Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-260264/2/WEI/Bk

Linz, 05.10.2001

VwSen-260264/2/WEI/Bk Linz, am 5. Oktober 2001

DVR.0690392
 

E R K E N N T N I S
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des R vertreten durch Dr. D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 17. November 2000, Zl. Ge 96-20-1999-J/GM, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Strafsache nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 zu Recht erkannt:
 
 
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
 
 
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991.
 
 
Entscheidungsgründe:
 
1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20. Juni 2000, Zl. Ge 96-20-1999/J/Sl, wurde der Berufungswerber (Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach §§ 137 Abs 4 lit i) und 137 Abs 2 lit x) WRG 1959 idF BGBl Nr. 85/1997 wegen Nichtbefolgung wasserpolizeilicher Aufträge schuldig gesprochen und bestraft. Dieses Straferkenntnis wurde dem Bw nach Ausweis des aktenkundigen Rückscheins am 23. Juni 2000 eigenhändig zugestellt. Die Berufungsfrist ist am 7. Juli 2000 ungenützt abgelaufen.
 
1.2. Mit dem am 26. Juli 2000 bei der belangten Behörde rechtsfreundlich eingebrachten Schriftsatz beantragte der Bw die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und holte gleichzeitig die Berufung nach. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. November 2000, Zl. Ge 96-20-1999-J/GM, hat die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag ebenso wie den gleichzeitig eingebrachten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.
 
2.1. In der Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags bringt der Bw vor, das ihm am 23. Juni 2000 mit RSa-Brief zugestellte Straferkenntnis an sich genommen und auf Grund eines auswärtigen Termins in seinem Fahrzeug mitgenommen zu haben. Er hätte das Straferkenntnis auf den Beifahrersitz gelegt und beabsichtigt, es noch am selben Tag genauer zu studieren und telefonischen Kontakt mit seinem Rechtsvertreter aufzunehmen. Während des Tages hätte der Bw mehrere geschäftliche Termine an verschiedenen Örtlichkeiten wahrgenommen. Am Abend habe er die während des Tages ebenfalls auf dem Beifahrersitz abgelegten Schriftstücke an sich genommen und in seinem Büro zu Hause abgelegt. Da sich das Straferkenntnis nicht dabei befunden hätte und auf Grund erheblicher beruflicher Belastung hätte der Bw nicht mehr daran gedacht. Erst am 12. Juli 2000 hätte er das Fahrzeug ausgeräumt, um sämtliche Unterlagen in ein zuvor am 10. Juli 2000 neu angemeldetes Fahrzeug zu geben. Dabei hätte er das unter dem Beifahrersitz liegende Straferkenntnis gefunden.
 
Das Vergessen des Straferkenntnisses erklärt die Berufung mit der erheblichen beruflichen Belastung des Bw, zumal in den Monaten Mai bis September in dessen Tätigkeitsbereich Hochsaison sei. Dies führe dazu, dass plötzlich hereinkommende Aufträge umgehend erledigt werden müssten. Das verschwundene Schriftstück sei offensichtlich bei einem Bremsmanöver oder diversen Richtungsänderungen während der Fahrt unbemerkt unter den Autositz gerutscht.
 
2.2. In rechtlicher Hinsicht tritt die Berufung der strafbehördlichen Ansicht entgegen, dass bei dem geschilderten Sachverhalt kein unvorhersehbares Ereignis vorliege. Maßgebend sei nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse. Nur die Unabwendbarkeit stelle objektiv auf die Hinderungsmöglichkeit durch den Durchschnittsmenschen ab. Das Abstellen auf die allgemeine Lebenserfahrung führe zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch die Erstbehörde. Der Bw deponierte immer schon alle Schriftstücke auf dem Beifahrersitz und nehme diese dann am Ende des jeweiligen Arbeitstages mit in sein Büro. Der gegenständliche Vorfall wäre dabei in seiner langjährigen Praxis noch nie eingetreten. Der Bw hätte mit dem Eintritt des geschilderten Ereignisses auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht rechnen können. Es liege höchstens ein minderer Grad des Versehens vor. Beim Bw handelte sich auch nicht um einen beruflichen Parteienvertreter, an den ein strengerer Maßstab anzulegen wäre. Das Verschwinden des Straferkenntnisses stelle daher ein unvorhergesehenes Ereignis dar.
 
Die Berufung tritt weiter der erstbehördlichen Ansicht entgegen, wonach es bei Anlegung eines üblichen Sorgfaltsmaßstabes unglaubwürdig erscheine, ein Straferkenntnis mit einer Strafe von immerhin S 44.000,-- einfach total zu vergessen. Nach dem Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofes könnten auch psychologische Vorgänge wie vergessen, verschreiben, sich irren usw. als Ereignis iSd § 71 Abs 1 AVG gewertet werden. Der Bw habe auf Grund seiner erheblichen beruflichen Belastung das Straferkenntnis vergessen. Auch in diesem Punkt sei nicht auf den üblichen Sorgfaltsmaßstab abzustellen, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse zu betrachten. Abermals verweist die Berufung dazu allgemein auf die berufliche Belastung des Bw in der Hochsaison, in der er ständig mit neuen Aufgaben konfrontiert gewesen wäre. Der Bw hätte sich auf seine gängige Praxis verlassen dürfen, die Post am Beifahrersitz zu deponieren und sich Briefe oder Termine am Abend bei Durchsicht der Post in Erinnerung zu rufen. Eine gesonderte Aufzeichnung oder spezielle gedankliche Erinnerung wäre bisher nicht erforderlich gewesen und daher das Vergessen durchaus glaubwürdig und nachvollziehbar. Bei Betrachtung des konkreten Ablaufs wäre das Vergessen durchaus glaubwürdig und stellte - wenn überhaupt - höchstens einen minderen Grad des Verschuldens dar.
 
Abschließend beantragt der Bw die Bewilligung der Wiedereinsetzung und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
 
3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass die Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen war.
 
4. In der Sache hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
 
4.1. Gemäß § 71 Abs 1 AVG (iVm § 24 VStG) ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
 
Nach § 71 Abs 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
 
Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist nach § 71 Abs 4 AVG die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Gemäß § 71 Abs 6 AVG kann die Behörde dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. Ein unabhängiger Verwaltungssenat hat durch Einzelmitglied zu entscheiden.
 
Der Wiedereinsetzungswerber hat alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 673 E 16 zu § 71 Abs 1 und 681, E 2 zu § 71 Abs 2). Glaubhaftmachung bedeutet die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich machen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch5, Anm 4 zu § 71 AVG). Die Prüfung des Wiedereinsetzungsantrags hat nur im Rahmen des Vorbringens zu erfolgen (vgl etwa VwGH 22.4.1997, 94/04/0014; VwGH 30.5.1997, 96/02/0608, 0613).
 
4.2. Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl u.a. VwGH 26.8.1998, 96/09/0093; VwGH 1.7.1998, 98/09/0026, 0027; Hauer/Leukauf, Handbuch5, E 18b und E 21 zu § 71 Abs 1 AVG).
 
Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds ist es schon nicht wahrscheinlich und damit nicht glaubhaft, dass das am Beifahrersitz abgelegte Straferkenntnis vom Bw völlig unbemerkt unter den Beifahrersitz rutschen konnte. Auch ein heftiges Bremsmanöver hätte nach allgemeiner Lebenserfahrung nur bewirken können, dass der RSa-Brief nach vorne in den Fußraum der Beifahrerposition geschleudert wird. Ein darüber hinaus gehendes Rutschen unter den Beifahrersitz hätte zusätzlich eine außergewöhnliche Beschleunigung erfordert. Sollte das Schriftstück durch heftige seitliche Richtungsänderung unter den Beifahrersitz gelangt sein, wäre ebenfalls ein ungewöhnlich ruckartiges Fahrmanöver notwendig gewesen, um dies zu bewirken. Für diese Einschätzung spricht auch das eigene Vorbringen des Bw, dass die von ihm jahrelang geübte Praxis, die Post zunächst am Beifahrersitz zu deponieren und erst am Ende seines Arbeitstages ins Büro mitzunehmen, noch nie zu einem Rutschen unter den Beifahrersitz geführt hatte. Außerdem legte er während des Tages der Zustellung des Straferkenntnisses noch andere Schriftstücke auf den Beifahrersitz, die ihre Lage nicht veränderten und am Abend ins Büro mitgenommen wurden. Es erscheint daher die Darstellung nicht glaubhaft, dass dem Bw kein außergewöhnliches Fahrmanöver in Erinnerung geblieben war, das zur Lageveränderung des RSa-Briefs geführt haben konnte.
 
Wenn es dem Bw nicht ohnehin sogleich nach dem Wirksamwerden besonderer Fliehkräfte infolge ungewöhnlicher Fahrweise auffiel, dass der RSa-Brief mit dem Straferkenntnis vom Beifahrersitz verschwunden war, so hätte er bei gehöriger Aufmerksamkeit und Voraussicht zumindest am Abend des Zustelltages damit rechnen müssen, dass das Straferkenntnis infolge eines ungewöhnlichen Brems- und/oder Fahrmanövers, das ihm noch in Erinnerung geblieben sein musste, unter den Beifahrersitz gelangt sein konnte.
 
Diese Überlegung gilt umso mehr, als auch der unabhängige Verwaltungssenat mit der belangten Behörde davon ausgeht, dass die Behauptung des Bw, das Straferkenntnis bis zum Fahrzeugwechsel am 12. Juli 2000 einfach vergessen zu haben, schlechthin unglaubhaft erscheint. Es ist bei gegebener Dispositionsfähigkeit des Bw kaum vorstellbar, dass er ein zunächst - wenn auch nur flüchtig - zur Kenntnis genommenes Straferkenntnis über einen Gesamtbetrag von immerhin S 44.000,-- (Strafen samt Kostenbeiträge), das der Bw noch am selben Tag näher studieren und mit seinem Rechtsanwalt nach telefonischer Kontaktaufnahme besprechen wollte, völlig vergessen hätte können. Jedenfalls ist die behauptete erhebliche berufliche Belastung in der Sommersaison, bei der angeblich häufig überraschend neue Aufträge eingehen, die umgehend erledigt werden müssten, keine Erklärung für den Gedächtnisschwund. Selbst bei großer beruflicher Belastung musste es dem Bw ohne weiteres möglich sein, die Angelegenheit seinem Rechtsanwalt zwecks Einbringung einer Berufung zu übergeben. Bloß allgemein gehaltene Behauptungen über berufliche Belastungen können kein unvorhergesehenes Ereignis bescheinigen.
 
4.3. Mit dem Wiedereinsetzungsantrag bzw. der nachgeholten Berufung legte der Bw den Beschluss des LG Wels, Zl. 20 S 802/98 m, mit dem der am 19. September 1999 angenommene Zwangsausgleich über eine Quote von 35 % im Konkursverfahren über das Vermögen des Bw gerichtlich bestätigt wurde, vor. Nach dem Inhalt dieses Zwangsausgleichs waren 20 % binnen 4 Wochen und 15 % binnen 2 Jahren zu begleichen. Im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird vorgebracht, dass rund S 5,000.000,-- anerkannte Forderungen bestünden und der Bw bis zum 16. September 2001 weitere S 750.000,-- zahlen müsste. Zur begehrten aufschiebenden Wirkung wird begründend auf die Gefahr des Anschlusskonkurses hingewiesen, zumal die Einhebung des Strafbetrages samt Verfahrenskosten die Erfüllung der noch offenen 15 %igen Zwangsausgleichquote in Frage stellen könnte.
 
Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates hat der Bw mit diesem Vorbringen zu seinem Insolvenzverfahren einen weiteren Umstand aufgezeigt, der zur Annahme berechtigt, dass der Bw das gegenständliche Straferkenntnis nicht tage- und wochenlang vergessen haben kann. Gerade wegen seiner schwierigen finanziellen Situation musste der strafbehördlich vorgeschriebene Gesamtbetrag von S 44.000,-- einen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen haben.
 
Im Ergebnis ist die belangte Behörde daher mit Recht davon ausgegangen, dass der Bw nicht glaubhaft machen konnte, durch ein unvorhergesehenes Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 20. Juni 2000 gehindert gewesen zu sein. Sollte der Bw unter den gegebenen Umständen tatsächlich das Straferkenntnis völlig vergessen haben, läge darin auch nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates eine auffällige Sorglosigkeit, die einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Bw nicht unterlaufen wäre. Inwiefern der in der Berufung angesprochene "konkrete Ablauf der Ereignisse" nur für einen minderen Grad des Versehens sprechen könnte, ist für den Oö. Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar.
 
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- (entspricht 181, 68 Euro) zu entrichten.
 
 
 
 
Dr. W e i ß

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