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VwSen-280207/4/Gu/Atz

Linz, 28.03.1996

VwSen-280207/4/Gu/Atz Linz, am 28. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Hans GUSCHLBAUER über die Berufung der M. P., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. J. L.

und Dr. E. W., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 7.2.1996, Zl. Ge96-331-1995, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes bzw. der EWG-Rats-Verordnung Nr. 3821/85, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren zu beiden Fakten eingestellt.

Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z1, § 51e Abs.1, § 66 Abs.1 VStG; Artikel 14 Abs.1 zweiter Satz, Artikel 15 Abs.7 der Verordnung EWG-Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1995 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat am 7.2.1996 zur Zahl Ge96-331-1995 gegen die Rechtsmittelwerberin ein Straferkenntnis erlassen, dessen Spruch lautet:

"Sie haben als nach außen hin vertretungsbefugtes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der P. H. und Handels Ges.m.b.H., S., N., ...straße 127b, wie bei einer Kontrolle am 17.8.1995 um 12.55 Uhr in Linz, Obere Donaulände 133, festgestellt wurde, den Arbeitnehmer S. K. als Lenker des LKW Se-... mit dem Lenken dieses LKW betraut, wobei 1.) im Kontrollgerät ein nicht typengemäß erforderliches Schaublatt eingelegt war und 2.) die erforderliche Tagesdiagrammscheibe nicht vorgelegt werden konnte.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.) § 28 Abs.1b Ziff. 2 Arbeitszeitgesetz (AZG) i.V.m. Art.

13 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates 2.) § 28 Abs.1b Ziff. 2 AZG i.V.m. Art. 13 i.V.m. Art. 15 Abs.7 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling 1.) 3.000 S 2.) 3.000 S falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von zu 1.): 36 Stunden zu 2.): 36 Stunden gemäß § 1.): 28 Abs.1b AZG 2.): 28 Abs.1b AZG.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

600,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 6.600,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)." Die erste Instanz stützt ihren Schuldspruch nach Abwägung der Angaben des Lenkers und der kontrollierenden Polizeibeamten auf die Wahrnehmungen der Kontrollorgane.

Hiezu ist zu bemerken, daß dem Verfahren eine Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz über eine Amtshandlung vom 17.8.1995 vorausging, wobei Fahrzeuge und Lenker des Unternehmens der P. H. und Handels GesmbH., mit dem Sitz in N., S., deren handelsrechtlicher Geschäftsführer die Beschuldigte war, vorausging. Beanstandet wurde das Abschleppen eines mit Kranaufbau versehenen Sattelzugfahrzeuges mittels Schleppstange durch einen LKW.

Hiebei beanstandeten Organe der Bundespolizeidirektion Linz den Lenker des Zugfahrzeuges in 21 Punkten, jenen des abgeschleppten Fahrzeuges in vier Punkten und die verantwortliche Person der Firma P. in 20 Punkten, und zwar überwiegend wegen Übertretungen des KFG (bezüglich des Kontrollgerätes und der Schaublätter, teilweise in Idealkonkurrenz zu den arbeitszeitrechtlichen Vorschriften).

In ihrer rechtzeitig dagegen erhobenen Berufung macht die rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte geltend, daß im Spruch einerseits die Funktion als Arbeitgeberin oder dessen Bevollmächtigte fehle. Darüber hinaus sei die angelastete Übertretung nicht hinreichend konkretisiert. Der Vorwurf eines "nicht typenmäßig erforderlichen Schaublattes" und der "Tagesdiagrammscheibe" sei nicht hinreichend konkret. Es sei nicht dargetan, welches Schaublatt (unter näherer Beschreibung) nicht typengerecht gewesen sei. Erst dann könne überprüft werden, ob überhaupt eine Verwaltungsübertretung vorliege. Welche Tagesdiagrammscheibe zur Vorlage erforderlich gewesen sei (sozusagen der Prüfungsmaßstab) könne nicht entnommen werden.

Ihrer Meinung nach seien die verwendeten Schaublätter typengenehmigt gewesen. Sie habe sich bereits in der ersten Instanz dahingehend verantwortet, daß die Schaublätter für die laufende Woche und für den letzten Tag der vorangegangenen Woche nicht vorgelegt werden konnten, weil das Fahrzeug schon längere Zeit nicht gefahren worden sei.

Es sei wohl sinnlos für ein Fahrzeug, daß mehrere Wochen stehe, jeden Tag Schaublätter einzulegen. Das Fahrzeug laufe auf Wechselkennzeichen. Während der vorangegangenen Woche sei mit dem anderen Fahrzeug gefahren worden. Ferner habe sich die erste Instanz nicht damit auseinandergesetzt, daß der Zeuge K. die Schaublätter vergessen habe. Immerhin wird nach der Darstellung des Zeugen K. dargetan, daß er die Schaublätter zum Einlegen übergeben bekommen habe. Wenn der Zeuge das Schaublatt tatsächlich nicht eingelegt habe, so treffe sie - die Beschuldigte - kein Verschulden.

Aus all diesen Gründen beantragt die Rechtsmittelwerberin die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Einstellung des bzw. der Verfahren.

Nachdem, wie darzulegen sein wird, bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß das angefochtene Straferkenntnis mit der Aufhebung bedroht ist, war die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entbehrlich.

Die Rechtsmittelwerberin ist mit dem Hinweis im Recht, daß der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses in beiden Fakten (sowie die vorausgegangene Verfolgungshandlung) nicht hinreichend konkret erkennen läßt, welche Tatbestände durch welchen Lebenssachverhalt verwirklicht worden sein sollten.

Einerseits wird ihr unterstellt, einen bestimmten Arbeitnehmer mit dem Lenken eines kennzeichenmäßig feststehenden LKWs betraut zu haben, wobei im Kontrollgerät ein nicht typengemäß erforderliches Schaublatt eingelegt war. Hiedurch habe sie Artikel 13 iVm Artikel 14 Abs.1 der Verordnung EWG Nr. 3821/85 des Rates iVm mit einer innerstaatlichen Rechtsnorm, der auf diese Vorschriften verweist, übertreten.

Artikel 13 der EWG-Rats-Verordnung lautet:

Der Unternehmer und die Fahrer sorgen für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Verwendung des Gerätes (gemeint Kontrollgerät im Straßenverkehr).

Artikel 14 Abs.1 leg.cit. lautet:

Der Unternehmer händigt den Fahrern eine ausreichende Anzahl Schaublätter aus, wobei dem persönlichen Charakter dieser Schaublätter, der Dauer des Dienstes und der Möglichkeit Rechnung zu tragen ist, daß beschädigte oder von einem zuständigen Kontrollbeamten beschlagnahmte Schaublätter ersetzt werden müssen. Der Unternehmer händigt den Fahrern nur solche Schaublätter aus, die einem amtlich genehmigten Muster entsprechen, die sich für das in das Fahrzeug eingebaute Gerät eignen.

Es fehlt somit der Vorwurf, daß die Beschuldigte als Unternehmensvertreterin dem Fahrer Schaublätter nicht ausgehändigt hat mit der Beifügung, in welchen Diversifikationen sie dem amtlich genehmigten Muster nicht entsprochen hat.

Als zweiten Tatbestand wirft der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses der Rechtsmittelwerberin vor, den Lenker mit dem vorerwähnten LKW betraut zu haben, wobei die erforderliche Tagesdiagrammscheibe nicht vorgelegt werden konnte. Hiedurch sei Artikel 15 Abs.7 der EWG-Rats-Verordnung übertreten worden. Damit bleibt in der Zusammenschau des Faktums 1.) mit dem Faktum 2.) offen, ob kein typengenehmigtes oder überhaupt kein Schaublatt ausgehändigt bzw. eingelegt war oder ob eine Beanstandung des Lenkers wegen Mißachtung seiner Pflicht nach Artikel 15 Abs.2 der zitierten EWG-Rats-Verordnung erfolgen sollte, indem der Fahrer für den Tag, an dem er lenkte, ab dem Zeitpunkt, an dem er das Fahrzeug übernahm, kein Schaublatt benutzte.

Im Zusammenhalt mit der von der ersten Instanz zu Faktum 2.) zitierten Verletzung des Artikel 15 Abs.7 leg.cit blieb demnach weiters unpräzisiert, ob damit eine Pflichtverletzung des Fahrers, wonach dieser den zuständigen Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit das Schaublatt für die laufende Woche sowie in jedem Fall das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist, vorlegen können muß, beschrieben werden sollte.

Schon aus diesen wesentlichen Spruchmängeln war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, weil hiedurch die Verteidigungsrechte wesentlich eingeschränkt waren.

Zur Rechtswirkung bzw. zu dem Tatbild in der zitierten Verordnung EWG Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht, nämlich dem Arbeitszeitgesetz wird unter Hinweis auf das Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zu VwSen-280155/6/Le/La vom 29. Jänner 1996 ergänzend ausgeführt:

Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (früher EWG-V, nunmehr EGV) enthält im Titel IV.

Vorschriften über den Verkehr. Gemäß Art.74 EGV verfolgen die Mitgliedsstaaten auf dem in diesem Titel geregelten Sachgebiet die Ziele des Vertrages im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik. Art.75 Abs.1 EGV hat dem Rat die Kompetenz übertragen, zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik Beschlüsse (Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen) zu fassen.

In Art.75 Abs.1 lit.a bis lit.d EGV sind die sehr weit gehenden Bereiche aufgezählt, in denen der Rat Vorschriften erlassen kann (a: für den internationalen Verkehr; b: für die Zulassung von Verkehrsunternehmen; c: Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit; d: alle sonstigen zweckdienlichen Vorschriften).

Unter lit.d - sonstige zweckdienliche Vorschriften - fallen die nach EG-Terminologie so genannten "Straßenverkehrssozialvorschriften". Sie sollen ua. der Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen dienen. Die wichtigsten hier in Betracht kommenden Straßenverkehrssozialvorschriften sind die einheitlichen Regelungen für die Lenk- und Ruhezeiten des Fahrpersonals; in diesem Zusammenhang wurde die Verordnung Nr.3820/85 des Rates vom 20.12.1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl.1985, Nr.L370, S.1 ff, erlassen.

Um die Einhaltung der dort niedergelegten Vorschriften wirksam zu überwachen, wurde am 20.12.1985 vom Rat die Verordnung (EWG) Nr.8321/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (mit Anhang I. und II.) erlassen.

Gemäß Art.189 Abs.3 EGV haben Verordnungen allgemeine Geltung; sie sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat. Im Gegensatz zu Richtlinien, die nur hinsichtlich ihrer Ziele verbindlich sind, sind Verordnungen in allen ihren Teilen verbindlich; das heißt, ihr bloßer Normtext ist verbindlich. Daß Verordnungen unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat gelten bedeutet, daß sie ohne Mitwirkung nationaler Rechtsetzungsorgane innerstaatlich unmittelbar gelten (Durchgriffswirkung!).

Mit dem BVG BGBl.Nr. 744/1994, wurden die bundesverfassungsgesetzlich zuständigen Organe mit Zustimmung des Bundesvolkes dazu ermächtigt, den Staatsvertrag über den Beitritt Österreichs zur europäischen Union abzuschließen. In der Folge wurde mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union der "EU-Beitrittsvertrag" abgeschlossen und vom Nationalrat genehmigt (BGBl.Nr. 45/1995).

Dieser EU-BV und die durch ihn transformierten Vorschriften völkerrechtlichen Ursprungs, insbesonders der EGV selbst sowie auch die gegenständliche Verordnung, stehen daher auf verfassungsrechtlicher Stufe und gehen im Kollisionsfall innerstaatlichem Recht vor (siehe hiezu etwa OGH vom 4.10.1994, 4 Ob 88/94).

Als Schlußfolgerung kann daraus für den vorliegenden Fall gewonnen werden, daß die Verordnung (EWG) Nr.3821/85 des Rates vom 20.12.1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr seit Inkrafttreten des EU-Beitrittsvertrages unmittelbar anwendbares Recht geworden ist. Die Verletzung dieser EU-Verordnung ist durch § 28 Abs.1b Z2 des Arbeitszeitgesetzes unter Strafe gestellt.

Im vorliegenden Fall ist daher zur Beantwortung der Frage, ob die Berufungswerberin als Arbeitgeberin für die vorgeworfene Verwaltungsübertretung in Betracht kam, ausschließlich der Wortlaut der zitierten EU-Verordnung heranzuziehen (weil diese - wie oben dargelegt - selbst dem Arbeitszeitgesetz vorgeht!).

Während die überschriftsmäßige Benutzungsvorschrift des Art.13 dieser Verordnung den Unternehmer und die Fahrer verpflichtet, für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Verwendung des Gerätes zu sorgen, richtet sich die Verpflichtung des Art.15 Abs.2 und 7 leg.cit. dagegen ausschließlich an den Fahrer. Dafür spricht insbesonders auch die strenge Aufgabenverteilung in den Artikeln 14 bis 16 der genannten Verordnung.

Auch aus diesen Gründen ist eine Konkretisierung der Tatvorwürfe unabdinglich geboten.

Da dies im erstinstanzlichen Verfahren nicht erfolgt ist und dies den Rahmen eines Berufungsverfahrens sprengen würde, war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

1. Frau M. P., z.Hd. Herren Rechtsanwälte Dr. J. L. und Dr.

E. W., G. 8, .... S.; 2. Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk zur Zahl 2260/90-9/95, Pillweinstraße 23, 4021 Linz; 3. Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zur Zahl Ge-96-331-1995, Spitalskystraße 10a, 4400 Steyr, unter Aktenrückschluß mit dem Ersuchen um nachweisbare Zustellung der Entscheidung an vorstehende Parteien.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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