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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280066/4/Ga/La

Linz, 13.05.1996

VwSen-280066/4/Ga/La Linz, am 13. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Mag. pharm. P... B..., vertreten durch Dres.

G... und D..., Rechtsanwälte in W..., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 6. März 1995, Zl. Ge96/2711/1993, wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes - AZG, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 44a Z1, 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d, § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ und damit gemäß § 9 VStG strafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der "E... Ges.m.b.H." mit Standort in der Gemeinde Unterach a.A. zu verantworten, "daß der im Unternehmen beschäftigte Kraftfahrer Herr F... als Lenker des Lastkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen O..., 1) am 12.7.1993 eine Einsatzzeit von 16 Stunden 15 Minuten (von 04.50 Uhr bis 21.05 Uhr) hatte, obwohl die Einsatzzeit 14 Stunden nicht überschreiten darf und 2) am 12.7.1993 eine Lenkzeit von 12.00 Stunden erreichte, obwohl die gesamte Lenkzeit zwischen 2 Ruhezeiten (tägliche Lenkzeit) 8 Stunden nicht überschreiten darf." Über den Berufungswerber wurden Geldstrafen in der Höhe von 1. 500 S und 2. 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafen: zu 1. 12 Stunden; zu 2. 36 Stunden) je kostenpflichtig verhängt.

2. Der Berufungswerber macht mit näherer Begründung geltend, daß bei der Feststellung der Einsatzzeit zu Unrecht von Arbeitsbereitschaft ausgegangen worden sei. Davon abgesehen habe die belangte Behörde zur subjektiven Tatseite nicht nur keinerlei Feststellungen getroffen, sondern sich im angefochtenen Straferkenntnis mit seiner persönlichen Schuld überhaupt nicht auseinandergesetzt. Er beantragt Aufhebung und Verfahrenseinstellung.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 AZG (in der für diesen Fall anzuwendenden Fassung vor der AZG-Novelle BGBl.Nr. 446/1994) gilt dieses Bundesgesetz für die Beschäftigung von Arbeitnehmern.

Gemäß § 28 Abs.1 AZG sind Arbeitgeber und Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, ... von der Bezirksverwaltungsbehörde ... mit einer Geldstrafe von 300 S bis zu 6.000 S oder mit Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Gemäß der zu 1. als verletzt vorgeworfenen Vorschrift des § 16 Abs.3 AZG darf die durch Kollektivvertrag in den Fällen der Arbeitsbereitschaft zugelassene Arbeitszeit bis zu vierzehn Stunden betragen; gemäß dem zu 2. als verletzt vorgeworfenen § 14 Abs.2 AZG darf die gesamte (tägliche) Lenkzeit zwischen zwei Ruhezeiten acht Stunden nicht überschreiten.

3.2. Wie aus dem zu Zl. Ge96/2711/1993 gleichzeitig mit der Berufung vorgelegten Strafakt ersichtlich, wurden gegen den Berufungswerber als Beschuldigten innerhalb der Frist des § 31 Abs.2 VStG mit der Strafverfügung vom 28. Oktober 1993 und der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25.

November 1993 zwei Verfolgungshandlungen - mit identischem Wortlaut in der Tatanlastung - gesetzt. Anders jedoch als der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses enthalten beide Verfolgungshandlungen nicht den ausdrücklichen Vorwurf, daß es sich beim Lenker um einen "im Unternehmen beschäftigten" Kraftfahrer gehandelt hat. Auch aus anderen Formulierungen der bezeichneten Verfolgungshandlungen leuchtet nicht hervor, daß die Tatanlastung hinsichtlich des involvierten Lenkers ein konkretes Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 1 Abs.1 AZG erfaßt.

3.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber liegt eine Zuwiderhandlung im Sinne des § 28 Abs.1 AZG gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Arbeitgeber immer (nur) dann vor, wenn ein im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer bei seiner beruflichen Tätigkeit solche Vorschriften verletzt. Demgemäß besteht der objektive Tatbestand der Zuwiderhandlung in der Beschäftigung des jeweiligen Arbeitnehmers unter Verletzung einer Arbeitszeitvorschrift - im Berufungsfall des § 16 Abs.3 bzw.

§ 14 Abs.2 AZG (vgl. VwGH 27.9.1988, 87/08/0131). Wenn weiters aus § 28 Abs.1 AZG die diesem Bundesgesetz ganz allgemein innewohnende Verantwortung des Arbeitgebers für Verhaltensweisen seiner Arbeitnehmer erschließbar ist (vgl.

VwGH 16.12.1993, 93/11/0201), so verlangt nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates die - dem Bestimmtheitsgebot iSd § 44a Z1 VStG genügende - Anlastung einer Zuwiderhandlung des Arbeitgebers gegen Vorschriften dieses Bundesgesetzes wesentlich auch den ausdrücklichen Vorhalt, daß er für Fehlverhalten eines in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmers verantwortlich gemacht wird.

Handelt es sich dabei aber um ein somit wesentliches Tatelement, ohne dessen Vorliegen das Tatbild einer Übertretung von Arbeitszeitvorschriften im Sinne des AZG nicht erfüllbar scheint, dann muß der Sachverhalt des (zur Tatzeit) aufrechten Beschäftigungsverhältnisses des Lenkers zum Beschuldigten als verantwortlichen Arbeitgeber ausdrücklich in den Vorwurf der Verfolgungshandlung - soll diese zur Unterbrechung der Verjährung tauglich sein aufgenommen werden und darf nicht bloß der Vermutung oder Schlußziehung durch den Beschuldigten überlassen bleiben.

3.4. Offensichtlich erkannte die belangte Behörde, daß die bezeichneten Verfolgungshandlungen das in Rede stehende wesentliche Tatelement nicht vorgeworfen haben und die Anlastung deswegen unbestimmt geblieben ist, weshalb sie in den Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses die Formulierung: "der im Unternehmen beschäftigte Kraftfahrer" einfügte.

Für dieses dem Berufungswerber bisher noch nicht vorgehaltene, somit erstmalig der Bestrafung zugrundegelegte wesentliche Sachverhaltselement war jedoch schon Verfolgungsverjährung eingetreten, sodaß das eben dadurch in beiden Spruchpunkten inhaltlich rechtswidrige Straferkenntnis - weil der Mangel auch vom unabhängigen Verwaltungssenat nicht mehr saniert werden kann - aufzuheben war; gleichzeitig war das Strafverfahren einzustellen, weil Umstände vorliegen, die die Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

4.1. Bei diesem Ergebnis kann auf sich beruhen, daß der Schuldspruch zu 2. die festgestellte Lenkzeitüberschreitung zum ersten Mal näher als gesamte Lenkzeit zwischen zwei Ruhezeiten (tägliche Lenkzeit) beschreibt und so erstmalig der Bestrafung zugrundelegt. Die zit. Verfolgungshandlungen haben diese Konkretisierung gleichfalls noch nicht enthalten.

4.2. Auf sich beruhen kann aber auch, daß, wie der Berufungswerber zu Recht aufzeigt (und hiefür seine im Verfahren vor der belangten Behörde abgegebene Rechtfertigung vom 29. Dezember 1993 indirekt zum Berufungsinhalt erhebt), dem angefochtenen Straferkenntnis zur Schuldfrage nachvollziehbar nichts entnommen werden kann. Vielmehr ist die belangte Behörde stillschweigend, wie vermutet werden muß, von der persönlichen Schuld des Berufungswerbers und daher von der Zurechenbarkeit der Übertretung ausgegangen. Ob sie dabei - möglicherweise Fahrlässigkeit nach Maßgabe eines Ungehorsamsdeliktes gemäß § 5 Abs.1 VStG zugrundegelegt hat, bleibt im Dunkeln.

Hätte sich aber die belangte Behörde entsprechend § 60 AVG (§ 24 VStG) mit der Verwirklichung der subjektiven Tatseite auseinandergesetzt, dann hätte sie aus dem Blickwinkel des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG - bei angenommener objektiver Tatbestandsmäßigkeit - zu beurteilen gehabt, ob dem Berufungswerber mit seinen Ausführungen in der vorerwähnten Rechtfertigung zu dem in seinem Betrieb zwecks Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften eingerichteten Kontrollsystem die Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit gelungen ist; dies für den konkreten Fall unter Einbeziehung des Umstandes, daß nach der Aktenlage von einem Wissen des Berufungswerbers über die bzw. einer Duldung der Übertretung von AZ-Vorschriften nicht ausgegangen werden konnte und auch nicht hervorgekommen ist, daß der Berufungswerber seinem Arbeitnehmer die Einhaltung der Arbeitszeiten von vornherein nicht ermöglichte.

Eine solche Beurteilung enthält das angefochtene Straferkenntnis nicht. Im Gegenteil: Auf den Inhalt der zit.

Rechtfertigung ist nur aufzählend - allerdings in wesentlichen Punkten unvollständig - Bezug genommen. Irgendwelche Schlußfolgerungen auf die nicht gelungene Glaubhaftmachung der Schuldlosigkeit sind daran nicht geknüpft. So ist insbesondere auch nicht ausgeführt, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde die Angaben des Berufungswerbers zum Kontrollsystem bzw. zur Effizienz dieses Systems offenbar als ungenügend verworfen hat.

5. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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