Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280147/17/Schi/Km

Linz, 07.07.1997

VwSen-280147/17/Schi/Km Linz, am 7. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des Herrn E S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. K D S und Dr. W S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 28.8.1995, Ge96-36-1995-Gb, wegen Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung bzw. des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 1. Juli 1997, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis in den Punkten 1b) und 2) aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird; Hinsichtlich Punkt 1a) wird die Berufung in der Sache mit der Maßgabe abgewiesen, als die die Strafnorm iS des § 44a Z. 3 VStG statt § 130 Abs.1 Z.16 richtig "Abs.5" ASchG zu lauten hat; weiters wird die verhängte Geldstrafe auf 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) herabgesetzt.

II. Der Berufungswerber hat zum Berufungsverfahren keinen Kostenbeitrag zu leisten; der erstinstanzliche Strafkostenbeitrag hinsichtlich des bestätigten Punktes 1a) ermäßigt sich infolge der Herabsetzung auf 400 S.

Rechtsgrundlage: Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 16, 19, 21, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 64 Abs. 1 und 2 sowie § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 28.8.1995, Ge96-36-1995-Gb, wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe es als Arbeitgeber und Inhaber des Spezialestrichhersteller- und Stukkateurbetriebes in W, zugelassen, daß auf der Baustelle Kläranlage H am 9. März 1995 1. ein Arbeitnehmer seines Betriebes auf einer Stehleiter mit Putzarbeiten zur Verlegung von Gipskartonplatten beschäftigt gewesen sei, wobei a) der Gerüstbelag des ca. 1 m breiten Bockgerüstes aus einer ca. 0,6 m breiten Gerüstbelagspalette bestanden habe, obwohl Gerüstbelagsteile über die gesamte Gerüstbreite dicht verlegt sein müssen und b) die Gerüstlage des ca. 1 m hohen Bockgerüstes nicht mit den erforderlichen Wehren versehen gewesen sei, obwohl an einer Längsseite des Gerüstes eine Absturzhöhe von ca. 5 m bis 6 m gegeben gewesen sei und bei Absturzgefahr geeignete Absturzsicherungen anzubringen sind; 2. ein Arbeitnehmer seines Betriebes auf einem Behelfsgerüst beschäftigt gewesen sei, wobei eine Stehleiter als Aufleger für den Gerüstpfosten diente und als zweites Auflager ein Stahlrohrgeländer verwendet worden sei, wobei der Pfostenüberstand an den Auflagern ca. 10 cm betragen habe, obwohl die bei Gerüstbelagen zu verwendenden Pfosten an den Auflagern einen Überstand von mindestens 20 cm aufweisen müssen.

Der Bw habe dadurch 1. a) § 57 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. 340/1994, 1. b) § 58 iVm § 7 Abs.2 Z4 BauV und 2. § 57 Abs.2 BauV verletzt, weshalb wegen dieser Verwaltungsübertretungen über den Bw gemäß § 130 Abs.2 Z16 iVm § 118 Abs.3 ASchG zu 1. a) eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage), zu 1. b) eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage) und zu 2. eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt wurde. Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 % der Strafe, insgesamt sohin 2.000 S zu bezahlen.

2. Dagegen hat der Bw mit Schriftsatz vom 5.10.1995 rechtzeitig Berufung erhoben, und beantragt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, in eventu die Geldstrafen auf das gesetzliche Mindestmaß herabzusetzen. Begründend wird dies im wesentlichen mit folgenden Argumenten:

Zunächst wird die Feststellung, daß am 9.3.1995 bei der Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat Arbeitnehmer auf einer Stehleiter mit Putzarbeiten zur Verlegung von Gipskartonplatten beschäftigt gewesen seien (Pkt. 2 des Straferkenntnisses). Im Hinblick auf die Aussage des Zeugen S sei davon auszugehen, daß keine Arbeiten durchgeführt worden wären, weshalb keine strafbare Handlung diesbezüglich vorliege.

Zu Punkt 1a) des Straferkenntnisses wird darauf hingewiesen, daß entsprechend der herangezogenen Bestimmung der BauV Gerüstbelagteile über die gesamte Gerüstbreite dicht aneinander verlegt sein müssen. Im gegenständlichen Falle handle es sich aber nicht um Gerüstbelagsteile, sondern um eine einzige Platte, sodaß diese Bestimmung im gegenständlichen Fall nicht greife. Aus dem Wortsinn "Gerüstbelagteile" ergebe sich eindeutig, daß dieses Dichtaneinanderlegen über die gesamte Gerüstbreite eben nur dann zur Anwendung komme, wenn mehrere einzelne nebeneinandergelegt werden. Diese sind eben über die gesamte Breite dicht zu verlegen, sodaß dies nur bei Gerüstbelagsteilen gelte, nicht jedoch bei einer einzigen durchgehenden Platte wie im gegenständlichen Fall. Dies ergebe sich auch aus dem Sinn der Bestimmung, nämlich daß sich Gerüstbelagsteile nicht verschieben sollten, sodaß also dadurch ein Spalt entsteht. Dies konnte aber hier nicht der Fall sein, da es sich um eine einzige Platte gehandelt habe. Auch das Straferkenntnis im Punkt 1b sei nicht berechtigt, weil gemäß § 7 Abs.4 BauV von den Anbringungen von Absturzsicherungen dann entfallen kann, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführenden Arbeiten ist. Wie sich aus der Verantwortung des Zeugen S ergebe, habe er an dieser Stelle nur Ausbesserungsarbeiten im Ausmaß von 10 min durchgeführt. Es bestehe aus diesem Grund keine Absturzgefahr, da diese kurze Zeitspanne kein Arbeitsplatz im Sinn des § 7 Abs.2 Z4 darstelle und im wesentlichen auch deswegen, weil der Zeuge S überhaupt nur probeweise versucht habe, ob ein diesbezügliches Arbeiten möglich sei. Er habe in der Folge die weiteren Arbeiten unterlassen. Es habe sich herausgestellt, daß der erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch sei, zumal in der Folge die Arbeiten unterlassen worden seien. Im übrigen hätte die Behörde darauf eingehen müssen, daß tatsächlich ein Pfostenüberstand vorhanden gewesen sei, zumal nur probeweise Arbeiten durchgeführt wurden, ob überhaupt das Gerüst geeignet sei; es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß tatsächlich eine Übertretung vorliege. Schließlich wird die Höhe der verhängten Geldstrafen bekämpft, auch wenn der Wiederholungsfall gegeben sei, so sei von einem Strafrahmen mit dem unteren Betrag von 4.000 S auszugehen gewesen.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil in den einzelnen Fällen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

3.2. Gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG wurde die Berufung dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk in Linz zur Kenntnis gebracht; dieses gab mit Schreiben vom 19. August 1996 eine Stellungnahme ab, welche mit h. Schreiben vom 2. September 1996 dem Bw zu Handen seiner ausgewiesenen Vertreter zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 31.10.1996 hat der Bw eine Gegenäußerung erstattet, in der er seinen Standpunkt im wesentlichen aufrecht erhielt.

3.3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat am 1. Juli 1997 in der Sache eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und durchgeführt.

An dieser Verhandlung nahm neben dem Bw und dessen Rechtsvertreter auch ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz teil; die belangte Behörde hat keinen Vertreter entsendet. Der anzeigende Arbeitsinspektor Dipl.-Ing. A H wurde als Zeuge vernommen; ebenso wurde der Arbeitnehmer G S als Zeuge geladen und vernommen.

4. Im Grunde des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt sowie mit den Berufungsausführungen und den ergänzenden Stellungnahmen ist von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:

4.1. Der Bw ist Inhaber der Firma E S in W, eines Unternehmens, das Spezialestriche herstellt und Stukkaturarbeiten ausführt. Am 9. März 1995 waren auf einer Baustelle der Firma E S in H (Kläranlage) die Arbeitnehmer G S und K F beschäftigt. Zum Zeitpunkt der Kontrolle des Arbeitsinspektors am 9.3.1995 befand sich ein Arbeitnehmer, und zwar der Vorarbeiter G S, auf dem Bockgerüst bzw. auf der darauf befindlichen Stehleiter und verrichtete Abschlußarbeiten (Verspachteln eines Stoßes), obwohl a) der Gerüstbelag des ca. 1 m breiten Bockgerüstes nur aus einer ca. 0,6 m breiten Gerüstbelagsplatte bestanden hat und b) die Gerüstlage des ca. 1 m hohen Bockgerüstes nicht mit den erforderlichen Wehren versehen war, obwohl an einer Längsseite des Gerüstes eine Absturzhöhe von ca. 5 m bis 6 m gegeben war (= Punkt 1. des Straferk.). Diese Arbeiten dauerten maximal 10 Minuten, eher aber weniger.

Weiters fand der Arbeitsinspektor bei der Kontrolle am 9.3.1995 auf dieser Baustelle ein Behelfsgerüst dergestalt vor, daß eine Stehleiter als Aufleger für den Gerüstpfosten diente und als zweites Auflager ein in der Kläranlage fix montiertes Stahlrohrgeländer verwendet wurde, wobei der Pfostenüberstand an den Auflagern nur ca. 10 cm betragen hat (=Spruchpunkt 2 des Straferk.).

4.2. Dies ergibt sich insbesondere aus den Aussagen der Zeugen Dipl.-Ing. A H vom Arbeitsinspektorat und des Arbeitnehmers G S. Weiters ergibt sich die Lage und Anordnung der beanstandeten Gerüste auch aus dem im Akt einliegenden Fotos, die der Zeuge Dipl.-Ing. A H von der Baustelle gemacht hat und die auch in der mündlichen Verhandlung als richtig anerkannt wurden. Der Zeuge S gab übereinstimmend mit dem Zeugen Dipl.Ing. H an, er habe sich zum Kontrollzeitpunkt auf der Stehleiter des Bockgerüstes befunden; allerdings schränkte der Zeuge S den Zeitraum seiner auf diesem Gerüst durchgeführten Arbeiten auf höchstens zehn Minuten, eher noch weniger, ein. Diese Angaben scheinen auch schlüssig, als es sich unbestrittenermaßen nur um kurze Abschlußarbeiten gehandelt hat. Weiters legte der Zeuge S, der auf dieser Baustelle Vorarbeiter war, in überzeugender und schlüssiger Weise dar, daß sich am Behelfsgerüst (Pkt. 2 des Straferk.) nie ein Arbeitnehmer befunden hat; vielmehr wäre dies nur ausprobiert und dann wegen schlechter Standfestigkeit bzw. zu großer Unsicherheit nicht benützt, aber vorläufig stehengelassen worden. Auch der Arbeitsinspektor konnte sich in der Verhandlung nicht mehr sicher daran erinnern, ob sich damals ein Arbeitnehmer darauf befunden habe. Es war daher diesbezüglich von der Verantwortung des Berufungswerbers auszugehen, weil sich diese Aussagen völlig decken mit den vom Zeugen S bereits in der Zeugenniederschrift vom 10.5.1995, sohin zwei Monate nach dem Vorfall, gemachten Angaben. Weiters machte dieser Zeuge bei seiner Einvernahme in der Berufungsverhandlung einen sicheren und glaubwürdigen Eindruck und konnte seine Angaben durch schlüssige und lebensnahe Begründungen untermauern, so zum Beispiel, daß es üblich sei, derartige nicht tragfähige Behelfsgerüste nicht sofort nach Erkennen der Unzweckmäßigkeit abzubauen, sondern sie vorläufig zu belassen und sukzessive, so wie einzelne Teile davon an anderen Stellen benötigt werden, abzutragen.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 4.000 S bis 200.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber 1. den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt, oder 2. die nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden bescheidmäßigen Vorschreibungen nicht einhält.

Der 9. Abschnitt des ASchG enthält das Übergangsrecht und Aufhebung von Rechtsvorschriften und betrifft §§ 102-127. Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung BGBl.Nr. 340/1994 (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

5.2. Gemäß § 57 Abs.1 BauV müssen Gerüstbelagteile über die gesamte Gerüstbreite dicht aneinander und so verlegt sein, daß sie nicht herabfallen, kippen, sich verschieben oder zu stark durchbiegen können. Beläge müssen gesichert sein, wenn sie durch Wind oder sonstige Belastung abgehoben werden können. Um Bauwerksecken müssen Gerüstlagen in voller Breite herumgeführt werden.

Werden gemäß Abs.2 dieses Paragraphen als Gerüstbelag Pfosten verwendet, müssen diese mindestens 2 m breit, mindestens 5 cm dick und parallel besäumt sein. Die Verringerung der Dicke infolge Herstellungstoleranz, Abnützung und Schwinden darf höchstens 5 % betragen. Die Pfosten müssen an den Auflagern einen Überstand von mindestens 20 cm aufweisen, an den Endauflagern darf der Überstand höchstens 30 cm betragen. Die Auflager der Pfosten dürfen bei Fanggerüsten nicht mehr als 1,50 m betragen, bei Schutzdächern und bei Arbeitsgerüsten nicht mehr als 3,00 m von einander entfernt sein.

5.3. Gemäß § 58 Abs.3 BauV müssen die Gerüstlagen mit Wehren gemäß § 8 versehen sein.

Zufolge Abs.5 dieses Paragraphen muß der Abstand zwischen dem Gerüstbelag und dem eingerüsteten Objekt möglichst gering sein. Auf der dem eingerüsteten Objekt gewandten Seite des Gerüstes sind Wehren anzubringen, wenn Absturzgefahr gemäß § 7 Abs.3 Z2 oder 4 besteht (Z1).

5.4. Gemäß § 7 Abs.1 BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen. Zufolge Abs.2 dieses Paragraphen liegt Absturzgefahr unter anderem an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe vor (Z4). Zufolge Abs.4 dieses Paragraphen kann die Anbringung von Absturzsicherungen (§ 8) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) entfallen, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer entsprechend § 30 sicher angeseilt sein.

Zufolge § 8 Abs.1 sind geeignete Absturzsicherungen 1. tragsichere und unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen oder 2. Umwehrungen (Geländer) an den Absturzkanten, die aus Brust-, Mittel- und Fußwehren bestehen. Bei Wandöffnungen, Stiegenpodesten und Standflächen zur Bedienung oder Wartung von Maschinen bis zu einer Absturzhöhe von 2,00 m und bei Stiegenläufen können die Fußwehren entfallen.

6. Zur Tatbestandsmäßigkeit:

6.1. Entgegen der Meinung des Bw ist der O.ö. Verwaltungssenat der Ansicht, daß § 57 Abs.1 erster Satz BauV trotz der Verwendung der Mehrzahlform ("Gerüstbelagteile") eindeutig so zu verstehen ist, daß, falls wie hier, nur eine einzige Gerüstbelagsplatte verwendet wird, dann eben diese sich über die gesamte Gerüstbreite zu erstrecken hat. Denn, wenn sich auch eine einzige Gerüstplatte nicht verschieben kann, so liegt der weitere Normzweck darin, daß bloß eine einzige Gerüstplatte dann zu knapp ist, wenn sie sich nicht über die gesamte Gerüstbreite erstreckt. Dies kann auch sehr gut auf dem ersten Foto erkannt werden, da schon bei geringen Stößen die Stehleiter kippen könnte, weil sie völlig am Rande des Gerüstbelages aufliegt. Eine Wortinterpretation, wie sie der Bw vornimmt, nämlich, daß aus der Verwendung der Mehrzahlform nicht auf die Einzahl geschlossen werden dürfe ist daher hier verfehlt. Hinsichtlich Spruchpunkt 1 a) war daher die Tatbestandsmäßigkeit zu bejahen. Wenn der Bw in der Verhandlung darauf hingewiesen hat, daß im Spruch fälschlicherweise die Arbeiten mit "Verlegung von Gipskartonplatten" bezeichnet worden sind, während sich herausgestellt hat, daß es sich lediglich um Abschlußarbeiten gehandelt hat, so ist zunächst darauf zu verweisen, daß er diesfalls übersehen hat, daß ohnedies im Spruch angeführt wurde, daß es sich um "Putzarbeiten zur Verlegung von Gipskartonplatten" gehandelt hat und es im übrigen rechtlich irrelevant ist, welche Arbeiten im Einzelfall durchgeführt wurden; es kommt einzig und allein darauf an, ob Arbeiten verrichtet worden sind. 6.2. Hinsichtlich der Spruchpunkte 1b) und 2) war jedoch schon die Tatbestandsmäßigkeit nicht gegeben, weshalb in diesen Fällen der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis diesbezüglich aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z. 1 VStG einzustellen war. Zu Punkt 1b): Hier verweist der Bw zutreffend daraufhin, daß infolge der äußerst kurzen Arbeitsdauer (siehe oben Punkt 4.) die Verhältnismäßigkeitsregel des § 7 Abs. 4 BauV zur Anwendung kommen muß. Auch der O.ö. Verwaltungssenat ist der Ansicht, daß die Anwendung dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausschließlich nur davon abhängt, ob der Aufwand unverhältnismäßig hoch ist und nicht davon, ob die Arbeitnehmer darüberhinaus angeseilt waren. Letzteres stellt nur eine zusätzliche Folgemaßnahme dar, die erst dann zur Anwendung kommen muß, wenn klar ist, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Anwendung findet. Das Nichtanseilen in diesem Fall wäre somit ein eigener Übertretungstatbestand, der aber hier nicht verfolgt worden war. Zu Punkt 2): Aus den oben unter Punkt 4.2. dargelegten Ausführungen ergibt sich, daß auf diesem Behelfsgerüst nie gearbeitet wurde, weshalb auch hier die Tat nicht erwiesen werden konnte.

7. Zum Verschulden:

7.1. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung (im vorliegenden Fall nur noch Punkt 1a) weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Zu dieser Umkehr der Beweislast kommt es allerdings nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, wobei in dieser Hinsicht die Beweislast die Behörde trifft. Wie aber bereits in dieser Begründung ausgeführt wurde, hat der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung erfüllt. Es wäre daher Sache des Berufungswerbers gewesen, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. VwGH v. 2. April 1990, Zl. 90/19/0078). Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn der Verstoß ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurde. Ein derartiges Vorbringen - von Tatsachen oder von Beweismitteln -, das geeignet gewesen wäre, sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, hat der Bw aber nicht erstattet. Das Berufungsvorbringen ist im Sinne der ständigen Judikatur nicht stichhaltig, weil der Verwaltungsgerichtshof schon mehrmals ausgesprochen hat, daß nicht einmal eine bloß stichprobenartige Überwachung zur Annahme eines mangelnden Verschuldens ausreicht. Es war daher die bloße Bestellung des Arbeitnehmers Scherleitner als Aufsichtsperson, ohne diesen zu überwachen und zu kontrollieren, nicht hinreichend.

7. Zur Strafbemessung:

7.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

7.2. Im vorliegenden Fall war davon auszugehen, daß auch die berichtigte Strafnorm des § 130 Abs.5 ASchG einen Strafrahmen von 2.000 S bzw. im Wiederholungsfalle von 4.000 S (bis 100.000 S bzw. 200.000 S) enthält. In Anbetracht einiger einschlägiger Vorstrafen war im vorliegenden Fall zunächst von der Mindeststrafe des Wiederholungstatbestandes, sohin von 4.000 S auszugehen. Allerdings hat die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses ua. eine Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs.2 lit.p ANSchG (Straferkenntnis vom 21.12.1990, Ge96-1128-1990) zwar zu Recht als erschwerend gewertet, jedoch ist hinsichtlich dieser Strafe gemäß § 55 Abs.1 VStG mittlerweile Tilgung eingetreten, weshalb sie jetzt nicht mehr als erschwerend gewertet werden durfte, denn die Berufungsbehörde hat allenfalls auch erst während des Berufungsverfahrens eingetretene Umstände bei der Strafbemessung wahrzunehmen. Dies gilt auch für den Ablauf der Tilgungsfrist hinsichtlich einer Vorstrafe (VwGH 15.4.1991, 90/19/0586; 24.3.1993, 92/03/0246). Der O.ö. Verwaltungssenat mußte daher die verhängte Geldstrafe entsprechend herabsetzen.

7.3. Da im gegenständlichen Fall im übrigen ein beträchtliches Überwiegen von Milderungsgründen gegenüber von Erschwerungsgründen nicht vorlag, kommt eine Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Milderung der Strafe) nicht in Betracht. Auch für das Vorliegen eines geringfügigen Verschuldens besteht nach dem Vorbringen des Bw kein Grund zur Annahme. Eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG (Absehen von der Strafe) kommt daher vorliegendenfalls nicht in Betracht.

8. Im übrigen hat die belangte Behörde bei der Zitierung jener Vorschrift, nach der die Strafe verhängt wurde (§ 44a Z3 VStG) fälschlicherweise § 130 Abs.1 Z16 iVm § 118 Abs.3 ASchG herangezogen, obwohl § 130 Abs.5 die richtige Norm gewesen wäre; dies mußte daher der O.ö. Verwaltungssenat im Rahmen seiner Pflicht zur Richtigstellung entsprechend im Spruch korrigieren.

10. Da somit der Berufung teilweise ein Erfolg beschieden war, hat der Bw keinen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat zu leisten. Der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag vermindert sich daher entsprechend der herabgesetzten Geldstrafe in Punkt 1a).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Schieferer

Beschlagwortung: Behelfsgerüste - unsicher, ohne Wehren - Absehen v. Sicherung, Gerüstbelagteile zu schmal;

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