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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280177/15/Kon/Fb

Linz, 20.11.1996

VwSen-280177/15/Kon/Fb Linz, am 20. November 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 7. Kammer (Vorsitzender: Mag. Gallnbrunner, Berichter: Dr. Konrath, Beisitzer: Dr. Grof) über die Berufung des F J H, S, vertreten durch die Rechtsanwälte Prof.

Dr. H, DDr. M, Dr. W, Dr. M und Dr. G, K, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 22.

November 1995, Ge-1134/94, wegen Übertretungen nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz (ANSchG), nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung und Verkündung am 20. November 1996 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird hinsichtlich aller angelasteten Verwaltungsübertretungen Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und § 45 Abs.1 Z3 VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuldspruch:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gem. § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma H Handelsgesellschaft mbH. in S, S, zu vertreten, daß - wie anläßlich einer Überprüfung durch eine Organ des Arbeitsinspektorates für den 2. Aufsichtsbezirk am 30.9.1994 in der Filiale oa. Firma in W, W, festgestellt wurde 1. den ArbeitnehmerInnen oa. Filiale keine zur Aufbewahrung und Sicherung gegen Wegnahme ihrer Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ausreichend große, luftige und versperrbare Kästen zur Verfügung gestellt wurden, sondern lediglich für die zwei ständig beschäftigten ArbeitnehmerInnen eine offene Wandablage im Lagerbereich vorhanden war und 2. die Befunde eines befugten Fachmannes gem. § 12 ÖVE-E 5, Teil 1/1981 i.d.g.F. über den vorschriftsmäßigen Zustand der elektrischen Anlage des gesamten Betriebes (dh. oa.

Filiale), insbesondere über die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen bei indirektem Berühren, nicht zur Einsicht für behördlichen Organe im Betrieb bereitgehalten wurden, obwohl dies ein Auftrag des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 9.2.1988, Zl: MBA 4/5 - Ba. 41.764/1/87 ist.

Dies stellte eine Übertretung der Bestimmungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG) und des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 9.2.1988, Zl.: MBA 4/5 - Ba. 41.764/1/87 dar.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

ad 1. § 86 (1) i.V.m. § 100 AAV, BGBl. 218/1983 i.d.g.F.

i.V.m. § 31 (2) lit.p) ANSchG, BGBl. 234/1972 i.d.g.F.

ad 2. Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9.2.1988, Zl.: MBA 4/5 - Ba. 41.764/1/87 i.V.m. § 31 (2) lit.p) ANSchG, BGBl. 234/1972 i.d.g.F." Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte Berufung erhoben und in dieser gegen Faktum 1) mit näherer Begründung mangelnde Tatumschreibung und mangelnde Rechtswidrigkeit eingewandt.

Betreffend Faktum 2) wendet der Berufungswerber inhaltlich die erfolgte Überprüfung der elektrischen Anlagen und formell unzulässige Bestrafung wegen Vorliegen lediglich eines einzigen Dauerdeliktes ein. Generell wird die Höhe der verhängten Strafe bekämpft.

Aufgrund des ausdrücklichen Antrages in der Berufung hat der unabhängige Verwaltungssenat für den 5. November 1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Ladung der Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens anberaumt und durchgeführt.

Bei dieser Verhandlung wurde seitens des Beschuldigten im wesentlichen das Berufungsvorbringen und die Argumentation seiner im Berufungsverfahren ergangenen Stellungnahme vom 13.8.1996, wiederholt. Vom Arbeitsinspektorat wiederum wurden die Strafanträge aufrechterhalten.

In Entscheidung über die vorliegende Berufung hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Gemäß der zitierten Gesetzesstelle ist es demnach geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird. Dies bedeutet weiters, daß der Tatvorwurf so gefaßt sein muß, daß er eindeutig und vollständig unter die verletzte Verwaltungsvorschrift subsumiert werden kann. Es muß sohin aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestehenden Übertretung geschlossen werden können.

Aufzuzeigen ist, daß der Beschuldigte ein subjektives Recht darauf hat, daß ihm die angelastete Tat vollständig und in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale vorgehalten wird (siehe VwGH vom 22.10.1992, 92/18/0040 uva). Um den Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährung wirksam zu hemmen, ist es daher erforderlich, bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung (§ 42 Abs.1 Z1 VStG) einen den obigen Kriterien entsprechenden Tatvorwurf zu erheben.

Mit der seitens der belangten Behörde ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18.11.1994 wird hinsichtlich beider Fakten diesem Erfordernis jedoch nicht entsprochen.

Zu Faktum 1):

Gemäß § 86 Abs.1 AAV ist jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeitsund Schutzkleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen, in dem die Kleidung gegen Einwirkungen, wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche, geschützt ist.

In der Aufforderung wurde dem Beschuldigten jedoch lediglich zur Last gelegt, daß nicht jedem Arbeitnehmer ein ausreichend großer, versperrbarer und luftiger Kasten zur Verfügung gestellt worden sei.

Der Wortlaut des wiedergegebenen Tatvorwurfs entspricht insofern nicht den Bestimmungen des § 44a Z1 VStG, weil daraus nicht die volle Tatbildmäßigkeit der dem Beschuldigten angelasteten Tat hervorgeht. Es hätte diesfalls bedurft, anzuführen, daß der in Rede stehende Kasten der Aufbewahrung und Sicherung gegen Wegnahme der Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung der jeweiligen Arbeitnehmer dienen sollte. Mangels dieses Hinweises ist der Tatvorwurf unvollständig im Sinne des Gebotes der ausreichend zu konkretisierenden Tat geblieben.

Zu Faktum 2):

Der im Bescheid vom 9. Februar 1988, MBA 4/5 - Ba.

41.764/1/87, erteilte Auftrag verpflichtet den Beschuldigten, alle zwei Jahre über den vorschriftsmäßigen Zustand der elektrischen Anlage des gesamten Betriebes einen Befund erstellen zu lassen und den jeweiligen Befund im Betrieb zwecks Einsichtnahme durch Behördenorgane bereitzuhalten.

Dieser Auftrag enthält sohin zwei verschiedene Tatbestände; nämlich die Verpflichtung zur Befunderstellung (Überprüfung) einerseits und die Verpflichtung, den jeweiligen Befund zur Einsichtnahme bereitzuhalten, andererseits. Erfüllt der Beschuldigte nicht seine Verpflichtung zur Befunderstellung (Überprüfung), kann er demnach nicht mehr dafür bestraft werden, diesen Befund nicht zur Einsichtnahme bereitgehalten zu haben.

Im Tatvorwurf darf ihm sohin nur die Verletzung einer dieser Verpflichtungen vorgeworfen werden und muß aus diesem eindeutig hervorgehen, welcher der beiden er nicht nachgekommen ist.

Der Tatvorwurf nach dem Wortlaut der Aufforderung ("...

nicht mindestens alle zwei Jahre nachweislich (Befund) überprüft wurde bzw kein Befund zur behördlichen Einsicht bereitgehalten wurde") enthält sohin einen Alternativvorwurf (arg.

"bzw") und verstößt dadurch gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG, weil daraus nicht hervorgeht, ob dem Beschuldigten die unterlassene Überprüfung oder das Nichtbereithalten des Überprüfungsbefundes vorgehalten wird.

Bemerkt wird überdies, daß in der Berufung die erfolgte Überprüfung eingewendet wird. Im weiteren siehe hiezu VwGH vom 17.9.1992, 92/18/0180, zit in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 976.

Da sohin hinsichtlich der beiden Fakten innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist kein spruchtauglicher Tatvorwurf erhoben wurde, war wie im Spruch zu entscheiden.

Die vorliegende Berufungsentscheidung hat zur Folge, daß der Beschuldigte von der Entrichtung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge befreit ist (§§ 65 und 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Gallnbrunner

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