Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280220/32/GU/Pr

Linz, 16.03.1999

VwSen-280220/32/GU/Pr Linz, am 16. März 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 2. Kammer (Vorsitzender: Dr. Ewald Langeder, Berichter: Dr. Hans Guschlbauer, Beisitzer: Dr. Hermann Bleier) über die Berufung des A. M., vertreten durch RA Dr. Fritz Vierthaler, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 22.2.1996, wegen Übertretung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 nach der am 3.12.1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruches keine Folge gegeben und wird der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses mit der Maßgabe bestätigt, daß die Wortfolge "durch Ausübung von massiver Bedrohung" zu entfallen hat.

Die verhängte Geldstrafe wird auf 3.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Tag und der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag auf 300 S herabgesetzt. Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG, § 19, § 64 Abs.1 und 2 VStG; § 4, § 24 Abs.1 Z5 lit.b Arbeitsinspektionsgesetz 1993 Der Rechtsmittelwerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 65 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, durch Ausübung von massiver Bedrohung eine weitere Besichtigung seiner Betriebsanlage in A., durch den Arbeitsinspektor Ing. Ch. H. verhindert zu haben.

Wegen Verletzung des § 4 des Arbeitsinspektionsgesetzes iVm § 24 Abs.1 Z5 lit.b des Arbeitsinspektionsgesetzes BGBl.Nr.27/1993, wurde ihm deswegen eine Geldstrafe von 15.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen und ein erstinstanzlicher 10 %iger Verfahrenskostenbeitrag auferlegt.

2. In seiner dagegen vom rechtsfreundlichen Vertreter erhobenen Berufung macht der Rechtsmittelwerber im wesentlichen geltend, daß der Beschuldigte den einschreitenden Arbeitsinspektor von keiner weiteren Besichtigung des Betriebes abgehalten habe. Richtig sei, daß er sich im nachhinein betrachtet, über das Verhalten des Arbeitsinspektors ungebührlich aufgeregt habe, was letztlich auch dazu geführt habe, daß er den Arbeitsinspektor aus dem Haus gewiesen habe. Dies sei im Hinblick auf seinen angeschlagenen Gesundheitszustand (nervliche Angeschlagenheit und teilweise Benützung des Rollstuhles) verständlich. Die Diskussion mit dem Arbeitsinspektor sei wegen einer von seiner Warte aus keine Priorität genießenden Beschaffenheit eines WC als Schikane empfunden worden.

Im Ergebnis beantragt der Beschuldigte die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens in eventu den Ausspruch einer Ermahnung, allenfalls die verhängte Geldstrafe schuld- und tatangemessen herabzusetzen. Ergänzend beruft sich der Beschuldigte unter Hinweis auf ein in der selben Sache ergangenes freisprechendes Urteil des Landesgerichtes Wels auf die Subsidiaritätsklausel des § 24 Abs. 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes.

3. Nachdem eine Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Juli 1998, Zl. 96/02/0348-6, infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden ist, wurde am 3.12.1998 die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Vertreters des Beschuldigten und eines Vertreters des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk durchgeführt, in deren Rahmen der meldungslegende Arbeitsinspektor Ing. Ch. H. als Zeuge vernommen und die Anzeige vom 2.2.1995, des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk erörtert wurde. Ferner wurde die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates im Berufungsverfahren vom 13.5.1996 erörtert, in die Strafanzeige des GPK Altmünster vom 13.8.1996, in den Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wels sowie in den Protokolls- und Urteilsvermerk des Landesgerichtes Wels, Abteilung 11, Einsicht genommen und den Parteien gegenüber zur Erörterung gestellt. Festgestellt wurde schließlich, daß aufgrund der im ersten Rechtsgang erhobenen Amtsbeschwerde, welche beim Verwaltungsgerichtshof am 2.8.1996 eingelangt ist und des Rücklangens des Aktes beim Oö. Verwaltungssenat am 28.8.1998 in dieser Zeit der Ablauf der Frist für die absolute Verjährung gehemmt war (vergl. § 31 Abs.3 VStG). 4. Aufgrund der vorangeführten Beweismittel ist folgender Sachverhalt erwiesen.

Am 30.1.1995 begab sich der Arbeitsinspektor Ing. Ch. H. des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk zur Landmaschinenwerkstätte des Beschuldigten und zwar mit der Absicht, dort zu kontrollieren, ob Aufträge des Arbeitsinspektorates, welche im Interesse des Dienstnehmerschutzes ergangen waren, erfüllt seien. Er ging in das Büro dieser Betriebsanlage und fand den Beschuldigten vor. Der Arbeitsinspektor brachte das Gespräch auf die erforderliche ausreichende Beheizung eines WC, wobei sich der Beschuldigte, welcher Arbeitgeber in diesem Betrieb war, erregte und zu schreien begann: "Was ist mit dem Klo!" Der Ar-beitsinspektor wollte seinen Standpunkt erläutern, worauf der Beschuldigte rief: "Schleich die aussi da, bevor i da den Stecka umihau!" Der Arbeitsinspektor erklärte dem Beschuldigten, daß eine Vereitelung der Inspektion schwere Folgen nach sich ziehe, worauf der Beschuldigte erwiderte: "Des macht gar nix, i hab schon oamal so an Trottel aussighaut!" Herr M. meinte damit Herrn OR Dr. C. der 1979 von ihm grob beleidigt wurde und die damalige Kontrolle abbrechen mußte. Aufgrund der vorstehenden Äußerungen des Beschuldigten ließ der Arbeitsinspektor von einer Inspektion des Betriebes ab. Der Arbeitsinspektor hielt den Beschuldigten nicht für imstande, daß dieser tatsächlich physische Gewalt anwenden werde, zumal dieser durchs Verkaufspult getrennt war und der Arbeitsinspektor keinen Gegenstand erblickte, womit er nach ihm schlagen konnte.

Von einer weiteren Inspektion allenfalls unter Zuhilfenahme von Gendarmerieassistenz ließ er ab, weil das Leben und die Sicherheit von Arbeitnehmern im Betrieb nicht unmittelbar gefährdet war. Ursprünglich hatte der Arbeitsinspektor in seiner Anzeige von einer massiven Bedrohung gesprochen, worauf auch die Staatsanwaltschaft tätig geworden ist und gegen den Beschuldigten Strafantrag beim Landesgericht Wels wegen des Vorwurfs des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt erhob.

Nach durchgeführter Hauptverhandlung hat das Landesgericht Wels am 9.10.1996 den Beschuldigten A. M. von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe am 30.1.1995 in A. den Arbeitsinspektor des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk, Ing. Ch. H., mithin einen Beamten durch die Äußerung, "schleich die aussi da, bevor i da den Stecka umihau", durch Drohung mit Gewalt, an einer Amtshandlung, nämlich der weiteren Besichtigung der Betriebsanlage gehindert und dadurch das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs.1 2. Fall StGB begangen, gemäß § 259 Z3 StPO freigesprochen. In dem zur Zahl 11 EVr 913/96/11, 11 EHv 53/96/9 vom 9.10.1996 beurkundeten Urteil findet sich als Grund des Freispruchs "kein Schuldbeweis".

Dieses freisprechende Urteil ist infolge Rechtsmittelverzichtes der Staatsanwältin in Rechtskraft erwachsen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat hat der Meldungsleger im Ergebnis die dem Beschuldigten angelastete massive Bedrohung im Sinne einer gefährlichen Drohung bedeutend relativiert, sodaß sie nicht anders als eine Unmutsäußerung des Beschuldigten bewertet werden mußte. Die Denkvoraussetzung der Anwendbarkeit des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 im Sinne des § 3 Abs.1 leg.cit, daß nämlich dem inspizierten Betrieb Arbeitnehmer/Innen angehörten, wurde in keiner Lage des Verfahrens bestritten und wird auch vom Oö. Verwaltungssenat als erwiesen angenommen.

5. Hiezu war rechtlich zu bedenken:

Gemäß § 24 Abs.1 Z5 lit.b Arbeitsinspektionsgesetz 1993 begeht sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 500 S bis 50.000 S, im Wiederholungsfall von 1.000 S bis 50.000 S zu bestrafen, wer (soweit nicht Z1 - Z4 zur Anwendung kommen - was im gegenständlichen Fall nicht zutrifft) Arbeitsinspektionsorgane bei der Durchführung von Besichtigungen gemäß § 4 behindert.

Im Sinne des § 4 ArbIG und zwar insbesondere des 1. Absatzes sind die Organe der Arbeitsinspektion zur Durchführung ihrer Aufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Arbeitsstellen sowie die von Arbeitgebern den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellten Wohnräume und Unterkünfte sowie Wohlfahrtseinrichtungen jederzeit zu betreten und zu besichtigen.

Daneben bestehen besondere Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers.

6. Gemäß § 269 Abs.1 2.Fall StGB begeht das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, wer einen Beamten durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert und ist mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren zu bestrafen.

Gemäß Art. 4 Abs.1 des 7. Zusatzprotokolles zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Erklärungen, BGBl.Nr. 628/1988, darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

Hiezu hat die Republik Österreich erklärt, daß unter anderem dieser Artikel sich nur auf Strafverfahren im Sinne der Österr. Strafprozeßordnung bezieht.

Gemäß Art. 64 Abs.1 EMRK, kann jeder Staat bei Unterzeichnung der Konvention oder bei Hinterlegung seiner Ratifikationsurkunde bezüglich bestimmter Vorschriften der Konvention einen Vorbehalt machen, soweit ein zu dieser Zeit in seinem Gebiet geltendes Gesetz nicht mit der betreffenden Vorschrift übereinstimmt. Vorbehalte allgemeiner Art sind nach diesem Artikel nicht zulässig.

Gemäß Abs.2 leg.cit. muß jeder nach diesem Artikel gemachte Vorbehalt mit einer kurzen Inhaltsangabe des betreffenden Gesetzes verbunden sein.

In seiner Entscheidung Gradinger gegen Österreich vom 23.10.1995, Nr. 33/1994/480/562, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die als Vorbehalt anzusehende Erklärung infolge nichterschöpfender Umschreibung als unwirksam betrachtet.

Nachdem dieser Gerichtshof das Österr. Verwaltungsstrafverfahren dem Begriff "Strafverfahren" zugeordnet hat, kam er zum Schluß, daß Art.4 Abs.1 des 7. ZP EMRK anwendbar ist. Dem ist daraufhin und seither in kontinuierlicher Rechtsprechung der Verfassungsgerichtshof gefolgt (vergl. VfGH 5.12.1996, G 9/96-12 sowie 11.3.1998 G 262/97 ua).

7. Zur Beurteilung von ausdrücklich angeordneten Subsidiäritätsklauseln hat der Verwaltungsgerichtshof dargetan, daß eine Bestimmung, die eine Tat als eine Verwaltungsübertretung nur unter dem Vorbehalt anspreche, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, nicht auf eine Identität der Tatbestände abstelle. Entscheidend sei vielmehr, ob das den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung erfüllende Verhalten auch ein wesentliches Sachverhaltselement des Tatbestandes einer gerichtlichen strafbaren Handlung bilden könne (VwGH 23.3.1984 81/02/0387, 8.6.1983 82/03/0235, 11.5.1998 98/10/0040). Das in Artikel 4 Abs.1 7. Zusatzprotokoll EMRK normierte Verbot der Doppelbestrafung (das auch die Durchführung eines Verfahrens bei rechtskräftigem Freispruch verbietet) schlägt insbesondere auf die Fälle der Subsidiarität und der Scheinkonkurrenzen von Delikten wegen Spezialität oder Konsumtion durch. Selbst bei einer aus den Gesetzesmaterialien hervorleuchtenden Absicht des Gesetzgebers auf Doppelbestrafung, hat der Verfassungsgerichtshof die verfassungskonforme Interpretation und damit die Beachtung der vorstehenden Bestimmung verlangt, (vergl. VfGH 19.6.1998 G 275/96, 7.10.1998 G 51/97-7).

Eine gesetzliche Strafdrohung widerspricht dann dem Art.4 des 7. ZP EMRK, wenn sie den wesentlichen Gesichtspunkt (Aspekt) eines Straftatbestandes der bereits Teil eines von den Strafgerichten zu ahndenden Straftatbestandes ist neuerlich einer Beurteilung und Bestrafung durch die Verwaltungsbehörden unterwirft. 8. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in der vorzitierten Entscheidung Gradinger gegen Österreich begründet ausgeführt, daß sich der Gerichtshof völlig bewußt ist, daß die Bestimmungen des damals zur Beurteilung gestandenen gerichtlich strafbaren fahrlässigen Tötungsdeliktes zum Anwendungsbereich des § 5 StVO verschieden sind und zwar nicht nur, was die Bezeichnung der strafbaren Handlungen betraf, sondern auch was ihre Art und ihren Zweck anlangt. Er bemerkte, daß die in § 5 StVO vorgesehene Strafbestimmung nur einen der Gesichtspunkte der gemäß § 81 Z2 StGB strafbaren Handlung widerspiegelte.

Er bezog das Spannungsfeld nicht auf die Prüfung der Aspekte, sondern auf den Umstand, daß sich die beiden an ihn herangetragenen strittigen Entscheidungen (Freispruch des Gerichtes wegen fahrlässiger Tötung, begangen im alkoholisierten Zustand und Bestrafung eines Autolenkers wegen Lenken eines Fahrzeuges im alkoholisierten Zustand) auf das gleiche Verhalten (based on the same conduct) bezogen und konstatierte daraus eine Verletzung des Art.4 des 7. ZP EMRK. 9. In der späteren Entscheidung Oliveira gegen Schweiz stellte der EGMR dagegen auch bei eintätigem Handeln kein absolutes Verbot einer Doppelbestrafung fest, wenn der Beschuldigte durch dieses Handeln mehrere strafbare Handlungen (Straftatbestände) erfüllt hat, wobei allerdings in jenem speziellen Fall das nach der Verwaltungsbehörde entscheidende Gericht eine Anrechnung der Strafe auf den von ihm zu beurteilenden Straftatbestand vorgenommen hatte und der Unrechtsgehalt bezüglich der in jenem Fall zu beurteilenden Verwaltungsübertretung wegen Fahrens mit nicht angepaßter Geschwindigkeit, welcher von der Verwaltungsbehörde beurteilt wurde, durch die hinzugetretene Körperverletzung (aufgrund der nicht angepaßten Geschwindigkeit), über welchen das Gericht ganzheitlich zu befinden hatte, durch die Entscheidung der Verwaltungsbehörde noch nicht ausgelotet war.

10. Im vorliegenden Fall der Vereitelung einer Betriebsinspektion durch Organe eines Arbeitsinspektorates stand sowohl für das Gericht als auch für die Verwaltungsbehörde derselbe Lebenssachverhalt zur Beurteilung heran.

Bei dem zu prüfenden Verhältnis der Straftatbestände lag kein Fall der Konsumtion und auch kein Fall der Exklusivität, sondern stand die Prüfung eines Falles der ausdrücklichen Subsidiarität herein. Der Oö. Verwaltungssenat nimmt Maß an der hiezu ergangenen innerstaatlichen höchstgerichtlichen Judikatur und beruft sich auf die Aspektetheorie.

Bezüglich der wesentlichen Aspekte war zu bedenken:

Der gerichtlich zu ahndende Straftatbestand dient dem Schutz der Durchsetzbarkeit jedweder Amtshandlung und zwar gegenüber Gewalt bzw. (Drohung mit Gewalt gegenüber einer Behörde) gefährlicher Drohung gegenüber einem Beamten.

Der wesentliche Aspekt der gegenständlichen Verwaltungsstrafnorm des Arbeitsinspektionsgesetzes dient dem Schutz der Durchsetzbarkeit einer bestimmten Amtshandlung, nämlich der Betriebsinspektion durch Arbeitsinspektoren.

Schwieriger als bei einer gerichtlichen Vorabbestrafung ist das Greifen der Subsidiaritätsklausel bei einem gerichtlichen Freispruch zu beurteilen; vergleichsweise war zu erwägen: Liegt seitens des Beschuldigten (objektiv tatbestandsmäßig) Gewaltanwendung oder gefährliche Drohung vor und hat diese die Vereitelung der Amtshandlung als Ziel (subjektive Tatbestandsmäßigkeit) und tritt auch der gewünschte Erfolg, nämlich die Verhinderung der Amtshandlung ein und kommt es bei Erfüllung auch der Rechtswidrigkeit und der Schuldkomponente zur gerichtlichen Bestrafung wegen des Vergehens des § 269 Abs.1 2. Fall StGB, so vertritt der Oö. Verwaltungssenat die Auffassung, daß die Subsidiaritätsklausel des § 24 Abs.1 Einleitung 1. Teilsatz AIG bezüglich der Z5b leg.cit. greift.

Unter dieser Prämisse kommt der Oö. Verwaltungssenat bei strafrechtsdogmatischer Betrachtungsweise zum Schluß, daß auch ein über Anklage des Staatsanwaltes nach Durchführung der Hauptverhandlung erfolgter gerichtlicher Freispruch, bei dem die Tatbestandsmäßigkeit (subjektive und objektive) nicht in Frage steht, im Sinne der Subsidiaritätsklausel dieselbe (Sperr-)wirkung erzeugt, wie eine gerichtliche Verurteilung, zumal die Frage der Schuld (der Vorwerfbarkeit der Tat) sich nicht auf den Bestand des wesentlichen Aspektes auswirkt.

11. Der Freispruch des Gerichtes, wegen des Deliktes nach § 269 Abs.1 2. Fall StGB (vom Gericht wurde die erforderliche "gefährliche Drohung" offensichtlich irrtümlich als Drohung mit Gewalt, welche im StGB nur gegenüber einer Behörde und nicht gegenüber einem Beamten beschrieben ist, bezeichnet) erfolgte mit der Begründung "kein Schuldbeweis".

Nach der Lage des Falles konnte letzterer Begriff vom Oö. Verwaltungssenat letztendlich nur als prozessualer Begriff verstanden werden. Unter Verschulden wird prozessual nicht nur die Vorwerfbarkeit der Tat - die Schuld - verstanden, sondern auch die Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des Begriffes "Schuldspruch".

Da das seinerzeitige Verhalten des Beschuldigten und seine Wortwahl aus den in der mündlichen Verhandlung aufgeklärten Umständen (daß nämlich zwischen ihm und dem Arbeitsinspektor ein Verkaufspult war, der Beschuldigte gesundheitsmäßig stark angeschlagen war und kein Gegenstand griffbereit war, mit dem er den Arbeitsinspektor hätte insultieren können) keine gefährliche Drohung im Sinne des § 74 Abs.5 StGB erzeugen konnte, weil sie nicht geeignet war, eine begründete Besorgnis einzuflößen, fehlte es somit an der (objektiven) Tatbestandsmäßigkeit und kam dadurch die Subsidiaritätsklausel nicht zum Tragen. Wenngleich Subsidiaritätsklauseln am Maßstab des Art.4 7. ZP EMRK zu interpretieren sind, so führt die verfassungskonforme Interpretation zum Ergebnis, daß der rechtskräftige Freispruch durch das Gericht nicht wegen derselben strafbaren Handlung oder einer strafbaren Handlung geringfügig anderen Zuschnittes erfolgte. Ausgehend vom oben zitierten Gesetzestext der gegenständlichen Verwaltungsstrafbestimmung ergibt eine Gegenüberstellung mit dem eingangs festgestellten Lebenssachverhalt, daß das Verhalten des Beschuldigten geeignet war, eine Behinderung der Durchführung der Betriebsbesichtigung zu bilden.

Einer gefährlichen oder auch einer massiven Drohung bedurfte es für die Erfüllung des Verwaltungsstraftatbestandes nicht. Sie lag auch nicht vor, ansonsten hätte die Subsidiaritätsklausel gegriffen. Aufgrund der Erfüllung des verwaltungsstraftatbestandsmäßigen Handelns war (vergl hiezu die Judikatur des VwGH 18.6.1990, Zl. 90/19/0180 und 22.3.1991, Zl. 90/19/0257 bezüglich Zutrittsverweigerung - problematisch allerdings der Beisatz "wenn sich die AI-Organe diesem Verbot fügen" weil die Übertretung dann von der Willkür oder dem Zufall abhängt, wie erfahren und gut geschult ein AI-Organ in Konfliktvermeidungssituationen ist) der Schuldspruch (allerdings unter Eliminierung der nicht erwiesenen massiven Drohung) zu bestätigen.

12. Die Vorwerfbarkeit der Tat ist im Hinblick darauf, daß der Beschuldigte als Betriebsinhaber über die Befugnisse der Arbeitsinspektoren Bescheid wissen mußte, gegeben.

13. Nachdem die subjektive Tatseite nicht gering wog, konnte von der Rechtswohltat des § 21 Abs.1 VStG nicht Gebrauch gemacht werden.

14. Was die Strafbemessung anlangt so war zu bedenken.

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen beträgt im Geld von 500 S bis 50.000 S und an Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 2 Wochen.

Die objektive Tatseite, der Hauptstrafzumessungsgrund, wog nicht schwer, weil einerseits die Behinderungshandlung - die verbale Entgleisung des Beschuldigten - nur als Unmutsäußerung gewertet werden konnte, die Darstellung des Meldungslegers in der Anzeige sich in der mündlichen Verhandlung als beträchtlich überzogen erwies, die Weiterführung der Amtshandlung nicht unmöglich erschien und sich die beabsichtigte Nachschau nicht auf die Abwendung einer unmittelbaren Bedrohung von geschützten beträchtlichen Rechtsgütern von Arbeitnehmern bezog. Die subjektive Tatseite war von mittlerem Gewicht. Als mildernd war zu berücksichtigen, daß der Beschuldigte einen schlechten Gesundheitszustand aufwies (er ist Diabetiker, muß 2x täglich Insulin spritzen, hatte 1994 eine Beckenzertrümmerung; von 1993 bis 1995 fünf Augenoperationen und er war nervlich angegriffen). Sein Erregungszustand erschien daher unter Berücksichtigung dieser Umstände begreiflich (§ 34 Z8 StGB) und er zeigte sich anläßlich seiner Vernehmung als Beschuldigter am 10.4.1995 vor der Bezirkshauptmannschaft Gmunden reumütig (Milderungsgrund gemäß § 34 Z17 StGB). Die von der ersten Instanz ins Treffen geführte Vorstrafe vom 4.1.1993, Ge96-2091-1992, war infolge zwischenzeitig eingetretener Tilgung nicht mehr als erschwerend zu werten.

Unter Berücksichtigung des Monatseinkommens von 15.000 S erschien in der Zusammenschau der Umstände eine Herabsetzung der Strafe im spruchgemäßen Ausmaß als maßgerecht, um allen Strafzwecken zu genügen. 15. Nachdem die Berufung zumindest einen Teilerfolg hatte, ist der Rechtsmittelwerber davon befreit, Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens leisten zu müssen (§ 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. L a n g e d e r Beschlagwortung: Vereitelung einer Inspektion durch tobende Worte: Subsidiarität zu § 269 Abs.1 StGB liegt nur vor, wenn die gefährliche Drohung im Sinne des § 74 Z5 StGB objektiv vorlag.

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