Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280216/9/Schi/Km

Linz, 02.07.1997

VwSen-280216/9/Schi/Km Linz, am 2. Juli 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des Herrn V S, vom 15.3.1996, Ge96-181-1995, wegen Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung bzw. des ASchG zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die zu Z1, 2 und 7 verhängten Geldstrafen auf 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen je 2 Tage); die zu Z3, 4, 5, 8 und 9 verhängten Geldstrafen auf je 7.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe je 3 Tage) herabgesetzt werden; weiters wird in diesen Fällen die angewendete Gesetzesbestimmung, nach der die Strafen verhängt wurden (§ 44a Z. 3 VStG) von "§130 Abs1" auf "§ 130 Abs. 5" geändert. Die zu Z6 verhängte Geldstrafe wird aufgehoben und stattdessen eine Ermahnung gemäß § 21 VStG erteilt.

Der Berufungswerber hat zum Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu leisten; die Kostenbeiträge hinsichtlich des Strafverfahrens erster Instanz ermäßigen sich daher (zusammengezählt) auf 4.700 S.

Rechtsgrundlagen:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 16, 19, 21, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 64 Abs.1 und 2 sowie § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit Straferkenntnis vom 15.3.1996, Ge96-181-1995, den Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma "S Gesellschaft m.b.H.", G, und sohin strafrechtlich Verantwortlicher zu verantworten, daß diese Gesellschaft m.b.H. am 13.4.1995 bei der Baustelle Funk-Beton (A-D), M, Arbeitnehmer beschäftigt hat, obwohl 1. für das Gerüst kein statischer Nachweis einer fachkundigen Person erstellt wurde, obwohl das Gerüst von der Regelausführung des Gerüsteherstellers abwich, 2. der Auflagerabstand für den Gerüstbelag ca. 3,40 m auf der untersten Gerüstlage betrug, 3. die Gerüstlagen nicht mit Wehren gemäß § 8 ausgestattet waren und auf allen Gerüstlagen Fuß- und Mittelwehren fehlten und die Gerüstenden weder mit Mittel- noch mit Brustwehren ausgestattet waren, 4. das Gerüst für das gefahrlose Besteigen nicht mit einem sicher begehbaren Aufstieg oder Zugang ausgestattet war, 5. kein geeigneter Anfahrschutz vorhanden war, obwohl ständig mit einem Radlader in die Kiesbox eingefahren wurde, 6. keine Gerüstüberprüfung durchgeführt wurde bzw. keine diesbezüglichen Vormerke auf der Baustelle auflagen, 7. das Gerüst verwendet wurde, obwohl keine Gerüstüberprüfung vorlag, 8. die Steher auf der ersten Gerüstetage weder gegen Verschieben gesichert, noch auf eine Fußplatte gestellt waren, 9. die Verankerungen nicht der Regelstatik des Gerüsteherstellers entsprachen. Der Bw habe dadurch folgende Rechtsvorschriften der BauV verletzt:

1.) § 56 Abs.3, 2.) § 57 Abs.2, 3.) § 58 Abs.3, 4.) § 58 Abs.7, 5.) § 60 Abs.3, 6.) § 61 Abs.5 bzw. § 159 Abs.2, 7.) § 61 Abs.1-4 iVm § 62 Abs.1, 8.) § 65 Abs.2 und 9.) § 65 Abs.4 iVm § 55 Abs.4.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über ihn gemäß § 130 Abs.1 ASchG folgende Geldstrafen verhängt:

Zu 1., 2., 6. und 7 je 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe je 5 Tage) und zu 3., 4. und 5 sowie 8. und 9. je 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen je 10 Tage, ausgenommen zu 7., hier lediglich 5 Tage).

Gemäß § 64 VStG wurde der Bw verpflichtet, einen Strafkostenbeitrag in der Höhe von 7.000 S (10 % der verhängten Strafen) zu leisten.

2. Dagegen hat der Bw mit Schriftsatz vom 28.3.1996 eine Berufung hinsichtlich des Strafausmaßes eingebracht, wobei er ausdrücklich darauf hinweist, daß das Gerüst nicht in Ordnung war und daher auch die Bestrafung grundsätzlich gerechtfertigt wäre, jedoch sei es "maßlos übertrieben", daß jeder einzelne Punkt mit derartig hohen Strafen belegt werde. Im weiteren erklärt er die näheren Umstände der Taten und weist darauf hin, daß er in letzter Zeit bei sehr vielen Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat keinerlei Beanstandungen mehr gehabt hätte. Im übrigen weist er darauf hin, daß bei der Kontrolle mit einer freiwilligen sofortigen Arbeitseinstellung durch seinen ersten Mitarbeiter Herrn Reinhard Bumberger vorgegangen wurde; zum Beweis hiefür legt er eine Kopie der Niederschrift des Arbeitsinspektorates Wels vom 13.4.1995 vor.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil in den einzelnen Fällen keine 10.000 S übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden.

3.2. Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann. 3.3. Gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG wurde die Berufung dem Arbeitsinspektorat Wels zur Kenntnis gebracht; dieses gab mit Schreiben vom 22. Juli 1996 eine Stellungnahme ab, in der darauf hingewiesen wurde, daß sich die Strafhöhen für die einzelnen Übertretungen knapp über der Mindesthöhe von je 4.000 S (Mindeststrafe für Wiederholungsfall) bewegt. Im übrigen könne sich das Arbeitsinspektorat bei derart gravierenden Übertretungen der BauV nicht nur einzelne Punkte aussuchen, die zur Anzeige gebracht würden, sondern es sei streng nach der BauV vorzugehen. Diese Stellungnahme wurde dem Bw mit h. Schreiben vom 2.9.1996 zur Kenntnis gebracht: Der Bw gab mit Schreiben vom 27.11.1996 eine abschließende Stellungnahme ab, in der er seinen Standpunkt aufrechterhält und noch näher erläutert.

3.4. Aufgrund des Umstandes, daß der maßgebliche Sachverhalt unbestritten geblieben ist und sich die Berufung nur gegen die Strafhöhe richtet und überdies ausdrücklich eine mündliche Verhandlung nicht verlangt wurde, war die vorliegende Entscheidung im Sinn des § 51e Abs.2 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung zu treffen.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

4.2. Im gegenständlichen Fall ist grundsätzlich festzuhalten, daß angesichts der Vorstrafen, die in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses im einzelnen ausgeführt wurden (siehe dazu aber gleich unten Pkt. 4.3.) sowie im Hinblick auf die Schwere der gegenständlichen Übertretungen, die insbesondere durch die im Akt einliegenden Fotos eindrucksvoll dokumentiert wurde, als daraus ersehen werden kann, wie gefährlich die Arbeiten auf einem derart mangelhaft ausgeführten Gerüst waren, sodaß die Höhe der verhängten Strafen im Hinblick auf den vorliegenden Strafrahmen (mindestens 4.000 S bis höchstens 200.000 S) an sich nicht überhöht, sondern dem Unrechts- und Schuldgehalt angepaßt erscheinen.

4.3. Allerdings mußten die verhängten Geldstrafen dennoch in allen Punkten außer Punkt 6 entsprechend vermindert werden, weil einige der angeführten Vorstrafen nicht (mehr) als erschwerend zu werten waren. Dies betrifft zum einen die Strafe Ge96-351-1994 vom 24.1.1995, da diese zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses vom 15.3.1996 (21.3.1996) noch nicht rechtskräftig war, zumal dieses erst mit Zustellung der h. Berufungsentscheidung vom 12. Februar 1997, VwSen-280030/13/Schi/Km, in Rechtskraft erwachsen ist. Nach ständiger Judikatur des VwGH dürfen aber nur rechtskräftig verhängte Vorstrafen als erschwerend gewertet werden. Weiters ist darauf hinzuweisen, daß zwar zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Straferkenntnisses die Strafe Ge96-2467-1990, vom 16.5.1991 zwar noch zulässigerweise als erschwerend gewertet werden durfte; da aber der gegenständliche Berufungsakt erst am 4.4.1996 dem O.ö. Verwaltungssenat vorgelegt wurde, ist die Tilgung bereits ein Monat nach Einlangen dieses Aktes beim O.ö. Verwaltungssenat eingetreten. In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden, daß die Berufungsbehörde allenfalls auch erst während des Berufungsverfahrens eingetretene Umstände bei der Strafbemessung wahrzunehmen hat. Dies gilt auch insbesondere für den Ablauf der Tilgungsfrist hinsichtlich einer Vorstrafe (VwGH 15.4.1991, 90/19/0586, 24.3.1993, 92/03/0246). Eine besonders rasche Entscheidung aber (im vorliegenden Fall innerhalb eines Monats nach Einlangen des Aktes), um den Ablauf der gegenständlichen Tilgungsfrist zu verhindern, wäre nicht nur im Hinblick auf § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG iVm § 45 Abs.3 AVG (Parteiengehör) unmöglich gewesen, sondern könnte möglicherweise auch eine verfassungswidrige Willkür darstellen (VfGH v. 29.6.1981, B 65/81, - Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch besonders rasches Entscheiden).

4.4. Schließlich ist dem Bw im gegenständlichen Fall der besondere Milderungsgrund des § 34 Z17 StGB zuzugestehen, und zwar deshalb, weil er ein reumütiges Geständnis abgelegt hat. Nach der Rechtsprechung des VwGH muß, damit ein Geständnis als reumütig und somit als mildernd anerkannt werden kann, ein Element qualifizierend hinzutreten; diese Voraussetzung hat der Bw im gegenständlichen Fall insofern erfüllt, als sämtliche Arbeiten auf den gegenständlichen Gerüst freiwillig und sofort eingestellt worden waren. 4.5. Aus allen diesen Gründen mußten die von der belangten Behörde verhängten Geldststrafen entsprechend herabgesetzt werden.

Um im Lichte des § 16 VStG die Verhältnismäßigkeit zu wahren, waren auch die Ersatzfreiheitsstrafen entsprechend herabzusetzen.

5. Zur Ermahnung hinsichtlich Punkt 6 des Straferkenntnisses:

Mit diesem Punkt wurde dem Bw ein nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unzulässiger Tatvorwurf gemacht, nämlich ein sogenannter Alternativtatvorwurf (...keine Gerüstüberprüfung durchgeführt wurde bzw. keine diesbezüglichen Vormerke auf der Baustelle auflagen). Dies hält der Verwaltungsgerichtshof deshalb für rechtswidrig, weil der Beschuldigte in einem solchen Fall nicht erkennen kann, wofür er jetzt tatsächlich bestraft wird; nämlich dafür, daß keine Gerüstüberprüfung durchgeführt wurde oder lediglich deswegen, weil zwar das Gerüst überprüft wurde, aber keine Vormerke darüber auflagen. Weiters werden dadurch auch seine Verteidigungsrechte unzulässig eingeschränkt. Im vorliegenden Fall erscheint dieser Alternativtatvorwurf darüberhinaus auch deshalb besonders gravierend, weil dem Bw zusätzlich unter Punkt 7 - ungeachtet desselben, bereits im (unzulässigen) Alternativtatvorwurf enthaltenen Tatbestandes - wiederum vorgeworfen wird, ein Gerüst verwendet zu haben, obwohl keine Gerüstüberprüfung vorlag (Verletzung des grundlegenden Doppelbestrafungsverbotes "ne bis in idem"). Im gegenständlichen Fall war aber aufgrund der auf die bloße Strafhöhe eingeschränkten Berufung der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses in Rechtskraft erwachsen; es war daher dem O.ö. Verwaltungssenat verwehrt, eine diesbezügliche Korrektur des rechtswidrigen Alternativtatvorwurfes durchzuführen. Da es jedoch unbillig erschiene und das Vertrauen des Bw in die Rechtsstaatlichkeit erschüttert wäre, würde bei erkannter Rechtswidrigkeit dennoch eine Strafe bestätigt werden, war dem Bw billigerweise lediglich eine Ermahnung für den an sich rechtswidrigen aber dennoch rechtskräftigen Strafausspruch zu erteilen.

6. Die nunmehr herabgesetzten Geldstrafen sind tat- und schuldangemessen und erscheinen geeignet, den Bw von weiteren Übertretungen des ASchG abzuhalten. Außerdem scheinen sie gemäß § 19 VStG seinen derzeitigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen insofern angemessen, als sie zum Teil gesetzliche Mindeststrafen darstellen bzw. in den übrigen Fällen soweit herabgesetzt sind, daß sie diese Mindeststrafen nicht erheblich überschreiten. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, daß dem Bw die Möglichkeit unbenommen bleibt, bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden gemäß § 54b Abs.3 VStG um einen Strafaufschub bzw. um Entrichtung der Strafe in Teilbeträgen anzusuchen; ein derartiges Ansuchen wäre mit einer 120 S Stempelmarke zu versehen.

7. Der Ausspruch über den Beitrag zu den Verfahrenskosten hat seinen Grund in den angeführten Gesetzesbestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Schieferer

Beschlagwortung: Strafmilderung bei reumütigem Geständnis; Verbot der Doppelbestrafung - Ermahnung weil Berufung nur gegen Strafausmaß

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