Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280240/7/Schi/Km

Linz, 28.01.1997

VwSen-280240/7/Schi/Km Linz, am 28. Jänner 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des W S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. G M und Dr. G B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 3.5.1996, Ge96-40-1994, wegen einer Übertretung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß, a) im Spruch das Wort "gewerberechtlicher" durch das Wort "handelsrechtlicher" ersetzt wird; b) der Ausdruck "mit dem Sitz in W" durch den Ausdruck "mit dem im Firmenbuch angeführten Sitz in W" ersetzt wird; c) die Zitierung der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Strafnorm im Sinne des § 44a Z.2 und Z.3 VStG jeweils zu lauten hat: "§ 31 Abs.2 lit.p iVm § 33 Abs.7 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr.234/1972 idgF BGBl.Nr. 650/1989".

II. Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat 20 % der verhängten Strafe, d.s. 1.000 S, binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 9, 19, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 64 Abs. 1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 3.5.1996, Ge96-40-1994, wurde der Berufungswerber (Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen) kostenpflichtig verhängt, weil er als gewerberechtlicher Geschäftsführer und verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma S Handelsgesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in W, am 24.3.1994 in der Betriebsanlage im Standort N, die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 15.10.1991, Ge96-0105/55/1991/La/Or, rechtskräftig vorgeschriebene Auflage unter Punkt 11 nicht erfüllt habe:

"Fluchtwege und Notausgänge sind gemäß Ö-NORM Z1000 ausreichend und deutlich erkennbar zu beschriften, Notausgangstüren unversperrt zu halten und Fluchtwege sowie Hauptzugänge von Anlagerungen und Einbauten freizuhalten".

Der gekennzeichnete Fluchtweg (Fluchttüre) im Bereich der Kunststoffzerkleinerungsmaschine Pallmann PS 8-12, sei sowohl versperrt als auch von Lagerungen verstellt gewesen.

Ferner sei auch das in diesem Bereich befindliche Tor durch Lagerungen verstellt gewesen.

2. Dagegen hat der Bw mit Schriftsatz vom 21.5.1996 rechtzeitig Berufung erhoben und beantragt, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Begründend wird im wesentlichen ausgeführt, der Bw habe sich schon im erstinstanzlichen Verfahren damit verantwortet, daß am genannten Tag Umschichtungen und Säuberungsarbeiten stattgefunden hätten, wobei nahezu kein Arbeitsbetrieb geherrscht habe. Eine Fremdfirma habe Reparaturarbeiten an der Kunststoffmühle ausgeführt, weshalb die Fluchtwege an diesem Tag nicht optimal benützbar gewesen seien. Eine geringfügige und kurzfristige Benützbarkeit bzw.

nicht sonst übliche Benützbarkeit der Fluchtwege stelle aber keinen Verstoß gegen die Bescheidauflage dar.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann. Weitere Beweise sind nicht mehr aufzunehmen.

Gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG wurde die Berufung dem Arbeitsinspektorat für den 9.

Aufsichtsbezirk in Linz zur Kenntnis gebracht; dieses gab mit Schreiben vom 23. September 1996, Zl. 1160/102-9/96, eine Stellungnahme ab, welche mit h. Schreiben vom 2.

Oktober 1996 dem Bw zu Handen seiner ausgewiesenen Vertreter zugestellt wurde; der Bw hat sich dazu nicht mehr geäußert.

Aufgrund des Umstandes, daß der maßgebliche Sachverhalt unbestritten geblieben ist, die Berufungsausführungen erkennen lassen, daß nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und überdies eine mündliche Verhandlung ausdrücklich nicht verlangt wurde, war die vorliegende Entscheidung im Sinn des § 51e Abs.2 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung zu treffen.

3.2. Aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit dem Berufungsvorbringen sowie der ergänzenden Stellungnahme des Arbeitsinspektorates ist von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:

3.2.1. Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der S Handelsgesellschaft m.b.H.; dies ergibt sich sowohl aus dem Akt als auch aus einem vom O.ö.

Verwaltungssenat am 5.8.1996 abgefragten Auszug aus dem Firmenbuch. Als solcher ist er im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verantwortlich für Übertretungen nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz. Ebenso ergibt sich aus dem Akt und dem angeführten Firmenbuchauszug, daß die S Handelsgesellschaft m.b.H. ihren Sitz in W hat, mit der Geschäftsanschrift W. Diese Firma S Handelsgesellschaft m.b.H. ist Inhaberin der Betriebsanlage im Standort N (vgl. unten Pkt. 3.2.3.).

3.2.2. Aus dem Akt geht weiters hervor, daß aufgrund mehrerer Erhebungen des Magistrates der Stadt Wien (MA59-Marktamtsabteilung für den 13./14. Bezirk) am im Firmenbuch ersichtlichen eingetragenen Standort W, keinerlei gewerbliche Tätigkeit einer S Handelsgesm.b.H. festgestellt werden konnte (Schreiben vom 12.1.1996 und 22.1.1996). Dabei wurden auch Hausbewohner und die Hausbesorgerin befragt; seitens dieser Personen wurde sogar noch angegeben, den Bw seit drei Jahren nicht mehr gesehen zu haben bzw. daß eine geschäftliche Tätigkeit (Kundenverkehr usw.) ausgeschlossen werden könne; ein Zutritt zur Wohnung (!) ist nicht möglich gewesen.

3.2.3. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 15.10.1991, Zl. Ge-0105/55/1991/La/Or, wurde der S Handelsgesellschaft m.b.H. im Standort N, die ggst. Betriebsanlage gewerbebehördlich genehmigt, wobei unter Punkt 11 vorgeschrieben worden war, daß Fluchtwege und Notausgänge gemäß Ö-NORM Z1000 ausreichend und deutlich erkennbar zu beschriften, Notausgangstüren unversperrt zu halten und Fluchtwege sowie Hauptzugänge von Anlagerungen und Einbauten freizuhalten sind.

Wie die Überprüfung des Arbeitsinspektors am 24.3.1994 ergeben hat, war der gekennzeichnete Fluchtweg (die Fluchttüre) im Bereich der Kunststoffzerkleinerungsmaschine Pallman, PS 8-12, sowohl versperrt als auch von Lagerungen verstellt. Ferner war auch das in diesem Bereich befindliche Tor durch Lagerungen verstellt.

Zum Zeitpunkt der Kontrolle am 24.3.1994 war die Kunststoffzerkleinerungsmaschine (Kunststoffmühle) nicht bestimmungsgemäß in Betrieb; an ihr wurden aber Reparaturarbeiten durch eine Fremdfirma ausgeführt; die Betriebsanlage war somit nicht geschlossen oder stillgelegt sondern geöffnet und es herrschte Arbeitsbetrieb.

3.3. Nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl. Erkenntnis vom 12.3.1990, Zl. 90/19/0091, 0092, 0093) kommt es für den Bereich des VStG in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird; vielmehr ist gemäß § 27 Abs.1 VStG örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Als Ort, an dem die gebotenen Vorsorgehandlungen unterlassen wurden, ist der Sitz der Unternehmensleitung anzusehen.

3.4. Danach wäre im vorliegenden Fall zunächst der Magistrat Wien (Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien) zur Erlassung des Straferkenntnisses zuständig, zumal laut Firmenbuch der "Sitz" der S Handelsgesellschaft m.b.H. sich in W befindet.

Aufgrund der oben angeführten Erhebungen steht aber fest, daß es sich dabei offenbar nur um einen fiktiven (Schein-)Standort handelt, an dem tatsächlich keinerlei Geschäftstätigkeit stattfindet und somit auch nicht eine entsprechende Vorsorgehandlung für die gewerbliche Betriebsanlage in N, getroffen werden kann. Da der Verwaltungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen (vgl. zB. Erk. v.

14.1.1993, Zl. 92/18/0416) ausgesprochen hat, daß für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde nach dem VStG nur der Ort maßgebend ist, an dem die Unternehmensleitung tatsächlich ausgeübt wird, wobei im Fall, daß dies ein anderer Ort ist als der im Handelsregister angegebene Firmensitz, aus letzterem nicht auf die örtlich zuständige Behörde geschlossen werden kann, war im vorliegenden Fall unzweifelhaft die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach zur Erlassung des Straferkenntnisses örtlich und sachlich zuständig. Daran konnten auch die (zahlreichen) "Abtretungen" und Weiterleitungen des Strafaktes zwischen belangter Behörde und Magistrat Wien bzw. Bezirkshauptmannschaft St. Pölten nichts ändern, weil diese nach der Judikatur des VwGH (11.5.1983, 82/03/0216) aus den dargelegten Umständen keine Rechtswirksamkeit entfalten konnten.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 idgF (kurz: ANSchG), begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 33 Abs.7 ANSchG gelten bei Zuwiderhandlung gegen die im Abs.1 genannten Rechtsvorschriften die Bestimmungen des § 31 sinngemäß. Dies gilt auch hinsichtlich der im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften, soweit es sich um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt. Soweit es sich nicht um Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes handelt, gelten Zuwiderhandlungen gegen die im Abs.2 genannten Rechtsvorschriften als Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung.

4.2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 15.10.1991, Zl. Ge-0105/55/1991/La/Or, wurde über Antrag die Errichtung einer Anlage zur Sortierung und Wiederaufbereitung von Kunststoffabfällen (Kunststoffrecyclinganlage) im Standort P, unter Anwendung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, gewerbebehördlich genehmigt. In der Auflage unter Punkt 11 wurde vorgeschrieben, daß Fluchtwege und Notausgänge gemäß Ö-NORM Z1000 ausreichend und deutlich erkennbar zu beschriften, Notausgangstüren unversperrt zu halten und Fluchtwege sowie Hauptzugänge von Anlagerungen und Einbauten freizuhalten sind.

4.3. Daß am 24.3.1994 der gekennzeichnete Fluchtweg (die Fluchttüre) im Bereich der Kunststoffzerkleinerungsmaschine Pallmann PS8-12, sowohl versperrt als auch von Lagerungen verstellt war, sowie auch das in diesem Bereich befindliche Tor durch Lagerungen verstellt war, steht aufgrund der Anzeige des AI für den 9. Aufsichtsbezirk fest bzw. ist durch die am 24.3.1994 durchgeführte kommissionelle Überprüfung der Betriebsanlage als erwiesen anzusehen; dies wird auch vom Bw grundsätzlich nicht bestritten.

Zu den Einwendungen des Bw, wonach am genannten Tag "Umschichtungen und Säuberungsarbeiten" stattgefunden hätten, weshalb "nahezu kein Arbeitsbetrieb" geherrscht habe; weiters eine Fremdfirma Reparaturarbeiten an der Kunststoffmühle ausgeführt habe, hat das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk in der ergänzenden Stellungnahme vom 23.9.1996 ausgeführt, daß auch eine kurzfristige Verlegung der Notausgänge eine erhebliche Gefährdung darstelle, da bei einem plötzlichen Gefahrenfall (zB Brand, Verqualmung der Halle usw.) ein rasches Verlassen des Betriebsobjektes nicht möglich sei. Weiters wurde im Zuge der Erhebung festgestellt, daß eine Fremdfirma Reparaturarbeiten durchführte.

Dem Bw kann nun mit seinem Vorbringen kein Erfolg beschieden sein, weil es zunächst rechtlich unerheblich ist, ob ein Arbeitsbetrieb oder "nahezu kein Arbeitsbetrieb" geherrscht habe; denn sobald die Betriebsanlage im Sinne jeglichen Arbeitsbetriebes benützt wird, gleichgültig ob die darin befindlichen Maschinen bestimmungsgemäß in Betrieb sind oder nicht (hier: wegen Reparatur oder Wartungsarbeiten abgestellt), sind jedenfalls die vorgeschriebenen Auflagen einzuhalten. Dies ist im vorliegenden Fall gerade deshalb von Bedeutung, weil die ggst. Auflage alle in der Betriebsanlage tätigen Arbeitnehmer schützen soll, nicht nur die vom Betriebsinhaber unmittelbar arbeitsvertraglich beschäftigten Personen. Es liegt auf der Hand, daß Arbeiter einer Fremdfirma, die gerade Reparaturarbeiten ausführen, regelmäßig mit den Örtlichkeiten nicht so vertraut sind, sodaß es umso wichtiger erscheint, daß die Notausgänge nicht verstellt und die Fluchttüren nicht versperrt sind.

Wie außerdem der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen hat, dürfen Notausgänge und Fluchtwege zu keiner Zeit und auch nicht kurzfristig verstellt sein, sondern müssen dauernd benützbar sein (vgl.

zB VwGH vom 7.4.1995, Zl. 95/02/0072, 0073).

4.4. Wenn der Bw rügt, daß ihm in der Aufforderung zur Rechtfertigung lediglich vorgeworfen wurde, Bestimmungen der GewO verletzt zu haben, während ihm im Straferkenntnis erstmals die Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes vorgeworfen worden ist, weshalb insofern Verfolgungsverjährung eingetreten sei, ist ihm zu erwidern, daß er diesbezüglich die Rechtslage verkennt: denn einerseits ist dem Bw niemals ein anderer Sachverhalt zur Last gelegt worden, als jener im Straferkenntnis und andererseits hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen, daß die Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift auch nach Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist möglich ist, wenn dem Bw kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt wurde, da hinsichtlich einer rechtlichen Qualifikation keine Verfolgungsverjährung eintreten kann (vgl. zB. VwGH vom 23.10.1995, 93/04/0191).

4.5. Auch entspricht es der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß jeder Verstoß gegen einen Punkt des Bescheides einen eigenen Straftatbestand bildet und diesfalls sohin das Kumulationsprinzip (§ 22 VStG) anzuwenden ist, weshalb für jeden einzelnen Auflagenverstoß eine Strafe zu verhängen ist; ob dies in einem Straferkenntnis oder in mehreren (hier sechs verschiedenen) gemacht wird, ist rechtlich unerheblich.

5. Zum Verschulden:

5.1. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Zu dieser Umkehr der Beweislast kommt es allerdings nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, wobei in dieser Hinsicht die Beweislast die Behörde trifft. Wie aber bereits in dieser Begründung ausgeführt wurde, hat der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung erfüllt. Es wäre daher Sache des Berufungswerbers gewesen, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. VwGH v. 2. April 1990, Zl.

90/19/0078). Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn der Verstoß ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen worden wäre.

5.2. Im Sinne der aufgezeigten Judikatur ist das Berufungsvorbringen in keiner Weise geeignet, darzulegen, daß es dem Bw unmöglich war, die verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden einzuhalten. Weiters ist auch sein Einwand, wonach er "angesichts der großteils durch Dritte, nämlich der L als Eigentümer, zu verantwortenden Unterlassungen der Herstellung der baulichen Anlagen" schuldlos sein soll, unverständlich, zumal - abgesehen von der primären Verantwortlichkeit des Bw als handelsrechtlichem Geschäftsführer - die Verstellung der Fluchtwege und Versperrung der Fluchttüren niemals einem Dritten (hier: dem LAVU) zugeschoben werden kann, schon überhaupt nicht im Zusammenhang mit der "Herstellung der baulichen Anlagen"; dieses Argument ist somit völlig verfehlt, weshalb die Folgerung des Bw, wonach sein Verschulden als unbedeutend und gering anzusehen sei, zurückzuweisen ist. Der Umstand, daß der Betrieb in der Halle zwischenzeitig stillgelegt worden sei, ist für sein Verschulden ebenso völlig unerheblich.

6. Zur Strafbemessung:

6.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

6.2. Hierzu hat der Bw in der Berufung grundsätzlich nichts Wesentliches vorgebracht, weshalb der diesbezüglichen Strafbemessung, die die belangte Behörde ausführlich dargelegt und begründet hat, nicht entgegengetreten werden konnte. Es wird daher - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis verwiesen.

Auch hier ist der Hinweis des Bw, wonach der Produktionsbetrieb inzwischen stillgelegt wurde, nicht geeignet, eine Strafherabsetzung zu bewirken, zumal aus spezial- und generalpräventiven Gründen die verhängte Strafhöhe, insbesondere auch im Hinblick auf den Unrechtsgehalt angemessen ist und in Anbetracht des Strafrahmens bis zu 50.000 S ohnehin nur zu 10 % ausgeschöpft worden ist; da es außerdem dem Bw als handelsrechtlichen Geschäftsführer der Schiffler HandelsgesmbH. möglich ist, die in Rede stehende Betriebsanlage (Halle) in Neufelden jederzeit wieder in Betrieb zu nehmen, kann eine zwischenzeitige Stillegung nicht bewirken, daß eine weitere Verletzung von Auflagen absolut auszuschließen ist, weshalb sich eine Herabsetzung der Strafe auch aus spezialpräventiven Gründen verbietet.

7. Zur Spruchkorrektur:

Im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes war die Spruchkorrektur insofern durchzuführen, als für Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes nicht der gewerberechtliche, sondern der handelsrechtliche Geschäftsführer verantwortlich ist; weiters war aus den oben unter Punkt 3.2. angeführten Gründen der Ausspruch über den Sitz zu konkretisieren. Schließlich hat im Sinne des Erkenntnisses des VwGH vom 27.1.1995, Zl. 94/02/0407, bei Zitierung des § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz auch eine Bezugnahme auf § 33 Abs.7 lit.c zu erfolgen, weshalb auch hier die entsprechende Ergänzung durchzuführen war, wobei die Behörde nicht gehindert ist, die Strafbestimmungen auch außerhalb der Verfolgungsverjährung zu berichtigen bzw.

zu ergänzen (VwGH vom 2.8.1996, Zl. 93/02/0236).

8. Auf der Kostenseite bewirkte diese Entscheidung, daß dem Bw auch der gesetzlich vorgesehene Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens (20 % des Strafbetrages) aufzuerlegen ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Schieferer

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