Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280135/11/Le/La

Linz, 19.03.1996

VwSen-280135/11/Le/La Linz, am 19. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des Ing. E. I., ..............., ................, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. E. H. und Dr. R. L., ................, .............., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 23.8.1995, Zl.

Ge96-356-1994, wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes iVm der Bauarbeitenschutzverordnung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Einleitungssatz des angefochtenen Straferkenntnisses wie folgt zu lauten hat:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als im Sinne des § 9 Abs.1 VStG strafrechtlich Verantwortlicher der Innocente GesmbH, die wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der "I. GesmbH & Co.KG" ist, die ihren Sitz in .........., ..............

hat, zu verantworten, daß die I. GesmbH & Co.KG am 10.8.1994 ...".

II. Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat 20 % der verhängten Strafe, das sind 2.800 S, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger zwangsweiser Einhebung zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 44a, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 23.8.1995 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (im folgenden kurz: ANSchG) iVm § 45 Abs.4 der Bauarbeitenschutzverordnung (im folgenden kurz: BauVO) mit einer Geldstrafe in Höhe von 14.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen) bestraft; weiters wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als strafrechtlich Verantwortlicher der Firma "I. Ges.m.b.H. KG" (gemeint wohl:

I. Ges.m.b.H. & Co.KG), ............., ............, verantworten zu haben, daß diese Gesellschaft am 10.8.1994 bei der Baustelle der GWG-Wohnanlage, Stiege IV, Westseite, in ............/............... zwei Arbeitnehmer am Dachsaum mit der Montage der Dachrinne (bei einer Dachneigung von 27 o und einer Traufenhöhe von ca. 9 m) beschäftigt habe, wobei dies nicht von einem sicheren Standplatz im Dachbodenraum ausgeführt hätte werden können, weil die Dachfläche bereits vollkommen zugeschalt und mit der Lattung versehen gewesen sei, wobei beide Arbeitnehmer in keiner Weise sicher angeseilt gewesen wären.

In der Begründung zu diesem Straferkenntnis wurde angeführt, daß auf Grund eines Strafantrages des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung dem Beschuldigten vorgeworfen worden sei.

In seiner Rechtfertigung hätte dieser behauptet, seine Arbeitnehmer immer wieder auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen hinzuweisen. Er hätte dazu auch ein Kontrollsystem eingeführt und wäre jeder Arbeitstrupp der Firma mit speziellen Schutzvorrichtungen ausgestattet. Trotz der ständigen Kontrollen käme es vor, daß einzelne Arbeitnehmer sogar ihre persönliche Schutzausrüstung in der Firma liegen lassen würden. Die Arbeiter wären nur dann bereit, die Arbeitnehmerschutzbestimmungen einzuhalten, wenn sie auch persönlich verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen würden.

Das Arbeitsinspektorat hätte in einer ergänzenden Stellungnahme dazu mit dem Beschuldigten durchaus übereingestimmt, daß es schwierig wäre, ein wirklich lückenloses Kontrollsystem gewährleisten zu können bzw. daß auch manche Arbeitnehmer trotz erfolgter Anweisungen die beigestellte Schutzausrüstung nicht verwenden würden. Auf der gegenständlichen Baustelle hätten die beiden Arbeitnehmer, obwohl sie schon den zweiten Tag auf der Baustelle gearbeitet hätten, jedoch noch immer keine Schutzausrüstung mit sich geführt.

Außerdem wären diese Arbeitnehmer laut deren Aussagen bis vor Beginn dieser Baustelle eher auf bzw. von Gerüsten aus tätig gewesen und hätten keine Ahnung in bezug auf Sicherungsmöglichkeiten auf Dächern gehabt.

Zu dieser Stellungnahme hätte sich der Beschuldigte nicht geäußert.

Nach einer Wiedergabe der Rechtslage stellte die belangte Behörde als erwiesen fest, daß am 10.8.1994 bei der genannten Baustelle von zwei Arbeitnehmern Montagearbeiten der Dachrinne durchgeführt worden wären, ohne daß die Arbeitnehmer sicher angeseilt gewesen wären. Der Beschuldigte hätte weder die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs.2 VStG noch die Bestellung eines Bevollmächtigten iSd § 31 Abs.2 ANSchG in seiner Rechtfertigung geltend gemacht.

Die an seine Arbeitnehmer ergangene Weisung, sich bei Dacharbeiten an die Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu halten, könne weder als Bestellung eines Bevollmächtigten noch als Maßnahme zur Einrichtung eines Kontroll- und Überwachungssystems gewertet werden. Daran vermöge auch der allgemeine Hinweis auf die Einführung eines Kontrollsystems nichts zu ändern, zumal keine konkreten Angaben gemacht wurden. Für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen sei aber eindeutig der Arbeitgeber erforderlich. Falls ihm deren Kontrolle aus zeitlichen Gründen nicht möglich sei, wäre er verpflichtet, durch ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz von Aufsichtspersonen dafür zu sorgen, daß die von den Beschäftigten zu beachtenden Vorschriften diesen nicht nur bekannt wären, sondern tatsächlich im Einzelfall auch eingehalten würden.

Der Beschuldigte hätte daher diese Verwaltungsübertretung auch zu vertreten.

Hinsichtlich des Verschuldens wurde Fahrlässigkeit angenommen, da er durch die Beschäftigung von Arbeitnehmern auf dem Dach mit einer Traufenhöhe von ca. 9 m die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen und dadurch verkannt hätte, daß er einen tatbestandsmäßigen Sachverhalt verwirkliche.

Zur vorgenommenen Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, daß die verhängte Strafe dem Unrechts- und Schuldgehalt der begangenen strafbaren Handlung und seinen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen entspreche. Auch unter Berücksichtigung der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, sei die verhängte Strafe als angemessen zu erachten, da durch die inkriminierte Beschäftigung der Arbeitnehmer eine akute Gefährdung des Lebens und der Gesundheit derselben bestanden hätte. Da das Leben und die Gesundheit äußert schützenswerte Rechtsgüter seien, wäre die Verhängung einer höheren Strafe gerechtfertigt gewesen, doch seien im gegenständlichen Fall keine nachteiligen Folgen der Tat bekannt geworden. Die verhängte Strafe erscheine im Hinblick auf die sechs einschlägigen Vorstrafen erforderlich, den Beschuldigten in Hinkunft von der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten anzuhalten, da er durch sein bisheriges Verhalten gezeigt habe, daß er offensichtlich nicht gewillt sei, die Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmern einzuhalten.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 12.9.1995, mit der beantragt wird, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen; in eventu wurde die schuldangemessene Reduzierung des Strafbetrages beantragt.

In der Begründung dazu wurde zunächst in Abrede gestellt, daß der Bw für das Fehlverhalten seines langjährigen Vorarbeiters F. S. verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei, zumal dieser verläßliche Mitarbeiter schon länger als 13 Jahre in seiner Firma beschäftigt sei und bisher noch keinerlei grobe Verstöße gegen die Arbeitnehmerschutzbestimmungen begangen hätte.

Darüber hinaus hätte er in seiner Firma ein Kontrollsystem zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen eingeführt, daß er wie folgt beschrieb:

Zwischen den leitenden Angestellten der Firma und den Meistern sei schriftlich vereinbart, daß sowohl der Bw selbst als auch seine Gattin C. I. sowie die beiden leitenden Angestellten G. W. und F. E. jeweils für die technische Abwicklung von bestimmten Baustellen und für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen auf diesen Baustellen verantwortlich wären.

Für die gegenständliche Baustelle sei Herr Ehrengruber verantwortlich gewesen.

Darüber hinaus hätten sämtliche Vorarbeiter seiner Firma bereits mehrere Kurse und Schulungen hinsichtlich Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen erhalten; weiters werde jeder Vorarbeiter vom Bw strikt angewiesen, einerseits dafür Sorge zu tragen, daß die Arbeitnehmerschutzbestimmungen eingehalten werden und andererseits auch entsprechende Kontrolltätigkeiten auszuüben.

F. S. sei bereits länger als 13 Jahre in der Firma tätig und wäre bisher immer ein äußerst zuverlässiger Mitarbeiter gewesen, sodaß sein Fehlverhalten vom 10.8.1994 äußerst unverständlich sei. Bei einer Kontrolle auf der Baustelle in E. am 9.8.1994 hätte F. E. keinerlei Beanstandungen hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen feststellen können.

Auf Grund zahlreicher einschlägiger Verurteilungen hätte der Bw besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen gelegt und einerseits die Zahl der durch die leitenden Mitarbeiter durchgeführten Kontrollen erhöht und auch die Mitarbeiter ständig über die Verwendung von Sicherheitseinrichtungen belehrt; neu aufgenommene Arbeitnehmer würden besonders eindringlich über die Verwendung von Sicherheitseinrichtungen aufgeklärt und müßten sich im Dienstvertrag schriftlich verpflichten, diese auch einzuhalten.

Bei Besprechungen mit den Vorarbeitern werde immer wieder auf die Einhaltung der entsprechenden Sicherheitsbestimmung hingewiesen und jeweils auch vor Arbeitsbeginn auf neuen Baustellen.

Der Grund, warum der an sich sehr zuverlässige Vorarbeiter F. S. trotz ausführlicher Schulung und ausführlicher Weisung ohne entsprechender Sicherung gearbeitet hätte, sei völlig unverständlich, zumal jeder Vorarbeiter die ausdrückliche Weisung hätte, daß im Falle des Vergessens der Sicherheitsausrüstung kein Arbeiter auf absturzgefährdeten Stellen ungesichert arbeiten dürfe; in diesem Fall müßte jedenfalls sofort die fehlende Sicherheitsausrüstung in der Firma angefordert bzw. von der Firma abgeholt werden.

Entsprechend dem in der Firma aufgestellten Pönalensystem hätte er dem Vorarbeiter S. einen strengen Verweis erteilt und für den Fall eines neuerlichen Verstoßes gegen Schutzbestimmungen die Bezahlung eines Betrages von 500 S in die gemeinsame Kaffeekasse angedroht.

Auf Grund der Tatsache, daß der von ihm beauftragte F. E.

laut Kontrollbuch regelmäßig Kontrollen auf der Baustelle in E. durchgeführt und der bis dato immer zuverlässige Vorarbeiter F. S. einen zufällig unverständlichen Verstoß gegen die Arbeitnehmerschutzbestimmungen begangen hätte, sei eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Bw jedenfalls nicht gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat für 27. Februar 1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und an diesem Tage auch durchgeführt.

An dieser Verhandlung nahmen neben dem Bw und seinem Rechtsvertreter auch je ein Vertreter der belangten Behörde und des Arbeitsinspektorates teil; die Arbeitnehmer des Bw F. E. und F. S. wurden als Zeugen gehört.

Demnach steht fest, daß Herr F. S. am 10.8.1994 als Vorarbeiter gemeinsam mit einem namentlich nicht mehr feststellbaren Helfer auf der verfahrensgegenständlichen Baustelle am Dach gearbeitet hat, ohne angeseilt gewesen zu sein. Allerdings war etwa dreieinhalb bis vier Meter unter dem Dachsaum (Dachrinnenbereich) ein provisorisches Gerüst angebracht, das zumindest dem Vorarbeiter F. S. subjektiv das Gefühl gegeben hat, in diesem Bereich nicht ungesichert zu arbeiten. Allerdings ist aus den vom Arbeitsinspektorat Linz zum Tatzeitpunkt angefertigten Lichtbildern auch ersichtlich, daß sich dieses Gerüst nicht über den gesamten Arbeitsbereich hin erstreckt hat.

Die technische Leitung dieser Baustelle hatte Herr F. E., der auch auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu achten hatte. Hinsichtlich des Ausbildungsstandes des Herrn E. steht fest, daß dieser schon sehr lange im Betrieb des Bw arbeitet und auch die Gesellenprüfung abgelegt und als Vorarbeiter gearbeitet hat.

Aufgrund gesundheitlicher Probleme übernahm er sodann die Abwicklung der Baustellen einschließlich Kalkulation und unter anderem auch die Überwachung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Zu diesem Zweck hat er Kurse besucht und an Belehrungen des Arbeitsinspektorates betreffend Arbeitnehmerschutzbestimmungen teilgenommen.

Herr E. übt nach eigener Darstellung seine Überwachungstätigkeit in der Form aus, daß er seine ihm zugewiesenen Baustellen regelmäßig besucht und unter anderem auch darauf achtet, ob von den auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmern die Arbeitnehmerschutzbestimmungen eingehalten werden. Nach seiner Darstellung wären in jedem Firmenbus Koffer mit den erforderlichen Sicherheitseinrichtungen, sodaß er selten einen Arbeitnehmer wegen der Nichteinhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen ansprechen müsse.

Überdies komme Herr E. täglich ins Büro nach Vorchdorf, um unter anderem das "Kontrollbuch" zu führen. Dies geschieht in der Form, daß er der Sekretärin über die Vorkommnisse auf den Baustellen berichtet und diese sodann das Kontrollbuch ausfüllt, was dann Herr E. (bzw. einer der anderen Bauleiter) mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt.

Zu dem vom Bw in seiner schriftlichen Berufung behaupteten Kontrollsystem wurde anläßlich der mündlichen Verhandlung folgendes festgestellt:

Herr F. E. ist im innerbetrieblichen Kontrollsystem so positioniert, daß er in der Kontrollhierarchie unmittelbar dem Arbeitgeber (und nunmehrigen Bw) untersteht und seinerseits Vorgesetzter der Vorarbeiter auf den einzelnen Baustellen ist. Er ist jedoch kein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs.2 VStG.

Seine Aufgabe ist es, auf den Baustellen unter anderem auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu achten und die Arbeitnehmer dementsprechend anzuweisen. Seine Anordnungsbefugnis reicht soweit, Arbeitnehmer zur Verwendung von Sicherheitseinrichtungen zu veranlassen bzw. solche Arbeitnehmer, die derartige Sicherheitseinrichtungen nicht verwenden, von absturzgefährdenden Stellen herabsteigen zu lassen.

Die ihm zugewiesenen Baustellen kontrolliert er je nach Größe mehr oder weniger häufig. Zum Ende eines jeden Arbeitstages führt er im Büro gemeinsam mit der Sekretärin das Kontrollbuch, in das er Besonderheiten des Arbeitstages eintragen läßt und dieses durch eigenhändige Unterschrift bestätigt.

Bei der gegenständlichen Verhandlung wurde zum Beweis dafür der Auszug aus dem Kontrollbuch vom 8.8.1994 bis 12.8.1994 vorgelegt, aus dem die Eintragung vom 10.8.1994 hervorgeht, daß Seile und Sicherheitsgurte nicht vorhanden waren und der Vorarbeiter F. S. verwarnt worden sei.

Nach eigener Angabe des Bw überprüft er dieses Kontrollbuch ca. einmal pro Woche.

Nach eigener Angabe des Bw überprüft er Herrn F. E. nicht mehr.

Der Bw gab zum "Pönalsystem", das zur Absicherung seines Kontrollsystems im Betrieb eingerichtet wäre, an, daß jeder Arbeitnehmer, der Arbeitnehmerschutzbestimmungen übertreten hätte, in diesem Fall eine finanzielle Leistung erbringen müsse. Dies geschehe in der Form, daß in die "Kaffeekasse" Bußgelder einbezahlt werden müßten, wobei die Festsetzung der Höhe ihm persönlich obliege. Der Bw konnte jedoch anläßlich der mündlichen Verhandlung nicht angeben, wieviel bereits einbezahlt worden wäre. Er führte dies darauf zurück, daß er keinen Kaffee trinke.

Der zum Pönalsystem befragte F. E. gab an, daß er nicht wisse, ob es in der Firma ein Strafensystem gebe. In die Kaffeekasse kämen nur freiwillige Leistungen hinein, wenn jemand bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen erwischt worden sei, wenn der zB keinen Helm aufhatte oder sich nicht angeseilt hatte. Es sei ihm aber nicht bekannt, daß von irgendjemand angeordnet werde, wieviel in die Kaffeekasse einbezahlt werden müsse. Er vermutete, daß es sich hier um freiwillige Leistungen in geringem Umfang handelte.

Zur Häufigkeit der Kontrollen auf den Baustellen gab der Zeuge F. S. an, daß er sicher einmal pro Woche kontrolliert werde.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 51 Abs.1 VStG steht den Parteien im Verwaltungsstrafverfahren das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da im vorliegenden Verfahren der Bw mit einer Geldstrafe von 14.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer berufen.

4.2. Gemäß § 45 Abs.4 BauVO haben sich bei Spenglerarbeiten am Dachsaum oder an Hängerinnen die damit Beschäftigten, sofern die Arbeiten nicht von einem sicheren Standplatz im Dachbodenraum ausgeführt werden, sicher anzuseilen. Solche Arbeiten müssen von mindestens zwei verläßlichen Personen ausgeführt werden, die die notwendigen Fachkenntnisse für die ihnen übertragenen Arbeiten besitzen.

Aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesonders der fotografisch untermauerten Anzeige des Arbeitsinspektorates sowie dem Geständnis des Bw geht hervor, daß der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt ist.

4.3. Hinsichtlich der subjektiven Vorwerfbarkeit der objektiv begangenen Verwaltungsübertretung sind vor allem folgende gesetzliche Bestimmungen des ANSchG maßgeblich:

Gemäß § 31 Abs.2 ANSchG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die p) den Vorschriften der auf Grund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen ... zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Nach § 31 Abs.5 leg.cit. sind Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde, oder wenn sie bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen.

Der Bw hat sein innerbetriebliches System zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften wie folgt dargestellt:

Jeder Arbeitnehmer erhält eine Broschüre des Arbeitsinspektorates mit dem Titel "Sicheres Arbeiten auf Dächern", deren Übernahme und Kenntnisnahme jeder Arbeitnehmer mit seiner Unterschrift bestätigen muß. Die Broschüre liegt im Betrieb sowie in jedem Firmenwagen auf. In jedem Firmenbus befindet sich überdies ein Koffer mit den erforderlichen Sicherheitseinrichtungen für jeden Mitarbeiter.

Jeder Mitarbeiter hat die Anweisung, sich an absturzgefährdeten Stellen immer zu sichern. Im Falle des Vergessens der Schutzausrüstung dürfe keiner mit Arbeiten an solchen Stellen beginnen, sondern müsse unverzüglich seine Schutzausrüstung von der Firma holen oder sich bringen lassen.

Die Einhaltung dieser Weisungen werde laufend kontrolliert, u.zw. einerseits von den Vorarbeitern und andererseits von den Baustellenleitern, zB Herrn F. E. bzw. dem Arbeitgeber selbst.

Es steht fest, daß Herr F. E. nicht als verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG bestellt wurde. Ob er iSd § 31 ANSchG "bevollmächtigt" wurde, geht aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht ausdrücklich hervor, doch ist dies deshalb anzunehmen, weil er vom Arbeitgeber u.a. mit der Überprüfung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften betraut und von diesem mit den entsprechenden Anordnungsbefugnissen gegenüber den Arbeitnehmern zu deren Durchsetzung ausgestattet wurde. Dies geht insbesonders aus der eigenen Aussage des zeugenschaftlich vernommenen F. E. hervor, daß er den Arbeitnehmern die Weisung geben könne, sich zu sichern bzw.

Gefahrenstellen zu verlassen, wenn sie nicht ordnungsgemäß gesichert wären. Damit hat er auch bestätigt, mit dieser "Bevollmächtigung" einverstanden zu sein.

Es ist das wesentliche Kennzeichen eines Bevollmächtigten, daß es sich bei ihm um eine Person handelt, die mit ihrem Einverständnis vom Dienstgeber mit der Überwachung der Einhaltung der Schutzvorschriften betraut und von diesem mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet wurde. Die Betrauung und Ausstattung erfordern jedoch das Einverständnis der zu bevollmächtigenden Person (siehe hiezu etwa VwSen-221027/15/Ga/La vom 31.1.1996).

Bei der Bestellung eines Bevollmächtigten nach § 31 Abs.2 ANSchG müssen daher die strengen Voraussetzungen des § 9 Abs.4 VStG nicht eingehalten werden (VwGH vom 4.2.1994, 93/02/0299-0303).

Die Bestellung eines derartigen "Bevollmächtigten" bewirkt jedoch nicht - im Gegensatz zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG automatisch eine Befreiung des Arbeitgebers von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit, sondern ist dies nur dann der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs.5 ANSchG erfüllt sind.

Im vorliegenden Fall ist zur Beurteilung dieser Frage dem Aspekt der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten Franz Ehrengruber durch den Arbeitgeber besonderes Augenmerk zuzuwenden.

Dabei kommt der Aussage des Bw anläßlich der mündlichen Verhandlung, daß er Herrn F. E. nicht mehr kontrolliere, große Bedeutung zu. Auch Herr E. selbst fühlt sich kaum kontrolliert, wenn er auch bei der mündlichen Verhandlung einräumte, daß manchmal der "Chef" auch zu den Baustellen komme, die eigentlich er abzuwickeln hätte. Er nahm lediglich an, daß er dabei vom Arbeitgeber auch kontrolliert werde. Er sagte aber, daß er sich nicht regelmäßig vom Arbeitgeber überprüft fühle.

Damit aber hat der Bw zumindest hinsichtlich des Bevollmächtigten F. E. es an der erforderlichen Sorgfalt bei dessen Beaufsichtigung fehlen lassen. In diesem Zusammenhang kommt der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB vom 2.5.1995, 95/02/0026, 94/02/0440, 0441 vom 24.2.1995 und die darin zitierte Vorjudikatur) Bedeutung zu, wonach bloß stichprobenartige Kontrollen nicht ausreichen würden, um ein wirksames Kontrollsystem zu gewährleisten. Der Bw hat aber selbst nicht einmal stichprobenartige Kontrollen behauptet.

Wenn der Bw dagegen meint, durch die wöchentliche Einsichtnahme in das Kontrollbuch eine wirksame Kontrolle des Bevollmächtigten F. E. durchzuführen, so ist ihm entgegenzuhalten, daß die Einsichtnahme in dieses Kontrollbuch, das auszugsweise bei der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde, dem Arbeitgeber lediglich die Informationen vermitteln kann, wer auf welchen Baustellen Vorarbeiter war, welcher Art die Überprüfung war und ob es irgendwelche Bemerkungen gab. Abgesehen davon, daß laut Auszug des genannten Kontrollbuches für den 10.8.1994 dieses Kontrollbuch nicht ordnungsgemäß geführt wurde, weil unter der Rubrik "Art der Überprüfung" sich der Vermerk findet "Seile u. Sicherheitsgurte nicht vorhanden" (anstelle der in den anderen Zeilen unter dieser Rubrik angeführten Bemerkung "Arbeiten u. Sicherheitsbestimmungen") und die "Verwarnung" nicht unter der Rubrik "Anweisung", sondern in der Rubrik "Bemerkung" geführt wurde, geht aus diesem Kontrollbuch nicht hervor, ob der Baustellenleiter F. E. an Ort und Stelle seinen Kontrollaufgaben nachkommt. Gerade im vorliegenden Fall erscheint dies deshalb fragwürdig, weil Herr E. selbst zugegeben hat, nicht von sich aus bei den Kontrollen in den Firmenfahrzeugen nachzusehen, ob die Schutzausrüstungen auch wirklich mitgeführt werden. Als Begründung auf die diesbezügliche, anläßlich der mündlichen Verhandlung an ihn gerichtete Frage gab er an, daß er das deshalb nicht kontrolliere, weil die Schutzausrüstung ohnedies jeder Arbeitnehmer mithaben müsse.

Es liegt ja gerade im Wesen eines Kontrollsystems begründet, nachzuprüfen, ob erteilte Weisungen auch tatsächlich eingehalten werden. Wenn die bloße Erteilung von Weisungen ausreichen würde, brauchte man überhaupt kein Kontrollsystem einzurichten. Da es aber immer wieder zu Fehlleistungen einzelner Arbeitnehmer kommt, die eben erteilten Weisungen nicht nachkommen, sind entsprechende Kontrollen unbedingt erforderlich.

Damit aber erweist sich in Summe das vom Bw in seinem Betrieb eingerichtete Kontrollsystem als nicht ausreichend, um den strengen Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofes an ein solches Kontrollsystem zu entsprechen.

Daran kann auch nicht das vom Bw angeblich eingerichtete "Pönalsystem" in Form eines Beitrages in die "Kaffeekassa" nichts ändern. Abgesehen davon, daß ein solches System, das zwar weder vom Gesetz noch Judikatur gefordert ist, an sich sinnvoll sein mag, muß doch die Umsetzung im Betrieb des Bw als äußerst mangelhaft und damit zu wenig effizient bezeichnet werden. Daß dieses System offensichtlich kaum als Druckmittel gegen die Arbeitnehmer eingesetzt wird, ergibt sich bereits aus dem Umstand, daß Herr F. E. als immerhin Bevollmächtigter von der Existenz dieses Strafensystems eigentlich nichts wußte. Wie sich aus der eigenen Aussage des Bw anläßlich der mündlichen Verhandlung ergab, hat sich der Bw als Arbeitgeber offensichtlich auch nicht darum gekümmert, ob jemals etwas in diese "Kaffeekassa" als Pönale für Mißachtung von Arbeitssicherheitsbestimmungen bezahlt worden ist (arg: "weil ich keinen Kaffee trinke.").

4.5. Schließlich ist auch noch zu den Berufungsausführungen betreffend die langjährige verläßliche Arbeit des Vorarbeiters F. S. anzumerken, daß selbst ein langjähriges Wohlverhalten eines Arbeitnehmers den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung entbindet, diesen immer wieder anzuweisen und die Einhaltung der Weisungen auch entsprechend zu kontrollieren.

4.6. Die Überprüfung der Strafbemessung ergab, daß diese in Anbetracht der obigen Ausführungen, des vorgesehenen Strafrahmens und der wiederholten einschlägigen Vorstrafen den Anforderungen des § 19 VStG entspricht und daher keine Korrektur vorzunehmen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II:

Die Vorschreibung des Verfahrenskostenbeitrages gründet sich auf § 64 Abs.2 VStG. Demnach ist der Beitrag für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen; das sind im vorliegenden Fall 2.800 S.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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