Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280104/9/Ga/La

Linz, 20.10.1995

VwSen-280104/9/Ga/La Linz, am 20. Oktober 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des P... E..., vertreten durch Dr. H... O... und Dr. H... N..., Rechtsanwälte in L..., L..., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 29. Mai 1995, Zl. Ge96-115-1993-Fr/Gut, wegen Übertretung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 - ArbIG, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 44a, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 51d, § 51e Abs.1, § 65 und § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber angelastet, er sei schuldig, er habe "es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der P...

Gesellschaft mbH im Sinne der Bestimmungen des § 9 VStG 1991 zu verantworten, daß die Arbeitszeitaufzeichnungen betreffend die von Obgenannter betriebenen Baustelle in Wolfern weder anläßlich einer Kontrolle dieser Baustelle am 17.5.1993 dem kontrollierenden Organ des Arbeitsinspektorates zur Einsicht vorgelegt wurden, noch auf Grund einer schriftlichen Aufforderung des zuständigen Arbeitsinspektorates vom 24.5.1993 diesem bis zum mit 15.6.1993 festgesetzten Termin übermittelt wurden." Dadurch habe der Berufungswerber § 8 Abs.3 ArbIG verletzt, weshalb er gemäß § 24 Abs.1 Z2 lit.c ArbIG mit einer Geldstrafe im Ausmaß von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) kostenpflichtig zu bestrafen gewesen sei.

2. Der Berufungswerber bekämpft seine Bestrafung vor allem mit dem Vorbringen, daß der als verletzt zugrundegelegte § 8 Abs.3 ArbIG "eindeutig verfassungswidrig" sei. Im übrigen bringt er vor, daß, wenn überhaupt, die ihm als verletzt vorgeworfene Verpflichtung nur auf § 26 des Arbeitszeitgesetzes gestützt werden könne. Wegen der Verletzung des § 26 AZG sei er allerdings nie belangt worden, weshalb diesbezüglich Verjährung eingetreten sei. Davon abgesehen sei jedoch auch § 26 AZG verfassungswidrig. Der Berufungswerber beantragt Aufhebung und Verfahrenseinstellung.

3. Zugleich mit der Berufung hat die belangte Behörde den Strafakt zu Zl. Ge96-115-1993-Fr/Gut vorgelegt. Schon aus der Einsicht in diesen Akt ist ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis - ohne öffentliche mündliche Verhandlung - aufzuheben ist. Dies aus folgenden Gründen:

3.1. Mit Anzeige vom 29. Juni 1993 hat das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk der belangten Behörde bekanntgegeben, daß bei einer in Wolfern gelegenen Baustelle der im Spruch bezeichneten Gesellschaft dem Arbeitsinspektorat die Einsicht in die Arbeitszeitaufzeichnungen verwehrt worden sei, weshalb dem Betrieb in der Folge schriftlich aufgetragen worden sei, die gemäß § 26 AZG zu führenden Unterlagen dem Arbeitsinspektorat bis 15. Juni 1993 zu übermitteln. Die verlangten Aufzeichnungen seien jedoch bis zum Tag der Anzeige nicht übermittelt worden, welches Verhalten eine Übertretung des § 8 Abs.3 ArbIG darstelle. Deshalb beantrage das Arbeitsinspektorat, gegen den Arbeitgeber ein Strafverfahren einzuleiten und ihn mit einer Geldstrafe in der Höhe von 2.000 S zu bestrafen.

Mit Strafverfügung vom 19. August 1993 (hinausgegeben am 20. Aug. hs) hat daraufhin die belangte Behörde das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber als Beschuldigten eingeleitet und ihn zugleich entsprechend dem Strafantrag des Arbeitsinspektorates bestraft; der Tatvorwurf lautet: "Sie haben es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der PEM Gesellschaft mbH iSd Bestimmungen des § 9 VStG 1991 zu verantworten, daß die Arbeitszeitaufzeichnungen betreffend der von Obgenannter betriebenen Baustelle in Wolfern trotz schriftlicher Aufforderung vom 24.5.1993 bis zum mit 15.6.1993 anberaumten Termin dem zuständigen Arbeitsinspektorat nicht übermittelt wurden." Diese Strafverfügung ist zugleich die einzige innerhalb der Verjährungsfrist von der belangten Behörde gegen den Berufungswerber gesetzte Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG.

3.2. Nach der Rspr des VwGH muß eine Verfolgungshandlung, um den Eintritt der Verjährung (§ 31 Abs.1 VStG) auszuschließen, einen bestimmten (strafbaren) Sachverhalt zum Gegenstand haben; dies erfordert, daß er sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezieht.

3.3. Der Vergleich des Tatvorwurfs der Strafverfügung mit dem Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses macht zunächst deutlich, daß diesem auch Tatelemente zugrundeliegen, die innerhalb der Verjährungsfrist nicht in Verfolgung gezogen wurden. Konkret ist dies der Vorwurf, die Arbeitszeitaufzeichnungen "anläßlich einer Kontrolle dieser Baustelle am 17. Mai 1993 dem kontrollierenden Organ des Arbeitsinspektorates zur Einsicht" nicht vorgelegt zu haben.

Es war daher dieser Bestandteil der Tat zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses schon verjährt; seine Aufnahme in den Schuldspruch belastet diesen insoweit mit Rechtswidrigkeit.

3.4. Eines der wesentlichen Sachverhaltselemente einer zur Unterbrechung der Verjährung tauglichen Verfolgungshandlung ist, jedenfalls bei Übertretung von solchen Vorschriften wie hier zugrundegelegt, die Nennung des Tatortes.

Diesbezüglich geht der VwGH in ständiger Rspr (vgl. etwa das Erk. vom 27.1.1995, 94/02/0407, mit Hinweisen auf Vorjudikatur) davon aus, daß bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften als Ort, an dem (iSd § 27 Abs.1 VStG) die Übertretung begangen wurde, jener Ort anzusehen ist, an dem die gebotene Vorkehrung gegen Gesetzesverstöße unterlassen wurde; dies ist der Sitz der Unternehmensführung.

Vorliegend besteht der Vorwurf an den Berufungswerber in einer Übertretung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 ArbIG. Inhalt dieses Gesetzes ist ausschließlich die Überwachung der Einhaltung des in verschiedenen Vorschriften geregelten Arbeitnehmerschutzes; § 3 Abs.1 leg.cit.

überträgt die Überwachung der Arbeitsinspektion. Ist aber vor diesem Hintergrund die Überwachungsregel selbst zu den Arbeitnehmerschutzvorschriften zu zählen, so richtet sich schon aus diesem Blickwinkel der Tatort bei einer Übertretung des § 8 Abs.3 ArbIG nach dem Sitz der Unternehmensführung.

Dieses Ergebnis bestätigt aber im besonderen auch die Betrachtung des hier in Frage kommenden Straftatbestandes.

Danach ist gemäß § 24 Abs.1 ArbIG wegen einer Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe (bei Ersttäterschaft) von 500 S bis 50.000 S zu bestrafen, wer als Arbeitgeber gemäß Z1 lit.d dieser Vorschrift entgegen § 8 Abs.3 Unterlagen, Ablichtungen, Abschriften oder Auszüge nicht übermittelt.

Gemäß § 8 Abs.3 ArbIG haben Arbeitgeber dem Arbeitsinspektorat auf Verlangen die in Abs.1 genannten Unterlagen oder Ablichtungen, Abschriften sowie Auszüge dieser Unterlagen (dazu gehören jedenfalls auch Aufzeichnungen über die Arbeitszeit) zu übermitteln.

Aus der Zusammenschau des Straftatbestandes und der Gebotsnorm wird somit deutlich, daß es hier nicht eigentlich um eine Vorsorgehandlung zwecks Einhaltung von Schutzvorschriften durch Arbeitnehmer bzw. zur Abwendung von Gefahren für Arbeitnehmer geht. Vielmehr wird dem Arbeitgeber ein direktes Tätigwerden - ohne Drittwirkung abverlangt. Bei einem Verstoß dagegen kommt als Tatort allein jener Ort in Frage, von dem aus der Arbeitgeber selbst die Übermittlung unterlassen hat; dies ist wiederum der Sitz der Unternehmensführung.

3.5. Die oben wiedergegebene Strafverfügung als Verfolgungshandlung enthält jedoch keinen Hinweis auf den für die Unternehmensführung eingerichteten Ort, an dem der Arbeitgeber der Gebotsnorm zuwidergehandelt haben soll. Der Sitz der Gesellschaft ist nicht angegeben. Es kann auch aus der Adressierung der Strafverfügung für sich und auch nicht im Zusammenhang mit der übrigen Textierung der Strafverfügung weder abgeleitet werden, an welchem Ort der Beschuldigte sein Unternehmen betrieben hat noch daß gegen ihn der Vorwurf erhoben wird, die ihm angelastete Tat unter der angeführten Adresse begangen zu haben (vgl. dazu das Erkenntnis des VwGH vom 13.7.1990, 90/19/0088).

3.6. Aus allen diesen Gründen ist innerhalb der hier sechsmonatigen Verjährungsfrist gegen den Berufungswerber als Arbeitgeber keine taugliche Verfolgungshandlung gerichtet worden, denn weder die Strafverfügung noch sonstige dafür geeignet erscheinende Verfahrensschritte noch das (schon außerhalb der Verjährungsfrist erlassene) angefochtene Straferkenntis enthalten die Angabe eines Tatortes oder auch nur eine diese Angabe ausnahmsweise entbehrlich machende örtliche Umschreibung der dem Berufungswerber vorgeworfenen Verwaltungsübertretung. Als eine solche, wenigstens für den Ausschluß der Verfolgungsverjährung geeignete Hilfsfigur scheidet im Berufungsfall - anders als nach der Rspr des VwGH zB bei der Mißachtung von Regeln des Arbeitnehmerschutzes, die sich extern (nicht am Ort der Unternehmensführung) ereignet haben - die Ortsangabe zur Baustelle aus.

3.7. Zusammenfassend war das Straferkenntnis zur Gänze, weil einerseits der Schuldspruch einen nicht rechtzeitig verfolgten Sachverhalt vorwirft und andererseits eine dem Konkretisierungsgebot in örtlicher Hinsicht entsprechende Verfolgungshandlung insgesamt unterblieb, aufzuheben; gleichzeitig war die Einstellung des Verfahrens zu verfügen, weil somit Umstände vorliegen, die die Verfolgung des Berufungswerbers in dieser Sache ausschließen.

4. Bei diesem Ergebnis kann auf sich beruhen, ob der Berufungswerber mit der von ihm relevierten, in einem Zwang zur Selbstbeschuldigung gesehenen Verfassungswidrigkeit der "Vorlagepflicht" (gemeint wohl: Übermittlungspflicht) des § 8 Abs.3 ArbIG im Recht ist. Der gerügte Verstoß gegen das Anklageprinzip (hier materiell interpretiert als 'Verbot der Selbstbezichtigung') liegt nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates auch nicht vor. Im Sinne nämlich der einschlägigen Judikatur des VfGH (vgl. etwa das bei MAYER, B-VG [1994] Art. 90 Abs.2 B-VG III. zit. Erkenntnis VfSlg 11.549) ist die hier geregelte Übermittlungspflicht - an das Arbeitsinspektorat und nicht an die Strafbehörde! - nicht von vornherein auf die Informationsbeschaffung zum Zwecke strafrechtlicher Verfolgung gerichtet, sondern soll vielmehr zunächst dazu dienen, dem Arbeitgeber bei etwaigen Zuwiderhandlungen Gelegenheit zur ungesäumten Herstellung eines rechtskonformen Zustandes zu geben, wodurch er gerade eine Strafverfolgung abwenden kann (vgl. den in diese Richtung weisenden § 9 Abs.1 und 2 iVm § 3 Abs.2 ArbIG).

Von vornherein verfehlt ist schließlich der Einwand, daß in diesem Fall eigentlich nicht § 8 Abs.3 ArbIG, sondern vielmehr § 26 Abs.2 AZG die verletzte Rechtsvorschrift sei.

Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers nämlich regeln beide Vorschriften durchaus unterschiedliche Pflichten. Geht es vorliegend um die Verletzung einer ausdrücklichen Übermittlungspflicht, regelt § 26 Abs.2 AZG eine (hier nicht als verletzt vorgeworfene) Einsichtsgewährungspflicht - und somit ein aliud.

5. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers gänzlich (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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