Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280318/4/Le/Ha

Linz, 01.09.1997

VwSen-280318/4/Le/Ha Linz, am 1. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Karl K, A, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang M, H,M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 29.11.1996, Ge96-76-1996-Fr/Gut, wegen mehrerer Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes iVm der Verordnung des Rates (EWG) Nr. 3820/85 und der Verordnung des Rates (EWG) Nr. 3821/85, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrensko-stenbeiträge.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 29.11.1996 wurden über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen insgesamt sechs vorgeworfenen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes sechs Geldstrafen in Höhe von je 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von jeweils 24 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe es als Arbeitgeber zu verantworten, daß, wie im Zuge einer Verkehrskontrolle durch Organe der Sicherheitsbehörde des Kontrollpostens B am 29.5.1996 um ca. 21.00 Uhr durch Überprüfung des für ihn zugelassenen Lastkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen festgestellt worden sei, 1. die Lenkzeit des in seinem Betrieb beschäftigten Kraftfahrers Andreas B vom 27. auf 28.5.1996 14 Stunden und die Lenkzeit des ebenfalls in seinem Betrieb beschäftigten Kraftfahrers Rene L vom 28. auf 29.5.1996 17 Stunden betragen habe, 2. die Lenkpause des Kraftfahrers Rene L am 28.5.1996 nach einer Lenkzeit von fünf Stunden fünfzehn Minuten nur 20 Minuten betragen hätte, 3. die tägliche Ruhezeit des Kraftfahrers Andreas B vom 27. auf 28.5.1996 nur fünf Stunden fünfzig Minuten und am 28. 5.1996 nur sechs Stunden dreißig Minuten betragen habe und die tägliche Ruhezeit des Kraftfahrers Rene L am 28.5.1996 nur fünf Stunden betragen hätte, 4. im oben angeführten Zeitraum die Einsatzzeit des Kraftfahrers Andreas B 46 Stunden 30 Minuten und die Einsatzzeit von Rene L 44 Stunden 30 Minuten betragen habe, 5. der Zeitgruppenschalter nicht ordnungsgemäß betätigt wurde und 6. die erforderlichen Eintragungen in die Tagesdiagrammscheiben nicht vorgenommen worden wären.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die im Spruch bezeichneten Tatbestände im Zuge einer Verkehrskontrolle durch Organe der Sicherheitsbehörde des Kontrollpostens B festgestellt worden wären und was deren tatsächliche Verwirklichung, also die objektive Tatseite anlange, als erwiesen anzusehen seien. Sodann wurde nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage die schriftliche Rechtfertigung des Beschuldigten sowie die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk wiedergegeben.

Die Erstbehörde kam daraufhin zum Ergebnis, daß dem Beschuldigten die angelasteten Übertretungen auch subjektiv vorzuwerfen sind, da sein im Betrieb eingerichtetes Kontrollsystem nicht funktioniere. Es müsse dem Beschuldigten daher grobe Fahrlässigkeit angelastet werden.

Sodann wurden die Gründe der Strafbemessung dargelegt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 13.12.1996, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung brachte der Bw vor, daß das Verfahren mangelhaft durchgeführt worden wäre, weil sich schon aus den von ihm vorgelegten Beweisunterlagen sowie aus seinem Vorbringen ergäbe, daß er ein funktionierendes Kontrollsystem habe. Hinsichtlich der amtswegigen Wahrheitserforschung wäre die Erstbehörde verpflichtet gewesen, den Arbeitnehmer Andreas B als Zeugen zu vernehmen.

Weiters brachte er vor, daß der Sachverhalt in Wahrheit gar nicht festgestellt worden sei, da von der Erstbehörde keine Sachverhaltsfeststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite getroffen worden wären. Es wäre nicht einmal geklärt worden, warum Rene L, der nicht als Arbeitnehmer in seinem Unternehmen beschäftigt sei, seinen Lastkraftwagen in Betrieb genommen und gelenkt hätte, zumal er hiezu von ihm keine Genehmigung erhalten hatte. Überdies wurde ein Deliktsort nicht angegeben und liege dementsprechend eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes des § 44a Z1 VStG vor.

Zur Funktionsfähigkeit des Kontrollsystems verwies der Bw darauf, daß im Zuge der rechtlichen Beurteilung auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen wäre, weil vom Arbeitgeber ein LKW-Fahrer im Fernverkehr nicht in der Form kontrolliert und überwacht werden könne wie ein Arbeitnehmer, der am Nebentisch sitze. Der Bw beantragte daher, der Berufung stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Die Berufung wurde der weiteren Verfahrenspartei, dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk zur Kenntnis gebracht und hat diese mit Stellungnahme vom 16.6.1997 beantragt, der Berufung keine Folge zu leisten. Zum Vorbringen des Bw, er hätte vom Lenkeinsatz des Herrn L nichts gewußt, stellte das Arbeitsinspektorat fest, daß offenbar der notwendigen Kontrolle der Lenker und Fahrzeuge nicht das notwendige Augenmerk geschenkt worden sei.

3.2. Da für die spruchgemäße Entscheidung aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ein ausreichend ermittelter Sachverhalt ersichtlich ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen.

3.3. Der Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk vom 19.7.1996, die als Grundlage der Sachverhaltsfeststellung herangezogen wurde, liegen die Kopien der den Lenkern Andreas B und Rene L abgenommenen Diagrammscheiben bei. Daraus ergeben sich die Lenkzeiten der beiden Kraftfahrer Andreas B und Rene L wie folgt:

B

L

27.5.1996

22.00 - 23.05 Uhr

28.5.1996

23.45 - 04.50 Uhr

04.50 - 07.25 Uhr

08.05 - 08.30 Uhr

08.45 - 09.45 Uhr

09.50 - 11.30 Uhr

12.30 - 14.50 Uhr

15.15 - 17.40 Uhr

17.55 - 21.00 Uhr

29.5.1996

22.10 - 0040 Uhr

01.05 - 03.25 Uhr

04.00 - 04.10 Uhr

07.00 - 10.55 Uhr

13.00 - 13.40 Uhr

14.10 - 13.35 Uhr

15.50 - 16.20 Uhr

16.35 - 16.55 Uhr

17.55 - 18.20 Uhr

19.35 - 20.25 Uhr

20.25 - 20.30 Uhr

Daraus ergibt sich, daß Andreas B im vorgeworfenen Tatzeitraum 27. - 28.5.1996 eine Lenkzeit von exakt 10 Stunden (und nicht 14 Stunden wie im Tatvorwurf 1. vorgeworfen wurde) eingehalten hat.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

4.2. Zum 1. Tatvorwurf: Dieser Tatvorwurf ist aus mehreren Gründen rechtswidrig und verletzt den Bw in seinen Rechten:

4.2.1. Wie aus den der Anzeige zugrundeliegenden Tagesdiagrammscheiben des Andreas B hervorgeht, begann dieser am 27.5.1996 seine Fahrt um 22.00 Uhr und fuhr (mit Unterbrechungen) bis 24.00 Uhr des 28.5.1996 (und darüberhinaus). Im vorgeworfenen Tatzeitraum 27. - 28.5.1996 lenkte er das Fahrzeug laut den auf den Diagrammscheiben enthaltenen Aufzeichnungen (sh. Aufstellung in 3.3.) insgesamt zehn Stunden. Der Vorwurf, daß er den LKW in diesem Zeitraum 14 Stunden gelenkt hätte, ist daher objektiv unrichtig.

Anhaltspunkte dafür, daß Andreas B am 27.5.1996 vor Antritt der ggst. Fahrt bereits diesen oder einen anderen LKW gelenkt hätte, sind aus der Anzeige nicht ersichtlich, weil insbesonders keine weitere Tachoscheibe beigeschlossen ist; es wäre allerdings auch ziemlich unwahrscheinlich, da es sich beim 27.5.1996 um den Pfingstmontag handelte und sohin das Feiertagsfahrverbot in Kraft war.

4.2.2. Bereits in seinem Einspruch vom 7.10.1996 hatte der Bw vorgebracht, daß Rene L zur Tatzeit nicht in seinem Betrieb beschäftigt war, sondern daß er lediglich von seinem Freund Andreas B auf diese Fahrt - ohne sein Wissen - mitgenommen worden wäre. Schon in der Anzeige des Kontrollpostens B findet sich die Rechtfertigung des angezeigten Rene L, wonach er "bei der Firma nicht angestellt" sei.

Die Erstbehörde hat dazu keinerlei Ermittlungen angestellt.

Aufgrund der Übereinstimmung der Rechtfertigung des Bw sowie der Angaben des Rene L geht der unabhängige Verwaltungssenat davon aus, daß Rene L zur Tatzeit nicht im Betrieb des Bw beschäftigt war. Dies hat zur Konsequenz, daß der Bw auch nicht als Arbeitgeber des Rene L anzusehen ist, sodaß er für dessen allfällige Übertretungen des Arbeitszeit-gesetzes auch nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.

4.2.3. Der Tatvorwuf widerspricht schließlich auch dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 iVm § 22 VStG: Dem Bw wurde im ersten Spruchabschnitt vorgeworfen, daß die Lenkzeit des Kraftfahrers Andreas B vom 27. auf 28.5.1996 14 Stunden und die Lenkzeit des Rene L vom 28.auf 29.5.1996 17 Stunden betragen hätte; dafür wurde eine einheitliche Strafe verhängt.

Tatsächlich handelt es sich dabei jedoch um zwei getrennte Verwaltungsüber-tretungen, weil es sich um zwei verschiedene Personen und um zwei verschiedene Tatzeiträume handelt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 16.12.1987, 87/02/0073,0074; 28.9.1988, 88/02/0055) wird, wenn im Falle des Vorliegens mehrerer Verwalungsübertretungen eine einheitliche Strafe verhängt wird, dem Beschuldigten durch die Nichtanwendung des § 22 VStG die Möglichkeit genommen, sich gegen die Verfolgung jedes einzelnen der ihm zur Last gelegten Delikte zur Wehr zu setzen. Auch aus diesem Grunde war der Berufung des Bw hinsichtlich dieses Spruchabschnittes Folge zu geben.

4.3. Zum 2. Tatvorwurf: Hiezu wird auf die Ausführungen unter 4.2.2. verwiesen und festgestellt, daß dieser Tatvorwurf schon allein deshalb rechtswidrig ist, weil der Bw nicht Arbeitgeber des Rene L war.

4.4. Zum 3. Tatvorwuf: In diesem Spruchabschnitt sind in Wahrheit drei Verwaltungsübertretungen vorgeworfen, nämlich die Unterschreitung der Ruhezeit des Andreas B vom 27.5.1 auf 28.5.1996, die Unterschreitung der Ruhezeit des Andreas B am 28.5.1996 sowie die Unterschreitung der Ruhezeit des Rene L am 28.5.1996; dafür wurde eine einheitliche Strafe verhängt. Abgesehen davon, daß der Bw nicht als Arbeitgeber des Rene L anzusehen ist (sh. 4.2.2.), ist auch die Verhängung einer einheitlichen Strafe wegen mehrerer Verwaltungsübertretungen unzulässig (sh. 4.2.3.).

4.5. Zum 4. Tatvorwurf: Auch dieser Tatvorwurf ist rechtswidrig. Hiezu wird auf die Begründung unter 4.4. verwiesen.

4.6. Zum 5. und 6. Tatvorwurf: Das Betätigen des Zeitgruppenschalters sowie die Vornahme der erforderlichen Eintragungen in die Tagesdiagrammscheibe sind Verpflichtungen kraftfahr-rechtlichen Ursprungs, die ausschließlich an die Fahrer gerichtet sind, nicht aber den Arbeitgeber treffen, sodaß eine Bestrafung desselben deshalb rechtswidrig ist (sh. hiezu VwGH vom 25.6.1996, 96/11/0062 - 0065 u.a.).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.: Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen. Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten. Ergeht an:

Beilage Dr. L e i t g e b

Beschlagwortung: Mangelhaftes Ermittlungsverfahren; Lenkzeit; Fahrer nicht im Betrieb beschäftigt

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum