Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280075/8/Schi/Km

Linz, 10.09.1996

VwSen-280075/8/Schi/Km Linz, am 10. September 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des P S vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W M gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 7.3.1995, Ge96-76-1994, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz bzw. der Bauarbeitenschutzverordnung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von jeglichen Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 7.3.1995, Ge96-76-1994, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz verhängt, weil er als verantwortlich Beauftragter gemäß § 9 Abs.2 VStG der E, mit dem Sitz in L , am 30.5.1994 auf der Baustelle K zwei Arbeitnehmer mit der Herstellung der Eternitneueindeckung des 20 Grad geneigten Daches beschäftigt habe, ohne daß die Arbeitnehmer durch Anseilen gegen Absturz gesichert gewesen wären. Die Traufenhöhe betrug ca. 5 m. Der Bw habe dadurch § 44 Abs.4 Bauarbeitenschutzverordnung verletzt.

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 500 S verhängt.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher beantragt wurde, der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben sowie eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen.

Begründend wird im wesentlichen ausgeführt, daß ihm zur Last gelegt werde, daß zwei Arbeitnehmer mit der Herstellung der Eternitneueindeckung des 20 Grad geneigten Daches beschäftigt gewesen seien, ohne daß sie durch Anseilen gegen einen Absturz gesichert gewesen wären. Gemäß § 44 Abs.4 Bauarbeitenschutzverordnung (BAV) seien bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad, bei denen nach den Bestimmungen des Abs.2 Schutzblenden nicht vorhanden sein müssen, Seile zu verwenden. Das ihm zur Last gelegte Verhalten sei im Hinblick auf § 44 Abs.4 BAV sohin nicht tatbildmäßig. Im übrigen entspreche weder die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2.9.1994 noch der Spruch des Straferkenntnisses den Erfordernissen einer ausreichenden Bezeichnung des Tatvorwurfes. Gemäß § 32 Abs.2 VStG müsse eine Verfolgungshandlung wegen eines bestimmten Sachverhaltes erfolgen. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht geschehen, weshalb Verjährung vorliege.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

3.2. Gemäß § 15 Abs.5 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 wurde die Berufung dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk in Vöcklabruck zur Kenntnis übermittelt. Mit Schreiben vom 19.1.1996, Zl. 1160/49-9/95, hat das Arbeitsinspektorat eine Stellungnahme abgegeben. Darin führt das Arbeitsinspektorat zu 1. aus, daß in der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 6.6.1994 eindeutig ersichtlich ist, daß die Neigung des gegenständlichen Daches 25 Grad und nicht wie irrtümlich von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach angegeben, 20 Grad betragen habe.

Diese Stellungnahme wurde wiederum mit h. Schreiben vom 25.1.1996 dem Bw zu Handen seines Rechtsvertreters zur Kenntnis gebracht; der Bw hat mit Schrifsatz vom 18.3.1996 eine abschließende Stellungnahme abgegeben. Zutreffend wird in dieser Stellungnahme im ersten Satz ausgeführt, daß nicht maßgeblich sei, ob die Anzeige des Arbeitsinspektorates die Dachneigung enthalte, sondern ob dies in den Verfolgungshandlungen und im Straferkenntnis der Erstbehörde der Fall sei.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen und in Verbindung mit den weiteren Erhebungen einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden, welcher ohne Aktenwidrigkeit dem angefochtenen Straferkenntnis zugrundegelegt wurde. Es konnte sich der O.ö. Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war, war unbeschadet der Beantragung eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

5.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ANSchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 33 Abs.1 Z12 ANSchG bleibt die Verordnung vom 10.11.1954, BGBl.Nr.267, über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, (bis zu einer Neuregelung des betreffenden Gebietes durch eine aufgrund von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung im bisherigen Umfang) als Bundesgesetz in Geltung (im folgenden kurz: Bauarbeitenschutzverordnung - BAV).

Gemäß § 33 Abs.7 ANSchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die im Abs.1 genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß. Dies gilt auch hinsichtlich der im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften, soweit es sich um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt. Soweit es sich nicht um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt, gelten Zuwiderhandlungen gegen die im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften als Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung.

Gemäß § 44 Abs.4 Bauarbeitenverordnung haben sich die Dienstnehmer bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad, bei denen nach den Bestimmungen des Abs.2 Schutzblenden nicht vorhanden sein müssen, in sicherer Weise anzuseilen.

5.2. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muß ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

5.3. Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

5.4. Es muß daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

6. Diesen Anforderungen wird aus nachstehenden Gründen nicht entsprochen.

6.1. Nach dem Tatbestand der obzitierten Verwaltungsübertretung bildet - abgesehen von dem Verweis auf Abs.2 betreffend Traufenhöhe von mehr als 5 m - die Voraussetzung "Dächer mit einer Neigung von mehr als 20 Grad" ein wesentliches - weil ansonsten die Tatbegehung ausschließendes - Tatbestandselement. Obwohl nun bereits in der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 6. Juni 1994 zu Punkt 1 ausdrücklich angeführt war, daß das in Rede stehende Dach 25 Grad geneigt war, enthielt weder die Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde vom 2. September 1994 als (entscheidende) erste Verfolgungshandlung noch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses eine diesbezügliche Formulierung. Da somit die Aufforderung zur Rechtfertigung denselben unrichtigen Tatvorwurf wie das angefochtene Straferkenntnis enthält und somit die Aufforderung die einzige Verfolgungshandlung innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist darstellt, war eine Berichtigung durch den O.ö. Verwaltungssenat gemäß § 66 Abs.4 AVG nicht mehr möglich. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

7. Weil die verhängte Strafe infolge der Berufung aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt wurde, war ein Verfahrenskostenbeitrag nicht zu leisten (§ 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Schieferer

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