Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280262/5/Le/La

Linz, 03.02.1997

VwSen-280262/5/Le/La               Linz, am 3. Februar 1997 DVR.0690392                                                          

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des F L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 22.5.1996, Zl. 96-47-1995-Fr/Gut, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstraf verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. zu II.: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirks hauptmannschaft Perg vom  22.5.1996 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 33 Abs.5 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (im folgenden kurz: ASchG) sowie des § 86 Abs.1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (im folgenden kurz: AAV) Geldstrafen in Höhe von jeweils 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von  jeweils 48 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10% der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, es als Gewerbeinhaber bzw. Arbeitgeber verantworten zu haben, daß, wie im Zuge einer Überprüfung durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk am 14.3.1995 festgestellt worden sei 1. die Leuchtstofflampen im Lagerraum (in der Lebensmittel abteilung) so angebracht waren, daß infolge ihres geringen Abstandes zu Lager- und/oder Transportgütern eine erhöhte Unfallgefahr bestand und 2. im Betrieb keine Kästen zur Aufbewahrung der Bekleidung für die einzelnen Arbeitnehmer vorhanden waren.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daßáder im Spruch bezeichnete Sachverhalt bei der am 14.3.1995 durchgeführten  Überprüfung des Betriebes von einem Organ des Arbeitsinspektorates festgestellt worden sei. Nach einer Wiedergabe der Rechtslage kam die Erstbehörde zum Schluß, daß nach den Umständen der jeweiligen Tat eine zumindest grob fahrlässige Handlungsweise zu unterstellen sei und das Verschulden keinesfalls als geringfügig angesehen werden könne. Sodann legte die Erstbehörde die Gründe der Strafbemessung dar.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 17.6.1996, mit der beantragt wird, das ange fochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungs strafverfahren einzustellen.

Zur Rechtzeitigkeit der Berufung verwies der Bw darauf, daßáder Bescheid zwar am 29.5.1996 hinterlegt wurde, doch sei er bis zum 3.6.1996 auf Urlaub gewesen.

In der Sache selbst führte der Bw aus, daß sich im betreffenden Lagerraum nur eine einzige Leuchtstoffröhre befinde und im gesamten Verfahren bisher noch nicht dargelegt worden sei, worin eine Unfallgefahr bestehen solle. Das Arbeitsinspektorat hätte die Unfallgefahr darin gesehen, daß angeblich ein zu geringer Abstand zu Lagergütern bestanden hätte; es wäre aber nie angegeben worden, welcher Abstand nun tatsächlich bestanden hätte und welche Lager- und Transportgüter ein Zerbrechen der Leuchtstoffröhre verursachen hätten können. Tatsache sei aber, daß in dem betreffenden Regal nur leichte und kleine Artikel (wie Papiertaschentücher, Gewürzsäckchen usw) gelagert waren und daß man mit diesen Gegenständen eine Leuchtstoffröhre nicht zu zerbrechen vermöge. Eine Unfallgefahr hätte daher nicht bestanden. Überdies sei der betreffende Lagerraum schon vorher mehrmals vom Arbeitsinspektorat inspiziert, jedoch nie beanstandet worden; auch eine baubehördliche Genehmigung liege vor. Schließlich sei die Leuchtstoffröhre auch von einem konzessionierten Gewerbebetrieb installiert worden. Zum zweiten Tatvorwurf wies der Bw darauf hin, daß er in seiner bisherigen Verantwortung immer wieder vorgebracht hätte, daß das Arbeitsinspektorat bei der Besichtigung und nachträglich auch schriftlich bestätigt hätte, daß wegen Platzmangel im Betrieb anstelle der Kleiderkästen einer ausreichend großen offenen Kleiderablage und Wertsachen kästchen zugestimmt werde. Es müsse schon von einer grotesken Situation gesprochen werden, wenn eine Behörde erst die vorhandenen Möglichkeiten anerkenne, dann jedoch eine Bestrafung beantrage und eine weitere Behörde dann auf das Parteienvorbringen überhaupt nicht reagiere. Er wies weiters darauf hin, daß sich sein Haupt geschäftszweig zum Großteil auf den Handel mit Textilien bzw. Kleidung erstrecke und sich die Kleiderablage direkt neben dem Geschäftslokal befinde. Die negativen Einwirkungen wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche dürften in seinem ganzen Haus nicht vorhanden sein, weil seine Kunden ansonsten keine Textilien kaufen würden. Der Schutzzweck der Norm sei jedenfalls erfüllt. Hinsichtlich der versperrbaren Kästchen gab er an, daß diese zum Zeitpunkt der Besichtigung vorhanden waren, sodaß auch dieser Punkt erfüllt sei.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Ver waltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvor entscheidung wurde nicht erlassen.

Da aus dem vorgelegten Verwaltungsakt hervorgeht, daß das Straferkenntnis am 29.5.1996 durch Hinterlegung zugestellt, die Berufung jedoch erst am 17.6.1996 zur Post gegeben wurde, war der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, die Rechtzeitigkeit der Einbringung der Berufung zu prüfen.

Über entsprechenden Vorhalt hat der Bw unter Beilage einer Bestätigung des Reisebüros dargelegt, daß er vom 25.5. bis 3.6.1996 auf Urlaub war und daher erst am 4.6.1996 das Straferkenntnis beheben konnte. Es ist daher davon auszugehen, daß die Zustellung am 4.6.1996 erfolgte, weshalb die eingebrachte Berufung rechtzeitig ist.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß᧠51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungs senates.

4.2. Zum Tatvorwurf betreffend der Leuchtstofflampen im Lagerraum: Das Arbeitsinspektorat hat in der Anzeige vom 18.5.1995 den Sachverhalt unter die Bestimmung des § 33 Abs.5 ASchG subsumiert und eine Bestrafung iSd § 130 Abs.1 Z16 gefordert. Die Erstbehörde hat diese Bestimmungen übernommen und dem Straferkenntnis zugrundegelegt.

§33 Abs.5 ASchG ordnet an, daß Arbeitgeber bei der Auswahl der einzusetzenden Arbeitsmittel die besonderen Bedingungen und Eigenschaften der Arbeit sowie der am Arbeitsplatz bestehenden Gefahren, für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer und die Gefahren die aus der Benützung erwachsen können, zu berücksichtigen. Es dürfen nur Arbeitsmittel eingesetzt werden, die nach dem Stand der Technik die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer so gering als möglich gefährden.

Was unter einem "Arbeitsmittel" zu verstehen ist, ist in § 2 Abs.5 ASchG definiert. Demnach sind Arbeitsmittel alle Maschinen, Apparate, Werkzeuge, Geräte und Anlagen, die zur Benutzung durch Arbeitnehmer vorgesehen sind. Zu den Arbeitsmitteln gehören insbesondere auch Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen oder Gütern, Aufzüge, Leitern, Gerüste, Dampfkessel, Druckbehälter, Feuerungsanlagen, Behälter, Silos, Förderleitungen, kraftbetriebene Türen und Tore sowie Hub-, Kipp- und Rolltore.

Es ist dem Arbeitsinspektorat nun in der Anzeige nicht gelungen zu begründen, inwieweit die beanstandete Leucht stoffröhre ein "Arbeitsmittel" im Sinne der oben bezeichneten Bestimmungen ist, und noch weniger, inwieweit dadurch Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmern entstehen könnten. Es ist sogar nach § 22 Abs.7 ASchG erforderlich, daßáArbeitsräume während der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Arbeitsvorgänge entsprechend künstlich beleuchtet sein müssen.

Die Feststellung der Arbeitsinspektorin, daß die Leuchtstoff lampen im Lagerraum (in der Lebensmittelabteilung) so angebracht sind, "daß infolge ihres geringen Abstandes zu Lager- und/oder Transportgütern eine erhöhte Unfallgefahr besteht", ist überdies nicht nachvollziehbar, weil der Begriff "geringer Abstand" keine konkrete Feststellung ist, sondern lediglich eine ungefähre Schätzung. Auf eine solche nicht näher konkretisierte Schätzung kann jedoch ein Straferkenntnis nicht gestützt werden. Es liegt im Wesen des Verwaltungsstrafrechtes, daß eine Strafe nur verhängt werden darf, wenn (unter anderem) der Sachverhalt eindeutig festgestellt und durch entsprechende Beweise nachvollziehbar und damit überprüfbar geworden ist. Eine solche Nachvollziehbarkeit besteht jedoch deshalb nicht, weil der Abstand nicht genau festgestellt wurde und auch Konkretisierungen zu den Lager- und/oder Transportgütern fehlen. Klärungsbedürftig wäre jedenfalls auch die Anzahl der Lampen, die angeblich einen zu geringen Abstand hätten, zumal der Bw lediglich von einer einzigen Lampe spricht, während die Arbeitsinspektorin die Anzahl der Lampen überhaupt nicht angegeben, jedoch in der Mehrzahl gesprochen hat.

Es ist nicht Aufgabe des unabhängigen Verwaltungssenates, fehlende Ermittlungen nachzuholen. In der gegenständlichen Angelegenheit wäre es auch gar nicht mehr möglich, durch eine Verhandlung an Ort und Stelle den Sachverhalt nachträglich aufzuklären und zu beweisen, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung der Sachverhalt an Ort und Stelle bereits längst nicht mehr der ist, der am 14.5.1995 von der Arbeitsinspektorin vorgefunden worden ist. Der Tatvorwurf konnte daher nicht aufrechterhalten werden.

4.3. Im zweiten Tatvorwurf wurde dem Bw vorgeworfen, daß im Betrieb keine Kästen zur Aufbewahrung der Bekleidung für die einzelnen Arbeitnehmer vorhanden waren.

Der Bw hat in seiner Berufung darauf verwiesen, daß die Arbeitsinspektorin bei der Besichtigung des Betriebes festgestellt hatte, daß wegen Platzmangels im Betrieb keine Kleiderkästen aufgestellt werden können. Man sei daher übereingekommen, daß eine offene Garderobe sowie Wertsachenkästchen anstelle der Kleiderkästen eingerichtet werden. Diese Darstellung ist durch das Schreiben des Arbeitsinspektorates vom 16.5.1995 an den Bw bewiesen.

Es ist daher für den unabhängigen Verwaltungssenat unver ständlich, warum in diesem Fall überhaupt ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Dadurch, daß die Arbeitsinspektorin an Ort und Stelle festgestellt hat, daß auf Grund des Platz mangels gar keine Kleiderkästen aufgestellt werden können, ist erwiesen, daß den Bw an der fehlenden Aufstellung der Kleiderkästen kein Verschulden treffen kann. Dazu kommt, daßádie in § 86 Abs.1 AAV genannten schädlichen Einflüsse, nämlich Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche in einem Kaufhaus, in dem auch Kleidung und Textilien verkauft werden, ohnedies nicht vorkommen dürfen. Es ist daher dem Bw beizupflichten, daß der Schutzzweck des § 86 Abs.1 AAV im Kaufhaus des Bw auch mit einer offenen Garderobe erfüllt werden kann; dies hat das Arbeits inspektorat mit seinem Schreiben vom 16.5.1995 auch schriftlich bestätigt.

Hinsichtlich der Wertsachenkästen wurde die Rechtfertigung des Bw, daß versperrbare Einrichtungen für die Arbeitnehmer bereitgestellt waren, durch Ergebnisse eines Ermittlungsverfahrens nicht widerlegt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen. Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungs gerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. L e i t g e b

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum