Sache' des § 66 Abs.4 AVG entwickelt, daß die Berufungsbehörde nur über die Angelegenheit zu entscheiden befugt ist, die den Gegenstand des Abspruchs der Unterinstanz bildet; unzulässig wären etwa zusätzliche Aufträge durch die Berufungsbehörde. Eine weitere Schranke der Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde liegt darin, daß sie nicht jenen Rahmen überschreiten darf, der durch die Berufung selbst bzw. die Anträge des Berufungswerbers (= Anfechtungserklärung) gesetzt wurde (HAUER/LEUKAUF, Handbuch 4. A [1990], Seite 514).

2.2. Mit dem oben wiedergegebenen, ausschließlich auf eine materielle Entscheidung durch Schuldspruch abzielenden Antrag (an dessen Vorgaben der unabhängige Verwaltungssenat gebunden ist; idS Rudolf THIENEL, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. A [1992], 343) übergeht das Arbeitsinspektorat jedoch nicht nur den rein verfahrensrechtlichen Kern der Sache des bekämpften Bescheides, sondern sinnt in Wahrheit dem unabhängigen Verwaltungssenat Aufgaben und Stellung einer erstinstanzlichen Strafverfolgungsbehörde zu.

Einen SCHULDSPRUCH jedoch, den, wie beantragt, der unabhängige Verwaltungssenat wie eine Strafverfolgungsbehörde nach dem Inquisitionsprinzip erstmalig auszusprechen hätte, ist dem unabhängigen Verwaltungssenat nach seiner ständigen Rechtsprechung (hier einschlägig:

VwSen-221006/5/Ga v. 27.7.1994; VwSen-221024/2/Le v.

29.12.1994) aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt.

Was nämlich schon diese Ebene anbelangt, ist auf Art. 6 Abs.1 MRK hinzuweisen, wonach der unabhängige Verwaltungssenat eingerichtet ist, um über die Stichhaltigkeit der gegen einen Beschuldigten erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden. Denn Art. 6 Abs.1 MRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozeß (vgl Art. 90 Abs.2 B-VG) und damit eine strikte Trennung der richterlichen von der anklagenden Funktion voraussetzt. Eine strafrechtliche Anklage im Sinn dieser Verfassungsvorschrift liegt jedoch im Berufungsfall gerade nicht vor, weil die belangte Behörde keinen Schuldspruch gefällt hat.

Es hat aber auch der Verfassungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen zu seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 1991, B 976/90-12, im Zusammenhang mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ausgeführt (Seite 14): "Das genannte verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht wird nämlich auch dann verletzt, wenn die Berufungsbehörde in einer Angelegenheit entscheidet, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz war (vgl.

VfSlg. 5592/1967, 5822/1968, 6548/1971, 7641/1975, 8176/1977) bzw. wenn durch die Übergehung der zuständigen Behörde erster Instanz der gesetzlich vorgesehene Instanzenzug unvollständig geblieben ist und durch eine solche unzulässige Verkürzung des Instanzenzuges die Rechtsverfolgungsmöglichkeit behindert wird (VfSlg.

7508/1975, 8188/1977)." 3. Aus allen diesen Gründen war der Antrag des Arbeitsinspektorats, weil damit die Abänderung eines verfahrensrechtlichen Bescheides durch einen inhaltlichen Akt, der überdies verfassungswidrig wäre, begehrt wird, als unzulässig zurückzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis war weder auf die Verwaltungsangelegenheit näher einzugehen noch eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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