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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280317/8/Kl/Rd

Linz, 10.03.1997

VwSen-280317/8/Kl/Rd Linz, am 10. März 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des FW, vertreten durch die RAe, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 6.12.1996, Ge96-155-1995-KM/ZE, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 6.12.1996, Ge96-155-1995-KM/ZE, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 3.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 8 Abs.3 ArbIG 1993 verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin "H GesmbH" der Kommanditgesellschaft "H KG" mit Sitz in und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF) zu verantworten hat, daß die gemäß den Bestimmungen des § 26 AZG bzw. § 25 ARG zu führenden Arbeitszeitaufzeichnungen bzw. Verzeichnisse für die Arbeitnehmerinnen der Firma H KG, der weiteren Betriebsstätte, Filiale, Frau C, und Frau W, für den Zeitraum 1.6.1995 bis 31.7.1995 dem zuständigen Arbeitsinspektorat für den 6. Aufsichtsbezirk, 1010 Wien, Fichtegasse 11, trotz schriftlicher Aufforderung vom 2.8.1995, 2110/66-6/95, des genannten AI an die Firma H KG in nicht spätestens bis zum 5.9.1995 diesem zur Einsichtnahme vorgelegt bzw. im Original oder in Kopie übermittelt wurden.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten sowie auch von Bevollmächtigten eingewendet und letztlich auch vorgebracht wurde, daß es sich bei den Arbeitnehmerinnen um leitende Angestellte iSd AZG handle, weshalb Arbeitszeitaufzeichnungen nicht zu führen seien. Es wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt.

3. Die BH Wels-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat in Wahrung des Parteiengehörs das anzeigende AI für den 6. Aufsichtsbezirk am Verfahren beteiligt, welches in einer Stellungnahme vom 4.2.1997 die Auffassung vertrat, daß eine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nicht zustandegekommen sei und die Rechtsmeinung des Vertreters des Bw nicht geteilt werden könne, weil es sich um eine eindeutige Doppelbestellung handle.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen. Da schon aufgrund der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 26 Abs.1 des Arbeitzeitgesetzes (kurz: AZG), BGBl.Nr. 461/1969 idF BGBl.Nr. 446/1994, hat der Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen.

Gemäß § 26 Abs.6 AZG haben die Arbeitgeber dem AI die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu geben.

Gemäß § 8 Abs.1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG, sind Arbeitgeber/innen und die gemäß § 4 Abs.5 und 7 beauftragten Personen verpflichtet, den Arbeitsinspektionsorganen auf Verlangen alle Unterlagen zur Einsicht vorzulegen, die mit dem Arbeitnehmerschutz im Zusammenhang stehen. Das sind insbesondere auch alle Verzeichnisse, Vormerke und Aufstellungen, die aufgrund von Arbeitnehmerschutzvorschriften oder von Regelungen für die Heimarbeit zu führen sind.

Arbeitgeber/innen haben dem AI auf Verlangen die in Abs.1 genannten Unterlagen oder Ablichtungen, Abschriften sowie Auszüge dieser Unterlagen zu übermitteln (§ 8 Abs.3 ArbIG).

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 lit.d ArbIG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von 500 S bis 50.000 S, im Wiederholungsfall von 1.000 S bis 50.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in entgegen § 8 Abs.3 Unterlagen, Ablichtungen, Abschriften oder Auszüge nicht übermittelt.

Gemäß § 24 Abs.1 Z2 lit.c ArbIG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von 500 S bis 50.000 S, im Wiederholungsfall von 1.000 S bis 50.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen § 8 Abs.1 keine Einsicht in Unterlagen gewährt.

5.2. Es steht somit fest, daß die gemäß § 26 Abs.1 AZG zu führenden Arbeitszeitaufzeichnungen über Verlangen dem AI sowohl nach § 26 Abs.6 AZG als auch § 8 Abs.1 ArbIG zur Einsicht vorzulegen sind, und darüber hinaus gemäß § 8 Abs.3 ArbIG auf Verlangen dem AI zu übermitteln sind.

5.3. Aus der Anzeige des AI für den 6. Aufsichtsbezirk vom 27.9.1995 geht hervor, daß der gegenständliche Betrieb mit Schreiben vom 2.8.1995 aufgefordert wurde, die Arbeitszeitaufzeichnungen der näher angeführten Arbeitnehmerinnen für den Zeitraum von 1.6.1995 bis 31.7.1995 bis längstens zum 5.9.1995 zu übermitteln. Laut Anzeige wurden aber die verlangten Unterlagen nicht innerhalb der gesetzten Frist übermittelt.

Sowohl mit der Strafverfügung vom 7.11.1995 (als erster Verfolgungshandlung) als auch mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 6.12.1996 wurde dem Bw vorgeworfen, die vom AI für den 6. Aufsichtsbezirk näher bezeichneten Unterlagen nicht wie aufgefordert bis spätestens "zum 5.9.1995 diesem zur Einsichtnahme vorgelegt bzw. im Original oder in Kopie übermittelt" zu haben.

Mit diesem Tatvorwurf ist aber die belangte Behörde nicht im Recht. Wurde nämlich Übermittlung der Aufzeichnungen bis zum 5.9.1995 gefordert, so ist das Nichtvorliegen bis zu diesem Zeitpunkt strafrechtlich nicht von Relevanz. Vielmehr beginnt das vom AI für den 6. Aufsichtsbezirk angezeigte strafbare Verhalten mit Ablauf des 5.9.1995, also am 6.9.1995, wobei das strafbare Verhalten bis zur Erfüllung des Auftrages andauert. Für den genannten strafrechtlich relevanten Tatzeitraum jedoch ist gegen den Bw kein Tatvorwurf und keine Verfolgungshandlung ergangen.

Schon aus diesem Grund war das angefochtene Straferkenntnis, weil das vorgeworfene Tatverhalten keine Verwaltungsübertretung bildet, aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

5.4. Der angefochtene Tatvorwurf erweist sich aber auch noch deshalb als rechtswidrig, weil die belangte Behörde dem Bw vorgeworfen hat, die besagten Aufzeichnungen "nicht zur Einsichtnahme vorgelegt bzw. im Original oder in Kopie übermittelt" zu haben. Damit übersieht sie aber, daß die Vorlage zur Einsichtnahme eine Pflicht nach § 8 Abs.1 ArbIG (im übrigen auch eine Pflicht nach § 26 Abs.6 AZG, welches die speziellere Norm darstellt) bildet, deren Nichtbefolgung eine Verwaltungsübertretung gemäß § 24 Abs.1 Z2 lit.c ArbIG bildet, während das Übermitteln von Original oder Kopie der Arbeitszeitaufzeichnungen eine Pflicht nach § 8 Abs.3 ArbIG darstellt, deren Nichteinhaltung eine Verwaltungsübertretung gemäß § 24 Abs.1 Z1 lit.d ArbIG darstellt. Wenn daher die belangte Behörde dem Bw beide Pflichtverletzungen alternativ in einem Spruch vorwirft, so wird sie hiemit nicht den nach der ständigen Judikatur des VwGH erforderlichen Spruchanforderungen gemäß § 44a Z1 VStG gerecht. Mit dem rechtswidrigen Tatvorwurf ist nämlich nicht eindeutig erkennbar, welcher Tat nunmehr der Bw bezichtigt werden soll. Auch dieser Umstand stellt einen Aufhebungsgrund dar.

5.5. Schließlich hat die belangte Behörde unberücksichtigt lassen, daß für die genannten Arbeitnehmerinnen tatsächlich keine Arbeitszeitaufzeichnungen geführt wurden, was ihr einerseits aufgrund schon vorausgegangener Verwaltungsstrafverfahren bekannt war und andererseits auch aus den Stellungnahmen des Bw unter Hinweis auf den Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs.2 Z8 AZG hervorgeht.

Im Erkenntnis vom 29.7.1993, 91/19/0176, hat der VwGH dargelegt, daß die Übertretung nach § 26 Abs.2 zweiter Halbsatz AZG (alte Fassung, wonach nach dieser Bestimmung Auskünfte zu erteilen und auf Verlangen Einsicht zu geben ist) der Arbeitgeber begeht, der Aufzeichnungen iSd § 26 Abs.1 leg.cit. führt, der Arbeitsinspektion und deren Organen jedoch die Einsichtnahme in diese Aufzeichnungen verweigert. Nicht diese Übertretung, sondern jene nach § 26 Abs.1 leg.cit. wird begangen, wenn die dort genannten Aufzeichnungen nicht geführt werden. Geht daher weder dem angefochtenen Bescheid noch dem Akteninhalt hervor, daß Aufzeichnungen iSd § 26 Abs.1 AZG von den Bf oder einem Bevollmächtigten überhaupt geführt wurden, sodaß auch kein Schluß darauf möglich ist, die Bf hätten die Einsichtnahme in (vorhandene) Aufzeichnungen verweigert, so wurde eine Übertretung nach § 26 Abs.2 zweiter Satz AZG nicht begangen.

Diese Rechtsprechung ist auch auf die nunmehr geltende Rechtslage nach dem AZG sowie die Pflichten nach dem § 8 ArbIG analog heranzuziehen, weshalb eine Übertretung nach § 8 Abs.3 iVm § 24 Abs.1 Z1 lit.d ArbIG voraussetzt, daß Unterlagen (hier Arbeitszeitaufzeichnungen) überhaupt vorhanden sind. Wie aber dem Akt selbst sowie auch aus vorausgegangenen Verwaltungsstrafverfahren ersichtlich ist, wurden solche Aufzeichnungen hinsichtlich der betreffenden Arbeitnehmerinnen überhaupt nicht geführt, waren also nicht vorhanden, weshalb nicht eine Verwaltungsübertretung wegen des Nichtübermittelns der Unterlagen, sondern vielmehr wegen des Nichtführens der Arbeitsaufzeichnungen dem Bw vorzuwerfen gewesen wäre. Dies aber letztlich immer unter dem Aspekt, ob auch tatsächlich eine Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten bestanden hat.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen nach der im Spruch zitierten Gesetzesstelle.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K l e m p t

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